Ein Berliner in Istanbul: Hinter den Kulissen der Gezipark Ausschreitungen
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About this ebook
Lars Kazubski
1975 im Ostberliner Stadtteil Köpenik geboren wuchs ich in geordneten Verhältnissen auf. Viel Zeit in der Natur und in Sportvereinen bestimmten meine Kindheit und schon damals verschlang ich alles an Geschichten, was ich über den Orient zwischen die Finger bekam. Der Fall der Mauer 1989 stellte mein Leben buchstäblich auf den Kopf. Als junger Heranwachsender hatte ich damit lange Zeit zu tun und erst mein Wehrdienst von 1995 bis 1996 brachten wieder Ruhe in mein Leben. Ein Jahr später begann ich bei DyWidAg meine Lehre als Zimmermann, nach der ich 2001 leider nicht übernommen wurde. Nach einem glücklosen Versuch im Handwerk selbstständig zu werden, sattelte ich 2004 auf Verkauf um und legte damit den Grundstein für mein heutiges Leben. Im Jahr 2012 wurde ich auf ein Jobangebot aufmerksam: "Arbeiten in der Türkei".
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Book preview
Ein Berliner in Istanbul - Lars Kazubski
erfüllen.
Ankunft
Eins noch vorab
Alles im Leben hat seinen Preis, seien Sie sich dessen bewusst. Das letzte Mal hatte mich mein Weg 1995 ins Ausland geführt, nach Bulgarien an den Sonnenstrand. Was einem irgendwie das Gefühl vermittelt, man wäre im Urlaub. Genau das ist es auch, was Istanbul ausmacht, es fühlt sich an wie Urlaub dort zu leben und für dieses Gefühl bezahlt man einen sehr, sehr hohen Preis. Wenn Sie sich mit dem Gedanken tragen nach Istanbul zu gehen, ist es notwendig, dass Sie etwas beachten. Etwas worüber Sie Sich im Vorfeld absolut im Klaren sein sollten: Letzten Endes wird es nicht Ihre Entscheidung sein, ob Sie in Istanbul leben oder nicht. Istanbul wird diese Wahl für Sie treffen.
Alles was Sie entscheiden können ist, wieviel Sie bereit sind aufzugeben für das Leben hier. Istanbul wird Sie ausspucken oder für immer bei sich behalten. Die Istanbuler sagen, Istanbul ist Verführung und Fluch. Eine launische Schöne, die Sie mit Missachtung strafen oder Ihnen die größten Freuden bereiten kann. Natürlich können Sie das zu einem Teil mitbestimmen. Letzten Endes aber wird die Stadt Sie in die Waagschale werfen und für gut genug befinden oder eben nicht. Wenn Sie wirklich bereit sind, jeden denkbaren Kompromiss einzugehen. Wenn Sie in der Lage sind, Ihre Komfortzone zu verlassen und es mit dem wahren, harten Leben aufzunehmen, dann werden Sie eines Tages am Bosporus sitzen, ein Glas Tee in der Hand, aufs Wasser schauen und voller Dankbarkeit auf den Preis zurückblicken, den Sie gezahlt haben, um an diesem einen Punkt angekommen zu sein. Dieser Preis wird kein geringerer sein, als das Leben des verwöhnten Industriestaatlers komplett hinter sich zu lassen. Sich zu trennen von trinkbarem Leitungswasser. Zu akzeptieren das Strom nicht sieben Tage die Woche und rund um die Uhr zur Verfügung stehen muss. Sie müssen damit klar kommen, dass es nichts geschenkt gibt. Wenn Sie nicht arbeiten gehen, haben Sie kein Geld. Es gibt kein aufwendiges, Milliarden schweres Soziales Netz, das jeden auffängt. Wenn Sie es auf der Arbeit schleifen lassen und rausfliegen, dann bleibt der Kühlschrank leer. Wenn Sie dann keine Vorräte haben, werden Sie hungern. Also legen Sie Geld zurück. Sparen Sie 10.000 oder 20.000 Euro. Besser noch mehr. Istanbul ist nicht billig. Sollten Sie für eine große deutsche Firma arbeiten und ein sicheres, komfortables Einkommen haben, dann muss Sie das alles nicht interessieren. Aber wenn Sie hier aus eigener Kraft auf die Beine kommen wollen, machen Sie sich besser darauf gefasst, in zwei Jahren durchzumachen was Sie in Deutschland vielleicht in zehn Jahren nicht erleben werden. Das ich alles einmal aus eigener Erfahrung schreiben würde, hätte ich mir damals nicht träumen lassen.
Eintreffen in Istanbul
Es war der vierte September des Jahres 2012, als ich in Istanbul auf dem Sabiah Gökçen Flugplatz landete, welcher sich auf der asiatischen Seite jener imposanten Stadt befindet. Dieser vierte September war ein angenehm warmer Tag mit 25 Grad und klarem Himmel. Voller Enthusiasmus kam ich also an diesem Ortan, von dem ich so oft geträumt und von dem ich schon als Kind so viel gelesen hatte. Das Büro war auf der europäischen Seite.
Beim Flug hatte ich ein paar Euro sparen wollen und so musste ich nun von der einen Seite der Stadt zur anderen kommen. Inklusive von dem einem auf den anderen Kontinent, was erstmal nicht weltbewegend klingt. Denn genau dafür hat Istanbul eine zentrale Stadtautobahn, die E5. Mit ihr kann man zügig vom einem Ende der Stadt zum anderen gelangen. Von Stadtgrenze zu Stadtgrenze sind es etwa 80 km Fahrtweg. Berlin hat gerade einmal die Hälfte. Was man auch wissen muss ist, dass in Istanbul ca. 18 Millionen Menschen leben. In Berlin sind es vier, sprich ein Fünftel.
Nun hört man als Berliner von Zugezogenen oder Touries des Öfteren Aussagen wie: Du lebst hier in der Weltmetropole?
, Wie ist das Leben in so einer riesigen Stadt?
oder Man braucht ja ewig um hier von A nach B zu kommen.
. Diese Menschen haben eben Istanbul noch nicht erlebt. Ich dachte mir auch damals immer Naja... in anderthalb Stunden bist du mit der Ringbahn einmal um die Stadt herum gefahren. Über die Nord- Süd Verbindung bist du mit der Stadtbahn keine Stunde unterwegs. Geht eigentlich. Eine Metropole stelle ich mir irgendwie größer vor.
.
Wie sowas wohl aussieht?
. Die Antwort auf diese Frage leitete sich an diesem Tag und mit dieser Fahrt ein. Auf Fragen sollte ich antworten erhalten, die ich mir im Leben nicht hätte einfallen lassen können. So bekam ich auch schon am ersten Tag einen kleinen Einblick in die Ausmaße dieser gigantischen Stadt. Vom Flughafen aus ging es dann sofort auf die besagte E5. Vorbei an einem weitläufigen Einkaufspark, vor dem ein Jahrmarkt aufgebaut war. Zunächst kam man gemächlich auf dieser breiten Autobahn voran. Auf beiden Seiten grüne Landschaften mit weitem Blick zum Horizont, keine Berge oder größere Hügel die die Sicht behinderten. Überall ein- bis zweigeschossige Häuser mit Vorgarten, sehr idyllisch und mit mediterraner Ausstrahlung. Dazu angenehme 25 Grad und ein wenig Fahrtwind der frische Luft ins Auto brachte. Eine angenehme Überlandfahrt also.
In den Augen vieler Zentraleuropäer war die Türkei damals noch ein Entwicklungsland. Als ich meine Freunde von diesem Schritt in Kenntnis setzte, hörte ich unter anderem die Frage, ob es dort denn fließend Wasser aus der Wand gäbe. Zwar wusste ich, dass die Türkei in den letzten Jahren eine gute Entwicklung genommen hatte, überrascht war ich trotzdem von der neuen Infrastruktur, die sich mir schon auf dieser Fahrt in die Innenstadt zeigte. Als Zimmermann sieht man, ob eine Straße fünf Jahre alt ist oder 50. Man sieht wie neu die Laternen und die Ampeln sind. Und was ich auf dieser Fahrt zu sehen bekam, hatte ich nicht erwartet. Langsam wechselte die Umgebung draußen. Es zeigten sich nun überwiegend mehrgeschossige Gebäude mit vielen Läden sowie die ersten großen Einkaufsmärkte. Es wurde städtisch und das Taxi war nun eine Stunde unterwegs. Die Häuser waren stabiler gebaut. Mit reichen Details an den Fassaden und Simsen verziert. Ein wirklich schöner Anblick. Auf den Gehwegen geschäftiges Treiben und die Restaurants gut besucht. Sofort fielen mir die vielen Gemischtwarenhändler auf, die es so in Zentraleuropa leider nicht mehr gibt. Sie haben ihre Waren draußen vor dem Geschäft platziert und davor an der Wand aufgehängt und sind, wie ich noch oft merken sollte, in der Preisgestaltung sehr flexibel. Vereinzelt waren weiter hinten nun auch die ersten Hochhäuser zu erkennen. Schritt für Schritt wandelte sich das