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Touchdown: Wie Unternehmen unschlagbar werden
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Touchdown: Wie Unternehmen unschlagbar werden

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About this ebook

Ein Muss für alle Entscheider und Führungskräfte im strategischen Management sowie jeden, der sein Unternehmen nicht nur erfolgreich, sondern unschlagbar machen will. Strategieberater Dr. Oliver Greiner gibt Ihnen mit seinem Strategiebuch "Touchdown!" genau das Handwerkszeug, mit dem Sie die großen Wettkämpfe Ihrer Märkte gewinnen.

Der Business-Touchdown – die Strategie zum Erfolg

Es sind zwei entscheidende Treiber, die es Unternehmen ermöglichen, in immer radikaleren Marktveränderungen Kurs zu halten und erfolgreich zu sein. Ob etablierter Großkonzern, aufstrebender Mittelständler, engagierter Existenzgründer oder hoffnungsvolles Start-up: Es geht darum, gleichzeitig anders und besser zu sein als der Wettbewerb. Die Beherrschung dieser beiden Disziplinen ermöglicht es, Konkurrenten auszuspielen und echte Touchdown-Momente zu erleben: die Erreichung großer strategischer Ziele.
Unternehmen, die regelmäßig ihre ganz eigenen Wege finden, anders und besser zu sein, sind echte Meister ihrer Märkte – eben Marktmeister! Die Touchdown-Strategie zeigt Wege auf, wie Sie die Strategiearbeit in Ihrem Unternehmen neu ausrichten können, um diese Meisterschaft zu erlangen und so unschlagbar zu werden!

Willkommen bei den Marktmeistern!

Mit einem einzigartigen Einblick in innovative Strategieentwicklungen und aus direkter Anwenderperspektive, bietet das Buch konkrete Vorgehensweisen, um im hart umkämpften globalen Markt zu bestehen. Es zeigt auf, wie Sie systematisch und immer wieder neu jene Stärken und Werte aufbauen, die es Ihnen ermöglichen, entscheidende Positionen im Wettbewerb zu erobern und zu verteidigen.
Gespickt mit interessanten Anekdoten und Beispielen von Flixbus über Lego bis hin zu Red Bull ist "Touchdown" das Strategiebuch für jeden Entscheider, der seine Vision zum Erfolg führen will. Und weist so den Weg, wie Unternehmen und Organisationen gleichzeitig die konzeptionelle und umsetzungsorientierte Stärke aufbauen können, die sie zum nächsten Touchdown bei der Erfüllung ihrer Ziele führen wird.
LanguageDeutsch
Release dateJul 1, 2018
ISBN9783867746199
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    Book preview

    Touchdown - Oliver Greiner

    PROLOG

    IN DER

    GEWINNERZONE!

    Führungskräfte wollen mit Ihren Unternehmen anspruchsvolle Ziele erreichen. Dafür müssen sie kontinuierlich an ihren Wettbewerbern vorbei, um im Markt bei Kunden zu punkten. Genau um diese Erfolgsmomente geht es: Treffer! Slam Dunk! Hole in one! Touchdown!

    Neulich erhielt ich einen Anruf von einem meiner Kunden, den wir bei der Entwicklung seiner Strategie unterstützen durften. Er hatte die erfreuliche Nachricht, dass sein Unternehmen die Vision, die magische Grenze von zwei Milliarden Euro Umsatz zu knacken, umgesetzt hatte. Darauf war die Strategie des Unternehmens ausgerichtet gewesen! Touchdown!, schoss es mir durch den Kopf – Ziel erreicht!

    Neben der Freude über die gute Nachricht blieb mir das Bild des Touchdowns hängen. Warum hatte ich diesen Begriff so unmittelbar vor Augen, als mein Kunde über seinen Erfolg berichtete? Während ich darüber nachdachte, wurde mir klar, dass es für das Strategiebuch, welches Ihnen vorliegt, keinen besseren Titel geben könnte.

    Denn Touchdown ist nicht nur im American Football die Freude über einen Siegtreffer, die Befreiung aus dem Gewühl kämpfender Wettbewerber, das triumphale Ergebnis erfolgreicher Spielzüge. Touchdown ist auch ein Synonym für Durchsetzungsvermögen, Spielstärke und Cleverness.

    Und dann? Nach dem Punktgewinn wird der Ball wieder zurückgetragen und neu angestoßen – auf der Suche nach dem nächsten Touchdown, um das Spiel für sich zu entscheiden, um für die Meisterschaft zu kämpfen. Somit ist Touchdown für mich nicht nur das Bild des einmaligen Ereignisses, mit dem alles endet. Es ist der Höhepunkt einer erfolgreichen Strategie, die gleich wieder angepasst und weiterentwickelt werden muss.

    Auch in der Fliegersprache ist der Touchdown ein Zeichen für Erfolg. Er umschreibt das gelungene Ankommen, nach Turbulenzen wieder sicheren Boden unter den Füßen zu haben – eben Ziel erreicht! Und da ein Flieger am Boden wenig bringt und einrostet, sollte man auch ihn möglichst schnell wieder auf das Rollfeld bringen und durchstarten.

    So ist es auch in Unternehmen. Das Touchdown-Gefühl, welches sich einstellt, wenn man der Erfüllung der gesetzten Vision nahe kommt, ist großartig. Noch großartiger ist es, wenn man es schafft, seinen Verantwortungsbereich kontinuierlich auf anspruchsvolle, visionäre Ziele auszurichten, und die Kraft entwickelt, diese zu erreichen.

    Über die Fähigkeit, nicht nur einmal, sondern oft in die Touchdown-Zone zu kommen, handelt dieses Buch. Es soll Ihnen helfen, die Strategie zu finden, die dazu nötig ist, besser und anders zu werden als Ihr Wettbewerber. Es handelt von der Stärke, die man braucht, um unschlagbar zu werden!

    Die Bausteine, die aus meiner Sicht dafür besonders wichtig sind, habe ich für Sie besonders hervorgehoben. Sie finden diese neben folgendem Symbol, welches das Ankommen auf einem neuen Niveau symbolisiert, von dem aus der Anstoß auf die nächste Ebene erfolgt.

    Auf in den Trainingsraum!

    Viel Erfolg, Ihr Dr. Oliver Greiner

    1

    EINFÜHRUNG

    KURZER ABSTECHER NACH DUBLIN. BITTE EINSTEIGEN!

    Die Kraft, die unternehmerische Erfolgsgeschichten auch in schwierigen Umfeldern möglich macht, hat mich schon immer fasziniert. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Erzielung herausragender Ergebnisse keiner Glückslose in der großen Lotterie des Marktes bedarf, sondern einer Disziplin, die man sich aneignen kann. Einer Disziplin, die als wesentliche Säule die Fähigkeit mitbringt, gleichzeitig anders und besser zu sein als die Wettbewerber.

    1.1. Blick zurück nach vorn

    Was andere können, das kann ich auch, dachte sich Tony Ryan Anfang der 1980er-Jahre. Der ehemalige Mitarbeiter der staatlichen irischen Fluggesellschaft Aer Lingus hatte beobachtet, dass sein Ex-Arbeitgeber und dessen britisches Pendant British Airways sehr gut gebuchte Strecken zu stattlichen Tarifen bedienten. Besonders die »Rennstrecke« Dublin–London hatte regen Zulauf, der über Jahrzehnte konstant geblieben war. Tony Ryan sah in dieser Marktsituation beste Voraussetzungen. Um ebenfalls von diesem Kuchen zu profitieren, gründete er 1985 zusammen mit Partnern eine irische Regional-Fluggesellschaft und taufte sie nach seinem Namen: Ryanair.

    Ryanair startete mit täglichen Flügen zwischen der irischen Stadt Waterford und London-Gatwick. Doch es gelang in den folgenden Jahren nicht, die Vorherrschaft von Aer Lingus und British Airways zu brechen. So stand der Carrier 1992 kurz vor der Pleite. Knapp eine Generation später folgte die Zeitenwende: 2016 war die Lufthansa nach beförderten Passagieren nicht mehr die größte europäische Fluglinie, den Titel schnappte sich – Ryanair. Mehr noch: Die Airline wurde nicht nur der größte Carrier Europas, sie war auch noch der profitabelste. Wie konnte eine fast bankrotte Airline aus dem kleinen Irland das schaffen?

    Bei Ryanair lieferte Michael O’Leary die Initialzündung, um das Unternehmen gleichzeitig anders und besser zu machen als seine Wettbewerber. Als 40-Jähriger hatte er in höchster Not 1993 Ryanair übernommen, nachdem er schon seit einiger Zeit leitende und beratende Funktionen innehatte. Was tat er? Er griff zu einer Sofortmaßnahme. Er übertrug das Billigflug-Konzept »Niedrigste Preise und keine Extras« der US-amerikanischen Fluggesellschaft Southwest Airlines auf sein Unternehmen und machte damit aus Ryanair etwas völlig anderes als die etablierten Fluglinien in Europa. Über Nacht hatte das Unternehmen eine Alleinstellung bekommen und den Kundennutzen schlagartig erhöht. Damit begann der phänomenale Aufstieg von Ryanair.

    Aus der damaligen Perspektive war dieser Erfolg alles andere als selbstverständlich. In den frühen Phasen des europäischen Low-Cost-Modells bestanden große Zweifel, ob sich ein solches Konzept in der Praxis als nachhaltig erweisen würde. Würden die Passagiere akzeptieren, auch bei Wind und Wetter bis zum Flugzeug zu laufen, da der bequeme Zugang über eine Flugbrücke Ryanair zu teuer war? Auf Sitzplatzreservierung verzichten, so dass das Boarding zu einer Art Sommerschlussverkauf wurde, Drängeln inklusive? Die enge Bestuhlung in Kauf nehmen, bei der die Rückenlehnen der Sitze sich nicht mehr verstellen lassen? Für Sandwich und Getränke zahlen und von Provinzflughäfen abfliegen? Der Ansatz war so vollkommen anders als die gesetzte Marktlogik, dass Führungskräfte etablierter Fluglinien nicht damit rechneten, dass Ryanair ihnen gefährlich werden könnte.

    Als sich aber zeigte, dass eine nicht unbedeutende Anzahl an Passagieren dieses so andersartige Konzept zugunsten günstigerer Preise durchaus akzeptierte, stürmten sowohl neue wie etablierte Anbieter das entstandene Marktsegment. Um die Jahrtausendwende, keine sieben Jahren nach dem Geschäftsmodellwechsel von Ryanair, versuchten sich bereits über 50 Anbieter als Billigflieger in Europa – darunter EasyJet, Buzz, Go, Virgin Express und AirBerlin. 2002 gesellte sich auch Germanwings als Tochter der Lufthansa dazu.

    Und Ryanair? Ließ sich von seinen Nachahmern nicht abschrecken. Mit immer neuen, teilweise kontroversen konzeptionellen Ideen blieb das Unternehmen auch im Billigflieger-Segment stets anders als seine Wettbewerber. So entschied Ryanair als erste Fluglinie in Europa, das Freigepäck zu streichen. Gebühren für Kreditkarten zu erheben. Die ganze Flotte mit geschwungenen Verlängerungen der Tragflächen, den sogenannten Winglets, auszustatten, um schneller die Reiseflughöhe zu erreichen. Durch klamaukige Werbung sein Rebellentum gegen die konservativere Konkurrenz zu unterstreichen. Sich als Billigflieger dennoch dem Kundensegment der Geschäftsreisenden anzunähern. Und irgendwann doch wieder Sitzplatzreservierungen einzuführen und die größeren Flughäfen anzufliegen.

    Doch lässt sich der Erfolg von Ryanair nur aus seiner konzeptionellen Stärke heraus erklären, anders als seine Wettbewerber zu sein? Ich denke nicht. Stattdessen bin ich der Überzeugung, dass noch ein zweites Element für diesen Erfolg unabdingbar ist: Die Fluggesellschaft ist in der Umsetzung des Modells einfach beeindruckend besser als ihre Wettbewerber!

    Was heißt das genau? Auch an einen Billigflieger stellen Kunden Ansprüche, die das Unternehmen in seinen täglichen Routinen erfüllen muss: Sicherheit, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Sauberkeit, um nur einige Punkte zu nennen. Ryanair kann bei diesen Kriterien seinen Wettbewerber mehr als nur Paroli bieten. Aber auch bezüglich anderer Merkmale, die Kunden unsichtbar bleiben, zeigt sich die ganze Umsetzungskraft des Unternehmens: Das Management seiner Flotte, die Verhandlungsstärke gegenüber Dritten oder die Beherrschung der Personalkosten sind nur Beispiele.

    Dabei ist natürlich auch Ryanair nicht unfehlbar. 2017 mussten beispielsweise Flüge gestrichen werden, da dem Unternehmen durch Kündigungen unzufriedener Piloten zeitweise Personal fehlte. Ryanair war gezwungen, seine Personalpolitik neu auszurichten, um seinen Wachstumskurs beibehalten zu können. Doch in Summe beweist Ryanair über die Jahre hinweg eine beeindruckende Fähigkeit, seine Umsetzungskompetenz immer wieder neu auszurichten.

    Dem hatten nur wenige der aufkommenden Wettbewerber etwas entgegenzuhalten. Viele gingen insolvent oder fusionierten, Ryanair dagegen eilte von Rekord zu Rekord. Man muss all dies nicht mögen oder gar übernehmen. Eines lebt Ryanair aber konsequent vor: den unbändigen Willen, gleichzeitig anders und besser zu werden, um weiter profitabel zu wachsen. 2017 beförderte Rynair 130 Millionen Passagiere. 2024 sollen es 200 Millionen sein.

    1.2. Meisterhafte Eigenschaften

    Ob als Billigflieger, Hightech-Unternehmen oder Premium-Dienstleister, ob noch ganz im Offline-Geschäft verankert, schon voll online oder irgendwo dazwischen: Trotz aggressiver Nachahmer langfristig zu den erfolgreichsten Anbietern im eigenen Segment zu gehören – das ist die Kompetenz von Unternehmen, die ich »Marktmeister« nenne. Denn sie besitzen das meisterhafte Können, kontinuierlich anders und besser zu werden und zu bleiben als ihre Wettbewerber.

    Wie Sie mit Ihrem Unternehmen auf den Pfad der Marktmeister gelangen können – für diese Reise soll Ihnen dieses Buch ein Wegweiser sein. Denn ich bin überzeugt, dass konzeptionelle Stärke und Umsetzungskraft – also die Fähigkeit, anders und besser zu sein – immer wieder neu justiert werden können, um starke Positionen im Wettbewerb zu erobern und zu verteidigen. Ich will, dass ihr Unternehmen unschlagbar wird!

    Lust, auf diese Reise zu gehen? Dann los.

    2

    HERAUSFORDERUNG

    ANOTHER ONE BITES THE DUST

    Jedes Unternehmen möchte sich erfolgreich entwickeln. Doch warum schaffen es so wenige, mehr als drei Generationen eigenständig zu überleben? Wir begeben uns auf Spurensuche – und werden auf zwei große Herausforderungen treffen.

    2.1 Unverwundbar?

    Und, wie laufen Ihre Geschäfte? Bestimmt haben Sie diese Frage schon oft gestellt bekommen oder selber Gesprächspartnern gestellt. Selten gibt es darauf eine ehrliche Antwort. Und wenn Sie sich die Frage selber stellen? Die Antwort vieler Unternehmer und Führungskräfte geht in etwa so:

    Na ja, es läuft nicht alles rund, aber im Großen und Ganzen sind wir ganz zufrieden. Wir sind schon einige Jahre am Markt und haben uns eine gute Position und Größe erkämpft. Die Veränderungen unseres Geschäftes haben wir auf dem Radar. Digitalisierung? Damit haben wir bereits seit dem ersten Computer zu tun! Konkurrenz durch Start-ups? Die meisten verdienen sowieso kein Geld. Low-Cost-Wettbewerber? Immer wieder ärgerlich, hatten wir aber schon immer. Wir haben die Augen natürlich offen, im Wesentlichen sind wir für die Zukunft aber gut aufgestellt.

    Klingt ziemlich unverwundbar. Die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Unternehmen werden nicht alt. Laut einer aktuellen Studie des Lehrstuhls für Statistik und Ökonometrie der Universität Rostock liegt die Lebenserwartung deutscher Unternehmen bei durchschnittlich acht bis zehn Jahren. Dabei ist natürlich die existenzielle Gefährdung in den ersten Jahren des Bestehens am größten, dann, wenn es darum geht, vom Markt erst einmal akzeptiert zu werden. Doch auch wenn man die früh Gescheiterten rausrechnet, bleiben Studien zufolge Unternehmen gerade einmal 30 bis 40 Jahre lang selbstständig. Lediglich circa fünf Prozent der Unternehmen leben länger als 50 Jahre. Siemens, Bayer, BMW oder Henkel gehören beispielsweise dazu. Da viele von uns mit diesen Unternehmen sozusagen aufgewachsen sind, vermitteln sie uns den Eindruck, als wären Unternehmen quasi unvergänglich. In Wirklichkeit sind sie die Ausnahmen.

    Die Zahlen vermitteln einen Eindruck davon, wie schwer es Unternehmen fällt, sich kontinuierlich verändernden Bedingungen anzupassen und unabhängig zu bleiben. Der Blick auf die Zeit, die ein etabliertes Unternehmen im Durchschnitt eigenständig bleibt, erinnert mich immer wieder an das »Buddenbrook-Phänomen«, das Thomas Mann so wunderbar in Erzählform gebracht hat: Die erste Generation baut etwas auf, die zweite führt es zur Blüte, die dritte richtet es zugrunde.

    Und tatsächlich lässt sich dieses Phänomen auf unsere heutige Wirtschaft übertragen: Die erste Führungsgeneration entdeckt einen Marktbedarf, die zweite nutzt ihn – und die dritte verpasst den Wandel. Das Besondere, welches das ursprüngliche Kennzeichen des Unternehmens ausgemacht hat, wurde nicht ausreichend den veränderten Bedingungen angepasst. Große Konzerne können solche Defizite durch ihr breiteres Portfolio zumindest zeitweise auffangen, für die anderen wird die mangelnde Anpassung schnell existenzbedrohend. Und schon gehört ein Unternehmen, welches bisher so stolz seinen Weg ging, zu den Verlierern des Marktes.

    Vielen Führungskräften ist diese hohe Sterblichkeitsrate nicht präsent, auch wenn die Sensibilität für die Verwundbarkeit des eigenen Unternehmens in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Wenn ich heute über die Überlebenschancen von Unternehmen spreche, so wird immer häufiger die Sorge artikuliert, durch einen »disruptiven« Wettbewerber vom Markt gefegt zu werden. Zum Beispiel von einer aggressiven Plattform, die sich zwischen das Unternehmen und seine Kunden klemmt. Oder von einem neuen Technologieanbieter, der die bisherigen Angebote obsolet macht. Oder von einem cleveren Jungunternehmer, der mit einer schlauen Geschäftsmodell-Idee in die Domäne etablierter Anbieter eindringt. Keine Frage: Wir erleben gerade eine wilde unternehmerische Ära, in der neue Technologien und Ideen neue Chancen und Risiken geschaffen haben. Aber lassen wir uns nicht täuschen: Mit solchen Umbrüchen mussten Unternehmen schon immer umgehen, auch wenn die Zeit, die zur Anpassung zur Verfügung steht, deutlich kürzer geworden ist.

    Der erbitterte Kampf um die Sonnenplätze des Marktes ist kein neues Phänomen. Marktveränderungen und technologische Disruption sind keine exklusive Besonderheit unserer Zeit, auch früher mussten Unternehmen kontinuierlich um ihr Überleben kämpfen.

    Schauen wir zur Erinnerung auf längst verschwundene Unternehmen, die noch vor einer Generation prägend waren. Begleiten Sie mich auf einer kleinen Zeitreise in ein fiktives Wohnzimmer Mitte der 1980er-Jahre:

    Vater kommt nach einem anstrengenden Arbeitstag im AEG-Werk zurück, zieht sich seine Salamander-Hausschuhe an und lässt sich in das frisch von Hertie gelieferte Sofa fallen.

    Er schaltet den neuen Nordmende-Fernseher an und ärgert sich wie immer über das schlechte Programm. Da hilft auch der neue SABA-Videorekorder nichts, denn er hat keine neuen VHS-Videos organisiert. Dann schon lieber von der nagelneuen Grundig-Stereoanlage Musik hören. Queen, Bohemian Rhapsody.

    Da klingelt das Telefunken-Telefon. »Was, schon Zeit für unsere Schafkopf-Runde?«, denkt er sich mit Blick auf seine zur Konfirmation geschenkte Kienzle-Armbanduhr. »Komme schon!«, ruft er in den Hörer.

    Sie haben es gemerkt: Die klangvollen Namen in dieser Geschichte, die nicht nur die Ausstattung des Wohnzimmers meiner Eltern zierten, sondern das Alltagsleben einer ganzen Generation begleiteten, sind Schnee von gestern. Die erwähnten Unternehmen gingen allesamt insolvent. Zwar leben ihre Marken teilweise weiter, doch mit der Organisation, die sie ursprünglich repräsentierten, haben sie nicht mehr viel zu tun.

    Was ist mit diesen prägenden Marken passiert? Und: Wie viele von den heute florierenden Unternehmen wird es in 20 oder 30 Jahren noch geben? Vor allem aber: Wie steht es um die Zukunftsperspektiven Ihres Unternehmens?

    2.2. Scheitern aus doppeltem Grund

    Warum werden Unternehmen nicht alt? Nun gut, viele Unternehmen scheitern, bevor sie überhaupt richtig loslegen können. Ihr Produkt ist nicht marktreif, die Finanzierung nicht gesichert, die Leistungserstellung zu teuer. Andere hören auf, eigenständig zu existieren, weil die Eigentümer keine Nachfolger finden oder Kasse machen wollen und daher das Unternehmen für Übernahmen und Fusionen freigeben.

    Doch woran scheitern Unternehmen, die sich bereits etabliert haben und eigentlich unabhängig bleiben wollen? Wie kann es sein, dass solche Unternehmen nach Jahren des Erfolges plötzlich in wirtschaftliche Schieflage geraten, während andere sich über Jahrzehnte im Auf und Ab der Märkte an der Spitze bewähren?

    Natürlich können Sie Gründe in internen Verfehlungen wie Betrug oder Größenwahn finden. Hierzu gehören zum Beispiel die Pleiten von Enron, FlowTex, der Neuen Heimat. Auch unvorhersehbare Veränderungen der Rahmenbedingungen wie zum Beispiel politische Krisen, Naturkatastrophen oder plötzliche konjunkturelle Einbrüche können stolze Unternehmen brechen und das Aus bedeuten. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass nur ein geringer Anteil der Insolvenzen auf externe Faktoren zurückzuführen ist, auf die man sich als Unternehmen nicht hätte einstellen können. Was ist dann der große Killer etablierter Unternehmen? Gemeinerweise ist es ein Doppelmörder. Er führt auf der einen Seite zum Verlust der konzeptionellen Stärke des Unternehmens und auf der anderen Seite zum Verlust seiner Umsetzungsstärke.

    Mit dem Verlust der konzeptionellen Stärke bezeichne ich den Wegfall der Andersartigkeit in wichtigen Komponenten des Geschäftsmodells. Der Verlust der Umsetzungsstärke bedeutet, dass die Fähigkeit erodiert, ausgewählte, vom Kunden erwartete Leistungsmerkmale besser bereitzustellen als der Wettbewerb.

    Was heißt das genau? Mit dem Verlust der konzeptionellen Stärke geht die Andersartigkeit in wichtigen Komponenten des Geschäftsmodells verloren, etwa die abnehmende Attraktivität des Produktportfolios, das Aussterben des klassischen Zielkundensegments, die Verwässerung der Marke, die Erodierung der Schnittstelle zum Kunden oder die veraltete Produktionslogik. Das Unternehmen verliert zunehmend an Attraktivität für seine Kunden, die sich sukzessive interessanteren Konkurrenten zuwenden.

    Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, gibt es noch jenen zweiten fundamentalen Grund für das Scheitern etablierter Unternehmen: den Verlust der Umsetzungsstärke. Betroffene Unternehmen werden mit Blick auf vom Kunden erwartete Leistungsmerkmale nicht mehr als besser empfunden als alternative Anbieter – sie sind also nicht pünktlicher, zuverlässiger, schneller, freundlicher, partnerschaftlicher, serviceorientierter usw. als ihre Wettbewerber. Vielleicht deswegen, weil sich der Schlendrian im Unternehmen breitgemacht hat, die Motivation der Mitarbeiter verloren gegangen ist oder vergangene Erfolge die Organisation blind gemacht haben für nötige Prozessoptimierungen. Vielleicht ist man sogar noch genauso gut wie früher – nur reicht das als Vorteil einfach nicht mehr aus, weil der Wettbewerb sich schneller weiterentwickelt hat.

    Sowohl der Verlust der konzeptionellen Stärke als auch der Verlust der Umsetzungsstärke kann Unternehmen vor fundamentale Herausforderungen stellen, wenn es ihnen nicht gelingt, die eine durch die jeweils andere Eigenschaft auszugleichen. Besonders unangenehm wird es, wenn beide Schwächen gleichzeitig auftreten. Schauen wir uns beide Problemzonen einmal genauer an.

    2.3. Der Verlust der konzeptionellen Stärke

    Die konzeptionelle Stärke umfasst im Grunde die Wesensmerkmale, durch die sich die Geschäftslogik eines Unternehmens von den Wettbewerbern unterscheidet. Dazu können einzigartige Produkte und Leistungen gehören, eine hervorgehobene Stellung bei ausgewählten Zielkunden, eine starke Marke, eine besondere Form der Leistungserstellung usw. Je austauschbarer ein Unternehmen in diesen Merkmalen wird, umso mehr droht es in eine »Me too«-Position abzurutschen – also von den Kunden nicht mehr als originell, innovativ oder in anderer Weise unterscheidbar wahrgenommen zu werden, sofern es nicht schon vollkommen irrelevant für sie geworden ist.

    Der Videoverleiher Blockbuster war ein solches Unternehmen, welches am Verlust seiner konzeptionellen Stärke gescheitert ist. Zu lange hielt man am klassischen Geschäftsmodell fest, statt, wie Netflix, rechtzeitig auf Streamingdienste zu wechseln. Die bekannte Spielwarenkette Toys R Us musste in den USA Insolvenz anmelden, da sie konzeptionell keinen Weg fand, dem Onlinehandel von Amazon ausreichend Paroli zu bieten. Heidelberger Druck erkannte zu spät, dass digitaler Druck dem analogen vorgezogen wird, und stand eine Haaresbreite vor der Pleite. Nokias Erfolgskonzept des Handyherstellers für die Massen zerplatzte, als das iPhone mit dem einfachen mobilen Zugang ins Internet viel mehr ermöglichte als das reine Telefonieren.

    Prominentestes Beispiel für den Verlust konzeptioneller Stärke ist aber natürlich Eastman Kodak. Noch in den 1970er-Jahren war Kodak nach Börsenwert einer der fünf größten Konzerne der Welt – heute kaum noch vorstellbar. Zu dieser Zeit entwickelt ein Kodak-Ingenieur die erste Digitalkamera. Das Ding sah sehr klobig aus, die Qualität der Bilder war miserabel und ein direkter Angriff auf das existierende Geschäftsmodell. Also Digitalfotografie lieber nicht vorantreiben – denken sich auch andere Größen der Branche wie Agfa oder Fujifilm. Mit ihrem Festhalten an der alten Welt werden Kodak & Co. irrelevant und schlittern in die Insolvenz.

    2.3.1. Disruption? Es geht um mehr!

    Ja, könnten Sie nun einwenden, bei diesen Beispielen geht es speziell um das Phänomen der Disruption von Unternehmen durch neue Möglichkeiten der Digitalisierung. Tatsächlich hat dieses Erklärungsmuster im Zusammenhang mit dem Scheitern ehemals stolzer Unternehmen eine große Popularität gewonnen. Das ganze Silicon Valley folgt dem mit diesem Schlachtruf verbundenen Versuch, etablierte Unternehmen in ihren Grundfesten anzugreifen und sie konzeptionell in die Bedeutungslosigkeit zu schicken.

    Nicht wenige Disruptoren haben in den letzten Jahren komplette Branchen auf den Kopf gestellt – so Airbnb, Uber oder Amazon. Ihr unternehmerisches Gesamtkonzept erwies sich dem der etablierten Unternehmen als überlegen oder zumindest als ernsthafte Bedrohung. Airbnbs Idee, einen Community-Marktplatz für Buchung und Vermietung von Unterkünften zu gründen, eröffnete vielen Kunden eine Alternative zu teuren oder langweiligen Angeboten etablierter Hotelanbieter. Uber schaffte es, eine attraktive Alternative zu klassischen Taxiunternehmen zu etablieren. Und Amazon verbindet einfachen Zugang, große Auswahl, günstige Preise und herausragenden Kundenservice zu einem Ganzen, das so in Handelsunternehmen vorher nicht bekannt war. Kein Zweifel: Wenn wir über das Scheitern von Unternehmen sprechen, gehört Disruption zu einem der wichtigsten Auslöser. Es wäre aber ein Fehler, den Untergang einst fest etablierter Unternehmen ausschließlich nach dem Disruptionsmuster erklären zu wollen.

    Aus meiner Sicht steht das Scheitern durch Disruption für eine besonders dramatische, technologisch getriebene Variante einer gewichtigeren Ursache, welche sich in einer Vielzahl von Formen und Geschwindigkeiten äußern kann: Es geht um den Verlust konzeptioneller Stärke!

    So ist beispielsweise

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