Kleine Reiter – ganz groß: So lernen Kinder das Pferde-Abc
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Die Autorinnen stellen dafür ihren ganzheitlichen reitpädagogischen Ansatz vor und zeigen auf, wie Reitlehrer und Eltern die Kinder in ihrer individuellen Entwicklung fördern können.
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Book preview
Kleine Reiter – ganz groß - Ruth Katzenberger-Schmelcher
Marburger)
DER TRAUM VOM GELASSENEN KINDERPFERD
Gerade Kinder haben eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie ihr Pferd sein soll: stolz wie Black Beauty und ein so treuer Freund wie Ostwind. Der vierbeinige Gefährte muss ein Kumpel sein, der sich für „seinen" Menschen einsetzt, der mit dem kleinen Reiter durch dick und dünn geht und mit dem man gemeinsam alle möglichen Probleme in jeder Lebenslage lösen kann. Dass die Mensch-Pferd-Beziehung so nicht funktioniert, begreifen Kinder im Stallalltag recht schnell: Spätestens wenn für das Pferd der Futtertrog interessanter als der junge Reiter ist, setzt sich die Erkenntnis durch, dass ein Pferd nicht mit einem menschlichen Freund vergleichbar ist. Auch wenn diese Einsicht für den kleinen Pferdefreund zunächst schmerzlich sein mag, ist sie doch unverzichtbar. Ein Pferd ist und bleibt ein Tier. Dem Pferd sind menschliche Eigenschaften und Gedankenstrukturen fremd, es folgt seinen natürlichen Instinkten. Dieser Tatsache muss stets Rechnung getragen werden: Wird ein Pferd wie ein Mensch und eben nicht wie ein Tier mit all seinen Urinstinkten behandelt, sind Probleme zu erwarten. Ein Pferd ist ein Flucht- und Herdentier. Die daraus resultierenden Grundbedürfnisse und Ängste müssen stets berücksichtigt werden. Gerade bei der Arbeit mit Kindern stoßen Pferde oft an ihre Grenzen – umso wichtiger ist es, ein geeignetes Pferd zu finden und es entsprechend auf die Arbeit mit Kindern vorzubereiten.
Anforderungen an ein Kinderpferd
Was genau macht ein Pferd zu einem guten Kinderpferd? Zunächst einmal: Pferde werden nicht als optimale Kinderpferde geboren. Es gibt Pferde, die sich aufgrund ihres Exterieurs und Interieurs besser als Kinderpferde eignen als andere. Dennoch müssen auch diese Pferde entsprechend trainiert werden. Am wichtigsten bei der Auswahl und Ausbildung eines Kinderpferdes ist es, dass Sie sich ständig vor Augen halten, was es später leisten muss: Das Kinderpferd soll in erster Linie mit Kindern zurechtkommen und die Kinder natürlich ebenso mit dem Pferd.
Was sich so banal anhört, ist in Wahrheit eine große Herausforderung für den vierbeinigen Lehrmeister. Die meisten Kinder zeichnen sich durch einen großen Bewegungsdrang aus, wobei ihre Bewegungen oft hektisch und ein wenig unkoordiniert sind. Emotionen wird häufig mit energischer Gestik Ausdruck verliehen. Ein aufgeregtes Kind kann vor Freude stürmisch auf das Pferd zurennen, ein nervöses Kind ständig an seiner Jacke ziehen und zerren oder von einem Bein auf das andere treten. Ein wütendes Kind kann sich durchaus schreiend auf den Boden werfen, ein unkonzentriertes Kind versehentlich gegen den Pferdepopo laufen, weil es den Traktor beobachtet, der gerade über den Hof fährt. Kleine Kinder haben noch nicht die koordinativen Fähigkeiten eines Erwachsenen, es kommt schon einmal vor, dass ein Kind beim Hufeauskratzen das Gleichgewicht verliert und unter den Pferdebauch fällt. Auch eine adäquate Kraftdosierung entwickelt sich erst im Lauf der Jahre. Manch kleiner Zweibeiner striegelt das Pferd so zaghaft, dass der Druck des Striegels dem einer Fliege gleichkommt, während ein anderer mit der Bürste regelrecht auf das Pferd einhämmert. Kurzum: Kinder haben ihren Körper und ihre Emotionen nicht in dem Maß unter Kontrolle wie Erwachsene.
Sie sollten bedenken, dass so ein Verhalten auf ein Pferd alles andere als vertrauenswürdig oder beruhigend wirkt. Sie müssen Ihrem Pferd deshalb durch geeignetes Training beibringen, Kinder nicht als kleine Monster zu betrachten, deren Leibspeise Schulponys sind. Und nicht zuletzt sind Kinder im Pferdestall, um etwas zu lernen. Das bedeutet aber auch, dass Grundkenntnisse komplett fehlen oder vielleicht nur sehr schwach ausgeprägt sind. Ein Kinderpferd muss also in der Lage sein, sogar auf sehr schwache oder nicht immer völlig korrekte Hilfengebung zu reagieren – schließlich ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Als intelligentes und lernwilliges Tier wird es diese Herausforderung aber mit Ihrer sachkundigen Unterstützung sicher annehmen.
Damit das erforderliche gezielte Training tatsächlich zum Erfolg führt, sollten Sie beim Pferdekauf noch einige Dinge beachten.
SCHÖN UND GELASSEN: GEDANKEN ZUM INTERIEUR UND EXTERIEUR
Ein Kinderpferd sollte grundsätzlich ein ruhiges, geduldiges Gemüt besitzen und sich auch von quirligen Kindern nicht stören lassen. Schließlich wird es den einen oder anderen Fehler beim Umgang oder der Hilfengebung hinnehmen müssen. Sehr sensible, hochblütige und schnelle Pferde eignen sich deshalb nur bedingt, denn oft können sie nur schwer einen kühlen Kopf bewahren oder heizen sich auf.
Ziel ist es, dass es Ihrem Pferd bei seiner Arbeit gut geht. Es sollte daher mit Menschen und insbesondere mit Kindern bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht haben. Bei sogenannten Problempferden können über einen sehr langen Zeitraum immer wieder die sprichwörtlichen Schubladen aufgehen. Sie eignen sich deshalb nicht für den Einsatz im Kinderunterricht, sondern müssen grundsätzlich von einer erfahrenen Person trainiert werden. Machen Sie sich selbst und vor allem dem Pferd das Leben nicht unnötig schwer und wählen Sie sorgfältig einen vierbeinigen Lehrmeister aus, der die Anforderungen, die der Umgang mit Kindern mit sich bringt, auch psychisch meistern kann.
Damit ein entspannter Umgang möglich ist, muss das Pferd oder Pony einige Grundvoraussetzungen erfüllen. (Foto: Alison Marburger)
Das Gebäude des Pferdes sollte weitgehend korrekt sein. Starke Fehlstellungen der Gliedmaßen können vorzeitigen Verschleiß oder Kollateralschäden wie Arthrose zur Folge haben. Daneben ist der wichtigste Punkt, den es im Hinblick auf das Exterieur zu beachten gilt, die Größe des Pferdes. Es mag lustig aussehen, wenn ein vierjähriges Kind auf einem Shire Horse sitzt. Doch auch wenn der sanfte Riese noch so gut ausgebildet ist, wird ein kleiner Schüler es nicht schaffen, die riesigen Hufe aufzuheben und auszukratzen. Wie soll ein Kind den selbstständigen Umgang mit dem Pferd erlernen, wenn es allein schon durch das Größenverhältnis daran gehindert wird? Wir sind deshalb der Meinung: Die Pferdegröße muss zur Kindergröße passen! So eignen sich für Kindergartenkinder Shetlandponys ganz hervorragend. Wachsen die Kinder, darf auch das Pony mitwachsen – gern auch bis zur Pferdegröße. Passen Pferde- und Kindergröße zusammen, kann das Kind selbstständig und ohne Helfer viele Dinge allein bewältigen, z. B. das Aufhalftern oder das Satteln. Das stärkt nicht nur das Selbstvertrauen, sondern fördert auch die Eigenständigkeit. Eine Begegnung auf der wortwörtlichen Augenhöhe bringt also zahlreiche Vorteile mit sich.
EIN ALLROUNDER, DER ALLES KANN?
Kinder wollen gern Dinge ausprobieren – und das ist auch richtig so. Verschiedene Erfahrungen helfen später bei der Entscheidung, wo es hingehen soll (nicht nur im Pferdesport). Mal will sich der kleine Pferdefreund in der Bodenarbeit versuchen, dann auf dem Pferd voltigieren, in der nächsten Stunde am liebsten bei einem Ausritt die frische Waldluft genießen und kurz darauf in der Reitbahn galoppieren und über Cavalettis springen – vielleicht sogar in Kombination mit einem kleinen Wettkampf bei Reiterspielen. Und natürlich finden es alle Kinder toll, wenn das Pferd ein paar lustige Zirkustricks auf Lager hat. Mit anderen Worten: Das Pferd soll doch bitte schön alles können und stets freudig mitmachen!
Die Erwartungen sind also denkbar hoch. Aus Pferdesicht stellt sich die Sachlage selbstverständlich anders dar. Und auch das ist richtig so. Die Bedürfnisse des Pferdes dürfen bei der Arbeit auf gar keinen Fall vernachlässigt werden. Schließlich soll das Kinderpferd lange glücklich und bereitwillig mitarbeiten. Sie sollten sich also fragen: Was macht das Pferd gern? Wo liegen seine Stärken? Was kann es körperlich und mental leisten? Um sowohl den Kindern als auch dem Pferd gerecht zu werden, müssen hier klare Linien gezogen werden. Nicht jedes Pferd