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Meer in Flammen
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Meer in Flammen

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About this ebook

Im April 2010 explodierte die Bohrinsel Deepwater Horizon im Golf von Mexiko. Millionen Liter Rohöl flossen ins Meer. Dadurch wurde eine der größten Umweltkatastrophen ausgelöst und alle glaubten zunächst an einen furchtbaren Unfall.
Die junge Iranerin Salima, deren Geliebter für diese Ölplattform arbeitete, meint Hinweise zu besitzen, dass die Explosion eine andere Ursache haben könnte.
Sie wendet sich an den alten, früher sehr erfolgreichen Schriftsteller Asdrúbal Valladares und zeigt ihm drei brisante Fotografien. Sie will, dass er gemeinsam mit ihr die wahren Hintergründe erforscht und darüber schreibt.
Er nimmt die Herausforderung an. Nun versuchen beide herauszufinden, was tatsächlich auf der Bohrinsel passiert war und wer hinter der Sache stecken könnte.
Hat der Ölmulti die ganze Wahrheit über die Vorgänge berichtet? Wusste die US-Regierung von der Existenz eines riesigen Risses im Golf von Mexiko? Hatten bestimmte Länder sogar Nutzen von der Explosion der Ölplattform?
Mit diesem spannenden Roman enthüllt Alberto Vázquez Figueroa das große Geschäft mit dem Erdöl.
Am Ende fragen wir uns, ob Realität und Fiktion nicht dasselbe sind.
LanguageDeutsch
PublisherSkript-Verlag
Release dateJul 16, 2018
ISBN9783928249232
Meer in Flammen
Author

Alberto Vázquez-Figueroa

Alberto Vazquez-Figueroa wurde 1936 in Santa Cruz auf Teneriffa geboren, dem Jahr, in dem der Spanische Bürgerkrieg ausbrach. Der Beginn seines Lebens ist von diesem historischen Umstand geprägt, denn sein Vater, seine Onkel und sein Großvater wurden gefangengenommen und deportiert. Eine weitere persönliche Tragödie ereignet sich, als 1949 seine Mutter stirbt und er im Alter von dreizehn Jahren zu den Brüdern seines Vaters in die Sahara geschickt wird, wo er seine restliche Kindheit und Jugend verbringen wird. Das Leben in der Wüste, ihre Bewohner und seine Härte prägen ihn in jeder Beziehung. 1954 kehrt er nach Santa Cruz de Tenerife zurück, macht dort sein Abitur und studiert dann Journalismus in Madrid. Während des Studiums arbeitet er 1957 und 1958 als Tauchlehrer auf dem Schulschiff Cruz del Sur. Im Januar 1958 leitet er das Taucherteam, das die Leichen vom Grund des Sanabria-Sees birgt, nachdem ein Staudamm gebrochen war. Nach Beendigung seines Studiums reist er nach Zentralafrika, von wo er mit großartigen Reportagen zurückkehrt, die er in der renommierten Wochenzeitschrift Destino veröffentlicht. Nach einigen Jahren als Auslandskorrespondent für diese Zeitschrift beginnt er als Sonderberichterstatter für La Vanguardia und das spanische Fernsehen zu arbeiten und berichtet über die wichtigsten kriegerischen Konflikte der Zeit. Schritt für Schritt gelingt es ihm, seine großen Leidenschaften in Einklang zu bringen: die Literatur, das Abenteuer und das Reisen. Zu Beginn veröffentlicht er Bücher über entlegene und gewissermaßen exotische Orte, die er als Journalist kennenlernt (África encardenada, La ruta de Orellana, Galápagos ...), aber dann beginnt er auch, Romane herauszubringen (Manaos, Yubani, Quien mató al embajador ...). Erfolge erzielt er mit Ébano und den großen Durchbruch mit Tuareg. Viele seiner Romane wurden verfilmt. Mit der Filmindustrie verbindet ihn eine lange Beziehung, während der er als Leiter, Drehbuchautor und Produzent tätig war. Als seine bekanntesten Arbeiten kann man noch Bogotá, El perro, El señor de las tinieblas (Der Herr der Finsternis), Coltán, die Océano Trilogie und die Cienfuegos (Hundertfeuer) Reihe nennen. Im Jahr 2010 wurde ihm für seinen Roman Garoe der renommierte Preis des Historischen Romans Alfonso X der Weise verliehen.

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    Meer in Flammen - Alberto Vázquez-Figueroa

    23

    1

    „Hätten Sie ein paar Minuten Zeit für mich?"

    Er blickte auf und betrachtete sie. Die Frau wirkte attraktiv, trotz der tiefen dunklen Augenringe und der Müdigkeit, vielleicht auch Trauer oder Bitterkeit, die sie mit ihrem gesamten Körper auszustrahlen schien.

    „Sprechen Sie."

    „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie hierauf einen Blick werfen könnten."

    Sie hatte drei Fotos auf die Tischplatte gelegt und wies mit ihrem Zeigefinger auf das jeweilige Bild. „Das erste wurde aufgenommen, bevor alles anfing, sagte sie, „das zweite in dem Moment, als der Brand ausbrach und das letzte, als die Katastrophe schon passiert war.

    „Geht es um die Bohrinsel im Golf von …?"

    „Ist das nicht eindeutig?"

    Das war es tatsächlich – ähnliche Bilder, wenn auch nicht so nah und genau, waren fast drei Wochen lang in verschiedenen Medien erschienen.

    „Und wer hat diese Aufnahmen gemacht?"

    „Derselbe, der die Explosion ausgelöst hat. Er hat sie mir aufs Mobiltelefon geschickt, aber etwas muss aus dem Ruder gelaufen sein, denn alles endete in einer wahren Katastrophe und ich habe seitdem nichts mehr von ihm gehört."

    Der Mann, den die Fremde so rücksichtslos gestört hatte, bedeutete ihr mit einer kaum wahrnehmbaren Geste sich zu setzen. Er studierte die Fotos und hob den Blick um herauszufinden, ob die Besitzerin der riesigen schwarzen Augen und der tiefen Augenringe log. Schließlich stieß er einen Seufzer aus, mit dem er wohl die Größe seiner Verwirrung ausdrücken wollte.

    „Was für ein Unsinn!, murmelte er. „Das kann nicht wahr sein.

    „Ist es aber", betonte die Frau.

    „Bis jetzt hat, soweit ich weiß, niemand die Möglichkeit erwähnt, dass es ein terroristisches Attentat gewesen sein könnte."

    „Das war es auch nicht …", antwortete sie absolut sicher. Obwohl sie kaum die Vierzig überschritten haben konnte, hatte sie sich mit einer Geste unendlicher Erschöpfung auf den Stuhl fallen lassen wie eine alte Frau.

    „Ein fingiertes Unglück ja, aber kein Attentat – und diese Fotos beweisen das."

    „Und warum übergeben Sie das nicht der Polizei?", wollte der Mann wissen, der gerade dabei war, sich allein seinen dritten Kaffee und eine zweite Havanna auf der Terrasse seiner Lieblingstaverne zu genehmigen, während er betrachtete, wie die Palmen sich vor dem Hintergrund des Meeres gegen die untergehende Sonne abhoben.

    „Welcher Polizei und von welchem Land?", wollte sie wissen.

    „Was weiß ich? Ich nehme an der nordamerikanischen, weil die Plattform vor deren Küste abgebrannt ist. Er machte eine kurze Pause, bevor er etwas unsicher fragte: „Oder war es eine englische Plattform?

    „Die Gesellschaft ist englisch, aber schauen Sie mich genau an …, war die klare Antwort seines ungebetenen Gastes. „Die Polizei würde keine zehn Minuten brauchen, um zu dem Schluss zu gelangen, dass ich eine Muslimin bin.

    Ihre Stimme klang fast aggressiv, als sie fortfuhr: „Glauben Sie, dass irgend jemand akzeptieren würde, dass der Mann, der ein so brutales Attentat begangen hat, ein Blonder mit blauen Augen sein könnte, dessen einzige Verbindung zu Al Qaida oder dem islamischen Extremismus in der Tatsache besteht, dass er mit einer Iranerin schläft?"

    „Schwierige Frage, auf die ich – Sie werden entschuldigen – nur mit einer anderen antworten kann: Warum zum Teufel kommen Sie hierher, um das einem Unbekannten zu erzählen, der nichts mit dem ganzen Wirrwarr von abgebrannten Plattformen und ausgelaufenem Öl zu tun hat?"

    „Weil er Asdrúbal Valladares heißt."

    „Und was soll das bedeuten?"

    „Dass Asdrúbal Valladares ein sehr erfolgreicher Autor war, der anscheinend die Fähigkeit verloren hat, Geschichten zu finden, die die Leser interessieren, und so in Vergessenheit geraten ist."

    Das bittere Lächeln der Unbekannten war genauso attraktiv wie die ganze Erscheinung. „Ich nehme an, dass in Ihrer Glanzzeit viele Leute darum baten, dass Sie ihre Geschichte schreiben, aber in meinem Fall handelt es sich nicht um ,meine Geschichte‘, sondern um Ereignisse, die Millionen Menschen betreffen."

    Der Mann mit der riesigen Zigarre, der sich bis vor ein paar Minuten damit begnügt hatte, die paradiesische Landschaft zu genießen, konnte nicht umhin zuzugeben, dass der größte Teil dessen, was die Fremde soeben gesagt hatte, der Wahrheit entsprach.

    Er war tatsächlich ein Autor gewesen, dessen Bücher die Schaufenster und die Regale der großen Einkaufszentren der halben Welt füllten, aber er traf schon seit Jahren nicht mehr den Geschmack der Jugend, so dass er nach zahllosen Fiaskos und unsinnigen Zwischenfällen in einem abgelegenen Fischerdorf gelandet war. Den Fischern gegenüber hatte er sich wenigstens nicht verpflichtet gefühlt, Erklärungen darüber abzugeben, warum er unfähig war zu schreiben.

    Seine Verlegerin war davon überzeugt, dass er immer noch über ein unzweifelhaftes Talent verfügte, wenn es darum ging, eine Geschichte zu erzählen. Aber er war insgeheim zu dem Schluss gelangt, dass das Wichtige die Geschichte selbst war und nicht die Art, sie zu erzählen.

    Oft verglich er sich selbst mit einem tüchtigen Bildhauer, perfekter Kenner der besten Techniken seines Geschäfts, dem ein schöner und kompakter Marmorblock fehlte, den er bearbeiten konnte. Die schönen Worte, die nicht auf guten Ideen basierten, verwandelten sich in zusammengewürfelte Buchstaben, Kartenhäuser oder Elfenbeintürme, die ohne Fundament zusammenbrachen. Und Asdrúbal Valladares war mehr als klar, dass jedes Mal, wenn er eine neue Person oder Situation zu schaffen versuchte, ihm eine ähnliche Person oder Situation in den Sinn kam, die es in einem seiner früheren Bücher bereits gegeben hatte.

    Es war diese Furcht, sich selbst zu kopieren, die ihm Angst machte und ihn blockierte. Denn seit er lesen konnte, hatte er auch gelernt, Schriftsteller zu hassen, die immer nach demselben Schema vorgingen, so dass man mühelos vorhersagen konnte, was im nächsten Kapitel geschehen würde.

    Wenn die Natur ihm schon die unschätzbare Gabe geschenkt hatte, sich mit seinesgleichen zu verständigen, um neue Ideen und Gefühle zu vermitteln, war es doch fast ein Verbrechen, dieses wundervolle Geschenk auf so unfruchtbare Art zu nutzen.

    „Wenn Du nichts zu sagen hast, sag nichts."

    Als er Vierzig wurde, hatte er diesen Satz in eine Bronzeplatte gravieren lassen. Er hätte sich niemals vorgestellt, dass er auf ihn selbst in so direkter Form zutreffen könnte und jetzt, nachdem er die Sechzig überschritten hatte, sah er sich gezwungen, sein eigenes Gebot zu akzeptieren, obwohl er wusste, dass er damit zum lebenden Toten wurde.

    Er war geboren worden, um Schriftsteller zu werden, genau wie gewisse Frauen geboren werden, um schön zu sein. Und wenn die Schönheit verwelkte, erwies es sich als sehr schwierig anzunehmen, dass da mehr als ein hübsches Gesicht gewesen sein könnte. Und wenn die Ideen ausblieben, erwies es sich als sehr schwierig zu akzeptieren, dass da mehr gewesen sein könnte als ein einfacher Schreiberling.

    Keine Schminke würde die jugendliche Frische in eine verrunzelte Haut zurückbringen, so wie kein genialer Satz Glanz in eine Erzählung ohne Biss bringen würde.

    Die welkenden Schönheiten suchten Schutz im schwachen Licht und im Schatten. Die gescheiterten Schriftsteller fanden ihn in einem verlorenen karibischen Kaff.

    Es war bitter, endlose Stunden auf der Terrasse einer schmutzigen Taverne zuzubringen, dabei das Meer zu betrachten und den Tisch nur mit imaginären Figuren zu teilen, die er an einem fernen Tage für seine Romane erfinden würde. Sie begleiteten ihn während der Zeit, die er zum Schreiben seiner Romane brauchte, verließen ihn aber in dem Moment, wo sie ins Gedruckte wechselten, um sich in das Eigentum von Lesern zu verwandeln, deren einziger Verdienst es gewesen war, das Buch zu kaufen.

    Er fand niemals heraus, aus welchem Grunde diese Figuren in dem Moment aus seinem Leben verschwanden, in dem er die letzte Seite beendete und an welchem entlegenen Ort sie landeten – Figuren, die bis vor wenigen Nächten seine Phantasie bewohnt hatten.

    Dann und wann kehrten sie in seine Erinnerung zurück, setzen sich in der Taverne an seine Seite und hatten sich nicht verändert, als ob sie reglos da gesessen hätten wie auf einer alten Fotografie.

    Er betrachtete das Gesicht, das vielleicht schon sehr bald im Halbdunkel verschwinden würde und kam zu dem Schluss, dass es sich um das Gesicht einer verzweifelten Schiffbrüchigen handeln musste, die versuchte sich zu retten, indem sie sich an einen anderen genauso verzweifelten Schiffbrüchigen klammerte.

    „Warum hat er das getan?", entschied er sich zum Schluss zu fragen.

    „Das Attentat verüben?, das kaum wahrnehmbare Schulterzucken schien zu verstehen zu geben, dass nicht einmal sie selbst sich sicher war, als sie hinzufügte: „Es muss viele Gründe gegeben haben, obwohl ich eher glauben möchte, dass es nur um Geld ging.

    „Eher glauben möchte …?, wiederholte der Schriftsteller überrascht. „Geld ist das schlechteste Motiv, wenn man eine so unverzeihliche Tat begeht.

    „Für mich nicht, denn Geld bedeutete, dass er mit seiner Vergangenheit brechen würde und wir sehr weit fortgehen würden. Haben Sie eine Vorstellung davon, was es bedeutet, die ewige Zweite zu sein, die tagelang darauf wartet, bis ihr Mann ihr ein paar Minuten abzweigt?"

    „Über etwas in der Art habe ich schon mal irgendwas geschrieben."

    „Ich wollte Sie nicht angreifen, aber ich kenne den größten Teil Ihrer Arbeit und ich versichere Ihnen, dass Ihre Figuren nur wenig mit der Realität zu tun haben, versetzte die Frau in einem so natürlichen Tonfall, dass er sich nicht angegriffen fühlen konnte. „Ihre Romane haben Erfolg, weil sie überraschend sind, fesselnd und leidenschaftlich, zumal sie von heldenhaften und exotischen Hauptfiguren bevölkert sind. Und der Mehrheit der Leser hätte es gefallen, wie sie zu sein, obwohl ihnen von vornherein klar wäre, dass sie es nie schaffen würden.

    „Seltsame Bewertung!, gab ihr Gesprächspartner zu, zum Teil verwundert und auch ein bisschen geschmeichelt. „Und vielleicht zutreffend, aber ich glaube nicht, dass Sie zu einem so verlassenen Ort gereist sind, um über Literatur zu diskutieren. Und wenn Sie der Ansicht sind, dass meine Figuren nicht echt wirken, verstehe ich nicht, warum Sie kommen und mich darum bitten, über ein mysteriöses ,Attentat‘ zu schreiben, das, wie Sie versichern, tatsächlich stattgefunden hat, obwohl außer Ihnen niemand dieser Ansicht ist.

    „Weil wir uns brauchen", kam die trockene Antwort.

    Asdrúbal Valladares wurde im gewalttätigen Medellín geboren, aus dem seine Familie aus Angst vor Anschlägen und Entführungen geflüchtet war, was dazu führte, dass er zwischen Bogotá und London aufwuchs. Er machte eine ausholende Geste, als wolle er auf den Frieden und die Ruhe, die sie umgaben, hinweisen, und bemerkte gleichzeitig mit deutlicher Bitterkeit:

    „Nehmen Sie an, dass jemand, der sich entschieden hat, den Rest seines Lebens in diesem verlorenen Paradies zu verbringen, Sie brauchen könnte?"

    „Paradiese wie diese wurden für die geistig Armen gemacht und ich bin überzeugt, dass Sie das nicht sind."

    „Und woher wollen Sie das wissen?"

    „Weil ein Schriftsteller das Recht hat, gut, schlecht oder mittelmäßig zu sein, aber niemals geistig arm."

    „Es ist klar, dass Sie Marcelo Marcel nicht kennen, aber das spielt jetzt keine Rolle."

    Er nutzte das Erscheinen des Kellners in der Tür des Lokals aus, um ihm zuzurufen:

    „Santos! Bring mir bitte einen Sangre de Atún!"

    „So früh, Don Asdrúbal? kam die scheinbar entrüstete Antwort. „Die Sonne scheint noch auf den Strand!

    „Die Sonne ist schon untergegangen und meine Begleitung rechtfertigt es."

    Der Schriftsteller wandte sich wieder der Frau zu und fragte: „Möchten Sie auch einen?"

    „Was ist das?"

    „Die Spezialität des Hauses: Absinth, Rum und Mangosaft zu gleichen Teilen. Er hob den Finger um anzuzeigen, dass ein sehr wichtiges Detail der Spezifikation fehlte: „Verziert mit Thunfischrogen.

    „Gott steh mir bei! Das klingt widerlich!, kam der entsetzte Ausruf, begleitet von einer schwachen Geste der Abwehr. „Ich würde einen Cognac vorziehen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.

    Asdrúbal hob die Arme, als wollte er sagen, dass jeder frei sei, seine Leber nach eigenem Geschmack zu schädigen und als der Kellner verschwand, um die Bestellung zu erledigen, bemerkte er:

    „Aber sicher! Bis jetzt haben Sie mir noch nicht einmal gesagt, wer Sie sind, wo Sie herkommen und wie Sie heißen."

    „Mein Name ist Salima Alzaidieri, ich wurde in Teheran geboren, obwohl ich den größten Teil meines Lebens in Dublin verbracht habe und seit fünf Jahren wohne ich in Houston."

    „Eigenartige Ortswechsel!, kommentierte ihr Tischgenosse. „Welchen Zusammenhang gibt es zwischen dem Iran, Irland und Texas?

    „Der wichtigste ist, dass sie alle weit voneinander entfernt sind. Ich verließ Teheran auf der Flucht vor einem zu engen Umfeld und Irland verließ ich auf der Flucht vor einem zu offenen Ehemann. Keiner in meiner Familie trank, aber mein Mann tat es für alle Iraner zusammen."

    Sie machte eine Pause, während der Kellner servierte, was sie bestellt hatten und erst als Santos wieder im Lokal verschwunden war, fügte sie hinzu: „Aber ich bin nicht hierhergekommen, um Ihnen mein Leben zu erzählen, sondern um Ihre Hilfe für ein Thema zu erbitten, das am Ende sehr viele Leute betreffen wird. Interessiert Sie die Idee, dieses Buch zu schreiben oder nicht?"

    „Auf Basis dieser drei einfachen Fotos?"

    „Es sind keine einfachen Fotos, widersprach sie ihm, sichtbar verärgert und beinahe beleidigt. „Sie sind der Beweis, dass ein Verbrechen begangen wurde, bei dem Tote zu beklagen waren.

    Der Kolumbianer nahm sich Zeit für die Antwort. Er leerte in einem Zug sein exotisches und ziemlich abstoßendes Getränk, zuckte danach zusammen, als wäre ihm ein elektrischer Schlag versetzt worden, blinzelte ein paarmal und studierte zum Schluss die besagten Fotos nochmals mit größerer Aufmerksamkeit.

    Es kam ihm der alte, abgedroschene Satz in den Sinn: „Wenn es etwas gibt, dem ich nicht widerstehen kann, dann ist es eine Versuchung." Und dies war zweifellos eine zu große Versuchung.

    Er sah sich selbst zu alten Zeiten zurückkehren, in denen stündlich das Telefon klingelte und ihm ein neuer Roman, ein Interview, ein sehr gut bezahlter Artikel oder eine bombastische Konferenz in Sälen angeboten wurde, in denen sich ein begieriges und erwartungsvolles Publikum zusammendrängte und er fragte sich, ob er Sehnsucht nach den goldenen Zeiten empfand, in denen wunderschöne Mädchen Schlange standen, damit er ein Buch signierte, und auf dem Tisch ihre Telefonnummer liegen ließen. Zuletzt fragte er sich, ob es ihm gefallen würde, zu diesem Lebensstil zurückzukehren oder ob er es vorzöge, vor der Tür einer alten dominikanischen Taverne zu sitzen und darauf zu warten, dass die Wirkung des vierten kalten Atun einsetzen und die geschmähte Welt sich in eine Art dichten Nebel verwandeln würde.

    ,Wenn du nichts zu sagen hast, dann sag nichts.‘

    Seit so vielen Jahren war er schon dazu verdammt, Schweigen zu bewahren, dass er sich bereits zu lange für seine ,geistige Impotenz‘ schämte, nur vergleichbar mit der Verzweiflung, die ein Mann fühlen mochte, der in dem Moment, in dem er mit der geliebten Frau schlafen wollte, keine Erektion bekam.

    Und er liebte es noch zu schreiben, daran gab es nicht den geringsten Zweifel.

    Bei einer Gelegenheit fragte ihn ein Journalist, ob er niemals Probleme hätte, wenn er vor einem weißen Blatt säße und er erinnerte sich sehr gut daran, dass er ihm mit einem Grinsen geantwortet hatte, es würde ihm mehr Probleme bereiten, vor einem schwarzen Blatt zu sitzen.

    Jetzt war das anders. Jetzt machten ihm ein paar Blätter, die er nur mit abgedroschenen Phrasen und Allgemeinplätzen füllen konnte, schreckliche Angst.

    Als seine Verlegerin vermutete, sein Problem bestünde darin, dass er von der Vergangenheit besessen war und ihm empfahl, der Zukunft ins Auge zu sehen, konnte er nicht anderes als darauf zu antworten:

    „Zu versuchen, der Zukunft ins Auge zu sehen, ist eine Dummheit, meine Liebe, weil die Zukunft dir nie die Stirn bietet."

    Dennoch war er schon vor einiger Zeit zu dem Schluss gekommen, das träge Herumhängen in jenem verfaulten und von der Sonne gebleichten Rattan-Sessel habe es geschafft, zu Tage zu fördern, dass seine Zukunft das Gesicht eines Alkoholikers bot, der seine Tage ertrunken in Erbrochenem mit einem Gestank nach Absinth und billigem Rum abschließen würde.

    „Es sind doch nur ein paar Fotos, wiederholte er, als sei dies der einzige Rettungsanker, den er erreichen konnte. „Und ich habe den Verdacht, dass Sie sich durch die bloße Tatsache, dass Sie sie erhalten und nicht umgehend an die Behörden weitergeleitet haben, in eine Komplizin bei diesen tödlichen Attentaten verwandeln. Haben Sie wirklich vor, diese Geschichte zu erzählen und Jahre hinter Gittern zu verbringen?

    „Wenn die Explosion, die Gordon ausgelöst hat, an der entsetzlichen Katastrophe schuld war, bin ich bereit, das zu riskieren, war die Antwort einer Frau, die ihrer Überzeugungen sicher war. „Aber ich habe den Verdacht, dass Gordon nicht mehr als ein armer Träumer mit guten Absichten war, den andere ausgenutzt haben.

    „Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass ich letztendlich nicht mehr als ein einfacher pensionierter Schriftsteller bin und kein Detektiv."

    Die Frau, die ebenfalls ihr Glas geleert hatte, signalisierte dem Kellner, der sie vom Lokal her beobachtet hatte, dass er noch eine Runde bringen sollte und erwiderte:

    „Wenn Sie eine Geschichte erzählen, die zu dem Schluss führt, dass sich jemand gewaltige Vorteile aus der größten Umweltkatastrophe verschafft, die es jemals gab, werden sich wahrscheinlich diejenigen, die über die notwendigen Mittel zur Recherche verfügen, entscheiden, das auch zu tun."

    „Ich würde Ihren Optimismus gern teilen."

    „Das ist kein Optimismus, das ist Verzweiflung. Wenn man über mehr als vierzig Jahre ein Pechvogel gewesen ist und sich andeutet, dass die Dinge sich ändern könnten und einem das Glück winkt, nach dem man so hungert, aber seine Träume dann auf eine grausame und schmerzhafte Weise zerstört werden, nimmt man nicht einfach hin, dass alles noch schlimmer werden könnte, zumal man jetzt auch noch eine riesige Last auf seinem Gewissen trägt."

    „Die Erfahrung hat mir gezeigt, dass sich von dieser

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