Die bürgerliche Komtess: Fürstenkrone 104 – Adelsroman
By Marhild Hehn
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About this ebook
Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit.
"Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken.
»Drei Uhr, Mama! Sie werden gleich kommen«, sagte der junge Graf Bergen und steckte den Kopf durch einen Spalt der Salontür.
Seine Mutter erhob sich seufzend. »Schrecklich«, murrte sie, verließ aber dennoch den hübschen Raum mit den kostbaren Rokokomöbeln, um sich in den Seitenflügel des alten Wasserschlosses zurückzuziehen. Sie und ihr Sohn hatten vor einiger Zeit vereinbart, Schloss Herrenhorst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Die alte Dame verstand die Zeit nicht und ihren Sohn noch weniger. Für sie war es undenkbar, dass man ihren herrlichen Familienbesitz sozusagen zu einem Museum erniedrigte, in dem fremde Leute ungehindert eindringen und herumtrampeln durften, nur weil sie Eintrittsgeld bezahlt hatten. In jener Zeit, in der sie herangewachsen war, galt es als unfein, über Geld zu sprechen. Man brauchte es zwar, aber man vermied es, darüber zu reden, schon gar nicht, wenn man keines mehr besaß. Verarmt zu sein, galt für Melanie Gräfin Bergen als Schande. Auch die Tatsache, dass ihr Sohn ganz anders darüber dachte, vermochte nichts daran zu ändern.
Martin Bergen, wie er sich bescheiden nannte, zog indes die blaue Jacke mit dem aufgestickten Wappen der Bergen an, um den Besuchern von Schloss Herrenhorst als Führer zu dienen. Es machte ihm nichts aus, die Fremden, die mit Omnibussen und Autos hierherkamen, durch die Räume mit dem kostbaren Mobiliar und den zahlreichen Gemälden zu führen, ihnen die Rüstkammer zu zeigen und die Geschichte des Schlosses und die sich darum rankenden Sagen zu erzählen. Mit Heiterkeit und Charme erfüllte er diese Aufgabe, und keiner der Besucher ahnte, dass
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Die bürgerliche Komtess - Marhild Hehn
Fürstenkrone
– 104–
Die bürgerliche Komtess
Ein Urlaub wird für Martina zum Wendepunkt ihres Lebens ...
Marhild Hehn
»Drei Uhr, Mama! Sie werden gleich kommen«, sagte der junge Graf Bergen und steckte den Kopf durch einen Spalt der Salontür.
Seine Mutter erhob sich seufzend. »Schrecklich«, murrte sie, verließ aber dennoch den hübschen Raum mit den kostbaren Rokokomöbeln, um sich in den Seitenflügel des alten Wasserschlosses zurückzuziehen. Sie und ihr Sohn hatten vor einiger Zeit vereinbart, Schloss Herrenhorst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Die alte Dame verstand die Zeit nicht und ihren Sohn noch weniger. Für sie war es undenkbar, dass man ihren herrlichen Familienbesitz sozusagen zu einem Museum erniedrigte, in dem fremde Leute ungehindert eindringen und herumtrampeln durften, nur weil sie Eintrittsgeld bezahlt hatten. In jener Zeit, in der sie herangewachsen war, galt es als unfein, über Geld zu sprechen. Man brauchte es zwar, aber man vermied es, darüber zu reden, schon gar nicht, wenn man keines mehr besaß. Verarmt zu sein, galt für Melanie Gräfin Bergen als Schande. Auch die Tatsache, dass ihr Sohn ganz anders darüber dachte, vermochte nichts daran zu ändern.
Martin Bergen, wie er sich bescheiden nannte, zog indes die blaue Jacke mit dem aufgestickten Wappen der Bergen an, um den Besuchern von Schloss Herrenhorst als Führer zu dienen. Es machte ihm nichts aus, die Fremden, die mit Omnibussen und Autos hierherkamen, durch die Räume mit dem kostbaren Mobiliar und den zahlreichen Gemälden zu führen, ihnen die Rüstkammer zu zeigen und die Geschichte des Schlosses und die sich darum rankenden Sagen zu erzählen. Mit Heiterkeit und Charme erfüllte er diese Aufgabe, und keiner der Besucher ahnte, dass in der Livree der Eigentümer dieses herrlichen Besitzes steckte. Er freute sich, wenn möglichst viele Leute kamen. Sie konnten wahrlich jeden Euro gebrauchen, um das Wasserschloss einigermaßen instand zu halten. Würde er nicht so viel Fantasie entwickeln, hätte er Herrenhorst längst verkaufen müssen.
Seine Mutter allerdings war auch darin anderer Meinung.
»Du hattest schon längst heiraten sollen«, sagte sie vorwurfsvoll, als sie nach beendeter Besichtigungszeit wieder in dem hübschen Rokokosalon beim Tee saßen.
Martin zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid, Mama, dass ich dich darin enttäusche, aber mir ist eben noch nicht die Richtige über den Weg gelaufen.«
»Nicht die Richtige!«, wiederholte die Gräfin kopfschüttelnd. »Es gibt doch genügend junge Damen, die sich darum reißen würden, Gräfin Bergen zu werden. Da wäre zum Beispiel Jutta von Reckenzin. Sie ist jung, von Adel und hat eine Menge Geld, genau das, was deine Frau braucht.«
»Du hast vergessen, dass sie außerdem auch noch hübsch ist«, fügte Martin hinzu. Er holte seine Shagpfeife hervor. »Ein bisschen viel auf einmal für einen Mann wie mich, findest du nicht auch?«, fragte er, während er sich bedächtig mit seiner Pfeife beschäftigte. »Dem Alter nach könnte sie glatt meine Tochter sein.«
»Papperlapapp! Das tut absolut nichts zur Sache«, entgegnete die Gräfin. »Viele Mädchen heiraten Männer, die wesentlich älter sind.«
»Zugegeben. Und was können wir diesem Traummädchen dafür bieten?«
»Immerhin einen guten, alten Namen. Wir sind ein uraltes Geschlecht. Ist das etwa nichts? Außerdem besitzen wir ein Schloss und Ländereien.«
»Ob das alles zusammen Jutta von Reckenzin beeindrucken wird?«, zweifelte Martin. »Für den Namen kann sie sich nichts kaufen. Das Schloss verschlingt, was die Ländereien abwerfen, und das reicht noch nicht einmal. Wir selber, Mama, und das wenige Personal, das wir uns leisten können, schlagen uns doch mehr schlecht als recht durch, nicht wahr? Das musst du doch zugeben.«
»Eben darum brauchst du eine reiche Frau. Jutta von Reckenzin ist in dich verliebt, das merkt doch ein Blinder«, beharrte die alte Dame. »Sie wäre genau die richtige Frau, um Herrenhorst den Erben zu schenken.«
»Der Erbe bin doch ich, Mama«, sagte Martin ungerührt.
»Noch«, erwiderte die Gräfin, »und was wird später einmal sein?«
»An später denke ich noch nicht. Ich bin gerade erst vierzig geworden, und so Gott will, habe ich noch einige Zeit vor mir.«
»Ich höre aus dir deinen Vater sprechen. Er hat auch nicht daran gedacht, dass er so zeitig sterben würde«, hielt seine Mutter dagegen. »Ganz ernsthaft, Martin, ich wünsche mir eine Schwiegertochter und Enkelkinder. Du bist in den besten Jahren, ein stattlicher Mann, und Jutta von Reckenzin würde dich bestimmt nehmen.«
»Woher weißt du das? Hast du sie schon gefragt?«
Es widerstrebte ihm, dass seine Mutter über ihn verfügen wollte wie damals, als er Hals über Kopf und gegen seinen Wunsch sein Studium abbrechen musste, um die Leitung von Herrenhorst zu übernehmen.
»Wie käme ich dazu«, antwortete seine Mutter jedoch zu seiner Erleichterung. »Fragen musst du sie schon selber.«
»Das wollte ich mir auch ausgebeten haben«, sagte Martin unwillig. »Schließlich ist es meine ganz persönliche Angelegenheit, ob und wen ich heirate. Und ich werde nur eine Frau heiraten, die ich liebe.«
»Von Liebe ist in unseren Kreisen – jedenfalls solange ich mich zurückerinnern kann – wenig die Rede gewesen, umso mehr aber von Pflichten. Liebe findet sich von selbst, mein Sohn. Wenn du erst mit Jutta verheiratet bist …«
»Den Gedanken schlag dir bitte aus dem Kopf, Mama. Weder Jutta noch ich denken daran«, unterbrach Martin verärgert seine Mutter. Er sprang auf und ging im Salon hin und her.
»Nur um des Geldes willen heiraten, welche Idee!« Martin blieb stehen und blickte seine Mutter an. »Ich habe eine andere. Die große Wiese am See ließe sich ausgezeichnet zu einem Campingplatz herrichten.«
Die Gräfin holte tief Luft. »Was sagst du da?«
»Ja, wir sollten einen Campingplatz für junge Leute einrichten, Mama.«
»Das ist doch wohl nicht dein Ernst, Martin? Ein Campingplatz! Wie kommst du nur auf diese absurde Idee?«
Sie sagte es in einem Ton, als habe man ihr zugemutet, aus Schloss Herrenhorst ein Obdachlosenasyl für Landstreicher zu machen. Doch diese Vorstellung entsprach tatsächlich ihrer Meinung von Jugendlichen, die ihre Ferien in Zelten verbrachten und sich spärlich bekleidet in der Sonne rekelten.
»Warum eigentlich nicht, Mama? Es gibt viel zu wenig solche Plätze und einen schöneren, als an unserem See mit dem Wald dahinter, kann sich kein Urlauber wünschen. Hier findet er wirklich Ruhe und Erholung.«
»Gib mir bitte einen Likör!«
»Gern, Mama.«
Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit, nur daran zu nippen, kippte Melanie Gräfin Bergen das Getränk in einem Zuge hinunter. Weiß Gott, nach diesen unerfreulichen Eröffnungen hatte sie eine Stärkung nötig. Schließlich war sie mit ihren siebzig Jahren nicht mehr die Jüngste.
»Mit einer reichen Heirat wären wir alle finanziellen Sorgen los«, brachte sie das Gespräch schließlich wieder auf ihr Lieblingsthema. »So nimm doch endlich Vernunft an, Junge!«
Martin klopfte die Pfeife aus und steckte sie in die Tasche seiner Wildlederjacke, dann erhob er sich.
»Wo willst du hin? Ich denke, wir sind noch nicht zu Ende.«
»Zu den Stallungen.«
»Du führst ein Leben wie ein …, ein Bauer«, sagte die Gräfin geringschätzig. »Wenn das Vater noch erlebt hätte, nicht auszudenken! Er war ein Edelmann vom Scheitel bis zur Sohle! Wo hast du nur diese vulgäre Ader her?«
»Vielleicht von irgendeinem räuberischen Urahn, dem alten Roderich von Bergen, von dem es so viele Geschichten gibt. Der hätte sicher seine helle Freude an mir gehabt!«, scherzte Martin, um einem Streit aus dem Wege zu gehen. »Doch sei versichert, dass ich diese Beschäftigung nicht als Arbeit betrachte, verehrte Mama, Pferde sind nun einmal mein Hobby.«
»Schön und gut, musst du aber deshalb auch den Stallknecht spielen? Als ob du das nötig hättest!«
»Wir haben es nötig«, entgegnete Martin schärfer als beabsichtigt. »Du lebst mit deinen Vorstellungen in einer Zeit, wo sich der Adel noch ein feudales Leben leisten konnte. Heute muss auch ich meine Hände rühren, wenn ich Schloss und Gut erhalten will. Nicht einmal den Nachkommen des Kaisers bleibt dieses Los erspart.«
»Entsetzlich!«, stöhnte die alte Dame, wobei sie in komisch anmutender Verzweiflung die Hände rang. »Einfach schrecklich, wie sich die Welt verändert hat. Aber … eine standesgemäße, gute Partie würde unsere Schwierigkeiten beenden.«
»Nun höre endlich mit deinen Heiratsplänen auf! Dies ist kein Weg für mich, Herrenhorst rentabler zu gestalten. So kommen wir nicht weiter.«
»Aber mit einem Campingplatz, wie?« Die Gräfin grollte. »Ein Platz für Lotterei und Unzucht auf dem Grund und Boden derer von Bergen! Kaiser Karl IV. hat diesen Besitz deinem Urahn einst für treue Dienste und Tapferkeit geschenkt, Martin.«
»Ja, ich weiß, Mama, ich erzähle es den Besuchern jeden Tag.« Er kam auf sie zu und baute sich mit verschränkten Armen vor ihr auf. »Doch jetzt ist es an mir, uns das alles zu erhalten. Schenken wird uns keiner mehr etwas. Das Gut muss modernisiert werden, sonst wird es immer unrentabler, und das Schloss allein verschlingt Unsummen.«
»Und du meinst, so ein …, ein Massenlager wird da etwas nützen?«
»Es wirft eben auch seine Groschen ab. Für die Benutzung nehmen wir Miete. Dafür sorge ich dann auch für die notwendige Ordnung auf dem Platz.«
»Auch das noch!« Die Gräfin blickte ihren Einzigen mit deutlicher Entrüstung an. »Es fehlte nur noch, dass du dich unter diese schamlosen Leute mischst.«
Martin lächelte nachsichtig. »Aber Mama, ein Campingplatz ist doch kein Sündenpfuhl. Und dann: Die Zeiten haben sich geändert. Ich sagte es bereits. Wir dürfen sie nicht mit dem Maßstab deiner oder meiner Jugend