Betrachtungen über die menschliche Erlösung
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Auf denn also, Herr mein Gott, lehre mein Herz, wo und wie es dich suche, wo und wie es dich finde... XXI. Betrachtung.
Anselm von Canterbury regt in seinen "Betrachtungen..." den Leser zum Meditieren über verschiedene Aspekte des Lebens und Sterbens Jesu Christi an. Ernsthaft betrieben und verinnerlicht, führen diese Übungen zu einem demütigen Selbst gegenüber Gottes Schöpfung, den Mitmenschen und einem gefestigten spirituellen Leben in den Stürmen der Welt.
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Betrachtungen über die menschliche Erlösung - Anselm von Canterbury
Schätze der christlichen Literatur
Band 8
Inhaltsverzeichnis
Leben des heiligen Anselm, Erzbischofs von Canterbury
Anselm von Canterbury
Vorwort
Betrachtung
Wie wir zum Bild und Gleichnis Gottes geschaffen sind
Wie wir dazu geschaffen sind, Gott ohne Unterlaß zu loben
Wie wir allenthalben, wo wir sind, in ihm leben, weben und sind, da wir ihn in uns haben
Wie alle, die wir in Christus getauft sind, Christus angezogen haben
Daß wir Christi Leib sind
Wie wir mit Christus eins sind, und mit ihm ein Christus sind
Betrachtung unserer Sünden, besonders derer, worüber uns unser Gewissen größere Vorwürfe macht, durch die wir dieses alles verloren haben
Erwägung der Menschwerdung des Herrn, durch welche wir alles dies wiedererlangt haben
Wie man beten muß, um aus dem See des Elends und dem Schlamm der Unreinheit herausgerissen zu werden
Betrachtung des Elends dieses Lebens
Von dem Körper, nach dem Verscheiden der Seele
Von der Seele, nachdem sie sich von dem Körper getrennt hat
Erwägung des Tages des Gerichts, wo die Widder an die Linke gestellt werden
Erwägung der Freude, wenn die Schafe an die Rechte gestellt werden
Betrachtung
Betrachtung
Betrachtung
Betrachtung
Betrachtung
Betrachtung
Daß nichts beständig ist in der Welt
Von den vielfachen Wohltaten Gottes
Jetzt macht sich der Sünder Vorwürfe wegen seiner Undankbarkeit gegen die göttlichen Wohltaten
Anerkennung seiner Sünde
Betrachtung
Betrachtung
Betrachtung
Betrachtung
Betrachtung
Betrachtung
Betrachtung
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Betrachtung
Betrachtung
2. Teil
Betrachtung
3. Teil
Betrachtung
Betrachtung
Bewunderung über die unaussprechliche Güte des Schöpfers und das große Elend des geschaffenen Menschen
Wie der eine Mensch von dem anderen geliebt wird, und warum Gott mehr geliebt werden muß, als irgendein Mensch
Daß Gott alles gut gemacht hat, und daß er selbst wesentlich gut sei
Daß alle Kreatur ihren Schöpfer lobe
Worin der Mensch seinem Schöpfer ähnlich ist
Daß der Mensch aus zwei Naturen besteht, von denen die eine sich erhebt bis zum Höchsten, die andere herabgesenkt wird bis zum Niedrigsten
Nun betet der Mensch zu Gott, daß er es nicht zulassen möge, daß er seine Freiheit schlecht gebrauche
Betrachtung
Betrachtung
Zu dieser Ausgabe
Leben des heiligen Anselm,
Erzbischofs von Canterbury.
DER heilige Anselm, durch Frömmigkeit, wie durch Wissenschaft ausgezeichnet, ist als der Vater der scholastischen Theologie d. h. der verstandesmäßigen Erforschung und Darstellung der Offenbarung anzusehen. Er wurde zu Aosta in Piemont um das Jahr 1033 geboren. Sein Vater, mit Namen Gundulph, seine Mutter, mit Namen Ermenberga, waren zwar beide von ansehnlicher Geburt, aber an Charakter und Lebensart sehr verschieden. Der Vater überließ sich den Vergnügungen und seinen Leidenschaften; die Mutter übte die Tugend, versah das Hauswesen, und wandte namentlich der Erziehung ihres Sohnes alle ihre Sorge zu.
Auf Anselm machte das Beispiel und der tägliche Umgang mit seiner Mutter den günstigsten Eindruck. Kaum 15 Jahre alt beschloß er, Mönch zu werden. Der Abt, zu dem er sich zu diesem Zweck begab, mochte wohl einsehen, daß sein Entschluß noch nicht reif genug sei, und verweigerte ihm seinen Wunsch. Das Folgende lehrte, daß der Abt recht gesehen hatte. Denn da inzwischen die Mutter Anselms unversehens starb, vergaß er seinen früheren Entschluß und ging eine Zeitlang seinen Leidenschaften nach.
Doch Gott wollte den Jüngling aus diesem mißlichen Zustand befreien; er ließ es zu, das Anselm in die Ungnade seines Vaters fiel. Dieser empfand einen solchen Abscheu gegen seinen Sohn, daß er ihn kaum anzublicken vermochte, und es blieb Anselm, um nicht Schlimmeres zu erleben, nichts übrig, als das elterliche Haus zu verlassen. Er wandte sich nach Burgund und Gallien, wo er drei Jahre lang emsig dem Studium oblag.
Um diese Zeit stiftete Abt Herluin auf den Grenzen der Normandie das Kloster Bec. Lanfranc war in demselben Prior; ein Mann, dessen Gelehrsamkeit weit und breit berühmt war. An den wandte sich Anselm, um fernerhin Unterricht zu empfangen. Lanfranc nahm ihn auf, und Anselm, der keine Mühe, keine Arbeit scheute, machte in kurzem nicht nur in den Wissenschaften, sondern auch in der Frömmigkeit solche Fortschritte, daß es zum Erstaunen aller war. Da starb Gundulph, sein Vater, und hinterließ ihm ein großes Erbe. Anselm mußte sich nun über seine Standeswahl entscheiden. Er schwankte hin und her und konnte zu keinem rechten Entschluß kommen. Auch Lanfranc wagte nicht ihm in einer so schwierigen Sache Rat zu geben. Er schickte ihn zu Mauritius, Erzbischof von Rouen, einem Mann von heiligmäßiger Gesinnung, der ohne allen Anstand Anselm den Rat gab, unter den klösterlichen Gelübden ein vollkommenes christliches Leben zu führen. Anselm war erfreut über diesen Rat, und trat sogleich in dem Kloster zu Bec als Mönch ein; um so lieber, da in demselben sein Lehrer Lanfranc lebte. Obgleich erst 27 Jahre alt, machte er doch innerhalb von drei Jahren so große Fortschritte in der Tugend, daß er, als Lanfranc zum Abt von Caen vom König Wilhelm ernannt wurde, auf den Wunsch aller Mitglieder des Klosters zum Prior ausersehen wurde.
Jetzt war seinen Tugenden ein reiches Feld der Tätigkeit gegeben. Besonders machte sich seine Klugheit und Milde bei der Erziehung der jüngeren Mönche bemerkbar. Sich selbst schonte er in keinem Stück. Durch Fasten, Abkürzung des Schlafs und andere Bußwerke tötete er sich beständig ab, während er alle übrigen mild behandelte. Nur gegen sich selbst war er streng. Daher kam es, daß er selbst die Ungehorsamen und Widersetzlichen zur Ordnung zurückführte, wie uns denn die damaligen Schriftsteller ein bemerkenswertes Beispiel von einem Mönch, namens Osbern erzählen, der durch die umsichtige Leutseligkeit Anselms völlig umgewandelt wurde.
Diese Beschäftigungen in seinem neuen Amt hinderten ihn nicht, seine wissenschaftlichen Studien mit allem Ernst fortzusetzen. Tag und Nacht beschäftigte er sich mit der Lösung der schwierigsten theologischen Fragen z. B. über die Inspiration, den freien Willen, den Fall des Teufels, und dergleichen.
Wie der Glanz seiner Tugend und seiner Wissenschaften sich so vermehrte, und die ganze Normandie, Gallien, Belgien und Britannien seines Rufes voll war, da konnte es nicht fehlen, daß von allen Seiten wißbegierige Jünglinge aus den angesehensten Familien nach dem Kloster zu Bec zusammenströmten. Als dann der Abt Herluin starb, wurde er einstimmig zu seinem Nachfolger erwählt.
Lanfranc war inzwischen Erzbischof von Canterbury geworden. Ihn zu sehen, und teilweise auch um die Güter seines Klosters, deren dasselbe einige in England besaß, persönlich in Augenschein zu nehmen, setzte Anselm nach Britannien über. Er wurde von allen auf das freundlichste empfangen, selbst von König Wilhelm, mit dem Beinamen „der Eroberer", einem sonst unbändigen und rauhen Mann. Als Lanfranc starb, mußte er trotz all seines Widerstrebens den erzbischöflichen Stuhl von Canterbury übernehmen. Aber jetzt begannen für ihn schwere Kämpfe. Er hatte die Aufgabe, die tiefverletzte Freiheit der Kirche wiederzugewinnen. König Wilhelm nämlich, der Sohn des obengenannten und sein Nachfolger, hatte die Güter der Kirche an sich gezogen, hemmte die Freiheit der Bischofswahl, und wollte sich dem Gehorsam des römischen Stuhls entziehen. Leider war selbst ein großer Teil der Bischöfe auf seine Seite getreten. Anselm sah, daß er allein stand, und daß es nicht nützlich sei, so allein gegen den Strom zu schwimmen. Er beschloß deshalb der Notwendigkeit zu weichen, und ging zuerst nach Lyon, dann nach Rom, wo ihn Papst Urban II. auf das ehrenvollste aufnahm, und mit Lobesbezeugungen überhäufte. Er wohnte dem Konzil von Bari bei, auf dem er über den Ausgang des Heiligen Geistes gegen die Griechen disputierte; sodann war er auf dem römischen Konzil gegenwärtig. Der Papst nahm lebhaft Partei für Anselm. Da jedoch der König in seinem ungestümen Wesen nicht nachließ, und alle Hoffnung für Anselm verschwand, bei den Lebzeiten desselben zurückzukehren, ging er nach Lyon zurück, wo er über kurz zu seinem großen Leidwesen die Nachricht von dem gewaltsamen Tod des Königs empfing.
Auf Wilhelm folgte Heinrich I. Auch unter ihm dieselben Angriffe auf die kirchliche Freiheit, derselbe Zwiespalt, dieselben Verfolgungen. Anselm ging zum zweiten Mal, um Hilfe zu suchen, nach Rom zum Papst Pascal II. Schließlich kam der König zur Besinnung und sah die Ungerechtigkeit ein, die er geübt hatte. Demnach gab er der Kirche das Recht der freien Bischofswahl zurück, und verzichtete freiwillig auf das Recht der Investitur, welches er sich bis dahin zur Konfirmation der Bischöfe angemaßt hatte.
So war denn der Friede der Kirche wiedererrungen. Allein nach so vielen geistigen und körperlichen Mühen fing Anselm schwer an zu kränkeln. Sein Tod nahte. Da empfing er denn die heiligen Sakramente, erteilte allen Anwesenden, namentlich dem König, der Königin und deren Kindern den bischöflichen Segen, und gab seine heilige Seele gegen den Morgen den 27. April in die Hände Gottes auf, im Jahr 1109, dem 13. seines Pontifikats, dem 76. seines Alters.
Anselm von Canterbury
Betrachtungen
über die menschliche Erlösung.
Vorwort.
DIE nachfolgenden Betrachtungen und Gebete, welche herausgegeben sind, um die Seele des Lesers zur Liebe oder Furcht Gottes oder zur Erforschung ihrer selbst zu stimmen, sind eben darum nicht in Zerstreuung sondern in der Stille zu lesen; nicht rasch, sondern langsam, unter aufmerksamer und bedächtiger Erwägung. Auch braucht der Leser nicht darauf zu sehen, daß er jedesmal eine derselben ganz durchlese, sondern wieviel er findet, daß ihm mit Gottes Hilfe zur Entzündung des Gebetssinns genug ist, wieviel ihm Freude macht. Auch hat er nicht nötig, immer eine von Anfang anzufangen, sondern wo es ihm am meisten zusagt. Eben zu dem Ende sind sie in Abschnitte abgeteilt, damit er, wo es ihm beliebt, anfange oder aufhöre, auf daß ihm nicht die Länge oder die häufige Wiederholung derselben Stelle Wiederwillen verursache, sondern vielmehr der Leser irgendwelchen Antrieb der Frömmigkeit, wozu sie eben gemacht sind, daraus schöpfe.
I. Betrachtung.
Über die Würde
und das Elend der menschlichen Natur.
1.
Wie wir zum Bild und Gleichnis Gottes geschaffen sind.
WACHE auf, meine Seele, wache auf; strenge an deinen Geist, richte empor deinen Sinn, treibe aus die Saumseligkeit deines todbringenden Schlummers, ergreife die Sorge für dein Heil. Ausgeschlagen werde das Umherschweifen aller unnützen Gedanken, fern weiche die Trägheit, erhalten werde der Fleiß. Gib dich hin den heiligen Betrachtungen, klammere dich fest an die himmlischen Güter, richte dich auf die ewigen, die zeitlichen verlassend. Was kannst du nun nützlicher, was heilsamer in so göttlicher Übung des Geistes bedenken, als die unermeßlichen Wohltaten deines Schöpfers in süßer Erinnerung erwägen? Betrachte also, welche Höhe, welche Würde er im Anfang der Schöpfung dir verliehen, und erwäge, mit welcher Liebe, welcher Verehrung du ihm begegnen mußt. Gewiß, als er das Ganze der sichtbaren und unsichtbaren Dinge schaffend und ordnend, die menschliche Natur hervorzubringen beschlossen hatte, dachte er in seinem hohen Ratschluß an die Würde deiner Stellung, da er sie höher zu ehren bestimmt hatte, als die übrigen Geschöpfe, die in der Welt sind. Siehe deshalb die Erhabenheit deiner Schöpfung und statte die Pflicht der schuldigen Liebe zurück. „Laßt uns, sprach Gott, den Menschen machen nach unserem Bild und Gleichnis.
¹ Wenn du bei diesem Wort deines Schöpfers nicht aufwachst, wenn du bei so unaussprechlicher Güte, mit welcher er sich gegen dich herabließ, nicht ganz in Liebe zu ihm aufglühst, wenn du nicht aus dem Mark deiner Seele zum Verlangen nach ihm entflammt wirst; was soll ich denn sagen? Soll ich dich für schlafend oder vielmehr für tot halten? Gib also sorgfältig acht, was es heißt, zum Bild und Gleichnis Gottes geschaffen sein. Du hast daran einen süßen Stoff zu frommer Erwägung, woran du deine Gedanken üben kannst. Bemerke also, daß etwas anderes die Ähnlichkeit, etwas anderes das Ebenbild bedeutet: zum Beispiel kann mit dem Menschen irgendeine Ähnlichkeit ein Pferd haben, ein Stier, oder andere derartige Geschöpfe; das Ebenbild des Menschen trägt aber niemand an sich, als wiederum ein Mensch. Der Mensch nimmt Nahrung zu sich; es nimmt auch das Pferd Nahrung zu sich; siehe irgendeine Ähnlichkeit und Gemeinschaftlichkeit zwischen den verschiedenen Naturen! Das Ebenbild des Menschen aber findet sich nur wieder bei einem anderen Menschen derselben Natur, dessen Ebenbild er ist. Bedeutsamer demnach ist Bild als Ähnlichkeit. Ähnlichkeit werden wir mit Gott auf folgende Weise haben können: wenn wir ihn in seiner Güte betrachtend, uns bemühen gut zu sein; wenn wir ihn in seiner Gerechtigkeit erkennend, gerecht zu sein streben, wenn wir ihn in seiner Barmherzigkeit erschauend, uns Mühe geben, Barmherzigkeit zu üben. Wie verhält es sich aber mit seinem Ebenbild? Merke auf! Gott ist stets sich seiner bewußt, er erkennt sich, er liebt sich. Genauso auch du, wenn du nach deinem geringen Maß unermüdlich Gottes eingedenk sein wirst, Gott betrachtest, Gott liebst: so wirst du nach seinem Ebenbild sein, weil du dich zu tun bestrebst, was Gott immer tut. Auf die Erinnerung, Erkenntnis und Liebe des höchsten Gutes muß der Mensch sein ganzes Leben auf Erden beziehen: dahin muß jeder Gedanke, jede Regung des Herzens gewandt, gerichtet, gezogen sein, daß du in unermüdlicher Begierde Gottes eingedenk seist, Gott erkennst, Gott liebst und die Würde deiner Schöpfung, der gemäß du nach dem Ebenbild Gottes geschaffen bist, heilsam darstellst. Doch was sage ich: Du seist nach dem Ebenbild Gottes geschaffen, der du nach dem Zeugnis des Apostels das Ebenbild Gottes selbst bist? „Der Mann, so spricht der Apostel, „soll sein Haupt nicht umhüllen, da er das Bild und der Ruhm Gottes ist.
²
2.
Wie wir dazu geschaffen sind,
Gott ohne Unterlaß zu loben.
GENÜGEN dir diese unermeßlichen Wohltaten deines Schöpfers nicht, ihm immerwährend Dank zu sagen, und ohne Unterlaß deine Liebe zu beweisen, wenn du bedenkst, wie du aus Nichts oder vielmehr aus dem Staub durch seine Güte zu einer so großen Höhe beim Beginn der Schöpfung erhoben bist? Folge also der Gesinnung der Heiligen in deinem eigenen Leben nach, und höre, was von dem Heiligen geschrieben steht. Wie ist nämlich das Lob des Heiligen? „Aus seinem ganzen Herzen lobte er den Herrn. Siehe, wozu du geschaffen bist; siehe die Aufgabe deines Dienstes. Denn wozu hätte dich Gott zu einer so herrlichen, ausnahmsweisen Bestimmung erhoben, wenn er nicht gewollt hätte, daß du unablässig auf sein Lob bedacht seist? Zum Lob deines Schöpfers also bist du geschaffen, daß du mit seinem Lob beschäftigt, hier an Verdienst und Gerechtigkeit stets zunimmst, und jenseits glückselig lebst. Denn sein Lob schafft hier Gerechtigkeit, dort Seligkeit. Aber wenn du lobst, lobe aus ganzem Herzen, lobe durch Liebe. Denn dieses ist die Regel, die den Heiligen für das Lob gegeben ist: „Aus seinem ganzen Herzen lobte er Gott, und liebte Gott, der ihn geschaffen.
³ Lobe also, und aus ganzem Herzen lobe, und den du lobst, liebe ihn, weil du dazu geschaffen bist, daß du lobst und liebst. Denn es lobt zwar, aber nicht aus ganzem Herzen, wen das Glück stimmt, Gott zu segnen, den aber das Unglück Gott zu segnen abhält. Es lobt auch, aber liebt nicht, wer im Lob Gottes irgend etwas anderes als ihn selbst sucht. Lobe ihn mithin, und lobe ihn würdig, daß in dir keine Sorge, keine Meinung, kein Gedanke, keine Bewegung deines Geistes, in wie weit es immer dir möglich ist, von dem Lob Gottes bloß sei. Von seinem Lob möge dich kein freudiges Geschick dieses Lebens wegführen, kein widriges entfremden. So allein wirst du aus ganzem Herzen Gott loben. Indes wenn du ihn aus ganzem Herzen lobst, und liebend lobst, so begehre von ihm nichts, als ihn selbst, daß er das Ziel deines Verlangens sei, er der Lohn deiner Arbeit, er der Trost in diesem dunklen Erdenleben, er der Besitz in jenem seligen Leben. Dazu bist du mithin geschaffen, daß du ihn ohne Ende preist, was du dann erst vollständiger einsehen wirst, wenn du zu seiner glückseligen Anschauung erhoben, erkennst, wie du einzig und allein durch seine erbarmende Güte, als du nicht warst, aus Nichts so glückselig und zu so einer unaussprechlichen Glückseligkeit geschaffen, berufen, gerechtfertigt und vollendet worden bist. Diese Betrachtung wird dir eine unermüdliche Liebe einflößen, ihn ohne Ende zu loben, aus dem, durch den, in dem du dich freuen wirst, mit so großen und so unveränderlichen, Gütern beseligt zu sein.
3.
Wie wir allenthalben, wo wir sind,
in ihm leben, weben und sind, da wir ihn in uns haben.
VON jener zukünftigen Glückseligkeit wende nun das Auge deiner Betrachtung einen Augenblick zu der Größe der Gnade, mit der er dich schon in diesem flüchtigen Leben bereichert hat. Er, der im Himmel wohnt, der unter den Engeln gebietet, dem Himmel und Erde mit allem, was darin ist, sich beugen, er hat sich dir zur Wohnung gegeben, seine Gegenwart dir zugeteilt, indem der Apostel sagt: „In ihm leben, weben und sind wir." ⁴ Süßes Leben, liebliche Bewegung erwünschtes Sein! Was gibt es denn süßeres, als in dem sein Leben haben, der das glückselige Leben selbst ist? Was lieblicher, als jede Bewegung unseres Willens und Tuns nach ihm und in ihm richten, der uns mit beständiger Festigkeit umgeben wird? Was erwünschter, als mit seinem Sinn und Wandel stets in dem sein, in dem allein, oder vielmehr, der allein ist das wahre Sein, ohne den es niemanden wohl sein kann. „Ich bin, spricht er, „der ich bin.
⁵ Vortrefflich in der Tat. Denn er allein ist wahrhaft, dessen Sein unveränderlich ist. Gott also, dessen Sein so ausgezeichnet, so einzig ist, daß er allein wahrhaft ist, und in Vergleich mit ihm alles Sein Nichts ist, als er dich zu jener Höhe erschuf, daß du nicht einmal die Herrlichkeit deiner Würde