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Trollinger mit Schuss: Kriminalroman
Trollinger mit Schuss: Kriminalroman
Trollinger mit Schuss: Kriminalroman
Ebook269 pages3 hours

Trollinger mit Schuss: Kriminalroman

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About this ebook

Die Stuttgarter Detektive Hämmerle und Nagel erhalten den anonymen Auftrag, eine unscheinbare Start-up-Firma in Heilbronn unter die Lupe zu nehmen. Nach einem Bombenanschlag auf Luxstrom, bei dem der Firmeninhaber Peters schwer verletzt wird, steht fest: Da steckt mehr dahinter!
Wer ist der mysteriöse Auftraggeber, und was hat das alles mit Peters’ angeblich bahnbrechender Erfindung zu tun?
Mitten im beschaulichen Schwabenländle geraten die beiden Detektive ins Kreuzfeuer zwischen Rechtsradikalen, ausländischen Geheimagenten und Automobilkonzernen, die alle ein Stück von diesem Wunderwerk abhaben wollen. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Spannend, ironisch, witzig, klug!
Auch in seinem neuen Kriminalroman geizt Ulrich Maier nicht mit Sprachfinesse, skurrilen Situationen und satirischen Seitenhieben.

LanguageDeutsch
Release dateSep 27, 2018
ISBN9783954287024
Trollinger mit Schuss: Kriminalroman

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    Trollinger mit Schuss - Ulrich Maier

    Oberbürgermeister

    Freitag, 8. September

    Der Talkessel mit dem nie abreißenden Verkehr und der hektischen Betriebsamkeit, die sich mit zuverlässiger Regelmäßigkeit am späten Vormittag über die Stuttgarter Innenstadt zu ergießen pflegte, lag hinter ihm. Nun stand er auf dem kleinen Plateau der Sünderstaffel, deren tausend Treppen er schon zur Hälfte bewältigt hatte.

    Nagel gönnte sich eine kleine Ruhepause und genoss die verträumte Stille, die dem Ort zu eigen war. Kein Mensch war hier oben zu sehen um diese Zeit. Einige schläfrige Fenster gediegener Villen, die den verwachsenen Park um den Treppenweg aus dem 19. Jahrhundert säumten, äugten durch die hohen Buchsbaumbüsche, ein schmaler Fußweg zweigte hinüber zu einer Bank mit reizvollem Ausblick, umgeben von Papier- und Plastikmüll, leeren Flaschen, Bierdosen, Pizzakartons.

    Eine Sorge war er los. Die Hypothek für seine kleine Wohnung im Stuttgarter Osten hatte er in einen günstigeren Vertrag umschulden können.

    Er blickte nach oben, atmete tief durch und machte sich eben dran, die zweite Etappe hinter sich zu bringen, da dudelte sein Smartphone. Er seufzte, zog das Ding aus der Tasche, lehnte sich an das schmiedeeiserne Geländer auf der roten Sandsteinmauer des Plateaus und nahm das Gespräch entgegen.

    Es dauerte keine Minute. Doch die Wirkung war enorm. Er musste sich erst mal setzen, mitten auf eine der Treppenstufen. Das war ja ein Ding! Er drückte die Kurzwahltaste, redete und redete auf seinen Gesprächspartner ein, bis er von ihm ungeduldig unterbrochen wurde.

    Seine Fragen hörte er sich einen Augenblick an, dann brüllte er ins Fon: »Nein, nicht die Vinzenz-Klinik! Vincent Klink! Hast du das endlich kapiert? Wir sollen uns in seinem Gourmettempel auf der Wielandshöhe treffen! Ja, heute Mittag, 12.30 Uhr. Alles Weitere dort. Sei bitte pünktlich, da scheint ein dicker Fisch an der Angel zu sein.«

    Mürrisch tönte es aus dem Fon zurück: »Ist ja gut, ich hab’s verstanden.«

    Marcel Nagel, Kompagnon von Felix Hämmerle in der Stuttgarter Detektei Hämmerle & Nagel, schob sein Smartphone ein, stieg nun mit frischem Elan die restlichen Treppen nach oben und steuerte seinen geliebten knallblauen Golf an. Das Kultmobil aus den Neunzigerjahren, von dem er sich nicht trennen konnte, war beinahe ein Teil von ihm selbst geworden. Auch wenn das bejahrte Gefährt ihn bisweilen mit seinen Zicken nervte, es erinnerte ihn mit Wehmut an die Studentenzeit in Tübingen vor vielen, vielen Jahren, als ihm die Welt noch zu Füßen lag und seine noch nicht begonnene Karriere alle erdenklichen Möglichkeiten offen gelassen hatte: Ins Bankgeschäft einsteigen und reich werden, eine ruhige Beamtenkarriere im Öffentlichen Dienst ansteuern oder sich als Barchef in einem Luxushotel in New York, San Franzisko oder Paris um die Sorgen der Promis kümmern.

    Schließlich war Hämmerle in sein Leben getreten mit seiner irren Idee, in Stuttgart ein Detektivbüro aufzumachen. Was anfangs eher eine Spielerei für ihn gewesen war, hatte ihn mehr und mehr gefangen genommen und von seinen hehren Berufszielen Abstand nehmen lassen. Richtig reich waren sie nicht geworden. Aber die Detektei lief von Jahr zu Jahr besser. Sie konnten inzwischen ganz gut davon leben.

    Ganz in Gedanken an den merkwürdigen Telefonanruf fuhr er die Neue Weinsteige nach Degerloch hinauf, vorbei an Vincent Klinks Höhenrestaurant, das etwas weiter unten an der Alten Weinsteige lag. Nicht zu fassen! Da würde er in einer halben Stunde mit ihrem neuen Auftraggeber zu Mittag essen! Einen Namen hatte er nicht genannt. Alles, was sie wissen müssten, würden sie rechtzeitig erfahren, hatte er am Telefon gesagt.

    Nagel bog nach Degerloch ab, wo er in einer schattigen Anliegerstraße seinen Golf abstellte. Ganz ohne Parkgebühren. Von hier brauchte er nur knapp zehn Minuten zu Fuß. Es waren nicht nur die paar Euros für den Parkautomaten, die er so sparen konnte. Er hielt gerne etwas Abstand zu einem Einsatzort und näherte sich ihm lieber per pedes. Man konnte in diesen Minuten seine Gedanken auf das Kommende ausrichten, die Umgebung schon mal analysieren und Überblick gewinnen. Außerdem hasste er es, erst in letzter Minute einzutreffen. Die Hektik würde ihn früh genug einholen.

    An der Zahnradbahn-Haltestelle Wielandshöhe, die den Marienplatz unten in der Südstadt mit Degerloch verband, traf er auf Hämmerle.

    »Meinst du, die lassen mich so rein?« Hämmerle blickte auf seine verwaschenen Jeans, die ausgelatschten Sneakers, strich über den Ärmel seines weiten schwarzen Sweatshirts mit dem Aufdruck Pray4Trump und blickte leicht irritiert auf seinen Kompagnon in feinem Sakko, Edeljeans, weißem Hemd und flottem Schlips.

    »Alles todschick«, versicherte Nagel und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, »auch wenn ein paar fetzige Risse mehr deine Hosen noch toppen könnten – oder vielleicht eine Sicherheitsnadel?«

    »Wieso hast du dich denn so fein angezogen?«, fragte Hämmerle argwöhnisch, als sie sich auf den Weg gemacht hatten.

    Nagel blickte kurz auf seine Klamotten. »Ein Termin bei der Bank – und weißt du was? Den Kredit hab ich gekriegt! Dem Gerichtsvollzieher hab ich gleich abgesagt.«

    »Gerichtsvollzieher?«

    »War ein Scherz. Regel Nummer eins für Detektive: nicht alles glauben, was einem serviert wird.«

    »Worum handelt sich’s denn bei unserem dicken Fisch?«, erwiderte Hämmerle betont sachlich, ohne auf die flapsige Zurechtweisung einzugehen.

    »Keine Ahnung. Der Kunde war recht knapp am Telefon. Jedenfalls hat er uns zum Essen eingeladen. Scheint gut betucht zu sein. Vincent Klink – weißt du, was das Essen dort kostet?«

    »Ah, daher weht der Wind! Mal was anderes als Currywurst mit Pommes«, spöttelte Hämmerle, während sie sich dem Entree-Bereich näherten.

    »Das kann auch gut gemacht werden«, gab Nagel zurück. »Hat nicht so eine Pommesbude in Malaysia einen Stern von Michelin bekommen!«

    »Streetfood in Singapur«, stellte Hämmerle richtig. »Und den Stern hat der Betreiber für seine Broiler bekommen!«

    »Seine was?«

    »Grillhähnchen, du Schnellmerker!«

    »Die Herren Hämmerle und Nagel?«, wurden sie von einem jungen Mann in dunklem Anzug und Fliege begrüßt. »Darf ich Sie nach innen geleiten?«

    Sie folgten ihrem Lotsen in das Restaurant, das in gediegener schnörkelloser Eleganz zum Speisen einlud. Das Interieur schien sich bewusst zurückzuhalten. Die Tische weiß eingedeckt, verhaltene Gespräche der Gäste, an der Wand erlesene Kunstwerke in Goldrahmen – der Raum strahlte eine vornehme Ruhe aus, die auf Nagel fast etwas einschüchternd wirkte.

    Ganz hinten in der Ecke saß ein elegant gekleideter Herr mittleren Alters, der bereits amüsiert zu ihnen herüberblickte, als der junge Mann mit dem ungleichen Paar im Schlepptau seinen Tisch ansteuerte. Während er sich zur Begrüßung erhob, verabschiedete sich ihr Lotse mit einer knappen Verbeugung.

    Ihr Gastgeber begrüßte sie mit einem jovialen Lächeln. »Nehmen Sie doch bitte Platz! Ich habe mir erlaubt, unser Menü bereits zu bestellen. Sie können sich aber gerne auch für etwas anderes entscheiden.«

    Auf der Karte neben seinem Teller las Nagel: »Gerösteter Ziegenkäse aus dem Schönbuch mit karamellisierten Gaishirtle als Entree, Rücken und Geschmortes vom Alblamm, grüne Böhnchen und Kartoffelgratin im Hauptgang, Dessert nach Wunsch.« Das klang ja vielversprechend.

    Von ihrem Platz aus genossen sie einen atemberaubenden Blick auf Stuttgart und die umgebenden Höhenzüge mit Weinbergen und Wäldern, die sich bereits mit einem herbstlichen Hauch zu verfärben begannen. Seine Neugier wuchs. Was würde auf sie zukommen? Überwachung einer Ehefrau oder ihres Liebhabers? Ermittlungen in einer Erbstreitigkeit?

    »Ich will gleich zur Sache kommen, danach können wir uns das Essen umso besser schmecken lassen«, begann ihr Gegenüber, als hätte er Nagels Gedanken lesen können. »Verzeihen Sie, dass ich mich Ihnen nicht vorstelle, aber mein Name tut nichts zur Sache.« Er griff in die Innentasche seiner Anzugsjacke und zog einen Scheck hervor. »Für Ihre nötigsten Auslagen. Sie können das auch als eine Art Vorschuss betrachten.«

    Während die Getränke serviert wurden – eine Flasche edelster Riesling für das Gaishirtle, passendes Mineralwasser vom Sommelier dazu – schielte Nagel zu seinem Geschäftspartner, der mit großen Augen auf den Scheck starrte, der neben seinem Teller lag. Sah er richtig? 10.000 Euro? Einfach so?

    »Wir setzen großes Vertrauen in Sie«, fuhr ihr Gesprächspartner lächelnd fort, »und haben im Vorfeld natürlich auch ein paar Erkundigungen über Sie eingezogen. Ich hoffe, Sie verstehen das. Nun also zu Ihrem Auftrag …«

    Während sie die erlesenen Leckerbissen genossen, unterhielt sie ihr Gastgeber gekonnt mit Small Talk aus dem Stuttgarter Tagesgeschehen, wusste die neuesten Geschichten vom VFB Stuttgart und seinen Spieler-Transfer-Plänen und erläuterte ihnen, als sie nach dem Essen ans Fenster getreten waren, die fantastische Aussicht.

    »Das liebe ich so an Stuttgart, die geschlossene Polis – räumlich, architektonisch, kulturell, in gewisser Weise auch politisch. Wie ein Amphitheater runden sich die sanften Berghänge um den Talkessel. Die gediegenen Villen der Halbhöhenlagen blicken kritisch hinunter auf die Arena der City, eingefasst im Osten von der Kulturmeile mit Staatsgalerie, Musikhochschule, Haus der Geschichte, Hauptstaatsarchiv und Wilhelmspalais. Am westlichen Rand der Innenstadt dominiert dagegen der Kapitalfluss: Haus der Wirtschaft, Börse und das anschließende Bankenviertel. Im Norden schließt der zurechtgestutzte Bonatzbau des Hauptbahnhofs, Tor zur Welt, die Innenstadt ab. Im Süden der Tagblattturm und das Bohnenviertel – und überall pulsiert das pralle Leben. Man ist unter sich. Nimmt sich wahr. Streitet und versöhnt sich wieder.«

    Hämmerle und Nagel sahen andächtig hinunter in die Tiefen Stuttgarts, während ihr Gesprächspartner erneut Luft holte.

    »Im Herzen der Stadt das Alte und das Neue Schloss mit dem großzügigen Platz davor, dem Forum Suebicum mit Straßencafés und dem Boulevard der Königstraße – ungezwungener Treffpunkt der Stuttgarter, Mittelpunkt des Geschäftslebens und Open-Air-Bühne zugleich. Manche stört, dass die Luft manchmal nicht abziehen kann. Das macht der enge Talkessel. Der frische Wind fehle, bemängeln Nörgler und meinen das auch im übertragenen Sinne, aber da täuschen sie sich gewaltig.«

    Am Ende seiner Lobeshymne auf die Landeshauptstadt überreichte er Nagel eine Karte mit Goldrand, auf der nur eine Handynummer zu sehen war. Dann verabschiedete er sich, nachdem er für die beiden noch einen Kaffee bestellt hatte, nicht irgendeine Tasse Kaffee, nein – Jamaica Blue Mountain.

    »Wir arbeiten für einen solventen Auftraggeber, so viel steht fest.« Hämmerle hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht loszuprusten. »Zehntausend Euro, ohne dafür einen Nagel krumm gemacht zu haben!«

    »Ich hasse diese Redensart, Hämmerle!«, wies ihn sein Partner schroff zurecht.

    Hämmerle zog es vor, die Rüge seines Freundes geflissentlich zu überhören. Seine Stirn legte sich in Falten. »Wir sollen eine Start-up-Firma in Heilbronn überwachen, in die einige Male eingebrochen wurde. Und dafür so ein gigantischer Vorschuss! Aber was soll diese merkwürdige Geheimnistuerei? Wieso hat er sich uns nicht mit seinem Namen vorgestellt?«

    Nagel lehnte sich zurück und kreuzte seine Arme vor der Brust. »Mir schwant da was. Eine heiße Sache, an der man sich leicht die Finger verbrennen kann! Nehmen wir mal an, unser Auftraggeber möchte das Know-how dieses Unternehmens anzapfen. Die Konkurrenz vielleicht auch. Es soll ja bereits Versuche gegeben haben, mit illegalen Mitteln an Informationen ranzukommen.«

    »Die Einbrüche«, bestätigte Hämmerle und nippte an seinem Kaffee.

    »Das Risiko für den Konzern wäre einfach zu hoch, wenn die Leute aus der Geschäftsführung ganz konkret und im Detail ihre Vorstellungen und Wünsche vor uns ausbreiteten. Wir könnten die Sache ja vielleicht an die Medien verkaufen!«

    Hämmerle trank in einem Zug den sündhaft teuren Kaffee aus. »Der Typ hat uns völlig freie Hand gelassen. Keinerlei Details, keine Vorgaben. Wie deutest du das?«

    »Die wollen von uns die Ergebnisse ungefragt geliefert bekommen«, antwortete Nagel versonnen. Die Geschichte begann ihm noch suspekter zu werden. Oder bekam er gerade kalte Füße? Einerseits war der Auftrag phänomenal: Für jede Nachrichtenlieferung würden sie einzeln honoriert werden, war ihnen versprochen worden, und jederzeit könnten sie aus dem Auftrag auch wieder aussteigen. Anruf genügte. Aber wo war der Haken?

    »Vorschlag, Hämmerle …«

    Hämmerle rollte mit den Augen. »Deine Kalauer waren auch schon origineller!«

    »Kleine Retourkutsche für den krummen Nagel von vorhin, aber Spaß beiseite – mein Vorschlag: Wir steigen bei der nächstbesten Gelegenheit aus. Die 10.000 Euro haben wir ja schon mal. Das ist wohl eine Nummer zu groß für uns! Und überhaupt. Wir müssten alle anderen Aufträge auf Eis legen oder könnten sie nur nebenher erledigen.«

    Wieder unterbrach ihn sein Kollege: »So viele sind das ja nicht. Überleg doch mal: Wenn wir hier erfolgreich sind, würden sich uns neue ungeahnte Dimensionen auftun! Ich seh schon die Ankündigung auf unserer Website: Hämmerle&Nagel – Diskrete Auskünfte für mittelständische Firmen und Weltkonzerne. Wir machen Nägel mit Köpfen! Das wäre die Chance für uns!«

    »Aber nicht ganz ungefährlich«, gab Nagel zu bedenken. »Neue Dimensionen bergen auch neue Gefahren! Wie gesagt, in solchen Branchen geht es um Millionengeschäfte! Da wird mit härteren Bandagen gekämpft, als wenn es um eifersüchtige Ehefrauen geht! Kennst du eigentlich die Firma Luxstrom in Heilbronn?«

    »Nie gehört«, murmelte Hämmerle. »Aber das werden wir schnell rauskriegen. Also auf nach Heilbronn!«

    Viele Stunden später in einem Nebenzimmer des Flughafenhotels. Der Sheriff, wie sie ihn nennen – wenn er nicht zuhört –, hat weit nach Mitternacht seine Einsatztruppe um sich versammelt.

    »Die beiden Idioten vermasseln uns noch die ganze Geschichte, dabei ist bisher alles so gut gelaufen.« Mit seiner etwas unbeherrschten Bemerkung leitet der Sheriff seine Zusammenfassung am Schluss der Tagung ein. »Ich will euch nicht mit Details quälen. Es ist besser für jeden, wenn er nur seine Anweisungen erfüllt und keine dummen Fragen stellt. Woran wir arbeiten, ist topsecret! Nur so viel zu unserem strategischen Konzept: Wie ich ausgeführt habe, ist der Deal eingefädelt und hat die gewünschte Eigendynamik erreicht. Wir bleiben ab jetzt im Hintergrund. Unsere Aufgabe wird es sein, die weitere Entwicklung zu fördern und Störungen von außen auszuschalten. Niemand darf uns mit der Angelegenheit in Verbindung bringen. Das sind die Vorgaben aus Washington. – Black Jack?«

    Der Angesprochene hebt den Kopf.

    »Du hast im letzten Moment noch die Kurve gekriegt. Aber noch mal darf so was nicht passieren. Beschatten und Zugriffe der Gegenseite verhindern, das war dein Auftrag. Die Polizei soll im Dunklen tappen oder am besten gar nichts von den Aktionen mitkriegen! Auch nichts von den Aktivitäten der anderen! Nimm dir ein paar Leute und schirm Luxstrom ab. Aber keine verdächtigen Operationen – und immer schön Kontakt zur Zentrale halten! – Bloody Mary?«

    Die so Angesprochene verzieht ihren Mund zu einem schiefen Grinsen.

    »Du kümmerst dich um die Jungs, die auf Luxstrom angesetzt worden sind. Versuch sie abzulenken, so richtig zu demotivieren. Die müssen den Spaß an der Sache verlieren und Muffensausen bekommen. Dir fällt schon was ein. – Cinderella?«

    Die Schmale mit den grauen Haaren und dem Kindergesicht zeigt auf wie in der Schule und ruft: »Hier!«

    Der Sheriff sieht sie strafend an. »Du hältst uns über die Aktionen der Gegenseite auf dem Laufenden. Wähl dir ein paar Leute zum Beschatten aus. Ebenfalls ständiger Kontakt zur Zentrale – kapiert? – Einstein?«

    Der Kleine mit dem Schnauzbart und der weißen Mähne blickt gelangweilt auf.

    »Du machst dich an Peters ran und prüfst, inwieweit wir mit ihm kooperieren könnten. Versuch auch mehr über seine neue Technologie zu erfahren. Aber keine Silbe über Plan B!«

    »Aye, aye, Sir«, gibt Einstein zu verstehen, lehnt sich zurück und spielt lässig mit seinem Kugelschreiber.

    Der Sheriff blickt auf seine Uhr. »Kurz nach sieben geht meine Maschine nach Los Angeles, nächsten Mittwoch treffen wir uns zur selben Zeit wieder hier!«

    Er würdigt sie keines Blickes mehr, steht auf und verlässt das Besprechungszimmer. Kaum ist er draußen, erfüllt ein Stimmengewirr den Raum. Black Jack fühlt sich an seine Schulzeit erinnert, wenn der Lehrer die Klasse verlassen hat. Er macht, dass er aus diesem Kasten rauskommt, eilt zur S-Bahn-Station und fährt zum Hauptbahnhof, um den nächsten Zug nach Heilbronn zu nehmen.

    Samstag, 9. September

    »Ja jetzt leck mich doch am ... Allerwertester Herr Nagel! Wo komma denn Sie jetz her? Ermitteln Sie beruflich in unserem schönen Weindorf?«

    Der rüstige Endsechziger mit dem schlohweißen Haarkranz baute sich in voller Größe vor ihm auf und prostete ihm mit seinem Weinglas begeistert zu. Eine Antwort wartete er erst gar nicht ab.

    »Probieret Se au den Löwensteiner Muskattrollinger? Der hat’s in sich, gell? Den müsset Se schlotza und danach sein Aroma langsam durch die Nas abzieha lassa!«

    Er nahm genüsslich einen Schluck aus seinem Viertelesgläsle, schloss für einen Moment die Augen in andächtigem Schweigen und seufzte.

    Nagel wartete geduldig, bis sein Gegenüber die Augen wieder geöffnet hatte. Dann begrüßte er den weinseligen Rentner: »Der Herr Grötzinger! Gut sehen Sie aus. Ein bisschen zugelegt haben Sie rund um den Nabel. Kommt das vom Trollinger oder vom Zwiebelkuchen?«

    Grötzinger biss ungerührt von seinem Zwiebelkuchen ab, betrachtete sinnierend seinen Bauch und konterte gelassen. »Was Sie da sehen, ist kein dicker Bauch, das ist ein Feinkostgewölbe!«

    Grötzingers Antwort erheiterte ihn, gleichzeitig bewunderte er die Selbstironie seines Gesprächspartners. »Diesen Moment eben, wie Sie das Henkelesglas zum Mund geführt und den Trollinger so richtig genossen haben, den hätte man fotografieren müssen. Das war ein Bild wie aus dem Werbeprospekt einer Weingärtnergenossenschaft.«

    »Ha no«, wehrte Grötzinger gütig ab, »die Ehre gebührt dem Tröpfle da.« Er hob das halbvolle Glas gegen die Sonne und betrachtete den rot funkelnden Inhalt. Dann strahlte er seinen Bekannten an.

    »Haba Se wieder Sehnsucht nach Heilbronn? Um die Jahreszeit isch’s bei uns am schönsta, gell? Und was den Wein angeht: Den derf mr net saufa, den muss mr beißa. Der Theodor Heuss, unser erschter Bundespräsident, au an Heilbronner, wie Se sicher wissa, hat amal gsagt: Wer Wein säuft, sündigt, wer Wein trinkt, betet. Also: Lasset uns beten!«

    Er nahm noch »a Gosch voll«, wie er sich ausdrückte, sah sein Gegenüber mit geheimnisvoller Miene an und wechselte wieder fröhlich zwischen Dialekt und Hochdeutsch hin und her, wie er das meist zu tun pflegte. Plötzlich schaute er an Nagel vorbei und unterbrach seinen gerade begonnenen Vortrag über die Doktorarbeit, die Heuss vor über hundert Jahren über den Heilbronner Weingärtnerstand verfasst hatte. »Ja, da isch ja au der Herr Hämmerle! Des hätt i mir ja glei denka kenna. Wo der Nagel isch, isch des Hämmerle net weit. Net wohr? Jedes Hämmerle findet sein Nagel!« Er lachte lauthals über das gelungene Wortspiel. »Komma Se, an unserm Fässle isch no a Plätzle.«

    »Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen! Danke für die Einladung«, lachte Hämmerle zurück, stellte sich mit seinem Probiergläschen zu ihm und nickte seinem Kollegen zur Begrüßung zu.

    »Wie geht’s der Kanzlei?«, fragte Grötzinger und betonte spöttisch das letzte Wort.

    »Danke der Nachfrage«, antworte Hämmerle säuerlich. Um ihr Gewerbe etwas aufzuwerten, sprach er nie von Detektei, sondern konsequent von Kanzlei, obwohl der Begriff – streng genommen – etwas danebenlag. Entsprechend empfindlich reagierte er, wenn ihm das jemand direkt oder indirekt unter die Nase reiben wollte. So blieb er einsilbig und wandte

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