Molle und Medaille: Wilhelm Hoeck 1892: Eine Alt-Berliner Kneipe zwischen Zille und Olympia
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Von mehr als 125 Jahren Gastlichkeit handelt dieses Buch, von Schnaps, Likör und Bier, von einem Ruderer, seinem sensationellen Olympiasieg und seiner Goldmedaille. Von einer Registrierkasse, einer Musikbox und von einer gut erhaltenen Berliner Tradition. Und natürlich von Menschen - denn ohne sie ist die schönste Kneipe nichts wert.
"Molle und Medaille" - mit "Molle" bezeichnet der Berliner ein Glas Bier - ist einem Fixstern am Berliner Gastro-Himmel gewidmet: der Alt-Berliner Kneipe und bürgerlichen Speisegaststätte "Wilhelm Hoeck 1892" im Herzen Charlottenburgs.
Bereits bei der ersten Einkehr erliegt der Gast schnell der Faszination einer vergangenen Zeit. Auch der Stammgast lässt sich immer wieder begeistern. Denn "Hoeck" ist alt und antik, echt und authentisch, original und originell. Vertäfelte Wände aus dunklem Holz mit Spiegelflächen, rustikale, blank gescheuerte Tische, ehrwürdige Schnapsfässer und Batterien von alten Flaschen.
Ein "Etablissemang", das die Auszeichnung "Zille sein Milljöh in Reinform" verdient. Denn Heinrich Zille kommt natürlich auch drin vor, in den Geschichten rund um "Wilhelm Hoeck 1892", die hier zusammengestellt neben einem schönen Stück Alt-Berlin auch die Erinnerung an einen (beinahe) vergessenen Sportler, den Ruderer Horst Hoeck, wieder auferstehen lassen.
Matthias Gerschwitz
Matthias Gerschwitz, Jahrgang 1959, betreibt seit 1992 in Berlin eine Werbeagentur. Seit 2007 erzählt er, wie er es formuliert, Geschichte anhand von Geschichten und widmet sich besonders seiner Wahlheimat. So entstanden zum Beispiel Bücher über einen altbewährten Berliner Markenartikel ("Bullrich Salz") oder die älteste Kneipe Berlin-Charlottenburgs ("Wilhelm Hoeck 1892"). Des Weiteren schreibt er über historische Gebäude, den Wandel der Zeiten oder vermittelt Eindrücke in das Leben mit einer HIV-Infektion. Auch zum Film hat Gerschwitz einen Bezug: Er arbeitete mehrere Jahre als freier Mitarbeiter für die Bavaria Film-Pressestelle und in gleicher Funktion für den Deutschen Filmpreis. In aeiner Künstlerbiographie über Wilhelm Bendow und Hubert von Meyerinck verbinden sich Berliner Theater- und Kabarettgeschehen mit Zeitgeschichte und Vielfalt zu einem lebendigen Bild zweier ungewöhnlicher und zu Unrecht fast in Vergessenheit geratener Künstler und ihrer Zeit.
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Book preview
Molle und Medaille - Matthias Gerschwitz
AUTOR
Matthias Gerschwitz, Jahrgang 1959, ist seit 1992 in Berlin mit einer Werbeagentur selbständig. Neben seiner täglichen Arbeit interessiert sich der Kommunikationswirt für Historie und »Histörchen«, für Geschichte und Geschichten. So entstanden Bücher über alte Marken, Firmen, Häuser oder Kirchen. Mit »Molle und Medaille« legt Gerschwitz ein Werk über die älteste Kneipe Berlin-Charlottenburgs vor, zu deren Geschichte ein leibhaftiger Olympiasieger gehört. Hier wird ein schönes Stück Alt-Berlin ebenso lebendig wie die Erinnerung an einen (fast) vergessenen Sportler: den Ruderer Horst Hoeck, Goldmedaillengewinner 1932 im Vierer mit Steuermann bei den X. Olympischen Spielen in Los Angeles.
INHALT
Vorwort zur Neuausgabe
Hereinspaziert!
Vor den Toren Berlins
Ein Familienunternehmen in Charlottenburg
Dreißig Zentimeter zum Sieg
Mit Glanz und Gloria
Das Hoeck’sche Soziotop
mit Illustrationen von Bernd Zeller
Der gute Vater Zille
Tradition in Holz und Glas
Da steckt Musike drin
Zur Kasse, Schätzchen
Aus Presse, Film und Fernsehen
So schmeckt Berlin
Zu guter Letzt
Wilhelm Hoeck 1892
Wilmersdorfer Straße 149 · 10585 Berlin
Telefon: 030 | 345 09 848 · www.wilhelm-hoeck.de
VORWORT ZUR 3. AUSGABE
Seit der erstmaligen Veröffentlichung von »Molle und Medaille« im Jahre 2008 ist auch an der Berliner Traditionskneipe Wilhelm Hoeck 1892 die Zeit nicht spurlos vorüber gegangen; dank einer Entdeckung im Sommer 2015 gab es Anlass für eine überarbeitete Neuausgabe. Der sensationelle Fund der verloren geglaubten Goldmedaille des Gründersohns und späteren Inhabers Horst Hoeck, die dieser bei den Olympischen Spielen 1932 im Rudern erringen konnte, komplettierte alleine schon den Titel dieses Buches auf die schönste Weise. Der Sieg in Los Angeles ist verbrieft; bislang mussten sich die Sportinteressierten aber mit der Urkunde, die seit 1932 in der Kneipe hängt, begnügen. Durch die zufällige Entdeckung der Medaille bei Sanierungsarbeiten in einem Haus in Kleinmachnow wurde die Geschichte von Bier und Sport – eben von »Molle und Medaille« – erst richtig »rund«.
Seit dem 125-jährigen Jubiläum 2017 ist Wilhelm Hoeck 1892 endgültig im Berliner Kneipenolymp angekommen. Ein guter Grund für eine Aktualisierung der Geschichte. Erheben wir das Glas auf eine lange und schöne Tradition. Zum Wohl!
Matthias Gerschwitz, im August 2018
HEREINSPAZIERT!
Wenn Besucher auf den alten Spuren einer Stadt wandeln wollen, suchen sie diese üblicherweise in der Stadtmitte. Will man jedoch die berühmte (Alt-)Berliner Luft schnuppern, hat man in der Hauptstadt vielfältige Möglichkeiten, denn es gibt viel mehr als nur ein einziges Zentrum. Das heutige Berlin ist ein Zusammenschluss der ursprünglichen Stadtgemeinde Berlin mit sieben weiteren Stadtgemeinden, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirken, der zum 1. Oktober 1920 mit dem Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin, auch Groß-Berlin-Gesetz genannt, in Kraft trat. In einigen dieser ehemaligen Stadt- und Landgemeinden, die sich seit der Verwaltungsreform 2001 auf zwölf Bezirke aufteilen, sind die alten Strukturen und Zentren heute noch erkennbar.
Das alte Berlin, dem die Besucher immer wieder nachspüren möchten, lässt sich daher nicht räumlich erklären. Vielmehr geht es um typisch Berlinisches, wie zum Beispiel die berüchtigte Schnauze mit Herz, den Drehorgelspieler und natürlich das durch Heinrich Zille berühmt gewordene Milljöh – mit all seinen Hinterhöfen, derben Sprüchen und Bierkneipen. Heute sind die Berliner Originale in der Minderheit; der Berufsstand des Drehorgelspielers ist fast ausgestorben, und die meisten Hinterhöfe sind saniert. Ausdrücke in fast allen regionalen Dialekten haben die derben Berliner Sprüche verdrängt, und die klassischen Zille-Kneipen scheinen Vergangenheit zu sein. Häufig sind gastronomische Einrichtungen auf alt getrimmt, um die Erinnerung an Pinsel-Heinrich, wie Zille bereits zu Lebzeiten liebevoll-augenzwinkernd genannt wurde, aufrecht zu erhalten. Und doch können sie es nicht mit der Originalität der wenigen wirklich historischen Budiken, Destillen und Gaststätten aufnehmen. Denn es gibt sie tatsächlich noch: die Schatzkästchen vergangener Epochen, die schon seit gefühlten oder wirklichen hundert und mehr Jahren so aussehen, wie man sie heute antrifft. Nicht immer liegen sie für den Touristen zentral, manchmal sogar fernab der ausgetretenen Pfade. Gerade dann aber lohnt ein Besuch ganz besonders.
Solch einem Kleinod der klassischen Berliner Kneipenkultur ist dieses Buch gewidmet: der Alt-Berliner Kneipe und bürgerlichen Speisegaststätte Wilhelm Hoeck 1892 in Charlottenburg. Bereits bei der ersten Einkehr erliegt der Gast schnell der Faszination einer scheinbar vergangenen Ära. Er vergisst die Zeit, bleibt bis zum Zapfenstreich (oft genug darüber hinaus) und schwört, bald wiederzukommen. Meist hält er Wort, was nicht verwundern kann. Wer dieses Lokal einmal kennengelernt hat, infiziert sich unweigerlich mit dem Hoeck-Virus, der ihn dazu verführt, die traditionsreiche Charlottenburger Destille – eines der ältesten Lokale der Stadt – immer wieder aufzusuchen. Denn Hoeck ist alt und antik, echt und authentisch, original und originell. Vertäfelte Wände aus dunklem Holz mit vielen Spiegelflächen, rustikale, blank gescheuerte Tische, ehrwürdige Schnapsfässer, Batterien von alten Flaschen. Ein Ort, der zum zweiten Wohnzimmer taugt. Eine Oase im Großstadtlärm. Ein Etablissemang, das wie kaum ein anderes als Zille sein Milljöh gelten könnte. Denn Heinrich Zille kommt natürlich auch drin vor, in den Geschichten rund um Wilhelm Hoeck 1892, die in diesem Buch zusammengestellt ein schönes Stück Alt-Berlin wieder auferstehen lassen.
Wilhelm Hoeck (1870 – 1933)
Charlottenburg, Kirche am Lützow (im II. Weltkrieg zerstört)
VOR DEN TOREN BERLINS
Das schöne Stück Alt-Berlin ist genau genommen natürlich ein schönes Stück Alt-Charlottenburg, denn zur Zeit der Hoeck’schen Unternehmensgründung ist das vor den Toren der Reichshauptstadt Berlin gelegene Charlottenburg noch selbstständig. Erst 1920 wird die damals reichste Gemeinde Preußens in das neu geschaffene Groß-Berlin eingegliedert.
Auf dem Gebiet des heutigen Charlottenburg wird erstmals im Jahre 1239 die Siedlung Lucene urkundlich erwähnt, später auch Lützow, Lützen oder Lietzow genannt. Sie lag südlich der Spree, etwa hinter dem heutigen Rathaus. Daran erinnert noch heute der Straßenname Alt-Lietzow, obwohl dieser Name erst seit dem 18. Oktober 1937 gilt. Davor hieß der Weg über einhundert Jahre lang schlicht Lützow, vor 1824 findet er sich als Lützower Straße in den Plänen. Am nördlichen Spreeufer, dicht an der heutigen Schlossbrücke, lag die Siedlung Casow, die nur wenig später mit Lietzow vereinigt wurde. An Casow erinnert heute nichts mehr im Charlottenburger Stadtbild.
Nordwestlich von Lietzow lässt Sophie Charlotte, Gattin des Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg, in den Jahren 1695 bis 1699 das Schloss Lietzenburg erbauen. Unmittelbar gegenüber entsteht zeitgleich eine kleine barocke Siedlung für Handwerker, gelegen im Dreieck zwischen