Detektiv Parker
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About this ebook
Lügen und Intrigen sind an der Tagesordnung, Gewalt und Exzesse geben ihm einen Einblick in eine Welt, von der er dachte, sie sei weit weg.
Als er die junge Frau findet, muss er die folgenschwerste Entscheidung seines Lebens treffen.
Ralf Sadenwater
Ralf Sadenwater ist verheiratet und mehrfacher Vater. Schon lange ist das Schreiben von fantastischen, spannenden und unterhaltsamen Romanen sein Steckenpferd. Er ist 1969 geboren und ein Kind der "Wende". Immer neugierig und wissbegierig geht er auch in seinen Büchern den Dingen auf den Grund.
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Book preview
Detektiv Parker - Ralf Sadenwater
Detektiv Parker
Titelseite
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Impressum
Detektiv Parker
1.
Es war mal wieder einer der Tage, an dem ich mich fragte, warum ich diesen Job überhaupt machte.
Es begann damit, dass ich vor dem Spiegel stand und meine überaus imposante Erscheinung durch Drehen und Wenden meinen Augen feilbot.
Diese endlos breiten Schultern, ein Hals wie ein Stier, Hände, für die so mancher beide seiner Armendungen brauchte, um nur eine dieser Pranken zu umfassen.
Muskulös und super durchtrainiert. Ein ganzer Kerl eben.
Nun, wenn ich ehrlich sein soll, dann habe ich gerade maßlos übertrieben, denn meine Spiegelsession war eigentlich nur der kurze Blick, ob ich mich so unter die Menschheit wagen konnte.
Ich hatte entgegen dem allgemein geltenden Klischee keinen langen Lodenmantel an und auch keinen Hut auf.
Fast salopp hatte ich mich in eine normale Jeans gequetscht, die mir langsam zu eng wurde und ein einfaches sportliches T-Shirt angezogen, weißblaue Sportschuhe und ich war bereit.
Bereit, meinen nächsten Fall zu übernehmen.
Ach so, ich bin Geheimdetektiv. Nicht Privat-, Geheimdetektiv.
Auf den kleinen Unterschied in der Berufsbezeichnung lege ich Wert.
Warum?
Ich habe keinen blassen Schimmer. Vielleicht, weil es sich besser anhört.
Vielleicht aber auch, weil ich allein durch die Berufsbezeichnung schon so manchen Auftrag bekommen hatte, der höchste Geheimhaltung erforderte. Das war wichtig für die Auftraggeber, die unerkannt bleiben wollten. Oder mussten.
Aber davon ist jetzt nicht die Rede. Später vielleicht, wenn es den Einen oder Anderen interessiert.
Gestern Abend hatte mich, und das war dann doch das Klischee schlechthin, eine zauberhafte, blondierte, knallrotlippige Schönheit aufgesucht und mich mit dem Auffinden ihres Mannes betraut.
Der war ein furchtbar hohes Tier in der hiesigen, millionenschweren Computerfirma und seit drei Tagen verschwunden.
Oh Mann, ich hatte kein gutes Gefühl dabei, als ich den Auftrag annahm.
Diese, seine Frau musste ein echtes Kaliberweib sein.
Sie hatte eine Art zu reden, dass dir als Single schwindlig werden konnte.
Die Worte kamen so hauchzart aus ihrem wohlgeformten Mund, dass dein Blick wohl oder übel einfach nur an diesem hängen blieb.
Sie bewegte sich wie eine Elfe, die...
Genug geschwärmt!
< Sie ist deine Auftraggeberin. Ende.>
Also machte ich mich auf den Weg zu ihr.
Es war nicht weit.
Da ich, wie so oft, knapp bei Kasse war und sich die Benzinpreise frech am oberen bezahlbaren Limit tummelten, beschloss ich, mit der U-Bahn zu fahren.
Ein paar Stationen und ein paar hundert Meter laufen, dann war ich am Ziel.
Ein pompöses Einfamilienhaus, eine Villa war das, was sich die beiden da noch schnell kurz vor seinem Verschwinden geleistet hatten.
Mein erster Verdacht war ja klar gewesen, denn eine so schöne Frau ist selten bei einem Mann zu halten, dessen Foto mir einiges nahegelegt hatte.
Aber warum nicht, wo die Liebe hinfällt...
Erst einmal war sie nicht die Verdächtige. Wenn sie überhaupt verdächtig werden könnte. Hatte sie ihren Mann beiseite geschafft, um an eventuelles Geld zu kommen?
Nein, um Verdachtsmomente zu äußern, war es wirklich zu früh.
Wir hatten ausgemacht, dass ich gegen Zehn Uhr zu ihr kommen sollte, um mir ein Bild von dem Vermissten machen zu können.
Ich hatte noch einige Minuten Zeit, also schlenderte ich offenen Auges durch die Wohngegend, die so manchen steinreichen Aktionär anlockte.
Ich sah mehrere Baustellen.
Viele Häuser mussten schon seit Jahren hier stehen, denn der Grundbesitz der Hauseigentümer war beträchtlich durch gärtnerische Höchstleistungen verziert worden.
Ich gebe zu, dass ich mit dieser Gegend nicht viel anfangen konnte, da ich bisher nur ein einziges Mal hier gewesen bin, nämlich nur, um einen Job zu beenden.
Ich kannte mich hier wirklich nicht aus. Wozu auch? Ich hatte hier nichts zu suchen.
Bis auf Nicolette Branigan, meine Auftraggeberin.
Es reichte, ich hatte mir die Strasse, die regelrecht nach Geld stank, genug angesehen.
Ich ging jetzt zielstrebig zu dem Haus von Miss Branigan.
Als ich klingelte, hörte ich im Inneren des Hauses einen Hund bellen.
< Na, toll. So wie der klingt, frisst der durch die Nase, nebenbei, beim Einatmen.>, dachte ich, bevor im nächsten Augenblick die Tür geöffnet wurde und eine hübsche kleine Blondine gegen die Sonne blinzelte.
„ Wie kann ich ihnen helfen, Mister?"
„ Mein Name ist Eric Parker. Ich bin Detektiv und hier mit Mrs. Branigan verabredet."
< Oh Mann, sind die hier alle blond? Ich lach mich tot, wenn der Hund auch noch blond ist.>
War er nicht.
Er kam gerade um die Ecke getobt und auf mich zugehetzt.
Ich fürchtete, dass dieser Auftrag, den ich noch nicht einmal richtig begonnen hatte, mein Letzter werden würde.
Mit den Fressgewohnheiten dieses Tieres hatte ich wohl recht gehabt.
Kurz vor mir bremste dieses fohlengroße Haustier und setzte sich hin.
Und tat so, als wäre es die Unschuld vom Lande.
Nicht, dass es mir eben einen riesigen Schrecken eingejagt hatte, nein, woher denn.
Diese kleine knuddelige Schoßhündchen doch nicht.
Ich schluckte meine Bedenken hinunter und sah jetzt mal lieber auf das stupsnasige Mädchen, das wohl noch auf eine Art Reaktion von mir wartete.
Ich sah, dass sie sich einen Heidenspaß daraus machte, was ich von ihrer reinrassigen, ausgewachsenen Deutschen Dogge hielt.
„ Und bitte", Ich hob vorsichtig die Hand.
„ bitte sagen sie jetzt nicht, der will nur spielen, OK?"
Ich kenne diese Rasse. Ein befreundeter Gastwirt aus meiner Jugend hatte einmal Doggen gezüchtet.
Sie waren wohlerzogene, gelehrige, ja auch schöne und fast schon majestätische Tiere. Nie hatte es Anlass gegeben, sich vor ihnen zu ängstigen.
Dieses Tier hier aber kannte ich nicht. Deshalb hielt ich es für besser, Abstand zu halten.
„ Keine Sorge, der tut wirklich nichts."
„ Wie heißt er denn?", wollte ich wissen.
< Die sagt jetzt bestimmt –Charlie-.>, dachte ich.
„ Charlie."
Natürlich. Warum nicht.
„ Also gut, Charlie, du bleibst jetzt ruhig sitzen und dein schönes Frauchen sagt mir jetzt, was mit Mrs. Branigan ist."
„ Ach so, natürlich."
Sie lachte etwas kindlich und ging einige Schritte rückwärts, um den Eingang freizugeben.
„ Kommen sie. Mrs. Branigan ist gleich bei ihnen. Sie wollte zwar heute Morgen schnell nach New York zum shoppen, aber sie hat es sich dann doch anders überlegt."
Danke, wie zuvorkommend. Ich fand es außerordentlich nett, dass sich die gute Nicolette ein wenig Zeit für mich nahm.
Wo ich doch nur die unbedeutende Nebensächlichkeit des Verschwindens ihres Mannes bearbeiten wollte, oder sollte.
„ Du bleibst hübsch brav, nicht wahr?", sagte ich Vorbeigehen noch zu dem Hauspferd, ähm, Haushund.
Na ja, bei dieser Größe kann man die Gattungen der Tiere schon mal verwechseln.
„ Bitte warten sie hier im Salon, Mrs. Branigan kommt gleich."
Schwupps, war sie verschwunden.
Und der Hund glotzte mich an.
Sollte er ruhig.
Ich wartete. Ich tat nichts, was ihm missfallen könnte. Nein, ich blieb schön brav sitzen.
Bis Mrs. Branigan die Treppe heruntergerauscht kam.
Oh Mann, das haut einen um. So ein Bild von einer Frau. So eine Schönheit, in einem Kleid, dass...
... überhaupt nicht zu dieser Tageszeit passte.
„ Guten Morgen, Mr. Parker. Darf ich sie Eric nennen?"
Warum nicht, das tat sie ja ohnehin schon.
„ Guten Morgen, Mrs. Branigan. Sie sehen bezaubernd aus. Sie dürfen."
Ich fragte mich noch, ob ich sie fragen sollte, ob sie irgendwohin wollte, aber das würde mich wohl nun wirklich nichts angehen.
Sie war schließlich immer noch keine Verdächtige.
Also fragte ich lieber mal etwas anderes.
„ Ich möchte gleich zur Sache kommen, Mrs. Branigan. Ich will nicht ihre kostbare Zeit vertrödeln, denn sicher ist auch für sie Zeit bares Geld."
„ Ach wissen sie, Geld spielt keine Rolle.", sagte sie leicht schnippisch.
Hört, hört. So wie diese Villa aussah, hatte ihr Mann sicher alle Hände voll zu tun gehabt, nach dem Bau wieder für finanziellen Nachschub zu sorgen.
Aber wenn es keine Rolle spielte...
„ Also, ich möchte wissen, ob ihr Mann vielleicht innerhalb der Firma irgendwelche Feinde, Neider oder so etwas gehabt hat. Des Weiteren möchte ich wissen, wer ihn zuletzt gesehen hat, wo er hin wollte, was er vorhatte."
„ Also." Die Nicolette holte tief, tief, sehr tief Luft.
Ich hatte schon Angst, dass ihr viel zu enges, dekolleteformendes Mieder aus dem Rahmen springen könnte. Vielleicht wollte sie das ja auch.
Jedenfalls sprang nichts und sie begann.
„ Woran mein Mann zuletzt gearbeitet hat, das weiß ich nicht.
Dass er Feinde gehabt hat, lassen sie mich überlegen..."
Sie führte ihren Zeigefinger an ihr Kinn und tippte ihn nachdenklich ein paar Mal dagegen. Also, so tun, als ob sie nachdachte, das konnte sie gut.
Aber ich nahm ihr das Getue nicht ab. Ich ahnte schon, dass sie jetzt mindestens einen Namen nennen würde. Einen, der sich später als alles andere als ein Feind ihres Mannes herausstellen würde. Aber ich würde mir den Namen selbstverständlich notieren.
„ Nun, Mr. Lancaster ist mir ein paar Mal aufgefallen, also am Telefon natürlich, wenn ich Osmond zugehört habe."
Rein zufällig, versteht sich.
„Rein zufällig, versteht sich. Ansonsten fällt mir wirklich Keiner ein, der meinem Mann seinen Erfolg nicht gönnen würde.
Zuletzt gesehen habe ich ihn, glaube ich. Er wollte abends noch einmal in die Firma und dort ist er aber nicht angekommen."
„ Zu welcher Uhrzeit war das, Mrs. Branigan?"
„ Ach Eric, nennen sie mich doch Nicolette, bitte. Das war etwa gegen neun Uhr abends."
„ Und hat er ihnen auch gesagt, was er so spät noch in der Firma wollte? Ich meine, man sagt das doch so, Schatz ich muss noch mal in die Firma, weil ich vergessen habe, den Computer zu sichern, oder so etwas."
„ Eric! Sie überraschen mich. Woher wissen sie das? Genau das hatte er gesagt. Und, dass er vorher noch schnell bei seiner Mutter vorbeischauen wollte. Warum und weshalb, das weiß ich leider auch nicht."
Na klar. Die Frau war so dumm, dass sie sogar den ersten hingeworfenen, gedankenlosesten Satz aufnahm, der einem einfiel.
Andererseits, dass Osmond noch zu seiner Mutter wollte, war etwas, dass das Dickicht des Verschwindens seiner Person noch etwas undurchsichtiger machte.
Ich beschloss, das Pferd von der anderen Seite aufzuzäumen.
„ Gut, das reicht für den Moment, Nicolette. Ich melde mich wieder bei ihnen, wenn ich mehr weiß. Ach so, eines noch, ist ihr Mann mir dem Wagen gefahren?"
„ Ja, natürlich, wie immer, mit dem Bentley."
„ Danke sehr. Der Wagen wird sicher auch vermisst. Ich werde dann mal einige Nachforschungen anstellen."
„ Ach, Eric, sie wollen wirklich schon gehen? Wir haben doch noch gar nicht gefrühstückt!"
Damit hätte sie ruhig eher rausrücken können.
Jetzt wollte ich unbedingt gehen.
Die Vermisstenmeldung der Nicolette stank doch zum Himmel.
Jetzt musste ich unbedingt gehen.
„ Es tut mir sehr leid, Mrs. Branigan, aber die Pflicht ruft.
Ich denke, es ist auch in ihrem Interesse, dass wir ihren Mann so schnell wie möglich wiederfinden. Nicht wahr?"
„ Oh, ja natürlich! Also bis später, Eric."
Schnell wollte ich das Haus verlassen, da fiel mir noch etwas ein.
Der Hund! Die Dogge!
Also verließ ich langsam das Haus. So langsam es eben ging.
Ich kann mich nicht erinnern, jemals in meinem Leben einem Hund zugelächelt zu haben.
Ich begann also mit den Nachforschungen.
Und war mir ziemlich sicher, dass ich auf eine Versicherungspolice stoßen würde, die eine mehr als beträchtliche Summe aufwies.
Nebenbei machte ich mir natürlich noch so einige Gedanken.
Sollte Nicolette am Verschwinden ihres Gemahls schuld sein, warum überließ sie die Sache nicht der Polizei?
Warum holte sie sich einen Geheimdetektiv?
Egal ob nun mich oder sonst wen?
Nicht, dass ich die Polizei für dumm hielt, nein, aber bei den Polizisten steckt kein persönlicher Drang dahinter, wie bei einem Detektiv, der damit seine Brötchen verdiente.
Wenn sie schuldig war, dann musste sie doch damit rechnen, dass sie aufflog.
Warum hatte sie mich engagiert? Galt ich vielleicht als zu blöd, einen solchen Fall zu lösen?
War das die Meinung von mir? Draußen?
Oh weh, oh weh. Das waren schon schlimme Gedanken, die ich mir da machte.
Wenn sie unschuldig war, warum benahm sie sich so eigenartig?
War die am Ende nur scharf auf Parker?
So, wie die angezogen war...
Seltsame Dinge geschehen manchmal.
Das Internet spuckte einige interessante Dinge über Mr. Osmond Branigan aus.
Der Typ war nicht nur ein hohes Tier in dieser Computerfirma, er war diese Firma.
Sie gehörte ihm.
Die Millionen jährlicher Gewinne waren die Seinen.
Auf ziemlich verschlungenen Pfaden kam ich an seine Sozialversicherungsnummer heran.
Ebenso bekam ich heraus, dass er eine Lebensversicherung über fünfzehn Millionen Dollar abgeschlossen hatte.
Mit der Versicherungsgesellschaft wollte ich mich später unterhalten.
Zuallererst machte ich mich auf den Weg zu Branigans Mutter.
Sie sagte mir, dass er völlig überraschend aufgetaucht wäre, ohne Anmeldung und dazu noch sehr spät.
„ Gegen viertel vor Zehn muss das gewesen sein."
Die alte Dame hatte eigentlich schon zu Bett gehen wollen, als ihr Sohn vor der Tür stand.
„ Er wollte wissen, wie es mir geht. Das fand ich schon ziemlich eigenartig. Sonst ruft er mich höchstens einmal die Woche an. Er ist bisher nie ohne Voranmeldung hergekommen."
„ Mrs. Branigan, können sie mir noch sagen, wo er gesessen hat, bitte?"
„ Ja, hier. Er sitzt immer in diesem Sessel, wenn er mich besucht. Und seine Frau, die sitzt immer dort." Sie deutete auf den anderen Sessel.
„ Worum genau ist es bei dem Gespräch mit ihnen gegangen, Mrs. Branigan? Hat er irgendetwas gesagt, was ihnen nicht normal vorkam? Von der Tatsache einmal abgesehen, dass die Uhrzeit schon nicht üblich war."
„ Lassen sie mich nachdenken. Er fragte, wie es mir geht. Wir haben ein wenig darüber geplaudert, dass wir uns schon so lange nicht mehr gesehen haben.
Dann bin ich in die Küche gegangen und habe ihm eine Tasse Kaffee gemacht. Das hat mich gewundert, denn es war ja schon spät.
Dass er so spät noch Kaffee trinken wollte?"
„ Er hat also in diesem Sessel hier gesessen, sagten sie."
Sie nickte und ich nahm erst einmal Platz.
Von dieser Position aus hatte ich den altmodischen, aber super gepflegten Schrank genau im Blick.
Ebenso die Küchentür.
Wenn die offen stand, konnte ich die alte Mrs. Branigan gut sehen.
Was wollte der Knabe hier?
Ich hatte eine Idee.
Und wenn Mrs. Branigan ein wenig mitspielte...
„ Sagen sie, Mr. Parker, darf ich ihnen einen Kaffee anbieten?"
Wunderbar spielte die alte Dame mit. Hervorragend.
„ Oh, ja, das ist eine wundervolle Idee, Mrs. Branigan."
Während sie in die Küche schlurfte, fragte ich: „ Haben sie, während sie in der Küche waren, irgendein Geräusch gehört, dass darauf schließen ließe, dass ihr werter Herr Sohn irgend etwas gemacht hatte, in der Zwischenzeit?"
„ Die obere rechte Schranktür knarrt ein wenig, wenn man sie wieder schließt. Das habe ich gehört. Ich habe ihn aber nicht danach gefragt, ich hatte es vergessen.
Und nachgesehen habe ich auch nicht, weil mir das zu hoch ist und ich seit einigen Tagen etwas wackelig auf den Beinen bin. Ich habe mich nicht getraut, auf den Hocker zu steigen. Sie verstehen?"
„ Natürlich, Mrs. Branigan."
Mit diesen Worten war ich beim Schrank und öffnete die obere rechte Tür.
Und was sah ich da?
Nichts.
Nichts außer ein paar Wischtüchern, die fein säuberlich, Kante auf Kante gestapelt dalagen und keinen Job mehr hatten, denn Mama kam da nicht mehr hoch.
Hat sie gesagt.
Ich wollte gern noch zwischen den Lagen nachsehen, aber vorher lieber fragen.
„ Mrs. Branigan, hier liegen ihre Tücher. Wenn sie da nicht mehr rankommen, darf ich ihnen eines oder mehrere reichen?"
„ Oh, ja, das wäre sehr nett von ihnen. Ich komme doch da nicht mehr hoch. Ich bin doch etwas wacklig auf den Beinen seit einigen Tagen."
Moment mal, das hatte ich doch eben schon mal gehört. Begann sie jetzt damit, mir die alte vergessliche Mutter vorzuspielen, oder war das echt?
Auf jeden Fall nahm ich erst einmal den Stoß Küchentücher heraus und durchsuchte schnell und vorsichtig jedes Einzelne.
Und tatsächlich stieß ich auf etwas Hartes, Rundes.
Eine CD, wie sich herausstellte.
Was nun? Die gute Mrs. Branigan würde keinen Computer haben.
< Sollte ich ihr etwas davon sagen? Oder war es besser, wenn sie nichts wusste.>
Ich wollte mich für Letzteres entscheiden.
Allerdings, wenn die Dateien, die auf dem Datenträger drauf waren, etwas mit dem Verschwinden ihres Sohnes zu tun hatten, dann konnte ich vor Gericht nicht sagen, woher ich sie hatte.
Vielleicht konnte ich etwas pokern und, ich bitte um Vergebung, es der Vergesslichkeit seiner Mutter zuschreiben, dass sie nicht mehr wusste, dass ich sie um die CD gebeten hatte.
Ja, ich hielt es wirklich für besser, wenn sie nichts wusste.
Also ließ ich die Scheibe in meiner Tasche verschwinden.
Ich legte ihr die Tücher auf den Tisch und schloss die Schranktür, die beim Schließen etwas knarrte.
Mrs. Branigan kam aus der Küche herein und sah die Tücher auf dem Tisch.
„ Das ist sehr nett von ihnen, Mr. Parker. Ich werde sie woanders hinlegen, damit ich sie wieder benutzen kann, wissen sie? Und genauso wie gerade eben hatte an diesem Abend die Schranktür auch geknarrt."
Na, klar. Das dachte ich mir.
Ich schlürfte so schnell es ging den Kaffee aus.
Zwischendurch versicherte ich der alten Dame, dass ich alles dran setzen würde, ihren Sohn wiederzufinden.
Dann verschwand ich und fegte ihn mein Büro.
Ist ja verständlich, dass ich so schnell wie möglich wissen wollte, was auf dem Datenträger war.
Ich legte ihn ein und staunte nicht schlecht, als ich eine Menge Computerbilder über den Aufbau und die Bauweise einer scheinbar neuen Generation Alarmanlagen sah.
Bis ins kleinste Detail schien hier abgebildet, wie und aus welchen Elementen sich diese Anlage zusammensetzte.
Ok, wenn ich ein Meisterdieb wäre, würde ich alles daran setzen, eine Kopie dieser Daten zu haben. Ich könnte sie dann in Ruhe studieren und im Bedarfsfall meine so erworbenen Kenntnisse einsetzen.
Aber wer lässt wegen so etwas gleich den Inhaber der Herstellerfirma verschwinden?
Na gut, es sind schon Menschen für weitaus weniger umgebracht worden.
Vorsichtshalber machte ich mir eine Kopie und fuhr mit dem Original zum Bahnhof.
Dort legte ich das winzige Päckchen ganz nach der klassischen Art in ein Schließfach und überlegte mir dann meine nächsten Schritte.
Warum versteckte Osmond die Disk bei seiner Mutter?
Weil vielleicht der, der die CD suchte, zuletzt bei der alten Dame suchen würde.
Warum versteckte er sie überhaupt?
Weil er Wind davon bekommen hatte, dass sie gestohlen oder