Das Kühnesche Haus *1592* oder Wo sich die Balken biegen: Allerlei Geschichte(n) aus Haldensleben
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Aktuell im Europäischen Kulturerbejahr 2018 widmet sich die Autorin G. G. von Bülow als Kühne-Enkelin diesem geschichtsträchtigen Fachwerkhaus aus dem Jahre 1592, das als bauhandwerkliches Kleinod aus dem 16. Jahrhundert Stadtgeschichte geschrieben hat und als Postkartenschönheit immer wieder Interesse und Bewunderung auf sich zieht. Angelehnt an die seit November 2017 laufende Ausstellung im Kreis- und Stadtarchiv Haldensleben "425 Jahre - Das Kühnesche Haus im Wandel der Zeit 1592-2017", steht als Baustein der Stadtchronik die Geschichte der Goldschmiedefamilien Clemens Kühne (1834-1902) und Franz Kühne (1868-1946) als Namensträger im Mittelpunkt dieser Publikation.
Es ist die Geschichte von Rettung und Bewahrung deutschen Kulturerbes.
G.G. von Bülow
Ginny G. von Bülow, die unter G.G. von Bülow publiziert, ist in Haldensleben (Sachsen-Anhalt) geboren; seit 1948 im "Westen" - mit wechselnden Lebensstationen zwischen Kopenhagen und Ibiza, mit Schwerpunkten in Köln, Düsseldorf, Hamburg und Berlin. Engagierte sich im Verlags- und Kommunikationsbereich. PR-Beraterin, Herausgeberin, Ghostwriter, freie Autorin seit 1994: Belletristik, Sachliteratur, Biographien. Verheiratet in Berlin. Mitglied der Hamburger Autorenvereinigung (HAV) Die Auswärtige Presse Hamburg (DAP) www.ggvbuelow.de
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Das Kühnesche Haus *1592* oder Wo sich die Balken biegen - G.G. von Bülow
TO JOBST
MY IDEAL HUSBAND
WIDMUNG
Ich würde gerne etwas sagen,
Was dir gerecht wird und genügt.
Du hast mich, wie ich bin, ertragen
Und mir, was fehlte, zugefügt.
Es ist nicht leicht, mit mir zu leben.
Und oft war ich dir ungerecht.
Und nie hab ich mich ganz ergeben,
Du hattest auf ein Ganzes Recht.
Doch ich hab viel für mich behalten.
Und dich ließ ich mit dir allein.
Und du halfst mir, mich zu gestalten
Und: gegen dich mir treu zu sein.
(Eva Strittmatter, 2012)
Inhaltsverzeichnis
Grußwort
Sandra Luthe, Leiterin Kreis und Stadtarchiv Haldensleben
Prolog
Das Kühnesche Haus 1592–2017
Allerlei zur Baugeschichte oder Wo sich die Balken biegen
Im Wechsel der Besitzer – Im Wandel der Zeit
„400 Jahre Kühnesches Haus 1592–1992" –Vortrag im Rathaus 1992
Die Zerschs in Haldensleben
„425 Jahre Kühnesches Haus 1592–2017"
Die Kühnes in Haldensleben – Eine Goldschmiedefamilie
Die Zabels in Haldensleben
Teil 1 – Neuer Eigentümer (1933–1952): Theodor Zabel
Die Zabels
Teil 2 – Die Enteignung (1952)
Das Turmhaus oder Die Geschichte vom tapferen Schneiderlein
Die Zabels
Teil 3 – Zwischen gestern und morgen oder Die Restitution (1993)
Neues Spiel, neues Glück
Epilog
Quellen- und Bildnachweis
Dank
Die Autorin
Grußwort
Als die gebürtige Haldensleberin und Kühne-Enkelin, Ginny G.von Bülow, im Jahr 2015 an das Kreis- und Stadtarchiv Haldensleben mit der Idee einer Ausstellung, anlässlich des Jubiläums „425 Jahre Kühnesches Haus" herantrat, haben wir das Thema gern aufgegriffen. Das Kühnesche Haus – eines der ältesten und am reichsten dekorierten Fachwerkgebäude aus dem Jahre 1592 befindet sich auf der Hagenstraße, im Herzen der Kreisstadt Haldensleben. Es ist kulturgeschichtlich und städtebaulich ein besonders wichtiges Baudenkmal.
In Vorbereitung der Würdigung dieses historischen Fachwerkhauses in der Stadt Haldensleben übergab Frau von Bülow sämtliche im Familienbesitz befindliche Kühne-Materialien dem Haldensleber Kreis- und Stadtarchiv als Schenkung.
Pünktlich im Jubiläumsjahr 2017 konnte dann im November die Ausstellung unter dem Titel „425 Jahre – Das Kühnesche Haus im Wandel der Zeit 1592–2017" im Foyer des Kreis- und Stadtarchiv Haldensleben für das interessierte Publikum eröffnet werden. Die im Europäischen Kulturerbejahr bis November 2018 laufende Ausstellung zeigt die wechselvolle Geschichte des Hauses, eng verbunden mit der Goldschmiedefamilie Kühne, als Bewahrer und Erneuerer dieses bauhandwerklichen Kleinods.
Die vorliegende Publikation zum 150.Geburtstag von Franz Kühne, dem Großvater der Frau von Bülow, ist ein weiterer Baustein in der Darstellung der Stadtgeschichte von Haldensleben. Wir wünschen der Veröffentlichung einen großen Nutzerkreis und danken Frau von Bülow nochmals für die private Schenkung an das Haldensleber Archiv.
Haldensleben im Mai 2018
Sandra Luthe
Kreis- und Stadtarchiv Haldensleben
„Das Kühnesche Haus", Graphik von Th. H. Uffrecht (1878–1954) Haldensleben, ca. 1938 (Abb. 1)
Prolog
Wir schreiben das Jahr 2018. Das Europäische Kulturerbejahr 2018.
Kulturerbejahr? Das hört sich so bedeutsam an, dass man nicht unbedingt gleich an eine Kleinstadt zwischen Börde und Letzlinger Heide denkt – Haldensleben. Nordwestlich vor den Toren Magdeburgs gelegen. Urkundlich erstmals 966 durch Kaiser Otto I. erwähnt. Hier begegnen wir deutscher Geschichte. Kulturgeschichte.
Im Mittelpunkt des identitätsstiftenden Gedankens „Kulturerbe steht nichts Geringeres als die „Rettung und Erhaltung
unseres baulichen/archäologischen Erbes für kommende Generationen. Ausgerufen vom Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz – mit dem Ziel: „Die Bedeutung hochwertiger Baukultur für Europa zu stärken (...) die Baukultur in ihrer historischen und zukünftigen Dimension als qualitative Aufgabe im Themenjahr zu fokussieren (...) Denkmalschutz als Kulturaufgabe schlechthin (...) Baudenkmale sollten Identität, auch Heimat stiften und Lebensqualität schaffen, wenn die historische Bausubstanz sensibel und fachgerecht erhalten wird (...). So die Aufklärung in den Medien zum Europäischen Kulturerbejahr 2018. „Denn unser kulturelles Erbe erzählt uns unsere gemeinsame europäische Geschichte, auch ganz lokal bei uns zuhause.
(Abb. 1)
Ganz lokal bei uns zuhause, in Haldensleben also, das mit seinen über 1000 Jahren allerlei „Kulturerbe in seinen mittelalterlichen Stadtmauern hegt, erzählt uns die Stadtgeschichte von einer bauhistorischen Sehenswürdigkeit, der wir unsere Reverenz erweisen wollen: dem „Kühneschen Haus
, einem markanten Fachwerkhaus aus dem Jahre 1592. Seinen Namen trägt es zu Ehren des Juweliers und Goldschmied Clemens Kühne (1834–1902), der es „1875 vor dem Verfall bewahrte. Damit praktizierte er die „Rettung
durch aufwendige Sanierung, während seinem Sohn, dem Juwelier und Goldschmied Franz Kühne (1868–1946), mit der „Erhaltung" des Baudenkmals eine große Verpflichtung auferlegt war.
Diesem wertvollen Kulturerbe hat das Kreis- und Stadtarchiv Haldensleben die seit November 2017 bis 2018 laufende Ausstellung „425 Jahre – Das Kühnesche Haus im Wandel der Zeit – 1592–2017" gewidmet. Als Bestandteil der Ausstellung konnten private Kühnesche Familiendokumente als Schenkung in die Archivalien des Stadtarchivs integriert werden, wie auch teilweise in diese Publikation. Sie ist eine Hommage an jahrhundertealte deutsche Fachwerkkunst. Und sie ist ein Plädoyer zur Förderung des Gedankens, durch beispielhafte Eigeninitiative und Verantwortung unser Kulturerbe zu schützen und zu respektieren. Respekt zollen möchte ich aber auch dem Chor all jener Chronisten, die sich zu allen Zeiten vielfältig zum Kühneschen Haus publizistisch äußerten. Sie versuche ich durch Zitate ihrer Texte oder Bilder, soweit sie mir vorliegen, entsprechend zu würdigen – als authentische Stimme Haldenslebens.
Nicht zuletzt aber ist diese Publikation meinem Großvater Franz Kühne in liebevoller Erinnerung zu seinem 150. Geburtstag am 20. Februar 2018 gewidmet – eingedenk der Verdienste meines Urgroßvaters Clemens Kühne, der sich vor 150 Jahren am 20. Mai 1868 als Juwelier und Goldschmied im damaligen Neuhaldensleben niederließ. (Abb. 2).
Postkarte Haldensleben 1990 (Abb. 2) © Foto Doermer
Das Kühnesche Haus 1592–2017
Allerlei zur Baugeschichte oder Wo sich die Balken biegen
Deutschland blickt auf sein historisches Bauerbe. Haldensleben auf sein Kühnesches Haus. Und das ist das imposante Fachwerkhaus aus dem Jahr 1592, das unter seinem hohen Dach drei Stockwerke und viel Geschichte in sich birgt. Damals war die 966 gegründete Stadt gerade selbst erst 626 Jahre „jung. Doch innerhalb ihrer mittelalterlichen Stadtmauern „war die Not groß und die Pestepidemien hatten so hohe Menschenopfer gefordert, dass von den 328 Häusern des Jahres 1594 viele verfielen und 1654 nur noch 168 übrig geblieben waren.
(Friedrich Bolms, 1966: 1000 Jahre Haldensleben ) (Abb. 1) Dieses „übriggebliebene" Haus, damals freistehend, hatte also bereits den 30-jährigen Krieg überstanden und muss als Fachwerkbau von so stabiler Beschaffenheit gewesen sein, dass es noch weitere Jahrhunderte überdauern konnte. Bis zu seiner Rettung 1875. Um sich auch heute noch wie einst 1592 an der Hagenstraße/Ecke Holzmarktstraße trotzig zu behaupten. Seit 425 Jahren! Chapeau, Altes Haus! (Abb. 1a)
Stadtansicht 1655 (Abb. 1)
Reproduktion Farblithografie von 1899› (Abb. 1a)
Bauherr ist der Bürger Joachim Lammspring (Lamspring) überliefert. Wir werden ihm noch begegnen. So auch seinen nachfolgenden Besitzern des Hauses, die durchweg Ratsmänner oder Bürgermeister waren und bis 1723 der „Hagenrotte zugerechnet werden. Diese wehrhafte Bürgerschaft hat ihre Stadt in der Zeit vom 14.–17. Jahrhundert in Rotten (Viertel) aufgeteilt, die jeweils von ihren vier gewählten Rottmeistern geführt wurden, um die Bürger gegenüber der Stadt zu vertreten. In Erbauer Lammspring vermutet man daher den „Rottmeister
der Hagenrotte. Im Erdgeschoss seines Hauses weist etwas ganz Besonderes auf den Bauherrn hin: die „Paradiestür". Sie ist als originaler Sandsteintürrahmen mit der Jahreszahl 1592 erhalten; mit allegorischen Figuren, die Erde, Himmel und Hölle symbolisieren sollen, und mit dem christlichen Wappen der Familie: ein Lamm mit Kreuzesfahne. Das ist eine quasi-Grundbucheintragung, eine authentisch historische Kostbarkeit! – die – wie das ganze Gebäude – unter Denkmalschutz steht. (Abb. 2)
Seit dem 13/14. Jahrhundert war in Deutschland das Fachwerkhaus die bekannteste Verwendung von Holzfachwerk im Hochbau. Dafür sprachen zwei Voraussetzungen: a) Das Holz war billig, sein Einsatz gegenüber dem Massivbau kostengünstiger.