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Zahltag: Noir Krimi
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Ebook138 pages1 hour

Zahltag: Noir Krimi

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About this ebook

„Du zahlst im Leben für alles. Früher oder später kassierst du die Rechnung. Dass du bankrott bist, merkst du spätestens, wenn du von der zweiten Unschuld träumst…”

Alex will eigentlich nur in Frieden leben. Aber er ist ein Mann mit Vergangenheit.
Eines Tages erscheint ein alter Bekannter bei ihm und erinnert ihn an eine offene Rechnung. Alex soll noch einen Job für ihn erledigen, dann sind sie quitt.
Doch plötzlich taucht die mysteriöse Katarina wieder auf, der er einst von Andalusien bis Südfrankreich gefolgt ist. Sie zerrt Alex in einen Strudel aus Leidenschaft, Hass und Intrige, aus dem es kein Entrinnen gibt.

LanguageDeutsch
Release dateSep 29, 2017
ISBN9783957642196
Zahltag: Noir Krimi

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    Zahltag - Christoph Ernst

    Kapitel 1

    Für September war es frisch. Von See her blies es schneidend kalt rüber. Über dem Priwall wuchsen blauviolette Haufenwolken zu bizarren Gebirgen. Ich füllte gerade Luft in die Reifen von Doreens altersschwachem Ford Ka. Der Junge hatte frei.

    „Kriegst du’s hin?" Doreen klimperte mit ihren Autoschlüsseln. Sie stand zu dicht hinter mir und machte mich nervös.

    „Wenn du mir ein bisschen Platz lässt und nicht auf die Hacken trittst." Ich lächelte matt, schob die Druckluftbombe zum nächsten Reifen und ging wieder in die Hocke. Mein Knie knackte. Ein Souvenir aus Kundus.

    Sie lachte unsicher. „Sorry, Alex. Du bist eben so anziehend…"

    Meine Sommersprossen laden einen bestimmten Typ Frau dazu ein, mich mit einem verspäteten Beach-Boy zu verwechseln. Leider benutzen sie meist Parfüms, die bei mir Fluchtinstinkte auslösen.

    „Was hast du nur gemacht, bevor du herkamst?" Sie verzog den Mund. Es sollte neckisch wirken.

    „Dies und das. Ich schirmte die Augen ab und sah auf. „Ist nicht halb so spannend, wie du denkst.

    „Dann kannst du’s mir ja verraten..."

    Doreen arbeitete in Lübeck, trug zu enge Jeans und hatte ständig Ärger mit ihrem Chef. Seit ich Anfang April die Station an der B 105 übernommen hatte, tauchte sie häufiger bei mir auf, obwohl ich sie durch nichts ermutigte - außer dem kleinen Gefallen mit den Reifen, den ich ihr bloß tat, weil auf der Tankstelle Totentanz war.

    „Maik sagt, du warst in Afghanistan."

    Statt zu antworten, schraubte ich die Kappe aufs letzte Ventil, wischte mir die Hände ab und kam hoch. „Damit überstehst du die nächsten Tage. Die musst du dringend wechseln. Das Profil ist runter."

    „Wie? In gespieltem Erstaunen winkelte sie die Unterarme an. „Das fehlte mir grad noch.

    „Runderneuerte gibt’s ab fünfunddreißig."

    „Sind zusammen auch hundertvierzig. Plus Montage. Sie griff sich an die Stirn und stöhnte. Dann, als käme sie spontan auf die Idee, schenkte sie mir ein hoffnungsvolles Klein-Mädchen-Lächeln. „Es sei denn, du machst das für mich. Dafür koch ich dir auch was Schönes. Was isst du gern? Ich bin eine coole Köchin…

    Es sollte niedlich wirken, missglückte aber. .

    „Frag den Jungen, sagte ich. „Der ist morgen wieder da.

    „Den Taubstummen?"

    „Der macht dir die Reifen besser als ich."

    Der Junge tauchte eines Abends Anfang Juni bei mir auf, gegen Ende der Schicht. Er bat mich mit Gesten um etwas zu essen. Ich gab ihm zwei belegte Brötchen, die ich sonst nur hätte wegwerfen müssen. Die verschlang er, als habe er seit Tagen nichts gegessen. Also packte ich ihm auch noch die ungeschmierten Schrippen ein. Statt sofort danach zu greifen, ging er raus, leerte die Mülltonnen, füllte frisches Wasser in die Scheibenwascheimer und fegte zwischen den Zapfsäulen. Erst dann schnappte er sich die Tüte.

    Am nächsten Morgen kam er wieder. Seitdem hilft er mir. Er dürfte so um die achtzehn sein, ist geschickt und kann schreiben. Mittlerweile trägt er meine abgelegten Jeans und wir gehen zusammen angeln. Ich weiß, wo er schläft. Seinen Namen hat er mir bis heute nicht verraten. Ich frage ihn auch nicht. Er wird seine Gründe haben.

    Doreen verzog schmollend den Mund und rammte die Hand trotzig in die Hüfte. „Ich bin zwar nicht so blond wie diese Kim aus der Touristen-Info, aber brünett ist auch nicht übel. So kriegst du wenigstens kein’ Stress mit der freiwilligen Feuerwehr."

    „Was für Stress?"

    „Bevor du herkamst, war Kim mit Maik zusammen. Der ist seit sechs Jahren Chef des Vereins. Hat sie dir das nicht erzählt?"

    Deshalb also. Der Typ hasst mich. Ich blickte betont beiläufig auf meine Armbanduhr, schob den Lappen in die Seitentasche des Overalls und hob die Luftdruckbombe zurück auf den Füllstutzen.

    Derweil rollte ein schwerer silberner Chrysler mit verdunkelten Scheiben neben die äußere Zapfsäule. Er blieb stehen, ohne dass der Fahrer den Motor abstellte oder ausstieg.

    „Ich fürchte, ich muss. Kundschaft."

    „Wer nicht will, hat schon", zischte sie, stieg in ihren abgelebten Ford, startete und fuhr in einem scharfen Bogen auf die Bundesstraße. Ich ging langsam zu dem flachen Coupé, aus dessen Doppelauspuff noch immer Abgas blubberte und trat um die Front herum an die Fahrerseite. Im selben Moment wusste ich, dass der Rest des Tages im Eimer war.

    Hinter dem Steuer saß ein dunkler, muskulöser Frühdreißiger mit glatt gegeltem Haar und hartem Kinn. Er hieß Cengiz und weckte in mir alles andere als gute Erinnerungen. Nun ließ er das getönte Glas runter und entblößte grinsend seinen goldüberkronten Eckzahn.

    „Lang nicht gesehen, Alex."

    „War auch gut so."

    „Sag das nicht, Digga. Alle haben dich vermisst."

    Cengiz hatte schwarze schläfrige Augen und sinnliche Lippen, die in krassem Gegensatz zu seinem Kinn standen. Mein Blick glitt an ihm vorbei durch das leere Wageninnere. Wenigstens reiste er ohne Begleitung.

    „Lässt du immer den Motor laufen?"

    „Zwölf Liter auf hundert. Bist du etwa öko? Er warf einen langen Blick über die gähnend leere Tankstelle. Bei der Wendung seines Kopfs glänzte das gegelte Haar. „Dein Laden läuft scheiße.

    „Ich komm zurecht."

    Er stülpte die Unterlippe vor. „Schon ’ne andere Nummer als früher."

    „Was willst du?"

    „Reden."

    „Schulde ich dir was?"

    „Wo ist der Spacken, der hier sonst rumhüpft?"

    „Du machst noch immer ungern Fehler, was?"

    „Kann ich mir nicht leisten."

    „Ich bin allein. Park die Karre da vorn und komm rein."

    Ich deutete auf einen Stellplatz neben der Waschanlage und ging vor in den Flachbau, wo sich der Shop und die Kassen befanden.

    Hinterm Tresen angekommen bückte ich mich, schnappte mir die Teleskopstange, die dort lag und legte sie griffbereit aufs Plastik neben der Kasse. Keine halbe Minute später kam der Türke rein. Er trug einen teuren hellen Sommeranzug aus Seide, der ihm mindestens eine Nummer zu eng war, was ihm die Aura eines aus dem Leim gegangenen Mittelgewichtsboxers gab. Er sah sich prüfend um. Dann ließ er die Finger spielerisch über die Borde mit Ölzusatz, Politur und Scheibenreiniger gleiten, bevor er bei den Süßigkeiten stockte, sich ein ‚Mars’ nahm, die Folie aufriss und seine Zähne in die Schokoladenglasur versenkte.

    „Komische Masche für dich. Benzinzapfer."

    „Ein ehrlicher Job."

    „Deshalb ja", kam es kauend.

    „Schmeckt’s?"

    Er schob sich den Rest des Riegels in den Mund, knüllte die Verpackung zusammen, ließ sie achtlos fallen und tätschelte seinen Bauch. „Die Dinger machen süchtig."

    „Wie hast du mich gefunden?"

    „Eines Tages fahr ich die Straße runter, und wer steht da? Mein alter Freund Alex. In Nordwestmecklenburg. Am Arsch der Welt."

    „Und?"

    „Ich hab gedacht, ich halt mal. Um der alten Zeiten willen. Sehen, wie’s dir so geht."

    „Bis vor fünf Minuten hervorragend. Was willst du?"

    „Ich arbeite noch für den Mann."

    „Max?"

    Cengiz nickte lächelnd. „Er hat Sehnsucht nach dir."

    „So wie du?"

    Er grinste. „Mehr."

    „Warum?"

    „Keine Ahnung. Vielleicht hat er was Hübsches für dich."

    Ich lehnte mich zurück. „Das kannst selbst du besser, Cengiz."

    Er spitzte den Mund. „Max hält ’ne Menge von dir, Alex. Obwohl du’s damals verkackt hast. Er will dich bloß sehen."

    „Sonst ist er böse und du fackelst mir die Bude ab?"

    Seine dunklen Brauen wanderten vielsagend nach oben. „So weit muss es nicht kommen."

    „Verstehe. Na schön. Wo?"

    „Nicht weit. An der Küste. Kurz vor Heiligendamm… Er beugte sich vor und kritzelte die Adresse auf die Rückseite einer Visitenkarte. „Großes Haus am Rand der Dünen. Nicht zu verfehlen.

    „Wann?"

    „Morgen, gegen zehn."

    „Ich muss mich hier erst um Ersatz kümmern."

    „Tu das. Max wartet nicht gern."

    Beim Rausgehen schnappte er sich noch ein ‚Mars’ und tippte zwei ausgestreckte Finger an die Stirn. Mein Blick folgte ihm durchs Glas. Drei Sekunden später hörte ich, wie der Sechs-Zylinder des Chryslers ansprang. Er setzte zurück und rollte auf die Bundesstraße.

    Ich stand eine Weile still

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