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Der Fluch von Thunderland: Roman
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Der Fluch von Thunderland: Roman

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About this ebook

Patricia Voss führte ein ruhiges, routiniertes und vorhersehbares Leben in Deutschland bis zu dem Tag, an dem sie erfährt, dass ihre beste Freundin Susan im Koma liegt. Sofort steht fest: Sie muss zu ihr nach Thunderland! Liebevoll in Susans Familie aufgenommen, fühlt Patricia sich wie im Traum. Ein Leben auf einer Ranch nur ein paar Meilen von L.A. entfernt, inmitten der unangetasteten, wilden Natur, Ausritte mit dem Pferd und Weiden so weit das Auge blicken kann und dann ist da noch Steve, der gutaussehende Bruder ... Doch bald schon wendet sich das Blatt, und sie wird buchstäblich von einem Albtraum zum nächsten gejagt. Bilder und Visionen von fremden Menschen verfolgen sie bis in ihren Schlaf. Aber wer sind diese Personen? Warum sieht sie sie? Und vor allem, was wollen sie ihr sagen?

Gemeinsam mit ihrer neuen Familie, versucht Patricia den mysteriösen Träumen nachzugehen und muss feststellen, dass je näher sie der Wahrheit kommen, desto düsterer und verrückter scheinen die Antworten auf all die Fragen.

LanguageDeutsch
Release dateMay 25, 2018
ISBN9783961521333
Der Fluch von Thunderland: Roman

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    Der Fluch von Thunderland - Petra Winter

    1. Kapitel

    „Vierhundert Leute müssen wir unterbringen?" Antons Gesicht färbte sich rot.

    Patricia Voss verzog die Lippen zu einem breiten Grinsen, das ihre perlenweißen Zähne zum Vorschein brachte. Sie machten diesen Job doch schon seit Jahren, und immer noch verlor Anton die Nerven.

    „Warum regst du dich auf?, fragte sie und nahm die Unterlagen vom Schreibtisch. „Wir haben schon ganz andere Events geschafft, da sind diese vierhundert Tagungsgäste auch kein Problem.

    Mit einem Kopfschütteln verließ sie ihr Büro. Insgeheim machte sie sich doch Sorgen. Es war wirklich nicht viel Zeit, um alles zu erledigen. „Medizinischer Kongress, vierhundert Teilnehmer, Catering!", zählte sie leise auf.

    Vielleicht hatte ihr Kollege recht. War das wirklich zu schaffen? Patricia blieb stehen und schüttelte heftig den Kopf. Sie atmete tief ein und spannte ihren Körper an. Man wächst mit seinen Aufgaben, hatte ihr Vater immer gesagt. Sie würden auch diesen Auftrag zur Zufriedenheit ihrer Auftraggeber und ihres Chefs bewältigen. Also setzte sie ihren Weg fort und machte sich Notizen. Das Klingeln ihres Telefons ließ sie aufschrecken. Mit einem Blick auf das Display erkannte sie die Nummer, und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.

    „Jörg! Schön, dass du dich meldest. Wie ist das Wetter in London?"

    Am anderen Ende der Leitung hörte sie ihren Freund leise aufstöhnen.

    „Viel zu warm für diese Jahreszeit. Habe gerade eine Pause und dachte, ich rufe dich mal an."

    Patricia kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er nicht nur so anrief. „Was ist denn los?"

    Es dauerte einen Moment, bis eine Antwort kam: „Unser Senior Manager aus Übersee kommt nach Hamburg, und ich habe von meinem Chef den Auftrag bekommen, mich um ihn zu kümmern. Du weißt schon. Ihn zu uns zum Essen einzuladen. Er kommt nächste Woche. Mein Chef und seine Frau auch. Dann kannst du deine tollen Kochkünste wieder einmal beweisen."

    Patricia hielt die Luft an. Nächste Woche?

    „Jörg, ich schaffe das nicht! Wir haben ein riesiges Event reinbekommen, und ich habe viel zu viel zu tun."

    „Schatz, du weißt genau, was es für mich bedeuten könnte. Ich falle auf der Karriereleiter nach oben. Du kannst mich doch jetzt nicht hängen lassen. Patricia wollte protestieren, aber Jörg redete einfach weiter. „Du weißt, was für mich davon abhängt. Warum bist du nur so egoistisch? Also abgemacht. Sie kommen nächste Woche Donnerstag zu uns. Ich muss jetzt wieder ins Meeting. Bis dann!

    Er hatte einfach aufgelegt. Patricia versuchte die Wut, die sie spürte, herunterzuschlucken. Ich bin egoistisch? Sie brauchte eine Weile, um ihren Ärger verrauchen zu lassen. Sie nahm sich vor, mit Jörg über sein Verhalten zu reden, wenn er aus London zurück sein würde. Es konnte so nicht weitergehen.

    Anton kam auf sie zu, und so vergaß sie ihren Ärger. Es waren Entscheidungen zu treffen, die wichtiger waren, als ihre Streitigkeiten mit Jörg.

    Tage später saß Patricia an ihrem Laptop und blickte sehnsuchtsvoll auf den Bildschirm. Ein Urlaubsfoto nach dem anderen rauschte an ihr vorbei. Es war ihr, als könnte sie noch die wärmende Sonne auf ihrer Haut spüren und den Wind in ihren Haaren. Sie schloss die Augen und hörte die Brandung. Ein leiser Tastendruck, und das nächste Foto erschien. Das Bild zeigte sie und ihre beste Freundin in einer Strandbar. Es war ihr letzter Urlaubstag, und sie würden in wenigen Stunden wieder in den Alltag eintauchen. Mit einem schweren Seufzer griff sie nach ihrem Handy und wählte eine Nummer, doch nur das nervige Freizeichen ertönte.

    Seufzend lehnte sie sich zurück und klappte den Laptop zu. Eigentlich hatte sie sich Arbeit mit nach Hause genommen, doch sie hatte einfach keine Lust, irgendetwas anzufangen. Plötzlich vibrierte ihr Handy, und auf dem Display erschien: „Susan ruft an". Mit einem Lächeln nahm sie den Anruf an.

    „Verdammt, wo treibst du dich rum? Ich versuche schon den ganzen Abend, dich zu erreichen!"

    Am anderen Ende blieb es still. Das Einzige, was sie zu hören glaubte, war ein Räuspern und tiefe Atemzüge.

    „Hallo, Susan? Ist alles in Ordnung mit dir? Ihre Anspannung nahm von Sekunde zu Sekunde zu. So ein Verhalten hatte sie bei ihrer Freundin noch nie erlebt. „Susan, warum antwortest du nicht? Leichte Panik stieg in ihr auf. Wieder hörte sie ein Räuspern.

    „Entschuldigen Sie bitte, aber spreche ich mit Patricia Voss?"

    Patricia freute sich etwas zu hören, aber ihre Anspannung ließ nicht nach. Im Gegenteil, sie wurde noch größer. Die Stimme am anderen Ende gehörte eindeutig einem Mann. Einem Mann, den sie nicht kannte. Irritiert schaute sie erneut auf ihr Display. Nein, sie hatte sich nicht geirrt. Der Anruf kam von Susans Handy.

    „Wer ist denn da?"

    „Miss Voss, mein Name ist Andrew Walker, Doktor Andrew Walker. Ich rufe Sie aus Los Angeles an. Ich bin ein Freund von Susan und ihrer Familie."

    Patricia zuckte zusammen, und eine böse Vorahnung beschlich sie.

    „Es ist etwas passiert, oder? Mit Susan?" Ihre Stimme war nur noch ein Hauch. Sie hörte den tiefen Atemzug am anderen Ende.

    „Bitte regen Sie sich nicht auf. Es hat einen Unfall gegeben. So wie es aussieht, hat sie die Kontrolle über ihren Wagen verloren und ist von der Straße abgekommen."

    In Patricias Ohren dröhnte es, und sie spürte ihr Herz heftig schlagen.

    „Susan wollte, dass ich Sie anrufe, wenn ihr etwas zustößt."

    Patricia zwang sich, Ruhe zu bewahren. Sie brauchte mehrere Versuche, um die Frage zu stellen, die ihr immer wieder durch den Kopf ging.

    „Wie schlimm ist es?"

    Sie hörte, wie Doktor Walker laut ausatmete. „Es sieht nicht gut aus. Sie liegt im Koma, und wir befürchten das Schlimmste."

    Patricia sprang von ihrem Stuhl auf und begann hin und her zu gehen. Tränen verschleierten ihren Blick. Abrupt blieb sie stehen und wischte sich energisch über die Augen.

    „Ich komme mit der nächsten Maschine nach Los Angeles!"

    Sie glaubte, so etwas wie Erleichterung herauszuhören, als Doktor Walker sagte: „Gut! Sie finden mich im Cedars-Sinai-Hospital. Ich erwarte Sie dort."

    Patricia hatte das Gefühl, als wolle er noch etwas sagen, aber er hatte das Gespräch beendet. Die plötzliche Stille war unerträglich. Die Sorge um ihre beste Freundin ließ sie endgültig in Tränen ausbrechen. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie in der Lage war, den Flughafen anzurufen. Während sie auf die Verbindung wartete, schielte sie in Richtung ihrer Kommode. Dort stand ein Foto von zwei lachenden, glücklichen Frauen. Vorsichtig, als könnte sie etwas kaputt machen, strich sie mit ihren Fingern darüber, und sie rückte sich dann innerlich zurecht.

    „Du wirst nicht sterben! Das erlaube ich nicht!"

    Sogar das Wetter schien sich gegen sie verschworen zu haben. Regen prasselte aus dem dunklen Himmel, und die Feuchtigkeit setzte sich in die Kleidung. Die vielen Lichter des Hamburger Flughafens brachen sich in den Pfützen und hüllten ihn in ein fast märchenhaftes Licht. Patricia wartete voller Ungeduld darauf, dass ihr Flug endlich aufgerufen wurde. Immer wieder ging ihr Blick zur großen Uhr, die am Ende der Halle hing. Es schien ihr fast, als bewege sich der Zeiger extra langsam, nur um sie zu ärgern. Sie schaute auf ihr Flugticket und ging im Geiste alles noch einmal durch, was seit dem Anruf von Doktor Walker geschehen war. Eigentlich war sie eine vernünftige Person ... eigentlich. Doch diese Situation warf sie völlig aus der Bahn. Sie hatte ihren Chef angerufen und ihn um Urlaub gebeten. Eigentlich hatte sie ihn, wenn man es genau betrachtete, sogar erpresst, ihre Koffer gepackt. Jörg hatte sie nicht erreichen können. Er war ja noch immer in London, und sein Handy war aus. Sie hatte ihm eine Notiz hinterlassen, mit dem Versprechen, sich zu melden. So lange konnte es jetzt doch nicht mehr dauern. Wieder ging ihr Blick zur Uhr. Teufel auch, dachte sie, es sind gerade mal drei Minuten vergangen. Um sich abzulenken, beobachtete sie die anderen Passagiere. Plötzlich sah sie hinter dem Sicherheitsglas einen Mann, der sich suchend umschaute.

    Jörg? Das konnte nicht sein! Der war doch in London.

    Als Jörg sie erblickte, lächelte er und steuerte geradewegs auf sie zu.

    „Jörg, wie kommst du hier her? Ich dachte, du bist noch in London."

    „Ich bin etwas früher zurückgeflogen und wollte dich überraschen, aber ich fand nur das hier! Während er das sagte, zog er einen Zettel aus der Tasche. „Was ist denn los?

    Er fasste sie leicht am Arm und schob sie in Richtung der Stuhlreihen. Patricias Anspannung der letzten Stunden löste sich. Jetzt, wo Jörg da war, konnte sie sich fallen lassen und Trost finden. Sie fiel ihm um den Hals, Tränen rannen über ihre Wangen, und als sie sprach, hatte sie Schwierigkeiten zu atmen.

    „Susan hatte einen Unfall, und Doktor Walker hat mich angerufen, um mir zu sagen, dass es nicht gut aussieht. Also habe ich meinen Chef erpresst, mir Urlaub zu geben, habe mir einen Flug gebucht und meine Koffer gepackt."

    „Nun mal ganz langsam. Also, Susan hatte einen Unfall, und ihr Arzt hat dich angerufen? Ist doch merkwürdig, oder? Normalerweise wird die Familie benachrichtigt und nicht die Freundin. Woher sollte er wissen, wer du bist?"

    Jörg schaute sie skeptisch an. Das schien ihm alles sehr suspekt.

    „Der Arzt, der mich angerufen hat, ist doch ein guter Freund der Familie, und er weiß, wer ich bin. Er weiß, dass Susan und ich befreundet sind. Patricia konnte Jörgs Einwände nicht verstehen. Sie nahm seine Hand und schluckte. „Oh, Jörg! Hoffentlich komme ich nicht zu spät.

    Sie konnte und wollte nicht darüber nachdenken, dass ihre beste Freundin sterben könnte. Jörg schien ein anderes Problem wichtiger zu finden. Er konnte es nicht ausstehen, wenn die Menschen ihre Gefühle nicht unter Kontrolle hatten. Peinlich berührt löste er ihre Hand und rückte von ihr ab.

    „Ich bitte dich, Patricia, behalte die Nerven. Wir sind hier immerhin in der Öffentlichkeit. Was sollen die Leute denken?"

    Er zog ein Taschentuch aus seinem Mantel und reichte es ihr. Dass Frauen immer so emotional sein mussten, gefiel ihm nicht. Patricia ließ diese Äußerung zusammenzucken. Sie hätte in diesem Moment eher eine Schulter zum Anlehnen gebraucht und keinen Vortrag über Verhalten in der Öffentlichkeit. Plötzlich fühlte sie sich sehr allein. Ihre Überlegungen wurden durch den Aufruf der Fluggesellschaft unterbrochen. Laut und schnarrend kam eine weibliche Stimme aus dem Äther: „British-Airways gibt bekannt, dass für Flug 753 nach Los Angeles in wenigen Minuten das Boarding beginnt."

    Hastig blickte Patricia auf die Flugtafel. Mit einem Ruck stand sie auf und griff nach ihrer Tasche. Jörg legte seine Hand auf ihre und sah sie fragend an.

    „Patricia, ich bitte dich! Du hast doch nicht ernsthaft vor, nach L.A. zu fliegen, nur weil dieser Doktor dich angerufen hat?"

    „Natürlich fliege ich. Susan ist meine beste Freundin, und wenn es ihr schlecht geht, bin ich für sie da. Auch wenn das bedeutet, tausende von Kilometern zu fliegen. Ihre Stimme klang gereizt. „Sie würde das Gleiche für mich tun. Verstehst du das denn nicht?

    Nein, er verstand es nicht, beantwortete sie sich die Frage gleich selbst. Doch auch Jörg wollte sich nicht so einfach geschlagen geben.

    „Und was mache ich in der Zwischenzeit? Ich habe mir extra ein paar Stunden Zeit für dich genommen, und du fliegst in der Weltgeschichte herum. Außerdem, was soll ich meinem Chef sagen?"

    Er stand ebenfalls auf, schob ihre Hand weg und nahm ihre Tasche. Im ersten Moment war sie so perplex, dass sie nicht reagieren konnte. Doch dann fühlte sie Wut in sich aufsteigen. Wie konnte er so anmaßend sein? Es war ihr Leben, und niemand, niemand hatte das Recht, ihre Entscheidungen auf diese Weise in Frage zu stellen.

    Patricia hatte ihn eingeholt und griff nach ihrer Tasche. Mit einem festen Zug entriss sie sie ihm. Langsam drehte Jörg sich um und blickte sie überrascht an. Er wollte etwas sagen, doch Patricia kam ihm zuvor.

    „Ich werde fliegen, und du wirst es nicht verhindern!" Dann drehte sie sich ohne einen Abschied um und ging. Er würde sie nicht aufhalten, davon war sie überzeugt. Jeder Schritt in Richtung Gate machte ihre innere Leere nur noch schmerzhafter.

    Jörg sah ihr hinterher, und mit einem beleidigten Unterton rief er ihr nach: „Deine Freundin ist also wichtiger als ich! Na, dann ist unsere Beziehung wohl nicht viel wert. Du wirst schon sehen, was du davon hast!"

    Patricia blickte sich noch einmal um, und ein bitterer Zug legte sich um ihren Mund. Dann ging sie mit festem Schritt an Bord. Sie fand ihren Platz sehr schnell, stellte ihre Tasche unter den Sitz und blickte stumm aus dem Fenster. Als das Flugzeug den Boden verließ, sackte sie in sich zusammen. Jedes Wort, das Jörg ihr hinterhergerufen hatte, hallte in ihrem Kopf nach. Warum konnte er ihre Entscheidung nicht akzeptieren?

    2. Kapitel

    Als Patricia das Cedars-Sinai Medical Center betrat umhüllte sie ein angenehm kühler Luftzug. Die Klimaanlage tat gut. Der Temperaturunterschied zu Hamburg lag immerhin bei fast zehn Grad Celsius, und sie musste sich erst daran gewöhnen. Unsicher schaute sie sich um. Die vielen Eindrücke machten es nicht leichter. Als sie an die Information trat, sah die Schwester auf und lächelte sie an.

    „Entschuldigen Sie bitte! Ich bin auf der Suche nach Susan Johnson. Können Sie mir sagen, in welchem Zimmer sie liegt?"

    Die Schwester warf einen kurzen Blick auf die junge hübsche Frau und nickte leicht mit dem Kopf. Nach ein paar Minuten war Patricia auf dem Weg in Susans Zimmer. Gleich würde sie wissen, was mit ihrer Freundin passiert war und wie es um sie stand. Je näher sie ihrem Ziel kam, desto schwerer fiel es ihr, die Unruhe und die Angst zu unterdrücken. Dass sie Susans Familie nur von Fotos kannte, machte es auch nicht leichter. Sie trat an einen riesigen halbrunden Tresen heran und wartete ungeduldig. Eine der Schwestern kam den Korridor entlang und summte vor sich hin. Als sie Patricia erblickte, verstummte sie und schaute etwas strenger.

    „Hallo, mein Name ist Patricia Voss, und ich möchte zu Susan Johnson."

    Das Gesicht der Schwester hellte sich plötzlich auf. „Oh, ja, Doktor Walker erwartet Sie. Bitte folgen Sie mir!"

    Patricia hatte Mühe, Schritt zu halten. Nach ein paar Minuten erreichten sie schließlich einen kleinen Raum. Die Schwester deutete auf eine Tür, und Patricia ging hindurch. „Warten Sie bitte einen Moment. Ich benachrichtige Doktor Walker, dass Sie da sind."

    Patricias Kniee zitterten, und sie sank auf das große braune Ledersofa. Neugierig schaute sie sich um. Der Raum war nicht sehr groß, aber gemütlich eingerichtet. Man vergaß beinahe, dass man sich in einem Krankenhaus befand. Nur die Tür am Ende des Raums mit der Nummer 511 gab einen Hinweis darauf. Die Wände waren in einem warmen Orangeton gehalten, und kleine Akzente hier und da taten ihr Übriges. Die schweren Ledermöbel brachten zusätzliche Wärme. Frische Blumen standen auf den kleinen Tischen unter dem Fenster. Jalousien, farblich auf den Raum abgestimmt, sorgten dafür, dass die Sonne nicht ihre ganze Kraft entfalten konnte. Patricia war so in ihren Gedanken versunken, dass sie den Mann, der den Raum betreten hatte, erst bemerkte, als er sie ansprach.

    „Sie sind also Patricia Voss."

    Seine Stimme klang melodisch, und der Mann strahlte über das ganze Gesicht.

    „Ja, und Sie müssen Doktor Walker sein. Susan hat mir schon viel von Ihnen erzählt."

    Sie gaben sich die Hand. Die Art des Doktors gefiel ihr auf Anhieb.

    „Ich hoffe nur Gutes." Seine Augen nahmen einen weichen Ausdruck an, und er drückte ihre Hand noch einmal.

    „Doktor Walker, wie geht es Susan? Was ist eigentlich passiert? Sie sprachen von einem Unfall. Kann ich sie sehen?"

    Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Der Doktor legte seinen Arm um ihre Schultern und führte sie zurück zum Sofa.

    „Oh, alles wird gut, meine Liebe. Susan ist eine Kämpfernatur. Kommen Sie, wir setzen uns, und ich erzähle Ihnen in aller Ruhe, was passiert ist. Im Moment wird sie untersucht, da würden wir sowieso nur stören."

    Patricia versuchte, ihre Tränen mit einem Taschentuch wegzuwischen, doch es kamen immer wieder neue hinzu. Doktor Walker sah sie eine Weile an.

    „Sie sind sehr gute Freundinnen, nicht wahr? Susan hat mich irgendwann gebeten, wenn ihr mal was passieren sollte, Sie zu informieren. Er starrte vor sich hin. „Dass das so schnell sein würde ... Ein kurzer Moment der Stille, dann redete er weiter. „Man hat Susan auf dem Highway 5 in ihrem völlig zertrümmerten Auto gefunden. Sie war auf dem Weg zur Ranch, als der Unfall passierte. Man hat eine ganze Weile gebraucht, sie aus dem Wrack zu befreien. Seitdem liegt sie im Koma. Das Einzige, was wir genau wissen, ist, dass sie Alkohol getrunken hat, und ... sie hatte eine Droge im Blut – Crystal Meth."

    Patricia hörte seine Worte, aber sie ergaben überhaupt keinen Sinn.

    „Susan und Drogen? Nie und nimmer! Und Alkohol? Susan hat mir schon schiefe Blicke zugeworfen, wenn ich mal ein Glas Wein getrunken habe. Dann musste ich mir stundenlang Vorträge anhören."

    Patricia war so aufgewühlt, dass sie die Personen, die den Raum betraten, kaum bemerkte.

    „Andrew, wie geht es Susan?"

    Die Stimme einer Frau ließ Patricia und Doktor Walker herumfahren. Ihren Blick fest auf Patricia gerichtet, wartete sie auf eine Antwort.

    „Die Ärzte sind bei ihr und machen noch ein paar Tests. Sonst ist alles unverändert, antwortete Doktor Walker. „Darf ich vorstellen. Das ist Miss Patricia Voss. Susans Freundin aus Deutschland. Er erhob sich. „Und das sind die Johnsons, Susans Familie. Ella und J. J., und der junge Mann im Hintergrund ist ihr Bruder Dave. Wie ich sehe, ist Steve nicht mitgekommen."

    Der Doktor ließ seinen Blick schweifen, und Patricia entging der nachdenkliche Gesichtsausdruck nicht. Das war also Susans Familie. Patricia hatte sie noch nie getroffen, aber es kam ihr vor, als kenne sie jeden schon eine Ewigkeit. Susan hatte in Deutschland studiert und oft Heimweh gehabt. Wenn sie dann über ihre Familie sprach, ging es ihr gleich wieder besser. Nächtelang redeten sie. Susan erzählte Geschichten aus ihrer Kindheit, von ihrer ersten Reitstunde, von den Barbecues und von ihren großen Brüdern. Patricia musste bei dem Gedanken daran lächeln.

    „Sie haben gerade an Ihre Zeit mit Susan gedacht, oder? Ella Johnson zog ihre Jacke aus und setzte sich in den schweren Ledersessel. Als sie Patricias fragenden Gesichtsausdruck sah, fuhr sie fort: „Es war ihr Blick. Die Erinnerungen müssen schön gewesen sein.

    „Ja, ich musste gerade an unsere gemeinsame Zeit denken, darum kann ich mit Gewissheit sagen, dass Susan auf keinen Fall etwas mit Drogen zu tun haben konnte. Das muss ein Irrtum sein!"

    Der Doktor schüttelte den Kopf. „Leider nicht. Die Untersuchungsergebnisse sind eindeutig."

    Plötzlich öffnete sich die Tür von Susans Krankenzimmer, und ein paar Ärzte kamen heraus. Ihre Mienen versprachen nichts Gutes. Ella presste eine Hand fest auf ihre Brust.

    „Doktor Harper, wie geht es unserer Tochter?"

    „Immer noch unverändert. Wir können nur warten. Gehen Sie zu ihr, und sprechen Sie mit ihr. Das wird ihr guttun."

    Er klopfte ihr beruhigend auf die Schulter und ging davon. Doktor Walker stand an der Tür zu Susans Zimmer und wartete. Patricia ließ erst die Familie eintreten, bevor sie hineinging. Doch auf das, was sie da sah, war sie nicht vorbereitet. Mitten im Raum stand ein riesiges Bett. Und darin lag Susan. Patricia erschrak bei ihrem Anblick. Überall an ihrem Körper waren Schläuche und jede Menge Elektroden befestigt, die Hirnströme, Herzfrequenz und Blutdruck messen sollten. In kleinen Abständen ertönte ein leises Piepen. Wie gelähmt stand Patricia da. Am liebsten wäre sie davongelaufen. Sie wünschte sich in diesem Moment, dass Jörg hier wäre, um sie in den Arm zu nehmen

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