Aus Liebe wurde Hass: Die Klinik am See 19 – Arztroman
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Britta Winckler ist eine erfahrene Romanschriftstellerin, die in verschiedenen Genres aktiv ist und über hundert Romane veröffentlichte. Die Serie "Die Klinik am See" ist ihr Meisterwerk. Es gelingt der Autorin, mit dieser großen Arztserie die Idee umzusetzen, die ihr gesamtes Schriftstellerleben begleitete.
Die Vorlesung war beendet, und Alice Mangold verstaute ihre Hefte und die paar Bücher in ihrer Umhängetasche. Minuten später verließ sie den Hörsaal der Universität. Als sie an der Cafeteria vorbeikam, verspürte sie plötzlich Durst. Kurz entschlossen trat sie ein, ließ sich eine Cola geben und stellte sich an einen der Stehtische. Lächelnd erwiderte sie die Grüße einiger Kommilitonen, die ebenso wie sie Kunstgeschichte studierten. Es war erst ihr zweites Semester, das sie an der Münchener Universität begonnen hatte.
»Hallo, Alice …« Zwei junge Männer, beide erst knapp zwanzig Jahre alt, traten an den Tisch heran.
»Hallo – Peter …, Harry«, erwiderte Alice und warf ihren Kopf mit der Pferdeschwanzfrisur in den Nacken. Ihr Gruß klang nicht gerade sehr freundlich. Zumindest bezog sich das auf Harry Büchner. Den konnte sie nicht besonders leiden. Er war ihr zu aufdringlich. Jede Gelegenheit nahm er wahr, um mit ihr anzubandeln. Alice hatte ihn jedoch bisher immer wieder abblitzen lassen. Da war Peter Steinach anders. Ihn konnte Alice schon besser leiden. Er war ein ruhiger und besonnener Typ, redete wenig und war im Vergleich zu Harrys aufdringlicher Art geradezu schüchtern. Alice war es natürlich nicht unbemerkt geblieben, dass Peters Augen immer glänzend wurden, wenn er sie ansah. Sie wusste natürlich, was das bedeutete. Peter war ganz einfach in sie verliebt, hatte aber bisher noch nie den Versuch einer vertraulichen Annäherung unternommen. Ihr gefiel das nicht nur, sondern es erleichterte sie auch, denn sie wusste, dass sie ihm eine Abfuhr hätte erteilen müssen. Sie mochte Peter zwar, unterhielt sich
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Aus Liebe wurde Hass - Britta Winckler
Die Klinik am See
– 19–
Aus Liebe wurde Hass
Er sollte büßen, weil er sie abwies
B. Winckler
Die Vorlesung war beendet, und Alice Mangold verstaute ihre Hefte und die paar Bücher in ihrer Umhängetasche. Minuten später verließ sie den Hörsaal der Universität. Als sie an der Cafeteria vorbeikam, verspürte sie plötzlich Durst. Kurz entschlossen trat sie ein, ließ sich eine Cola geben und stellte sich an einen der Stehtische. Lächelnd erwiderte sie die Grüße einiger Kommilitonen, die ebenso wie sie Kunstgeschichte studierten. Es war erst ihr zweites Semester, das sie an der Münchener Universität begonnen hatte.
»Hallo, Alice …« Zwei junge Männer, beide erst knapp zwanzig Jahre alt, traten an den Tisch heran.
»Hallo – Peter …, Harry«, erwiderte Alice und warf ihren Kopf mit der Pferdeschwanzfrisur in den Nacken. Ihr Gruß klang nicht gerade sehr freundlich. Zumindest bezog sich das auf Harry Büchner. Den konnte sie nicht besonders leiden. Er war ihr zu aufdringlich. Jede Gelegenheit nahm er wahr, um mit ihr anzubandeln. Alice hatte ihn jedoch bisher immer wieder abblitzen lassen. Da war Peter Steinach anders. Ihn konnte Alice schon besser leiden. Er war ein ruhiger und besonnener Typ, redete wenig und war im Vergleich zu Harrys aufdringlicher Art geradezu schüchtern. Alice war es natürlich nicht unbemerkt geblieben, dass Peters Augen immer glänzend wurden, wenn er sie ansah. Sie wusste natürlich, was das bedeutete. Peter war ganz einfach in sie verliebt, hatte aber bisher noch nie den Versuch einer vertraulichen Annäherung unternommen. Ihr gefiel das nicht nur, sondern es erleichterte sie auch, denn sie wusste, dass sie ihm eine Abfuhr hätte erteilen müssen. Sie mochte Peter zwar, unterhielt sich auch gern mit ihm, aber seine Freundin zu werden, hatte sie nicht im Sinn. Gewiss, er sah gut aus – besser als Harry – und es gab einige gleichaltrige Mädchen an der Uni, die recht gern mit ihm zusammen gewesen wären. Doch Peter schien nur Augen für sie, Alice, zu haben. Auf eine ganz bestimmte Weise schmeichelte ihr das natürlich. In seiner Gesellschaft fühlte sie sich wirklich wohl, zu ihm hatte sie Vertrauen. Das war aber auch alles. Nicht zuletzt auch schon deshalb, weil es einen anderen jungen Mann gab, der ihr Interesse geweckt hatte. Volker Reinegger hieß er und studierte ebenfalls Kunstgeschichte. Es war allerdings nicht so, dass sie sich in ihn verliebt hatte, aber sie gestand sich ein, dass sie nicht ungern mit ihm in Kontakt gekommen wäre.
»Übrigens, Alice …«, unterbrach Harry Alices Gedanken und holte aus seiner Tasche eine Zeitschrift hervor, die er aufgeschlagen auf den Tisch legte. Mit dem Finger deutete er auf ein Bild mit darunterstehenden kurzen Text. »… ich habe da etwas entdeckt. Sieh mal! Fast hätte ich geglaubt, dass du das bist.«
Alice versteifte sich ein wenig. Sie ahnte etwas, und ihre Ahnung bestätigte sich, als sie das Bild sah und den dazugehörigen Text las.
»Die Ähnlichkeit ist verblüffend«, ergriff Harry wieder das Wort und lächelte faunisch. »Man könnte dich und die hier abgebildete Frau für Schwestern halten, wenn nicht …«
»Spar dir die Worte, Harry«, unterbrach Alice den jungen Mann. »Du weißt sehr gut, dass das hier meine Mutter ist.«
»Ja, das weiß ich«, räumte Harry ein. »Eine tolle Frau übrigens, und wenn sie nicht so alt wäre, könnte ich mich glatt in sie verlieben.« Sinnend betrachtete er das Foto in der Zeitschrift, deren Auflage wegen der interessanten Klatschreportagen ziemlich hoch war.
»Meine Mutter ist nicht alt«, erwiderte Alice. »Mit dreiundvierzig ist eine Frau …«
»Schon verstanden«, fiel Harry dem langbeinigen Mädchen grinsend ins Wort. »Ihren Aktivitäten entsprechend scheint sie sogar noch sehr jung zu sein.« Er hatte damit gar nicht einmal so unrecht. Der unter dem Zeitungsfoto stehende Artikel des Klatschreporters schien das nur zu bestätigen. Er beinhaltete nicht mehr und nicht weniger, als das die gerade während eines verrückten Tanzes abgelichtete Katharina Helbrecht in punkto Esprit und Lebenslust trotz ihrer bereits überschrittenen vierzig den jüngeren Altersstufen noch einiges voraus habe und ganz abgesehen von ihrem wirklich rassigen Aussehen auf dem besten Wege war, die Partylöwin der Münchener Schickeria zu werden.
Sinnend und nachdenklich betrachtete Alice das Foto in der Zeitschrift. Irgendwie tat die Mutter ihr leid. Andererseits aber ärgerte sie sich auch über sie.
Nur wenige Sekunden hatten all ihre augenblicklichen Überlegungen gedauert, da riss sie Harrys Stimme wieder aus ihren Gedanken. »Du kannst das Blatt gern behalten, wenn du willst«, sagte er und lächelte verschmitzt. »Vielleicht inspiriert dich das Bild und der Artikel ein …«
»Hör auf, Harry!«, fiel Peter dem Studienfreund energisch ins Wort. »Du siehst doch, dass du Alice damit ärgerst.«
»Ja, ja, schon gut …«, murmelte Harry und schob Alice das Blatt hin.
»Danke«, gab Alice zurück und verstaute es in ihrer Tasche. »Ich muss jetzt aber weiter«, fügte sie hinzu und wollte gehen.
Peter hielt sie zurück. »Ach, bevor ich’s vergesse, Alice«, sagte er, »ich wollte dich für den kommenden Samstag zu einer Fete einladen.« Bittend sah er Alice an.
Fragend gab sie den Blick zurück. »Fete? Wo? Bei wem und weshalb?«, kam es leise über ihre Lippen.
»Tja, eigentlich gibt es dafür keinen besonderen Anlass«, erwiderte Peter. »Volker Reineggers Eltern reisen am Freitag in die Ferien, und Volker meint, dass man das ausnützen müsse, wenn man das ganze Haus für sich allein hat. Er hat schon entsprechende Vorbereitungen getroffen.«
»Wo soll das denn stattfinden?«, wollte Alice wissen, die bei der Nennung des Namens Volker Reinegger aufgehorcht hatte.
»In Hausham, das ist unweit von Schliersee«, kam die Antwort. »Volkers Eltern haben dort ein großes Haus mit Swimmingpool.«
Alice überlegte kurz. Solche Feten hatte sie schon öfters mitgemacht, und es war immer sehr lustig und unterhaltsam gewesen. Man war schließlich jung, und es war ja auch nichts dabei, wenn man das Leben ein wenig genießen wollte. Weshalb sollte sie nicht auch diesmal mitmachen? Es störte sie zwar ein wenig, dass das außerhalb Münchens sein sollte. In der gleichen Sekunde fiel ihr aber ein, dass Schliersee beziehungsweise Hausham gar nicht so weit vom Tegernsee entfernt war, von der Südspitze, da wo bei Rottach ihre Mutter in ihrem Bungalow lebte. Gar nicht so übel, sinnierte sie weiter. Da konnte sie nach langer Zeit am darauffolgenden Sonntag wieder einmal bei der Mutter zu Hause sein. Ausschlaggebend für ihre dann folgende Entscheidung aber war, dass Volker Reinegger mit dabei war.
»Nun, was ist?«, fragte Peter in Alices Gedanken hinein.
»Okay, ich mache mit«, erwiderte Alice. »Wie komme ich aber dahin?«, wollte sie wissen. »Du weißt, dass ich kein Auto, sondern nur einen Motorroller habe.«
»Kein Problem – ich hole dich ab und fahre dich hin …«
»Auch wieder nach Hause?«
Peter nickte nur.
Damit war für Alice dieses Thema erledigt. Sie wollte nur noch wissen, zu welcher Uhrzeit am Samstag sie sich bereithalten sollte.
»Gegen sechs am Abend hole ich dich ab«, antwortete Peter. »Du hast ja noch die gleiche Adresse?«, vergewisserte er sich.
Alice bestätigte es, nickte den beiden jungen Männern verabschiedend zu und verschwand mit elastischem Gang aus der Kantine, bald darauf auch aus dem Universitätsgebäude. Als sie dem Parkplatz zuschritt, auf dem ihr Motorroller stand, fiel ihr noch ein, dass sie eigentlich hätte fragen müssen, ob Harry Büchner etwa auch an dieser Fete teilnahm. Begeistert davon war sie nicht. Dafür aber verspürte sie eine leise erwartungsvolle Freude bei dem Gedanken, dass Volker Reinegger anwesend sein würde. Dabei müsste sich doch bestimmt die Möglichkeit eines Kontaktes ergeben.
Wenige Minuten nach zwei Uhr nachmittags war es, als sie in ihrem in jungmädchenhaften Stil eingerichteten kleinen Appartement in München-Sendling eintraf und ihre Umhängetasche leerte. Dabei fiel ihr wieder das Magazin in die Hände, das sie von Harry Büchner bekommen hatte und in dem ihre Mutter abgebildet war. Über Alices Nase bildete sich eine kleine Unmutsfalte. »Ich muss einmal ernsthaft mit ihr reden«, murmelte sie vor sich hin, »ob ihr das nun gefällt oder nicht. Ja, am Sonntag nach der Fete, werde ich es tun.«
Dieser Entschluss brachte sie gleichzeitig auf den Gedanken, die Mutter anzurufen und ihr mitzuteilen, dass sie den Rest der Nacht vom Samstag auf Sonntag und auch den gesamten Sonntag im Haus am Tegernsee bleiben wolle. Sie ließ diesem Gedanken auch sofort die Tat folgen, griff zum Telefon und rief ihre Mutter an.
Etwas enttäuscht legte sie nach einer Weile wieder auf, denn es meldete sich niemand am anderen Ende der Leitung. »Mama ist wieder einmal unterwegs«, flüsterte sie. »Es würde mich nicht wundern, wenn sie jetzt schon in München ist und sich auf den Abend einstellt.« Wahrscheinlich mit ihrem jetzigen jungen Freund, fügte sie in Gedanken hinzu.
Wie mag dieser Mann wohl aussehen, fragte