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Elemente: Out of Control
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eBook348 Seiten5 Stunden

Elemente: Out of Control

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Über dieses E-Book

Kurz vor ihrem sechzehnten Geburtstag stellt Amunet fest, dass sie über eine außergewöhnliche Gabe verfügt, die sie jedoch nicht kontrollieren kann. Ihr Alltag wird dadurch mehr als kompliziert und, als ob das nicht ausreichen würde, wird sie von einer kriminellen Organisation verfolgt, die sich ihre starken Kräfte zu Nutze machen will. Zum Glück stehen ihr Lara und Mona als Freundinnen zur Seite und auch Tim, ihr Hüter, unterstützt sie nach allen Kräften in dem ungleichen Kampf. Selbst dann noch, als die Lage aussichtslos zu sein scheint und sie erkennen muss, dass sie nicht nur eine Gabe hat.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum27. Juli 2018
ISBN9783752845464
Elemente: Out of Control
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Autor

Angela Wekx

Angela Wekx was born in Viersen in 1966 and now lives with her family, three dogs and a cat in Nettetal. She has published numerous poems and essays in anthologies and internet forums, as well as a fantasy novel for young people and two children's books.

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    Buchvorschau

    Elemente - Angela Wekx

    Augen.

    KAPITEL 1

    „Beweg dich endlich, du blödes Teil! Planlos schlug ich auf das Fahrradschloss ein. „Au, verdammt! Hastig zog ich meine übel geklemmte Hand zurück und schüttelte sie, in der irrigen Annahme, dass der Schmerz dadurch gelindert würde.

    „Vielleicht versuchst du es mit liebevollem Zureden oder Streicheleinheiten, anstatt mit Gewalt. Bei der Behandlung wäre ich auch sperrig", meine Freundin Lara, die schon wartend auf ihrem Fahrrad saß, amüsiert.

    „Es geht doch nichts über eine einfühlsame Seele, die einem in solchen Momenten den Rücken stärkt. Das war gerade so was von hilfreich, vielen Dank, Lara!", gab ich grantig zurück. Dazu verzog ich mein Gesicht zu einer, wie ich hoffte, bühnenreifen Grimasse, damit sie nicht aus Versehen meinte, ich hätte den Spruch ernst gemeint.

    Die heiße Sommersonne brannte unbarmherzig vom wolkenlosen Himmel herunter und die Luft war abartig schwül, was meine Laune nicht gerade verbesserte. Mein Shirt klebte feucht an meinem Körper und eine lästige Haarsträhne, die sich aus meinem, heute morgen hastig geflochtenen, Zopf gelöst hatte, hing ständig vor meinem verschwitzten Gesicht.

    „Eigentlich schade, dass Mona die ganze Show verpasst, weil ihre Deutsch Stunde ausgefallen ist", philosophierte Lara herzlos, um meinem Elend noch die Krone aufzusetzen.

    Ich kam gar nicht dazu eine passende Antwort darauf zu geben, denn sie sprach ohne Pause weiter, eine für sie typische Eigenheit.

    „Oh, dafür gibt es gleich andere Zuschauer. Unsere Schul-Elitetruppe ist im Anmarsch, ungefähr auf drei Uhr. Parfum und After Shave Alarm, vielleicht sollten wir sie alle beim Umweltamt wegen akuter Luftverpestung verpetzen", lästerte sie gnadenlos.

    Böses ahnend drehte ich mich um. Nicht das auch noch! Schulschönling Tim Warden mit seiner üblichen Mädchengarde steuerte genau auf uns zu. Wie es das gerade weniger rücksichtsvolle Schicksal wollte, stand sein blitzblank poliertes Sportrad genau an diesem Fahrradstand, fast neben meinem.

    Keine Ahnung warum, aber jedes Mal wenn ich ihm begegnete, bekam ich weiche Knie. Dabei kannte ich Tim kaum. Er war eine Stufe über mir, deswegen sah ich ihn bloß auf dem Schulhof oder dem Flur. Mir und allen anderen Mädchen, möchte ich wetten, war Tim sofort aufgefallen, als er vor einigen Monaten in unserer Schule aufgetaucht war. Er sah wahnsinnig gut aus, mit seinen dunkelbraunen cool gestylten Haaren und den strahlend blauen Augen. Der lässige Eindruck wurde geradezu malerisch durch seine Designer Klamotten unterstrichen, die ihn wie eine zweite Haut umgaben. Aber auch ohne das ganze Drumherum, alleine zu beobachten wie er sich bewegte war etwas Besonderes.

    Direkt neben ihm ging heute, Yasmin, `Möchtegern-Sexiest-School-girl-alive´, die dumme Nuss, mit der ich Englisch zusammen hatte und die ständig hemmungslos mit unserem Lehrer flirtete. Sie klebte regelrecht an Tim. Ekelhaft!

    Peinlich wurde mir klar, dass ich wie ein hypnotisiertes Kaninchen über den Schulhof starrte und wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken. Möglichst unauffällig schielte ich zu Lara herüber, ob sie davon etwas mitbekommen hatte. Hatte sie zum Glück nicht! Sie war selbst viel zu sehr damit beschäftigt Mr. Wunderbar und sein Gefolge zu bestaunen.

    „Lara! Komm mal wieder zurück auf die Erde! Hallo, jemand zu Hause?", neckte ich sie und hantierte geschäftig an meinem Fahrrad herum, damit es so wirkte, als ob ich mir keine `Tim-Unterbrechung´ gegönnt gehabt hätte.

    „Ach, er ist schon ein Knüller Typ", seufzte Lara, mit einem Unterton in dem ein bisschen Rechtfertigung mitschwang. Ihr Teint bekam in Sekundenschnelle die Färbung von reifen roten Tomaten, was meine sämtlichen `Freundin in akuter Gefahr´-Alarmglocken laut schrillen ließ.

    „Ja, ja, ein total super Typ. Falls man auf Jungen steht, die zum Überleben eine Fangemeinde brauchen. Wir sollten uns schleunigst aus dem Staub machen. Ich habe echt keine Lust auf den ganzen blöden Club", nörgelte ich, um sie von Wolke Sieben wieder zurück auf die Erde zu holen.

    Lara guckte ein wenig schmollend und holte prompt zum Gegenschlag aus. „Na, an mir liegt es ja nicht, dass wir hier festhängen. Wie lange dauert es denn noch? Soll ich irgendetwas machen, vielleicht das Schloss ein bisschen anschreien, während du weiter darauf herum klopfst oder so? Warum hast du die alte Möhre überhaupt abgeschlossen? Die würde doch nie im Leben jemand freiwillig klauen. Noch nicht einmal wenn du Geldscheine dran kleben würdest", witzelte sie, während sie mit ihrem Rad ungeduldig hin und her rollte.

    „Mensch, Lara, ich beeile mich ja schon, jetzt nerv´ nicht", giftete ich zurück. Gleichzeitig warf ich gehetzt einen Blick über meine Schulter, um abschätzen zu können, wieviel Zeit mir noch bis zu der unvermeidlich bevorstehenden Begegnung mit Tim blieb.

    Die Gruppe um Tim hatte sich anscheinend aufgelöst und, oh Wunder, auch Yasmin hatte ihren Klammergriff aufgegeben. Sie war nirgends zu entdecken. Das war schon besser, aber auch Tim solo war gerade zuviel für mich.

    „Gib mir noch eine Minute, sonst fahre ich halt mit dem Bus. Und sorry, wegen gerade", versuchte ich Lara wieder zu versöhnen. Sie schien wirklich beleidigt zu sein, wenn sie nicht redete war das immer ein schlechtes Zeichen.

    Genervt drückte und rüttelte ich an dem Schloss herum, doch das Ding bewegte sich keinen Millimeter. Mein Stresspegel hatte längst die oberste Toleranzgrenze erreicht. Am liebsten hätte ich einen befreiende Schrei ausgestoßen, um meinen angestauten Frust los zu werden. Bewusst atmete ich tief ein und aus, um wieder zur Ruhe zu kommen.

    Das brachte mir aber keine Erleichterung, absolut null, um genau zu sein. Vielmehr schaukelten sich ungute Gefühle zu Wellen aus reiner Wut in mir auf. Um es kurz zu sagen, ich hatte mich echt nicht mehr im Griff.

    Mein Blick wurde unscharf, so als ob ich alles durch eine dicke Nebelwand sehen würde. Krampfhaft kniff ich die Augen zusammen und riss sie wieder auf, was nichts änderte. Während ich verzweifelt mit meinen Händen durch die Augen rieb, verspürte ich tief in meinem Inneren eine Art Pochen oder vielmehr ein urgewaltiges Dröhnen. Jetzt bekam ich es richtig mit der Angst zu tun.

    Himmel, ich hätte wirklich mehr trinken sollen, wahrscheinlich bin ich völlig dehydriert, dachte ich gerade noch, bevor plötzliche Steine um mich herum flogen.

    Die dicken Brocken kamen aus der Richtung eines Kieselbeets, das eine Grünfläche von dem Gehweg und dem Fahrradstand trennte. Ich war viel zu überrascht, um ihnen auszuweichen oder in Deckung zu gehen. Zum Glück trafen die Steine nicht mich, sondern prallten mit einem dumpfen Schepper-Geräusch gegen mein Rad.

    Wie von Geisterhand bewegt, sprang mein Fahrradschloss mit einem lauten Schnappen auf. Eines der Fluggeschosse hatte ihm wohl beim Aufprall zufällig den richtigen Kick versetzt. Die anderen Steine verpassten mich um Haaresbreite und landeten auf dem Weg, aber einer erwischte mich voll am Arm.

    Ich biss die Zähne zusammen und sprang aus meiner gehockten Position auf. Das würde bestimmt einen fetten blauen Flecken geben. Der Schmerz war allerdings heilsam, denn mein Blick wurde sofort wieder normal. Genauso schnell, wie der ganze Spuk gekommen war, war er auch schon wieder vorüber.

    Fassungslos blickte ich auf die überall verstreut liegenden Steine. Scheiße, was war das denn gewesen?

    Lara war in eine Art Schreckstarre verfallen. Ihre Augen waren weit aufgerissen und wirkten riesengroß in ihrem blassen Gesicht.

    „Das gibt es doch nicht!", schimpfte sie dann laut. Sie sprang mit einem Satz vom Fahrrad und ließ es achtlos auf den Boden fallen. Dann rannte sie in einem, für sie außergewöhnlichen Tempo, um das Kieselbeet und die anschließenden Sträucher herum.

    „Amunet, da ist niemand, rief Lara schnaufend zu mir herüber. „Die Spinner haben sich bestimmt schon aus dem Staub gemacht. Das kann doch nicht sein, dass hier Vollidioten mit Steinen um sich werfen. Mit einem Gesichtsausdruck, in dem sich Bestürzung und Ärger vermischten, kam sie zurück.

    Ich stand immer noch wie angewurzelt und schweigend da. Ein unbestimmtes, ziemlich ungutes Gefühl sagte mir, dass es vielleicht gar keine Steinewerfer gab!? War das eben irgendwie so ein Telekinese Ding gewesen? Darüber wollte ich lieber nicht weiter nachdenken. Das war einfach zu verrückt.

    „He, Amunet, ist alles in Ordnung mit dir?" Tim, der anscheinend einen Sprint eingelegt hatte, stoppte genau vor mir und musterte mich besorgt, während ich noch dabei war geistesabwesend über die lädierte Stelle an meinem Arm zu reiben.

    Wäre ich nicht so von der Rolle gewesen, hätte ich diesen Augenblick beinahe genießen können. Tim sprach mit mir! Und er kannte sogar meinen Namen. Was für ein Highlight in meinem, in dieser Hinsicht, bisher eher langweiligem Teenager Leben. Ganz perplex vergaß ich fast zu antworten.

    „Ja, alles o.k., wirklich! Mir geht es gut, ich habe bloß einen Schreck bekommen. Das gibt höchstens ein oder zwei blaue Flecken", stotterte ich verwirrt.

    „Tim! Hast du vielleicht gesehen wer die Steine geworfen hat?, fragte Lara, während sie Tim musterte, als ob er eines der sieben Weltwunder wäre. „Das kann nicht sein, dass die Übeltäter ungeschoren davonkommen.

    Tim schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein, leider nicht. Ich habe niemanden gesehen." Mit gerunzelter Stirn blickte er auf die überall umher liegenden dicken Kieselsteine.

    „Das hätte echt böse enden können. Da habt ihr Beide nochmal Glück gehabt", meinte er ernst und sein finsterer Blick sprach Bände. Er schien richtig wütend zu sein.

    „Wir müssen das der Schulleitung melden, auch wenn wir nicht wissen wer dahinter steckt", meinte Lara vernünftig.

    „Ach, es ist ja nicht viel passiert und jetzt ist wenigstens mein Fahrradschloss offen, versuchte ich den Vorfall herunterzuspielen. „Jetzt macht mal keinen Aufstand, bloß wegen so einem miesen Lausbubenstreich. Die werden schon gemerkt haben, dass das nicht gerade eine gelungene Aktion war. Es ist jetzt auch echt spät geworden, meine Mutter macht mir bestimmt gleich die Hölle heiß. Wir machen uns besser schleunigst auf den Weg nach Hause.

    Tim sah mich nachdenklicher an als mir lieb war, doch bevor er etwas sagen konnte, polterte Lara schon los. „Lausbubenstreich…!?, giftete sie wütend. „Das war kein `Lausbubenstreich´! Das fiel eher in die Kategorie `gemeingefährlich´! Mensch, Amunet, das gibt’s doch nicht!

    „Vielleicht solltest du erst einmal in Ruhe mit deiner Mutter sprechen. Wie auch immer, wenn ihr eine Meldung machen wollt und noch jemanden für eine Aussage braucht, kein Problem. Gebt mir einfach Bescheid, o.k.", meinte Tim an mich gerichtet, wobei er Laras Schimpftirade einfach unterbrach.

    Er durchbohrte mich förmlich mit Blicken. Was war denn los mit ihm? Und woher wusste er über meine Familienverhältnisse so gut Bescheid? Immerhin hatte er `Mutter´ gesagt und nicht `Eltern´.

    Das wurde mir jetzt alles zuviel. Demonstrativ hob ich mein Fahrrad aus der Halterung und schwang mich auf meinen Fahrradsattel, während Lara weiter auf mich einredete. Ich würgte sie mitten im Satz ab und drängte zum Aufbruch.

    „Lara, wir müssen jetzt wirklich los! Wir können später darüber reden. Ja, Tim, vielen Dank für deine Hilfe, mach´s gut!"

    Na also, ging doch! Alles prima geregelt, aus die Maus. Meine Selbstgefälligkeit wurde von Tim im Keim erstickt.

    „Ach wisst ihr, ich muss heute zufällig auch in eure Richtung. Wartet kurz, dann fahre ich mit euch. Das ist vielleicht besser, zu eurer Sicherheit", meinte er fürsorglich.

    „Ja, super gerne! Ich meine, wir freuen uns! Das ist wirklich nett von dir!", zwitscherte Lara aufgeregt.

    Also die Tonlage in ihrer Stimme hatte ich noch nie gehört. Eine beste Freundin im Totalausfall-Modus, sozusagen. Als ob ich nicht gerade schon genug Probleme hätte. Jetzt sah sie mich mit zusammengekniffenen Augen an und erwartete offenbar, dass ich ihre Begeisterung teilte.

    „Klar, wenn du ohnehin den gleichen Weg hast," würgte ich deshalb mit Anstand hervor.

    Tim war abfahrbereit und grinste uns fröhlich zu. „Na, dann auf geht´s, worauf wartet ihr noch?"

    „Na, also bis gerade auf dich", gab ich schnippisch zurück.

    Auf Tims Gesicht machte sich verstärktes Grinsen breit. Wenigstens einer von uns, der mächtig viel Spaß zu haben schien.

    Lara sah dagegen gerade weniger amüsiert aus, sogar eher böse. „Was ist denn eigentlich los mit dir? Wenn du so weiter machst vergraulst du Tim noch", zischte sie mir leise zu. Dabei zog sie ihre, von mir gefürchtete, linke Augenbrauen hoch. Kein gutes Zeichen!

    Ich schluckte die erste, eher undiplomatische, Antwort, dass genau das meine Absicht gewesen war, herunter. „Ach, ich weiß auch nicht. Das war vielleicht doch alles etwas heftig eben", antwortete ich, um sie abzulenken.

    Der Trick funktionierte, sofort war Lara besänftigt. „Ja, das kann ich mir denken. Du Arme, nach so einem Schrecken. Kein Wunder, dass du nicht gut drauf bist. Treffen wir uns trotzdem heute Nachmittag in der Eisdiele? Da kommst du garantiert wieder auf andere Gedanken. Ja, und deine Geburtstagsfeier können wir dann auch planen. Der Countdown läuft, wir haben schließlich nur noch ein paar Tage, bis dahin. Ich rufe gleich Mona an und sag´ ihr Bescheid ..."

    Ich hörte Laras munterem Geplauder mit halbem Ohr zu und ging, mal abgesehen von obligatorischen Antworten, meinen eigenen Gedanken nach.

    Die Sache mit den Steinen ließ mich einfach nicht los. Obwohl, langsam glaubte ich nicht mehr, dass ich etwas damit zu tun hatte. Das konnte ja gar nicht sein.

    Tim war anscheinend ebenfalls nicht wirklich in Redelaune. Mehr oder weniger schweigend fuhr er neben uns her. Er schien geistig komplett abwesend zu sein und ich hätte zu gerne gewusst, worüber er gerade nachdachte.

    „Wir könnten für dich auch ein neues Outfit besorgen, meinst du nicht?", durchdrang Laras Stimme meine Grübeleien.

    Tims Fahrrad machte einen abrupten Schlenker und fast wäre er deshalb mit mir zusammengestoßen. Das hätte mir gerade noch gefehlt. Er gab Geräusche von sich, die eindeutig keine Schreckenslaute waren. Der Kerl fiel vor Lachen fast von seinem Rad. So ein Idiot! Was bitteschön war daran witzig?

    Oh, na super! Langsam drängelte sich die unausgesprochene Botschaft in meinen Verstand. Ich trug heute eine meiner Lieblingsjeans mit dezent ausgefransten Löchern und ein uni blaues Kurzarmshirt. Dazu meine heiß geliebten Chucks, die ihre besten Zeiten mehr als hinter sich hatten. Und die Löcher in der Jeans waren Natur pur und nicht von Designer Hand kreiert, aber bestimmt trotzdem modern. Im Moment war die Hose allerdings auch schmutzig, da ich gefühlte Stunden damit verbracht hatte, Heiratsantrags-mäßig vor meinem Fahrrad, im Dreck zu knien.

    Ich machte rücksichtslos eine Vollbremsung und versperrte Lara den Weg, die gerade noch knapp zum Halten kam und vor Schreck laut quietschte.

    „Wie war das mit dem Outfit? Kannst du mir das bitte nochmal genauer erklären?", fragte ich trügerisch sanft, die Luft knisterte vor Spannung.

    Lara schnaufte etwas, wir waren in einem zügigen Tempo geradelt, das sie nicht gewohnt war.

    „Nun reg´ dich nicht gleich auf, ich mein´ ja bloß. Einen Stadtbummel haben wir ewig nicht mehr gemacht. Das wäre doch nett und Mona und ich könnten dich dann beraten und ..."

    „He, Lara, was du da anstellst nennt sich Verschlimmbesserung. Vielleicht solltest du dein Plädoyer vorher mit einem Anwalt besprechen" , unterbrach Tim, der ein Stück weiter vor uns angehalten hatte, sie lachend. Wahrscheinlich absolviert er ein Trainingsprogramm für Gesichtsmuskeln und muss deshalb ständig entweder grinsen oder lachen, dachte ich gehässig. Blöderweise brachte sein Grinse-Lachgesicht mein Herz immer zum Flattern, was mich mindestens genauso nervös machte, wie die Steinsache.

    Lara vermied es mich anzusehen und guckte betrübt zur Seite. Das konnte ich nun überhaupt nicht vertragen. Meine schlechte Laune schmolz, wie die berühmte Butter in der Sonne, und ich änderte meine Ansichten geschmeidig um hundertachtzig Grad.

    „Weißt du, eigentlich ist die Idee gar nicht so übel, wir können ja jede ein oder zwei Teile kaufen und beraten uns dabei gegenseitig. Das hätte auch einen ganz tollen modischen Lerneffekt für mich", gab ich mich freiwillig geschlagen.

    „Braves Mädchen", lobte mich Tim und zwinkerte mir dabei unverschämt vertraulich zu, wofür ich ihn am liebsten erwürgt hätte.

    Lara seufzte erleichtert. „Amunet, das ist die beste Idee überhaupt. Wir werden richtig viel Spaß zusammen haben."

    „Oh, ja, ganz bestimmt. Ich kann es kaum erwarten", antwortete ich zähneknirschend.

    „Ich weiß auch schon genau wo wir überall hingehen können ..." Lara unterhielt Tim und mich während des restlichen Weges mit einer Aufzählung von Vor- und Nachteilen diverser Geschäfte in der City. Sie schwelgte geradezu darin und bemerkte zum Glück nicht, dass weder Tim noch ich ihr richtig zuhörten.

    KAPITEL 2

    Nachdem sich unsere Wege an der letzten Ecke getrennt hatten, bog ich, mit einem Gefühl der Erleichterung, in unsere verschlafen wirkende Straße ein. Dabei fiel mir sofort der kleine rote Sportflitzer meiner Oma ins Auge, der vor unserem Haus geparkt stand.

    Das war allerdings ungewöhnlich und machte mich prompt neugierig, denn sie verließ selten ihr uriges Fachwerkhaus und ihren heiß geliebten Garten.

    Eilig stellte ich mein Fahrrad in der Garage ab, schnappte meine Schultasche und rannte über den kurzen gepflasterten Weg bis zum Haus. Durch das geöffnete Küchenfenster konnte ich undeutlich die Stimmen meiner Mutter und meiner Oma hören, während ich eilig nach meinem Haustürschlüssel kramte. Kaum war die Türe offen, stürmte ich durch den Flur in die Küche. Die beiden Frauen sahen etwas erschreckt, fast schon ertappt, aus, als ich plötzlich vor ihnen stand.

    „Oma, was machst du denn hier? Das ist ja eine tolle Überraschung! Bleibst du zum Mittagessen? Ich habe dir eine Menge zu erzählen ...", ich drückte meine Oma, Alvara, die auf einem der Küchenstühle saß, innig. Anscheinend zu fest und zu lange, denn sie schnappte nach Luft, als ich sie wieder losließ.

    „Kind, willst du mich etwa umbringen? Nicht so heftig und ja, ich bleibe noch eine Weile", antwortete sie schmunzelnd.

    Meine Mutter sah mich vorwurfsvoll an. „Amunet, du bist reichlich spät dran. Ich habe mir Sorgen gemacht und wollte dir schon entgegen fahren. Ist etwas Besonderes gewesen, oder habt ihr, Lara und du, euch wieder einmal verquatscht?"

    Sie hatte gerötete Augen und warf Alvara einen rätselhaften Blick zu, den ich nicht recht zu deuten wusste. Sie wirkte auf mich eher angespannt und niedergeschlagen, als ärgerlich.

    „Nein, Ma, ehrlich … Es lag nicht daran. Mein Fahrradschloss hat sich verklemmt und ließ sich einfach nicht mehr öffnen."

    Meine Mutter schüttelte missbilligend den Kopf. „Warum hast du mich denn nicht angerufen? Für solche Notfälle hast du doch dein Handy", meinte sie vorwurfsvoll.

    Oh, Mist, daran hatte ich überhaupt nicht gedacht, eigentlich war ich ständig zu beschäftigt oder abgelenkt gewesen. Sonst blieb meine Mutter aber, trotz meiner Mucken, inklusive Zuspätkommen, eher cool. Aber heute schien sie total neben der Spur zu sein oder vielmehr ziemlich durcheinander. Hing das vielleicht mit dem unerwarteten Auftauchen meiner Oma zusammen?

    „Entschuldige bitte, Ma, ich war endlos lange mit dem Schloss beschäftigt und dann hatte ich es einfach eilig und wollte nach Hause, deswegen habe ich vergessen anzurufen", erklärte ich, um sie zu beruhigen.

    „Ja, schon gut. Das verstehe ich. Aber falls so etwas noch einmal vorkommen sollte, denk´ bitte daran dich sofort bei mir zu melden. Und das Fahrradschloss müssen wir unbedingt austauschen lassen. Ich werde mich gleich morgen darum kümmern. Jetzt machst du dich am besten erst einmal etwas frisch, du siehst ganz erhitzt aus. Alvara hat Salatgurken und Tomaten aus ihrem Garten mitgebracht. Daraus machen wir einen leckeren Salat und dazu gibt es Kräuterbaguette. Als Nachtisch hätte ich Erdbeeren aus unserem Garten mit einer Quarkcreme oder Eis im Angebot. Ich denke mal Eis ist dir lieber?"

    „Ach, das hört sich alles prima an", antwortete ich zufrieden. Da hatte ich gerade nochmal Glück gehabt. Das hätte auch in eine längere Standpauke ausarten können.

    Während ich mich noch darüber freute, glimpflich davon gekommen zu sein, überkam mich ein eigenartiges Gefühl. Irgendetwas stimmte nicht! Ganz und gar nicht! Ich verspürte ein fürchterliches Ziehen in der Magengegend und hatte auf einmal einen unbeschreiblichen Durst. Ohne mich lange mit Erklärungen aufzuhalten, hastete ich zum Kühlschrank und riss die Türe auf. Mit einem Griff schnappte ich mir den Krug mit der selbstgemachten Zitronenlimonade, setzte ihn an den Mund und trank gierig daraus.

    So lange, bis meine Mutter ihn mir resolut aus den Händen nahm. „Amunet! Dafür gibt es Gläser, wie benimmst du dich denn!?", rief sie entsetzt.

    Sie war ganz schockiert und eigentlich hätte ich mich entschuldigen müssen. Doch ich reagierte gar nicht auf ihre Worte, sondern sah sie einfach an oder besser gesagt, durch sie hindurch.

    Meine Wahrnehmung war komplett gestört, alles in mir konzentrierte sich auf das, mich beherrschende, abartig quälende, Durstgefühl. Mein Blick wurde unscharf, etwas zog … nein, rief mich nach draußen.

    Ich wollte etwas sagen, aber es ging wirklich nicht, also drehte ich mich einfach auf dem Absatz herum und rannte in den Garten. Ma wollte mir folgen, aber Alvara hielt sie zurück.

    Wie ferngesteuert lief ich weiter, erst vor dem Blumenbeet mit den Stauden hielt ich wieder an. Der Boden war an dieser Stelle pulvertrocken und die Blüten und Blätter hingen schlapp herab. Meine Mutter hatte an dieser Stelle wohl noch nicht gegossen, denn der Gartenschlauch lag bloß ein Stück weiter entfernt im Gras. Ich nahm ihn hoch, ging zurück zu dem Beet und wässerte die Erde so, dass möglichst keine der Tropfen von oben auf die Pflanzen fielen. Bei der hoch stehenden Mittagssonne würden sie sonst braune Flecken bekommen.

    In den Baumkronen wisperte ein leichter Wind der sich für mich anhörte wie ein Willkommensgruß, auch wenn das vielleicht Quatsch war. Schmetterlinge tanzten in der Luft und die Blumen nickten sanft mit ihren bunten Blütenköpfen. Um mich herum schien die Natur ein Fest zu feiern. Das alles nahm ich aber eher nebenbei wahr. Während ich dort in meine eigene Traum Welt versunken stand, klärte sich langsam wieder mein Blick und auch der brennende Durst verschwand nach und nach.

    Endlich fühlte ich mich wieder halbwegs wie ich. Es war als ob eine zweite Person für eine Weile von mir Besitz ergriffen gehabt hätte. Ob mein Blackout mit der Trockenheit der Pflanzen zusammenhing? Was ging hier vor sich? Das konnte alles gar nicht wahr sein.

    Mir wurde bewusst, dass immer noch Wasser aus dem Schlauch strömte und stellte abrupt den Hebel der Düse auf `Aus´. Ob ich krank wurde? Wie sollte ich solche Ausfälle meiner Mutter oder anderen Leuten erklären? Mal abgesehen davon, dass ich mir damit im Eiltempo Ausgeh-, Handy- und TV-Verbot auf Lebenszeit einhandeln würde.

    Und wenn ich ihr die Wahrheit sagte, würde sie mich zu einem Arzt schleppen. Meine Meinung über Ärzte war geradezu unterirdisch. Für sie wäre ich unter Garantie ein Fall für die Irrenanstalt oder ein willkommenes Versuchskaninchen.

    Zögernd ging ich zurück zum Haus. Jetzt kam dann wohl die Standpauke, die mir vorhin erspart geblieben war. Wie gewonnen so zerronnen, na toll! Als ich auf der Terrasse ankam, bemerkte ich, dass die Terrassentüre noch weit offen stand. Ich konnte deswegen genau hören was drinnen gesprochen wurde. Es ging eindeutig um mich! Neugierig geworden schlich ich weiter, bis ich unauffällig in die Küche hineinsehen und außerdem alles noch besser verstehen konnte.

    „ … Mara, du musst den Tatsachen ins Auge sehen. Du hast es doch auch gespürt. Die Zeichen sind mehr als deutlich. Eben und jetzt gerade wieder. Das Element ruft nach ihr. Die Gabe ist erwacht und sie ist stark. Wahrscheinlich so stark, dass Amunet ohne fachkundige Anleitung die Kontrolle darüber verlieren könnte. Ich glaube nicht, dass unser Wissen ausreicht, um sie zu unterrichten", sagte meine Oma nachdrücklich.

    Sie räusperte sich, als ob sie ihrer eigenen Stimme nicht mehr trauen konnte. Es wirkte, als ob sie sich mühsam zusammenreißen musste, um nicht die Beherrschung zu verlieren. Ich sah, dass meine Mutter ein Glas mit Wasser füllte und es Alvara gab, bevor sie antwortete.

    „Ja, natürlich habe ich es gefühlt! Ich habe mir eingeredet, dass ich mich täusche, oder dass die Symptome von alleine wieder verschwinden, wenn ich sie ignoriere", meine Mutter klang verzagt.

    „Mara! Das war absolut unverantwortlich! Die Dinge sind so wie sie sind und daran wird sich nichts ändern, bloß weil du das gerne so hättest. Weiß Amunet denn rein gar nichts über ihre Wurzeln und die Möglichkeit der erweckten Gabe?, fragte Alvara, sie war hörbar entrüstet. „Du hättest rechtzeitig, lange vor ihrem sechzehnten Geburtstag, mit ihr darüber sprechen und sie darauf vorbereiten müssen. Jetzt hat sie überhaupt keine Ahnung was eigentlich mit ihr los ist. Amunet muss nun in kürzester Zeit akzeptieren wer oder besser gesagt was, sie ist und außerdem möglichst bald lernen, mit ihren Fähigkeiten fertig zu werden.

    „Mutter, ich stimme dir grundsätzlich voll und ganz zu. Es hätte aber doch sein können, dass sich bei Amunet keinerlei magische Anzeichen zeigen, dann hätte ich sie ganz umsonst mit den alten Geschichten belastet. Ich bin das Risiko eingegangen, um sie davor zu schützen ...", weiter kam meine Mutter nicht, denn Alvara unterbrach sie heftig.

    „Ja, du bist ein Risiko eingegangen, aber eher um nicht an Vergangenem rühren zu müssen und den Preis dafür zahlt nun Amunet. Wir werden beide gleich sofort mit ihr sprechen und sie in den nächsten Wochen, so gut es geht, selbst unterrichten. Vielleicht können wir den Schaden noch begrenzen. Ich werde heute Abend den hohen Rat informieren. Er wird wissen was zu tun ist und er verfügt über nützliche Kontakte und Kenntnisse der alten Weisheiten."

    Meine Mutter machte eine abweisende Handbewegung, an der veränderten Klangfarbe ihrer Stimme erkannte ich ihr Entsetzen. „Der hohe Rat wird sie mir wegnehmen, wenn man bemerkt wie mächtig die Gabe in ihr ist. Das lasse ich nicht zu! Es gibt, wie du weißt, noch einen anderen triftigen Grund, ihnen Amunet nicht anzuvertrauen."

    Meine Oma sah nachdenklich aus und rieb grüblerisch mit der Hand über ihr Kinn. „Da magst du recht haben. Wie auch immer, zuerst muss Amunet die Wahrheit erfahren. Dann überlegen wir gemeinsam, welche Möglichkeiten es für sie gibt."

    Mir perlte inzwischen vor lauter Aufregung der Schweiß von der Stirn und mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen verharrte ich nach wie vor unbeweglich auf meinem Lauschposten. Ich wusste nicht ob ich weinen oder lachen sollte. Zuerst einmal war ich mehr als erleichtert, dass ich zum Glück keine Irre war.

    Aber andererseits war ich anscheinend eine Art Freak mit seltsamen Begabungen, die mich völlig unberechenbar machten. Einen Vorgeschmack darauf hatte ich ja bereits zweimal bekommen. Ob das wirklich die bessere Alternative war? Dagegen konnte man nichts machen, da halfen weder Therapien noch Pillen.

    Was Lara und Mona wohl dazu sagen würden!? Durfte ich ihnen überhaupt davon erzählen?

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