Stadt der Verlorenen: G.F. Barner 118 – Western
By G.F. Barner
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G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität.
Der Wind singt in den vertrockneten Zweigen der Büsche. Ein Geier kreist am Himmel. Und der Sand, über dem eine Alkalischicht liegt, fliegt wirbelnd auf ihn zu.
Alkali brennt in den Augen, rötet die Lider, hinterläßt einen seltsamen Geschmack auf der Zunge.
Seymour spuckt in den Sand, dicht unter die Zweige des Busches. Dann wendet er den Kopf und blickt zu den Pferden. Neben ihm hat der andere seine Bewegung bemerkt und setzt das Fernglas ab.
»Ist was?«
»Nichts, ich wollte nur sehen, was die Pferde machen. Was wird mit dem Jungen?«
»Weiß der Teufel, Seymour.«
Die Welt ist doch klein. Nun ist es fast ein Jahr her. Dabei haben wir nie die Absicht gehabt, sie zu suchen, schon lange nicht mehr. Man stößt aus purem Zufall auf einen alten Kerl. Man redet mit ihm, und er erzählt eine Geschichte. Eine feine Story von fünf Männern. Seltsam, ausgerechnet wir stoßen nach fast einem Jahr aus purem Zufall auf ihn.
»Seymour.«
»Ja?« sagt Seymour und blickt hoch. »Was ist, Marty?«
Der rothaarige Marty neben ihm, den Streichholzrest im Mundwinkel, das Glas wieder an den Augen, spricht nuschelnd und durch das Hölzchen behindert.
»Der Junge geht jetzt in die Hütte.«
Seymour kommt hoch, blickt durch die Zweige und sieht den Jungen unten gerade noch verschwinden. Es gibt keinen Zweifel mehr für sie. Sie wissen es, weil sie den Jungen damals gesehen haben. Keiner von ihnen vergißt ein Gesicht, das es sich zu merken gilt.
Marty erinnert sich noch ganz genau an jenen Tag, an dem der Junge drüben in Colorado in die Stadt kam
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Stadt der Verlorenen - G.F. Barner
G.F. Barner
– 118–
Stadt der Verlorenen
G. F. Barner
Der Wind singt in den vertrockneten Zweigen der Büsche. Ein Geier kreist am Himmel. Und der Sand, über dem eine Alkalischicht liegt, fliegt wirbelnd auf ihn zu.
Alkali brennt in den Augen, rötet die Lider, hinterläßt einen seltsamen Geschmack auf der Zunge.
Seymour spuckt in den Sand, dicht unter die Zweige des Busches. Dann wendet er den Kopf und blickt zu den Pferden. Neben ihm hat der andere seine Bewegung bemerkt und setzt das Fernglas ab.
»Ist was?«
»Nichts, ich wollte nur sehen, was die Pferde machen. Was wird mit dem Jungen?«
»Weiß der Teufel, Seymour.«
Die Welt ist doch klein. Nun ist es fast ein Jahr her. Dabei haben wir nie die Absicht gehabt, sie zu suchen, schon lange nicht mehr. Man stößt aus purem Zufall auf einen alten Kerl. Man redet mit ihm, und er erzählt eine Geschichte. Eine feine Story von fünf Männern. Seltsam, ausgerechnet wir stoßen nach fast einem Jahr aus purem Zufall auf ihn.
»Seymour.«
»Ja?« sagt Seymour und blickt hoch. »Was ist, Marty?«
Der rothaarige Marty neben ihm, den Streichholzrest im Mundwinkel, das Glas wieder an den Augen, spricht nuschelnd und durch das Hölzchen behindert.
»Der Junge geht jetzt in die Hütte.«
Seymour kommt hoch, blickt durch die Zweige und sieht den Jungen unten gerade noch verschwinden. Es gibt keinen Zweifel mehr für sie. Sie wissen es, weil sie den Jungen damals gesehen haben. Keiner von ihnen vergißt ein Gesicht, das es sich zu merken gilt.
Marty erinnert sich noch ganz genau an jenen Tag, an dem der Junge drüben in Colorado in die Stadt kam und für ein halbes Dutzend Männer Verpflegung kaufte. Weder Marty noch Seymour maßen dem besondere Bedeutung bei. Sie sahen den Jungen zwar, aber sie ritten ihm nicht nach. Es war Zufall, daß sie in der Nacht auf dem Heimweg fünf Männern begegneten, die es ziemlich eilig zu haben schienen und Marty und Seymour zwischen den Büschen am Wegesrand nicht sahen. Vier Mann vorn, der Junge mit dem Pinto, auf dem die Verpflegung lag, hinter ihnen – das war das Bild, das Marty und Seymour sahen. Sie hätten selbst den Jungen nicht erkennen können, so dunkel war die Nacht, aber an dem Pinto erkannten sie, daß es der Junge sein mußte.
Drei Tage später hörten sie von dem Überfall auf die Lohngeldkutsche nach Durango. Fünf Männer führten ihn aus. Vier Mann überfielen die Kutsche, der fünfte Mann spielte den Posten. Einer der Passagiere sah eine Pintostute.
Daraufhin ritten Marty und Seymour wie die Wilden los, konnten einige Spuren finden, aber die Fünf hatte der Erdboden verschluckt.
9000 Dollar, denkt Seymour. Soviel hab’ ich noch nie in der Hand gehabt.
»Marty, wollen wir nicht hinunterreiten? Wer sagt, daß er sich an uns erinnert? Die zehn Minuten im Store, in dem er einkaufte, hat der vielleicht heute längst vergessen. Und unsere Gesichter auch.«
»Und wenn er sie nicht vergessen hat, was?«
»Na ja, aber…«
»Kein Aber!« knurrt Marty grimmig. »Sieht er uns und erinnert er sich, dann nimmt er sein Gewehr und schießt. Verdammt, ich möchte nicht auf dem Hang liegen und von jemandem, der in einer Hütte Deckung hat, beschossen werden.«
Seymour liegt still, sie werden also noch warten. Marty ist ein vorsichtiger Mann. Wahrscheinlich, denkt Seymour, würden wir sonst auch nicht mehr leben. Es gab einen ganzen Haufen von Bursche, die wir fingen. Und oft genug haben sie geschossen. Wenn man sich das Kopfgeld verdienen will, dann muß man immer eine Idee schneller und klüger sein als der Verfolgte.
*
Es ist inzwischen Nachmittag. Die Hütte im Tal hat an dieser Seite kein Fenster, darum liegen die beiden Strolche auch hier oben. Vor ihnen senkt sich das Tal, bis es an den versandeten und steinigen Bachlauf führt, an dessen Gegenseite es erneut ansteigt.
Alles still. Die kargen Büsche, das wenige Fettholz und der magere Flaum des Salzgrases am Hang liegen unter der sengenden Sonne.
Marty, dicklich, plump und schwerfällig wie ein Bär, fährt sich unter den Kragen, der verschwitzt und speckig
ist.
»Nun sollten wir es machen«, sagt er heiser. »Geh du mal mehr nach links. Aber paß auf, taucht er auf, dann nichts wie runter, klar?«
»Bin ich ein Flaschenkind, Mensch?«
Seymour kriecht etwas weiter nach links, bleibt jedoch hinter dem Hügel. Er kriecht erst über die Kuppe, als ihm Marty, der auf den Knien kauert, winkt. Nun kommt auch Seymour hoch. Sie stehen beide und laufen dann, etwa dreißig Schritt voneinander entfernt, den Hang hinab in das Tal hinein.
Die Hitze drückt. Die Sonne prallt heiß auf den kargen Boden.
Nun kann Seymour bereits die knorrigen Stellen an den Baumstämmen erkennen, aus denen die Hütte erbaut worden ist. Er rechnet damit, daß der Junge doch vielleicht herauskommt und sie sieht.
Dann ist er auf 60 Yards heran.
Ein Blick zu Marty. Der wird langsamer und hebt hastig die linke Hand. Der Abstand zwischen ihnen wird durch die Länge der Hütte und die des Anbaues bestimmt.
Als Seymour auf Martys feistes Gesicht blickt, sieht er die Schweißperlen, die wie unaufhörlich rinnende Bächlein unter Martys Hut hervorquellen und rieselnd nach unten laufen.
Marty steht still und hat den Mund weit offen. Er keucht vor Anstrengung. Vor Marty steht ein Pfahl, an dem er sich festhält.
Seymour ist nun dicht am Anbau und kann die offene Tür der Hütte sehen. Das Fenster ist an der Hüttenfront neben der Tür zu seiner Seite hin. Es befindet sich etwa anderthalb Meter über dem Boden.
Von drüben winkt Marty. Er stellt sein Gewehr an die Hüttenwand und zieht dann den Revolver. Von nun an wird jedes Gewehr zu unhandlich
sein.
In Seymours Hand liegt gleich danach der schwere Fünfundvierziger, dessen Kugel einen Ochsen töten kann, wenn man ihn auf nahe Entfernung unter Feuer nimmt.
Er duckt sich. Drüben taucht nun Marty auf. Ihm läuft der Schweiß noch immer über das Gesicht. Sie nähern sich von zwei Seiten der Tür der Hütte. Marty muß, will er in die Hütte, um die nach außen geöffnete Tür herum.
Noch zwei Schritte.
Der Junge singt. Das Gesicht Martys verzieht sich zu einer Fratze.
Du singst noch viel lauter, denkt Marty. Es wird Zeit, daß unser Pech aufhört. Die Zeiten sind zu friedlich geworden, nicht mehr viel mit Kopfgeld zu verdienen.
Der Schatten Martys taucht auf. Marty ist schnell, sogar schneller als der hagere Seymour.
Und dann sieht Marty in den Raum und auf den Rücken des Jungen.
Der Junge steht am Herd, er singt nicht mehr. Er rührt in der Pfanne.
Der Junge ist groß, schwarzhaarig und sehnig. Er dreht sich um, streckt die Hand aus und sieht die beiden Männer in den Raum kommen.
Der Schreck lähmt den Jungen, läßt ihn jäh stillstehen.
In diesem Augenblick hebt Marty den Revolver und schlägt zu, ehe der Junge seine Waffe ziehen kann.
Der Junge rutscht am Herd entlang zu Boden.
Und Marty sagt schnaufend:
»Binde ihn zusammen, den Vogel, damit er nicht flattern kann.«
Seymour greift in die Tasche. Für diese Zwecke hat er immer das nötige Werkzeug zusammen. Er nimmt nie Stricke, wenn er jemanden binden muß, er benutzt dünne Lederschnüre.
Er beugt sich über den Jungen und dreht ihn auf den Bauch. Dann bindet er ihm die Hände und Beine zusammen, sieht sich um, starrt auf den Stuhl und schleppt ihn hin.
Marty hilft ihm nicht. Er weiß, daß der Junge gar nichts tun kann.
Der Junge stöhnt nach einer Weile, versucht die Hand zu heben und zuckt einmal.
Einen Moment sitzt er ganz still. Es dauert lange, ehe er die Augen aufmacht.
Es ist ein Blick, der verhangen und irgendwie verwirrt ist.
Du erkennst mich, denkt Seymour, du wirst mich erkennen. Bursche, ich weiß es.
In diesem Moment erinnert sich Ward Ringo.
Wo, denkt der Junge, wo habe ich ihn gesehen?
Der Blick des Jungen geht nach links.
Es ist diese Sekunde, in der Ward den Mann sieht und nun plötzlich weiß, woher er die beiden kennt.
Das pockennarbige Gesicht, das konnte er vorhin nicht ganz genau sehen. Ein Gesicht von solcher Wildheit und Tierhaftigkeit kann man nie vergessen.
Sogar den Namen weiß der Junge. Die Szene im Store fällt ihm ein.
Sie gingen aus dem Store, er blieb noch, um einzukaufen, er hatte noch zu tun.
Und der Storebesitzer sagte abfällig:
»Diese Strolche. Jedesmal, wenn ich sie sehe, denke ich, daß ich Blut rieche. Das sind Marty und Seymour – Kopfgeldjäger.«
Kopfgeldjäger.
Ein Wort nur, aber es nimmt dem Jungen den Atem.
Man hat sie gefunden.
Es ist aus.
*
»Na, sieh mal, der Junge«, sagt Marty hämisch. »Sieh mal einer an, so trifft man sich wieder. Was hast du denn, Junge, hast du dich erschreckt? Ist ein bißchen lange her, seitdem wir uns zuletzt gesehen haben, aber die Welt ist klein, was? Wo sind denn deine Freunde?«
Der Junge hat das Gefühl, daß seine Kehle wie zugeschnürt ist. Nichts sagen, denkt Ward, nichts verraten. So tun, als wenn ich nichts wüßte. Sie haben keinen Beweis, sie wissen längst nicht alles. Nur nichts verraten.«
»Was ist? Ich weiß nicht, was ihr wollt, Leute? Was ist los, warum seid ihr über mich hergefallen?«
»Er weiß nichts, hörst du, Marty?«
Der Junge blickt zu Seymour. Seltsam, daß er sich die beiden Männer so gemerkt hat, sogar ihre Namen noch weiß. Vielleicht kam es daher, daß alles von diesem Einkauf abhing, wer weiß es schon?
»Ich höre, ich höre«, sagt Marty und grinst teuflisch. »Er ist ahnungslos, der gute Junge. Na, dann wollen wir mal mit ihm reden, seinem Gedächtnis etwas nachhelfen.«
Er sieht sich um, lacht leise, als er sich bückt und die Holzstücke hochnimmt, die er sorgsam in das flackernde