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Eternal Fire: Wächter der Illusion
Eternal Fire: Wächter der Illusion
Eternal Fire: Wächter der Illusion
Ebook459 pages6 hours

Eternal Fire: Wächter der Illusion

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About this ebook

Logan und Lara sind wieder miteinander vereint und Leo stellt keine Bedrohung mehr für ihr Leben dar.
Die Hochzeitsvorbereitungen sind in vollem Gange. Alles ist genauso wie Lara es sich immer erträumt hat.
Doch der Gedanke an eine Zukunft mit Logan, lässt Lara nicht mehr los, denn sie möchte ihm nicht nur dieses eine menschliche Leben schenken. Um jeden Preis will sie die Ewigkeit mit ihm verbringen.
Doch was geschieht, wenn der Preis, den Lara dafür bezahlen muss, viel zu hoch ist?
Während sich all ihre Freunde um die Vorbereitungen für die Hochzeit kümmern, und selbst Jean diesen Tag kaum noch erwarten kann, tritt Lara ihrer Zukunft mit gemischten Gefühlen entgegen.
Lara wünscht sich nichts sehnlicher, als für immer bei Logan bleiben zu können, dafür würde sie alles tun.
Doch erst als es schon fast zu spät ist, wird ihr schmerzlich bewusst, was sie dafür opfern muss – ihr gesamtes bisheriges Leben . . .
LanguageDeutsch
Release dateJul 6, 2018
ISBN9783765091278
Eternal Fire: Wächter der Illusion

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    Book preview

    Eternal Fire - Katrin Gindele

    Danksagung

    PROLOG

    SCHLECHTE NACHRICHTEN

    »Wir sind wieder da!«

    Erschöpft, aber zufrieden ließ ich meinen Rucksack auf den Boden gleiten und schaute mich in der Eingangshalle um.

    »Das wurde auch langsam mal Zeit«, sagte Jean lächelnd, als sie aus dem Wohnzimmer kam. »Das College beginnt in zwei Tagen. Ich dachte schon, du spielst mit dem Gedanken, für immer dort zubleiben.«

    Ich erwiderte ihre feste Umarmung. »So schön wie Neuseeland auch ist, zu Hause ist es immer noch am schönsten. Außerdem hat Danny nächste Woche Geburtstag.«

    Jean trat einen Schritt zurück und musterte mich aufmerksam. »Der Urlaub hat dir wirklich gutgetan«, meinte sie. »Du siehst erholt aus, Lara.«

    »Die Landschaft ist der helle Wahnsinn«, nickte ich. »Noch nie habe ich so viele grüne Hügel gesehen.«

    Als ich Jean in die Küche folgte, entdeckte ich auf der Bar zwei Dosen Cola. »Setz dich«, bat Jean. Ihre Stimme war ruhig, aber dennoch hatte ich das Gefühl, dass etwas nicht stimmte.

    »Was ist los? Gibt es Probleme?«

    Jean spähte an mir vorbei in die Eingangshalle.

    »Du sollst sofort in den Buchladen kommen«, sagte sie, als sie Logan dort entdeckte.

    »Ich freue mich auch, dich zu sehen«, gab er grinsend zurück und schlug wie geheißen den Weg zum Buchladen ein.

    Ich kannte meine Freundin gut genug, um zu wissen, dass sie etwas auf dem Herzen hatte.

    »Erinnerst du dich an das Gespräch im Buchladen, welches wir belauscht haben?«, begann Jean zögernd.

    Ich nickte und mich beschlich ein ungutes Gefühl. Jean erzählte mir von dem Gespräch mit Romy und Anna und von dem Verdacht, den beide gegen Arek hegten. Immer wieder betonte sie, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauchte, denn Romy und Anna würden sich darum kümmern. Na klar, dachte ich. Keine Sorgen machen. Sie musste ja auch nicht blöd herumsitzen und die Arbeit mal wieder jemand anderem überlassen.

    »Mache dich nicht verrückt«, sagte Jean und lächelte ein wenig. »Deine Hochzeit ist im März. Bis dahin ist noch reichlich Zeit, um das Problem aus der Welt zu schaffen.«

    Mühsam hob ich den Kopf.

    »Wird das jemals aufhören, Jean? Wird es irgendwann mal eine Zeit geben, in der mich keiner mehr aus dem Weg räumen will?« Einen Moment lang schauten wir uns schweigend an. »Was ist mit Logan?«, fragte ich schließlich. »Muss er davon erfahren?«

    Jean warf einen Blick in die Eingangshalle, um sich zu vergewissern, dass wir allein waren. »Ich konnte Anna nach einer längeren Diskussion vom Gegenteil überzeugen. Sie berichtet ihm vorerst noch nicht von dem Befehl, den Leo bei Arek hinterlassen hat. Sonst hätten wir innerhalb weniger Stunden die gleichen Vorsichtsmaßnahmen am Hals, wie zuvor auch schon bei Leo. Ich finde, so etwas ist im Augenblick noch nicht nötig.«

    Wow. Ich musste schmunzeln. »Du bist ja ausnahmsweise mal auf meiner Seite.«

    Jean rümpfte die Nase. »Immerhin bin ich dein Secutor und wenn es nur darum ginge, sollte ich zu jeder Zeit auf deiner Seite stehen.«

    »Die Hochzeit ist im März«, sagte ich nachdenklich. »Wenn Arek die Hochzeit verhindern will, indem er mir etwas antut, dann bleiben uns bis dahin noch ein paar Monate. Ich konzentriere mich jetzt lieber auf das College und alles andere können wir besprechen, wenn es soweit ist.«

    In Wirklichkeit ging es mir gar nicht um das College. Meine Ausrede war nichts weiter als reiner Selbstschutz. Ich konnte und wollte in diesem Moment nicht weiter über Arek nachdenken. Gerade erst hatte ich mich an meine neugewonnene Freiheit und an ein Leben ohne Angst gewöhnt. Und mit einem Schlag, durch eine einzige Unterhaltung, wurde alles wieder zunichtegemacht.

    NUR EIN UNFALL?

    Ich stand im Buchladen und beobachtete die Menschen auf der gegenüberliegenden Straßenseite durch die Glasscheibe. Einige von ihnen hatten es ziemlich eilig. Voll bepackt mit Tüten und allerlei bunten Päckchen spurteten sie zwischen den parkenden Autos hindurch und rannten in die nächsten Geschäfte. In den letzten Wochen war ich so damit beschäftigt gewesen, mich auf andere Gedanken zu bringen, dass mir die buntgeschmückten Schaufenster beinahe entgangen waren. Leo, der Secutor, der mir eine halbe Ewigkeit lang nachgestellt hatte, war nun tot. Doch sein Vermächtnis war umso lebendiger. Es kam mir so vor, als würde mich Leo in meinen Träumen noch immer verfolgen. Er war ein Gefallener, so hatte Sam ihn genannt, ein Secutor, der nicht mehr das tat, wofür er bestimmt war – dem Menschen beizustehen, für den er ausgesucht wurde. Stattdessen hatte er sich in den Kopf gesetzt, mich zu verfolgen, um sich mit meiner Hilfe an Logan zu rächen.

    Tagsüber versuchte ich mich abzulenken. Ich verbrachte so viel Zeit wie möglich mit Logan, Jean und meiner Familie, damit ich nicht darüber nachdenken musste, was in der Dunkelheit auf mich lauerte.

    Als schließlich die Straßenbeleuchtung eingeschaltet wurde, entdeckte ich den kleinen weißen Flaum, der als dicker Teppich vom Himmel fiel. »Jean, es schneit!«

    Meine Freundin kam ans Fenster und lugte durch die Scheibe. »Der erste Schnee ist immer etwas Besonderes«, hauchte sie mit leuchtenden Augen. »Findest du nicht auch?«

    »Doch, schon«, pflichtete ich ihr bei. Erst viel später würde mir wieder einfallen, dass ich mit dem weißen Zeug eigentlich auf Kriegsfuß stand. »Meinst du, der bleibt schon liegen?«, fragte ich gedankenverloren.

    »Nun ja.« Jean spähte nach draußen. »Möglich wäre es, immerhin haben wir November. In nicht einmal vier Wochen ist Weihnachten.«

    »Ich habe noch gar keine Geschenke«, fiel mir ein.

    Jean kicherte leise und sagte: »Du hast noch genügend Zeit, um deine Geschenke zu besorgen. Wir könnten nächste Woche ins Einkaufszentrum fahren, wenn du willst.«

    In Gedanken zählte ich jede einzelne Flocke, die gegen die Scheibe wehte. »Ja, gut«, sagte ich, mehr zu mir selbst.

    Obwohl ich mir geschworen hatte, nicht mehr darüber nachzudenken, blieb die Sache mit Arek stets in meinem Kopf und sorgte dafür, dass ich kaum bei der Sache war. Doch dann wurde mir schlagartig bewusst, dass es mein erstes Weihnachtsfest mit Logan sein wird.

    »Wie verbringt ihr eigentlich die Feiertage?«, fragte ich Jean ganz vorsichtig. Wurde überhaupt gefeiert?

    Meine Freundin wechselte einen Blick mit Adelheid, dann zuckte sie die Schultern. »Am 24. Dezember gibt es immer irgendwo eine Party. Beinahe jeder Auftrag möchte an diesem Abend den besten Freund oder die beste Freundin dabeihaben. Danach sind wir unter uns. Wir wahren natürlich den Schein und schmücken unsere Fenster und Gärten. Das genügt völlig.«

    Ich seufzte leise. »Also wird nicht gefeiert. Ihr tut nur so.«

    »Möchtest du denn feiern?«, wollte Jean plötzlich wissen. Ohne meine Antwort abzuwarten wirbelte sie herum und wandte sich an Adelheid. »Was meinst du, Adelheid? Gibt es dieses Jahr bei uns vielleicht auch ein richtiges Weihnachtsfest?«

    »So war das nicht gemeint«, warf ich hastig ein. Die Sache war mir höchst unangenehm. »Das war doch nur eine Frage, ich wollte nichts durcheinanderbringen. Außerdem bin ich jedes Jahr bei den Jacksons, unseren Nachbarn. Sie geben eine große Party für Freunde und Bekannte.«

    Ich vermied es, Logan anzusehen, der neben Adelheid saß und so tat, als müsse er sich um dringende Angelegenheiten kümmern. Doch ich wusste genau, dass er unser Gespräch aufmerksam verfolgte.

    Jean schaute wieder zu mir und sah mich erwartungsvoll an. »Möchtest du in diesem Jahr wieder zu den Jacksons gehen?«

    Logan hob den Kopf und schaute in meine Richtung, während ich überlegte.

    »Nein. Ich glaube nicht. Aber es wäre schön, wenn ich am Weihnachtsmorgen Mom und Dad besuchen könnte. Danny wäre bestimmt sehr traurig, wenn er die Geschenke ohne mich aufmachen müsste.« Ich liebte es, ihm dabei zuzusehen, wie er sich durch Berge von Geschenkpapier wühlte.

    »Mm.« Jean sah dabei sehr nachdenklich aus. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass Jean die ganze Zeit über mit Adelheid kommunizierte. Sie benutzten für ihr ›Gespräch‹ eine Illusion, natürlich konnte ich so nicht zuhören.

    »Wir werden Weihnachten feiern!«, entschied Adelheid kurzerhand und strahlte mich an. »Mit einer großen Party und allen Freunden, die in der Nähe wohnen. Was hältst du davon, Lara?« »Ihr müsst euch meinetwegen keine Umstände machen«, wiegelte ich hastig ab. »Ich komme auch ohne Party aus.«

    Adelheid schien kurz darüber nachzudenken. Die Begeisterung für ihren Vorschlag blieb jedoch ungebremst. »Auch gut«, sagte sie nach einer Weile. »Dann also keine Party. Wir feiern im kleinen Kreis.«

    Irgendwie hatte sie mich wohl falsch verstanden. »Ach, komm schon«, bettelte Jean. »Unser erstes gemeinsames Weihnachtsfest! Das wird bestimmt lustig.«

    »Also gut«, gab ich nach, weil sie mich mit ihren großen Kulleraugen flehend anschaute.

    »Aber wirklich nur ein ganz kleines Fest.«

    Jean klatschte begeistert in die Hände. »Oh, Lara. Das wird super. Wir alle zusammen. Wie eine richtige Familie.«

    Unweigerlich musste ich schmunzeln. Mir gefiel es außerordentlich gut, wenn Jean mich auf diese Weise anstrahlte. Wer konnte da noch nein sagen?

    Adelheid sprang von ihrem Platz auf und fuchtelte mit beiden Händen wild in der Luft herum. »Wir brauchen Dekoration für die Wohnzimmer. Und einen Baum. Und natürlich Baumschmuck. Geschenke, wir brauchen Geschenke! Und ich muss mir noch überlegen, was ich zum Essen serviere.«

    Nach einem tiefen Atemzug sagte sie: »Hat jemand von euch Megan und Betty gesehen?«

    Kurz darauf stürmte Brenda in den Buchladen, als hätte sie der Blitz getroffen. »Was ist denn hier los?«, fragte sie sichtlich verdattert. »Deine Illusion war etwas fahrig, Adelheid. Was soll das bedeuten: Baum, Essen, Feier. Von welcher Feier reden wir überhaupt?«

    Jean kicherte verhalten, als Adelheid genervt mit den Augen rollte. Das hatte sie noch nie gemacht.

    »Leg endlich dein Strickzeug weg und hilf mir gefälligst«, fauchte sie Brenda an. »Lara will ein Weihnachtsfest und so wahr mir Gott helfe, sie bekommt ihr Weihnachtsfest!«

    Brenda klappte die Kinnlade runter. »Soll das heißen, wir werden zusammen Weihnachten feiern? Mit allem, was dazugehört?«

    Die gleiche Begeisterung, die ich zuvor auch schon bei Jean und Adelheid entdeckt hatte, schwappte nun ungebremst auf Brenda über.

    »Oh, wie schön«, hauchte sie und spurtete um den Tisch herum. »Hast du auch an die Beleuchtung und den Baumschmuck gedacht? Ich schätze, wir brauchen ungefähr…«

    Puh. Verlegen senkte ich den Blick und starrte auf meine Schuhe. Da hatte ich ja was losgetreten.

    »Ihr könntet Illusionen benutzen«, schlug ich vor. »Mir würde es bestimmt nichts ausmachen. Ich bemerke doch sowieso keinen Unterschied zwischen einem echten und einem ›falschen‹ Weihnachtsbaum.«

    Adelheid starrte mich entrüstet an. »Das kommt gar nicht in Frage! Wenn wir schon feiern, dann richtig!«

    Ihre Worte ließen keinen Widerspruch zu. Und ihr Blick erst recht nicht. Freundlich, aber definitiv zu allem entschlossen. Ein wenig irritiert von ihrer Hartnäckigkeit schaute ich beschämt zu Boden.

    Wenig später verließ Adelheid in Begleitung von Brenda den Buchladen. »Ich denke, sie wird es übertreiben«, sagte ich und seufzte leise.

    Jean grinste. »Oh ja. Das wird sie. Aber weißt du was?« Ihre Augen strahlten. »Ich kann es kaum erwarten.«

    Am Montag in der Mittagspause fehlte jede Spur von Logan. War er den gesamten Vormittag nicht von meiner Seite gewichen, so schien er seit einigen Minuten wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Während ich lustlos in meinem Essen herumstocherte, starrte ich gebannt auf den Eingang und versuchte mir vorzustellen, was ihn aufgehalten haben könnte.

    »Lara?« Widerwillig löste ich meinen Blick von der Tür. »Was ist los?«, wollte Megan wissen, die soeben mit Debra an den Tisch kam.

    »Du weißt nicht zufällig, wo Logan ist?«, fragte ich hoffnungsvoll. Es war untypisch für ihn, einfach so zu verschwinden.

    Megan zuckte mit den Schultern, während ihr wachsamer Blick durch die Cafeteria schweifte. »Mm. Dean und Kevin fehlen ebenfalls. Das ist in der Tat sehr merkwürdig.«

    »Merkwürdig?«, hakte ich skeptisch geworden nach. »Warum findest du das merkwürdig?«

    Megan antwortete nicht. Lustlos stocherte sie in ihrem Essen herum. Ich schloss meine Augen vor den Gefühlen, die mich erfassten. Ob Logan in Bezug auf Arek etwas ahnte? War er deshalb nicht da? Mühsam ignorierte ich das träge Geplauder um mich herum und konzertierte mich stattdessen lieber auf mein Essen. Wenn es tatsächlich so war und Logan zusammen mit den anderen Jungs unterwegs war, um Antworten zu suchen, dann würde ich noch früh genug davon erfahren.

    Jean und ich waren einige Tage später gerade auf dem Weg ins Shoppingcenter. Während der Fahrt unterhielt sie mich mit kleinen Geschichten und erzählte mir etwas über alte Traditionen und darüber, wie die Menschen in anderen Ländern die Feiertage verbrachten.

    Um dem Feierabendverkehr aus dem Weg zu gehen, wollte ich diesmal einen anderen Weg nehmen. Mein Jeep hatte einen Allradantrieb und meisterte die kleine leicht vereiste Gebirgsstraße ohne größere Anstrengungen. Als die Straße schmaler und kurviger wurde, nahm ich sicherheitshalber den Fuß vom Gas. Selbst im Sommer durfte ich an dieser Stelle nicht allzu schnell fahren, wenn ich unbeschadet im Tal ankommen wollte. Normalerweise war das auch kein Problem, doch diesmal wurde mein Jeep schneller und nicht langsamer. Ich versuchte es erneut und trat auf die Bremse. Doch nichts passierte.

    Jean unterbrach ihren Redeschwall und spähte zu mir hinüber. »Lara? Ich möchte dich wirklich nur ungern kritisieren, aber bei diesem Wetter solltest du vielleicht ein bisschen langsamer fahren.« Meine Finger krampften sich ums Lenkrad. »Was glaubst du, was ich hier die ganze Zeit versuche«, fauchte ich. »Irgendetwas stimmt nicht.«

    Für mich wurde es immer schwerer, das Auto in der Spur zu halten. Mit einem Mal blinkten sämtliche Lichter auf dem Armaturenbrett auf.

    »Was machen wir jetzt?«, fragte ich, mittlerweile etwas panischer, als die nächste Kurve vor uns auftauchte. Jean starrte wie gebannt durch die Windschutzscheibe. »Ich hole Hilfe«, sagte sie und kniff die Augen zusammen.

    Währenddessen umklammerte ich das Lenkrad so fest ich nur konnte. Die Kurve kam rasend schnell auf uns zu, dann drehten die Reifen durch und mein Jeep begann zu schlingern. Der Abstand zu den Leitplanken wurde erschreckend schnell kleiner. »Gott steh uns bei«, kreischte Jean. »Wir müssen hier raus!«

    Sie versuchte, meinen Gurt zu lösen, aber er klemmte. Jean gab sich wirklich alle Mühe. Selbst ihre übermenschlichen Kräfte reichten nicht aus. Mein Sicherheitsgurt ließ sich einfach nicht öffnen. Kurzentschlossen beugte sie sich zu mir herüber und griff ins Lenkrad, um den Jeep noch irgendwie in der Spur zu halten. Das konnte nicht verhindern, dass wir dem Abgrund immer näherkamen.

    ›Das überleben wir nicht!‹, schoss es mir unwillkürlich durch den Kopf. Zu mehr war ich nicht fähig. Kein anderer Gedanke drang in mein Bewusstsein. Es gab keine Bilder, die wie ein Film vor meinem inneren Auge abliefen, als der Jeep durch die erste Absperrung krachte. Da war nichts außer dem Gedanken, dass wir sterben würden.

    Jean ließ das Lenkrad los, griff nach meiner Hand und drückte sie fest. »Ich bin bei dir«, flüsterte sie. Der Druck ihrer schmalen Finger wurde stärker. »Hab keine Angst, Lara. Alles wird gut.«

    Selbst im Angesicht des Todes verrichtete mein Secutor seine Arbeit. Unerschrocken und furchtlos. Jean hätte sich aus dem Wagen befreien können, sie war stark und schnell. Ohne weiteres hätte sie ihre Kräfte nutzen können, um sich in Sicherheit zu bringen. Doch anstatt sich selbst zu retten, würde sie mit mir bereitwillig in den Tod gehen.

    Wir hatten gerade die letzte Absperrung durchbrochen, als ich im Rückspiegel sah, wie sich ein undeutlicher Schatten an unsere Fersen heftete. Dunkle Raubtieraugen folgten uns.

    Dann gab es plötzlich einen gewaltigen Ruck und mein Auto kam mit der Vorderachse über dem Abgrund zum Stehen. Beinahe zeitgleich löste sich mein Sicherheitsgurt und ich wurde nach vorne geschleudert. Unsanft knallte ich mit dem Oberkörper gegen das Lenkrad. Zuerst vernahm ich ein seltsames Knacken, dann tanzten kleine Sterne vor meinen Augen. Etwas Warmes tropfte kurz darauf aus meiner Nase und sammelte sich zwischen meinen Lippen. Ein stechender Schmerz breitete sich rasend schnell in meinem Brustkorb aus und presste mir die Luft aus den Lungen.

    »Holt sie raus«, schrie Jean. »Sie ist verletzt!«

    Die Fahrertür wurde aufgerissen und das erschrockene Gesicht von Cole drängte sich ins Fahrzeuginnere. Zielstrebig griff er unter meine Beine und zog mich aus dem Auto. Undeutlich nahm ich die Gestalt wahr, die hinter meinem Auto verharrte.

    Mit rabenschwarzen Augen und hochkonzentriert hielt Logan den Jeep fest und zog ihn ganz langsam auf die Straße zurück. Kevin öffnete die Motorhaube, während Dean auf dem Boden kauerte und die Karosse mit fachmännischer Miene von unten inspizierte. Cole drückte mich fest an seine Brust.

    »Herrgott nochmal!« Jean rannte um das Auto herum und ging auf Logan los. »Was hast du getan?«, brüllte sie ihn an. »Du verdammter Idiot hast ihr die Rippen gebrochen!«

    Sie wirbelte zu mir herum, als ich husten musste und lächelte mich aufmunternd an. »Keine Angst, Lara. Das kriegen wir wieder hin.«

    Ihre Stimme klang traurig. »Ganz ruhig. Nicht bewegen.«

    Meine Augen huschten zu Logan. Mit geballten Fäusten stand er neben meinem Wagen und schaute mich bestürzt an.

    »Das ist ganz allein deine Schuld«, zischte Jean und warf ihm einen bitterbösen Blick zu.

    »Ich glaube, meine Nase ist gebrochen«, flüsterte ich. Und das Atmen wurde mehr und mehr zur Kraftprobe. Cole setzte mich behutsam auf die Decke, die Jean auf dem Boden ausgebreitet hatte und ehe sie etwas dagegen einwenden konnte, kniete Logan schon neben mir.

    Sanft, beinahe ängstlich, legte er seine Finger an mein Gesicht und schloss die Augen. Seine kühlende Illusion strich über meine Haut und stoppte den unablässigen Blutfluss. Ich lächelte dankbar. Sprechen war zu schmerzhaft.

    »Es tut mir so leid«, sagte er kaum hörbar und senkte den Blick. Ich griff nach seiner Hand und versuchte zu lächeln.

    »Wir sollten sie in ein Krankenhaus bringen«, schlug Cole vor.

    Das war mein Stichwort. So gut ich dazu in der Lage war, versuchte ich den Schmerz zu unterdrücken und keuchte: »Kein Krankenhaus!«

    Jean wollte protestieren, doch Logan war schneller. »Sie hat gesagt, kein Krankenhaus.« Dabei streckte er die Arme aus und hob mich hoch. »Ich bringe dich nach Hause, mein Engel.«

    Seine funkelnden Augen streiften das erboste Gesicht meiner Freundin. »Oder willst du mich daran hindern, Wachhund?«

    Jean verschränkte ihre Arme. »Ich weiß genau, was für sie am besten ist und ich sage, sie muss sofort ins Krankenhaus.«

    Ich schüttelte fast unmerklich den Kopf, als mich sein Blick erneut streifte. Behutsam legte er die Decke um meine Schultern und wickelte mich darin ein.

    Jean beobachtete ihn mit Adleraugen. »Meinetwegen«, sagte sie plötzlich. »Dann bring sie nach Hause. Aber wehe, wenn du nicht vorsichtig bist.«

    Logan knurrte etwas Unverständliches, dann drehte er sich um und rannte mit mir auf dem Arm los. Obwohl die Bäume nur so an uns vorbeiflogen, gab er mir das Gefühl, mich in seinen Armen sicher und geborgen zu fühlen.

    Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wie ich ins Wohnzimmer gelangt war.

    Jean hatte mir die ganze Zeit mit beruhigenden Worten zugeredet, aber ich hatte kaum etwas davon verstanden, weil ich noch gar nicht richtig wach war.

    »Lara? Wie geht es dir?«, fragte sie. »Kannst du mir sagen, wie du dich fühlst?«

    Das dumpfe Pochen hinter meinen Schläfen ließ merklich nach. »Ganz gut«, seufzte ich und rieb mir die Augen. Instinktiv tastete ich nach meiner gebrochenen Nase, doch ich konnte keinerlei Verletzung spüren.

    »Habt ihr mich etwa schon wieder ruhiggestellt?«

    Schmerzen hatte ich so gut wie keine mehr, allerdings fühlten sich meine Knochen ungewöhnlich steif an und das wiederum kam mir seltsam bekannt vor.

    »Nun ja …« Jean lächelte ein wenig verlegen. »Das ließ sich leider nicht vermeiden. Du weißt sicher noch, wie unangenehm eine Heilung bei vollem Bewusstsein werden kann. Du warst schließlich dabei, als wir Sam behandelt haben.«

    Die Erinnerung an sein schmerzverzerrtes Gesicht ließ mich zusammenzucken. »Schon gut. Lassen wir das.« Ich versuchte mich aufzurichten. »Wie lange habe ich geschlafen?«

    »Eine ganze Weile«, gestand sie. »Wir mussten sichergehen, dass du wieder ganz hergestellt bist, ehe wir dich aufwachen lassen. Ich hoffe, du bist nicht böse auf mich.«

    Mit einiger Anstrengung gelang es mir tatsächlich, mich aufzusetzen. »Sag mir einfach, welcher Tag heute ist«, forderte ich mit Nachdruck.

    Eine böse Vorahnung überkam mich, als ich ihren reuevollen Gesichtsausdruck bemerkte. Jean setzte sich zu mir aufs Sofa und betrachtete mein Gesicht mir offenkundiger Sorge. »Aber werd’ nicht sauer, o.k.? In fünf Tagen beginnen die Weihnachtsferien.«

    Ich riss den Kopf hoch. »Was?!«

    »Keine Sorge, ich habe mich um alles gekümmert. Du bist im College entschuldigt. Es ist alles in Ordnung, du musst dich nicht aufregen. Das ist nicht gut für dich.«

    Wütend wehrte ich ihre Hand ab und sprang auf.

    »Drei Wochen, Jean! Drei Wochen? Wie geht denn sowas? Habt ihr mich etwa an irgendwelche Maschinen angeschlossen, oder was habt ihr …« Mir wurde schwindlig.

    »Ganz ruhig, Lara.« Jean griff mir unter die Arme. »Dein Körper muss sich erst wieder an die aufrechte Haltung gewöhnen.«

    Sie beäugte mich skeptisch, als ich ihre Bemerkung mit einem Kopfschütteln wegwischte.

    »Ihr könnt mich doch nicht einfach so drei Wochen lang außer Gefecht setzen. Das ist wirklich langsam nicht mehr witzig!«

    Jeans Gesicht verdüsterte sich immer mehr. »Wir haben uns nach dir gerichtet, falls du das schon vergessen hast. Du hast gesagt, kein Krankenhaus, und obwohl ich damit nicht einverstanden war, habe ich deinen Wunsch respektiert.«

    Sie erwiderte meinen düsteren Blick mit unnachgiebiger Härte. »Die Zeit deiner Genesung mag dir lang erscheinen, aber was glaubst du wohl, wie lange du mit diesen Verletzungen im Krankenhaus zugebracht hättest? Du kannst wirklich froh sein… «

    Jean unterbrach ihren Redeschwall und drehte den Kopf ruckartig zur Hintertür.

    Zögernd folgte ich ihrem Blick und fragte: »Wer ist da?«

    Frustriert stöhnte sie auf. »Da ist niemand, Lara. Du sollst in die Garage kommen. Logan will dich sprechen. Ich habe ihm zwar mitgeteilt, dass du dafür noch zu schwach bist, aber er meinte, dass du das selbst entscheiden kannst.«

    Irgendjemand stand draußen im Flur, da war ich mir sicher, und wartete darauf, dass ich den Raum verließ. Obgleich ich zu gerne gewusst hätte, was Jean vor mir zu verbergen versuchte, trottete ich in die Eingangshalle und machte mich von dort aus auf den Weg in die unterirdische Garage.

    Logan kniete inmitten von herumliegenden Autoteilen auf dem Boden und warf ein Werkzeug nach dem anderen gegen die Wand.

    »Was machst du da?«, fragte ich, als er sich langsam zu mir umdrehte. War das etwa der Motor? Konzentriert kniff ich die Augen zusammen, dann durchzuckte mich die Erleuchtung wie ein Blitz. »Ist das etwa mein Auto? Was!? Du hast meinen Jeep total auseinandergenommen?«

    »Der Unfall ging nicht mit rechten Dingen zu«, sagte er versonnen. »Aber ich kann beim besten Willen keinen Hinweis darauf finden, warum deine Bremsen versagt haben und wieso der Airbag nicht funktioniert hat.«

    Er beugte sich vor und griff nach einem Tuch, um sich die Hände abzuwischen. »Doch eins ist sicher. Das war kein Zufall.«

    Ich überlegte, ob Arek mit der Sache etwas zu tun haben könnte. Ich verdrängte meine Gedanken an Arek und fragte: »Ähm. Hast du überhaupt schon einmal ein Auto auseinandergenommen und dann wieder zusammengesetzt?«

    Die Frage war durchaus berechtigt, wie ich fand. Logan richtete sich auf. »Nun … nein. Aber bekanntlich gibt es für alles ein erstes Mal, nicht wahr?«

    »Aber du hast dir hoffentlich gemerkt, wo welches Teil hingehört?«

    Logan warf mir einen belustigten Blick zu. »Sei unbesorgt, Lara. Ich mache das schon.«.

    »Vergiss bloß keine Teile«, mahnte ich vorsorglich. »Das könnte ziemlich unangenehm werden.«

    Logan nickte grinsend und machte sich sogleich an die Arbeit. Direkt vor meinen Augen setzte er meinen Jeep in einer unglaublichen Geschwindigkeit zusammen. Das Ganze dauerte kaum mehr als eine halbe Stunde.

    »Fertig.«

    Er setzte sich hinters Lenkrad und startete den Wagen. »Traust du mir denn gar nichts zu, mein skeptischer Engel?«

    Der Jeep schnurrte wie ein zufriedenes Kätzchen. Uff. Mit akribischer Sorgfalt inspizierte ich den Jeep. Letztendlich musste ich mich geschlagen geben.

    »Dann steht unserem Einkaufsbummel ja nichts mehr im Weg. Durch den Unfall habe ich leider immer noch keine Geschenke, wie du weißt, und langsam wird die Zeit knapp.«

    Drei Wochen. Einfach ausgelöscht. Ich würde alle Mühe haben, die verlorene Zeit aufzuholen.

    »Kommt nicht infrage!«

    Logan stieg aus dem Jeep und baute sich vor mir auf.

    »Und warum nicht?«, fragte ich. »Du hast doch eben noch gesagt, dass mein Jeep fertig ist.«

    Missmutig knabberte ich an meiner Unterlippe, um meine herbe Enttäuschung zu verbergen.

    »Deinem Jeep fehlt nichts«, lenkte Logan ein, als er meinen zerknirschten Gesichtsausdruck bemerkte. »Aber in deinem Zustand wirst du auf keinen Fall zum Einkaufen fahren.«

    »In welchem Zustand denn?« Nun verstand ich gar nichts mehr. »Ich denke, ich bin vollständig genesen? Bin ich nun gesund oder nicht?«

    »Du brauchst noch ein wenig Ruhe«, brauste Logan unerwartet auf.

    Ich funkelte ihn böse an, denn ich kannte seinen unverhofften Stimmungswechsel nur allzu gut. »Brauche ich nicht. Ich fühle mich sehr gut.«

    Logan knirschte mit den Zähnen.

    »Wir bleiben auch nicht lange«, versuchte ich ihn umzustimmen. »Und ich verspreche dir, ganz vorsichtig zu fahren.«

    Seine Augen wurden schmal. »Lieber nicht«, sagte er mit dieser seltsamen bedrohlichen Samtstimme. »Mir wäre wohler zumute, wenn du nicht gehst.«

    Ich überlegte, ob ich betteln sollte, aber ich wusste, das würde nichts bringen. Also musste eine Alternative her. »Ich könnte ja Romy und Anna fragen, ob sie mich begleiten wollen. Notfalls können sie mich zum Auto tragen, falls ich unterwegs tatsächlich zusammenbreche. Was hältst du davon?«

    »Nicht viel.« Er schüttelte den Kopf und ich seufzte.

    »Warum nicht?«, quengelte ich.

    »Kein bestimmter Grund«, sagte er und wandte den Blick ab.

    »Fein.« Resigniert gab ich auf. »Dann schenke ich meiner Familie dieses Jahr eben nichts zu Weihnachten. Auch gut.«

    Logan zog grübelnd die Augenbrauen zusammen. »Ist es denn so wichtig für dich?«

    »Also, das ist folgendermaßen …«

    Ich versuchte so viel Überzeugungskraft wie nur möglich aufzubringen. »An Weihnachten trifft sich die ganze Familie. Es wird gegessen, man singt Weihnachtslieder und es werden Geschenke verteilt. Jeder überlegt sich eine Kleinigkeit, womit man dem anderen eine Freude machen kann. Das ist aufregend und sehr schön und es gehört zu Weihnachten einfach dazu.«

    Logan lächelte mich an, als würde er jetzt erst kapieren, warum mir die Sache so wichtig war. Trotzdem schüttelte er kurz darauf wieder den Kopf. Noch weiter mit ihm zu diskutieren machte scheinbar keinen Sinn mehr.

    »Wenn du nichts dagegen hast, dann gehe ich jetzt nach oben und frage Jean, ob sie für mich in die Stadt fährt. Irgendwer muss ja schließlich die Geschenke für meine Familie besorgen, wenn es mir verboten wurde.«

    Sein Gesicht verhärtete sich und seine Augen wurden schmal. »Du willst Jean darum bitten? Warum?«

    »Wen soll ich denn sonst fragen?«, beschwerte ich mich. »Jean ist meine beste Freundin und abgesehen davon, dass sie auch mein Secutor ist, glaube ich nicht, dass sie etwas dagegen hätte.«

    Ich wusste, dass meine Argumentation einer seltsamen Logik folgte. Aber was Besseres fiel mir leider nicht ein. »Wenn du mir verbietest, in die Stadt zu fahren, bin ich nun einmal auf fremde Hilfe angewiesen«, fügte ich mürrisch hinzu.

    Wir tauschten einen flüchtigen Blick, dann zuckte er mit den Schultern. »Meinetwegen, dann geh. Du lässt ja doch nicht locker.«

    Jetzt verstand ich gar nichts mehr. »Ich darf gehen? Einfach so?« »Du willst deinen Secutor losschicken, weil ich dir den Ausflug untersagt habe.«

    Logan sog scharf die Luft ein. »Dein Wachhund wird mich in der Luft zerreißen, wenn sie davon erfährt.«

    Sollte ich vielleicht erwähnen, dass Jean eigentlich derselben Meinung war wie er? Lieber nicht.

    »Dann fahren wir am besten gleich los«, lenkte ich freundlich ein. Auf keinen Fall wollte ich riskieren, dass Logan seine Meinung noch einmal überdachte.

    »Nur unter einer Bedingung, Lara.«

    Nervös trat ich von einem Fuß auf den anderen. »Und die wäre?« Er straffte die Schultern. »Du benutzt deine Kreditkarte für die Einkäufe. Entweder so oder gar nicht.«

    Empört öffnete ich den Mund, um zu protestieren, denn ich hatte mir geschworen, die Kreditkarte, die mir vollen Zugriff auf sein Vermögen erlaubte, niemals zu benutzen.

    Logan schmunzelte amüsiert. »Überlege es dir gut, mein Engel. Du hast die Wahl.«

    Ich war überzeugt davon, dass er sich nicht umstimmen lassen würde. »Na gut«, antwortete ich zögernd.

    Logan nickte zufrieden.

    So ein Schuft!

    MERRY CHRISTMAS

    Wie zu erwarten waren die Geschäfte hoffnungslos überfüllt. Ich verharrte noch ein paar Minuten am Eingang, bis ich mir sicher war, dass mich niemand zerquetschen würde. Dann atmete ich tief durch und stürzte mich in das Getümmel.

    »Sieh mal.« Jean hielt eine Packung mit roten Kugeln hoch. »Sind die nicht allerliebst? Und was hältst du von diesen goldenen Zapfen? Die würden ganz wunderbar mit den Kugeln harmonieren.«

    Ich erkannte meine Freundin kaum wieder.

    »Seit wann stehst du denn auf solchen Schnickschnack?«, fragte ich spöttisch.

    Ihre Augen glänzten mit dem Baumschmuck regelrecht um die Wette. Sie stellte den Karton ab und zwinkerte mir zu.

    »Seit Weihnachten vor der Tür steht«, kommentierte sie gelassen, aber mit einer gewissen Ernsthaftigkeit in der Stimme.

    »Vielleicht haben wir dafür später noch Zeit«, sagte ich achselzuckend und schob sie vorwärts. »In erster Linie brauche ich Geschenke und keine Weihnachtskugeln.«

    Volle drei Stunden später war ich mit meinen Kräften am Ende. Der anfängliche Eifer, der mich unaufhaltsam vorwärtsgetrieben hatte, war längst verflogen. Dessen ungeachtet konnte sich meine Ausbeute durchaus sehenlassen, wie ich fand. Für Mom und Dad hatte ich eine Wochenendreise in die Berge ergattert. Super Sonderangebot. Danny würde das Wochenende bei mir und Logan verbringen. Das hieß, falls er bei dem Haufen Spielzeug, das sich gerade auf meinem Arm türmte, das Haus überhaupt noch verlassen wollte. Als Jean damit beschäftigt gewesen war, eine Kleinigkeit für Adelheid und Brenda auszusuchen, nutzte ich ihre kurze Unaufmerksamkeit und kaufte schnell den hübschen blauen Pulli, den wir vorhin im Schaufenster bewundert hatten. Auch für den Rest meiner neuen Familie hatte ich ein paar Geschenke gefunden. Ob ich damit richtig lag, würde sich bald zeigen. Jetzt fehlte nur noch das Geschenk für Logan. Doch mir wollte einfach nichts einfallen. Was sollte man jemandem schenken, der eigentlich schon alles besaß?

    Als ein Tisch im Diner an der Promenade frei wurde, ließ ich mich erschöpft auf den Stuhl fallen und bestellte bei der genervten Kellnerin zwei Cola.

    »Das ist die reinste Folter«, stöhnte ich, während ich eine Weile die vorbeieilenden Menschenmassen beobachtete. Wer wollte sich freiwillig so etwas antun?

    Jean nippte an ihrer Cola, ehe sie den Blick auf mein Gesicht lenkte. »Jetzt hast du es ja überstanden«, meinte sie lächelnd. »Und du hast deine Karte benutzt. Das wird Logan gefallen.«

    »Einerseits wird mir ganz schlecht, wenn ich an das viele Geld denke, das ich gerade ausgegeben habe«, murmelte ich.

    »Und andererseits?«, hakte Jean interessiert nach.

    »Andererseits muss ich immerzu daran denken, wie er mich angesehen hat, als ich ihm damals gesagt habe, dass ich die Kreditkarte niemals benutzen werde. Er war so traurig deswegen.«

    »Geld spielt für ihn keine Rolle, Lara. Er will, dass du glücklich bist.«

    »Ich bin auch ohne Geld glücklich«, konterte ich geschickt.

    Jean lächelte zustimmend. »Mach ihm doch die kleine Freude. Was ist denn so schlimm daran?«

    Normalerweise hätte ich weitere Einwände erhoben, aber ich wollte die Situation nicht unnötig verkomplizieren. »Ist ja gut, ich hab’s ja kapiert«, grinste ich.

    »Du hast ihn damit sehr glücklich gemacht, also musst du auch kein schlechtes Gewissen haben. Wenn ich du wäre, würde ich mich schon einmal an den Gedanken gewöhnen. In nicht allzu ferner Zukunft wirst du Mrs. Logan Ford sein und zu deinem neuen Leben gehört so etwas nun einmal dazu.«

    Ich schaute sie an, erkannte den unbändigen Stolz in ihren Augen und verzog das Gesicht. »Was ist los mit dir? Seit wann gefällt es dir, dass ich Logan heiraten will?«

    Jean lächelte, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass es ein bisschen gezwungen wirkte. »Wir machen einfach das Beste aus der Situation. Nicht wahr? Du heiratest ihn sowieso, ob es mir nun gefällt oder nicht.«

    »Braver Secutor«, neckte ich sie und Jean verdrehte die Augen.

    Als wir beim Auto ankamen, warf ich die Taschen

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