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Blutstein - geschändet, verstossen, vergessen, Therapie: Ein Handbuch für Betroffene und ihre Therapeuten
Blutstein - geschändet, verstossen, vergessen, Therapie: Ein Handbuch für Betroffene und ihre Therapeuten
Blutstein - geschändet, verstossen, vergessen, Therapie: Ein Handbuch für Betroffene und ihre Therapeuten
Ebook470 pages5 hours

Blutstein - geschändet, verstossen, vergessen, Therapie: Ein Handbuch für Betroffene und ihre Therapeuten

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About this ebook

Wo sexueller Missbrauch stattgefunden hat, entsteht Niemandsland, vermint, unzugänglich, ohne Wege und Orientierung, umgrenzt von den Wällen der Scham, der Schuldgefühle und der Selbstentwertung. In dieses Niemandsland führt uns das Handbuch der Therapie des lange zurückliegenden sexuellen Missbrauches, ins Unwegsame, ins Minenfeld, in den Bereich im Inneren der Betroffenen, wo die noch nie berichteten Ereignisse liegen, aber auch ins Niemandsland zwischen der Betroffenen und ihren Mitmenschen, denen sie nicht mehr vertrauen kann, und schließlich ins Niemandsland im Inneren des Therapeuten, zwischen seinem Fachwissen und der tiefen Betroffenheit, aus welcher heraus er nicht mehr wegschauen darf, nicht mehr wegschauen kann, sondern die Therapie des lange zurückliegenden sexuellen Missbrauches aufnehmen will und muss.

Dominik Leupold, Dr.med. Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Zürich.
LanguageDeutsch
Release dateNov 5, 2018
ISBN9783746051970
Blutstein - geschändet, verstossen, vergessen, Therapie: Ein Handbuch für Betroffene und ihre Therapeuten

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    Blutstein - geschändet, verstossen, vergessen, Therapie - Dominik Leupold

    Vorab und zur Einleitung

    Fremd anmutend, befremdlich vielleicht, ist die Art der Sprache hier.

    Sie ist Teil dessen, wovon sie spricht.

    Sie ist somit in die Tiefe führend. Und in der Tiefe sind die Bilder, in der Tiefe unserer Seele. Bilder, Gefühle, verknotet und gespannt, wie Brücken über unergründliches dunkles Wasser, Brücken zum anderen ungewissen Ufer sich tastend, sich wagend, zu Ihnen hin, an Ihr Herz, so spannen sich die Sätze. Und einzelne Worte fallen, Steinen gleich, ins Wasser der Seele, in die Dunkelheit und Ungewissheit der Tiefe, Wellen ziehen sich weitende Kreise auf dem Spiegel der Oberfläche, und der sinkende Stein, die laufende Welle, erreichen zeitgleich ihr Ziel, den Grund in der Tiefe und das Ufer des Verstehens.

    Lassen Sie sich irritieren durch die Sprache, anregen, anstossen, bewegen.

    Und bewegt den Weg ins Unwegsame gehen,

    dies ist die Herausforderung.

    Ihnen zugeeignet,

    den Betroffenen,

    Ihnen, den Geschändeten,

    Verstossenen, Vergessenen.

    Ihnen, die nicht überlebt haben,

    und

    Ihnen, die Sie diese Nachricht entgegen nehmen.

    I. Teil

    Inhalt und Vision

    I. Inhalt und Vision

    Unverhofft wird der Nebel heller, Umrisse zeichnen sich ab, und hinter dem Grau des Nebelschleiers der Sie umhüllt und geborgen in der kleinen Welt des Naheliegenden und des Unmittelbaren verschont hatte, hinter dem Nebel, entsteht eine umrisshaft erst nur ahnbare grössere Welt. Und jetzt, zwischen Nebelfetzen eben noch verborgen, reisst es auf, und unverhüllt, ausgeliefert der Weite, stürzt es auf Sie ein. Alles. Die Landschaft, die Berge, der Weg dorthin, die Vision dessen, was auf Sie zukommt, klar und deutlich zeigt es sich Ihnen. Sie blicken ins weite Land. Vor Ihren Füssen, da, ganz nahe, die Ebene die sie mit sich nimmt, bis hin zum Vorgebirge gibt sie dem Auge Raum, dem Vorgebirge, das lieblich beinahe, das dahinter liegende noch verdeckt, und dann, in der Ferne mächtig, erhebt sich strahlend in der Sonne die Kette der Schneeberge, das so schöne und furchteinflössende Gebirge, welches Sie durchqueren werden. Sie als Betroffene und Sie als Therapeut, verbunden durch das Anliegen der Heilung, der Therapie, wird es gelingen? Finden Sie einen Weg?

    Fasziniert und bange, etwas, blicken Sie auf das, was Ihnen bevorsteht. „Wie kommen wir durch die Enge der Gebirgsschluchten und wie bestehen wir die Gefahren des hohen Gebirges, wie gelangen wir auf die andere Seite, ins Land dahinter, zu neuer Lebendigkeit?" Sie schauen beide, beide sind Sie gespannt, vielleicht auch etwas ratlos, angesichts eines so gewaltigen Ausblickes, eines so grossen Vorhabens. Die Durchquerung der Weite der Ebene, des Vorgebirges dann und schliesslich des sich auftürmenden Gebirges, die Überwindung der Folgen des lange zurückliegenden sexuellen Missbrauches in der Therapie, dies bedeutet eine grosse Herausforderung. Werden Sie diese bestehen?

    Das Inhaltsverzeichnis führt Sie, im Sinne eines ersten Blickes auf den bevorstehenden Weg, durch den Inhalt des Buches.

    II. Blutstein

    Im Vorfeld der Überwindung der Folgen des lange zurückliegenden sexuellen Missbrauches in der Therapie, gleichsam bei der Durchquerung des Vorgebirges, wird unter dem Thema Blutstein die vielschichtige Weise der Betroffenheit aller Beteiligten durch sexuellen Missbrauch angenähert, und die Gefahrenzone umkreist. Wie kann ich sexuellem Missbrauch begegnen? Wie, wenn er jetzt stattfindet, wie, wenn er vor vielen Jahren stattgefunden hat, was soll ich tun? Betroffenheit herrscht sowohl bei den Missbrauchten, vor allem Frauen, wie auch bei ihren Therapeuten. Denn sexuelle Gewalt, sexueller Missbrauch, betrifft alle Beteiligten, und beteiligt sind Sie als Betroffene und Sie auch als deren Therapeuten.

    Und dazu kommt noch, es besteht Gefahr für die Betroffenen von sexuellem Missbrauch, Gefahr, durch die Auswirkungen des Verbrechens des sexuellen Missbrauches überwältigt zu werden, auch noch nach vielen Jahren, und nicht mehr leben zu können und zu wollen. Weshalb nur, werden Geschändete auch noch verstossen, und weshalb versuchen sie alles zu vergessen und dies gelingt nicht?

    II. A. Blutstein

    Klientin und Therapeut

    Wo sexueller Missbrauch stattgefunden hat, entsteht Niemandsland, vermint, unzugänglich, ohne Wege und Orientierung, umgrenzt von den Wällen der Scham, der Schuldgefühle und der Selbstentwertung. In dieses Nie-mandsland führt uns das Handbuch der Therapie des lange zurückliegenden sexuellen Missbrauches, ins Unwegsame, ins Minenfeld, in den Bereich im Inneren der Betroffenen, wo die noch nie berichteten Ereignisse liegen, aber auch ins Niemandsland zwischen der Betroffenen und ihren Mitmenschen, denen sie nicht mehr vertrauen kann, und schliesslich ins Niemandsland im Inneren des Therapeuten, zwischen seinem Fachwissen und der tiefen Betroffenheit, aus welcher heraus er nicht mehr wegschauen darf, nicht mehr wegschauen kann, sondern die Therapie des lange zurückliegenden sexuellen Missbrauches aufnehmen will und muss.

    II. B. Literaturangabe I

    Lesen und Tagebuchschreiben

    Klientin und Therapeut

    II. C. Geschändet

    Klientin

    Sie erleben als Betroffene die Folgen sexuellen Missbrauches in Einsamkeit und Scham. Schuldgefühle belasten Sie, im Niemandsland der Schande, das Ihren Alltag durchsetzt und verunsichert, sind Sie gefangen. Sie brauchen Therapie.

    Taugt mein Therapeut?

    Wie kann ich ihn testen, meinen Therapeuten, ob er vertrauenswürdig ist, wem kann ich denn noch trauen?

    II. C. Geschändet

    Therapeut

    Wie gehen Sie als Therapeut mit sich selbst um, angesichts sexuellen Missbrauches, schauen Sie weg oder wenden Sie sich zu? Sind Sie auf Seiten der Täter oder der Betroffenen?

    Und was unternehmen Sie, wenn Sie unmittelbar mit soeben stattgefundenem sexuellem Missbrauch konfrontiert sind?

    Sexueller Missbrauch jetzt:

    Was unternehme ich wann, ganz konkret?

    II. D. Verstossen

    Klientin

    Von allen verstossen, auch von sich selbst, irren Sie als Betroffene durch das verminte, weglose Niemandsland, in welchem die Täterbotschaften herrschen, und die Zeit stillsteht.

    II. D. Verstossen

    Therapeut

    Wie überleben wir als Therapeuten, wie ertragen und verkraften wir das Leid der Betroffenen? Grenzen wir uns ab, grenzen wir Opfer in ihrer unerträglichen Versehrtheit aus, und verstossen auch wir die Verstossenen, auch in unseren Therapien?

    II. E. Vergessen

    Klientin

    Vergessen wollen und nicht vergessen können ist das Elend der Betroffenen, das nur durch die Erinnerungsarbeit in der Therapie gelöst werden kann. Dadurch kann das ungute Vergessen zum guten Vergessen werden.

    II. E. Vergessen

    Therapeut

    Das ungute Vergessen um den Preis der sich aufdrängenden Erinnerungen, und das gute Vergessen, möglich dann, wenn die schlimme Tat als Wirklichkeit im Leben der Betroffenen ihren Ort in der Vergangenheit gefunden hat, welch ein Gewinn an Lebensqualität! Jedoch, zuerst müssen wir an den Ort des schlimmen Geschehens zurück, an den Tatort.

    II. F. Literaturangabe II

    Sich gut sein und sich Sorge tragen

    Klientin und Therapeut

    III. Therapie

    Nach der Durchquerung des Vorgebirges, der Einführung, der Vorbereitung, der Umkreisung des Themas, der ersten Kontaktnahme, im ersten Teil, Blutstein, nähern wir uns jetzt in der Therapie, im zweiten Teil, dem Berg, steigen ein, kommen in schwieriges und vermintes Gelände, und die direkte Konfrontation mit dem erlebten sexuellen Missbrauch steht an. Unter Hochgebirgsbedingungen, im Niemandsland, im Minenfeld, auf dem Gletscher, in der Gefahrenzone, folgt die direkte Auseinandersetzung mit dem Täter und der Tat des sexuellen Missbrauches, unter den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen der Therapie, in der Geschütztheit des therapeutischen Gefässes.

    III. A. Allgemeine Psychotherapie

    III. A. 1. Allgemeine Psychotherapie

    Klientin

    Psychotherapie im Allgemeinen

    Depressionen, Beziehungsprobleme, psychosomatische Erkrankungen und Ängste führen Sie in eine Therapie, was soll dies alles schon mit sexuellem Missbrauch zu tun haben?

    Sexueller Missbrauch, nennt man diese Erlebnisse so?

    Oft dauert es lange, bis Sie als Betroffene sich klar werden darüber, dass diese gleichsam wie im Nebel liegenden Ereignisse der Vergangenheit ein Akt sexuellen Missbrauches waren, ein Verbrechen an Ihnen. War dies denn wirklich so schlimm? Darf ich meinen Erinnerungen denn trauen, mir trauen? Bin ich überhaupt vertrauenswürdig?

    Zeit zu schweigen, Zeit zu sprechen

    Wann ist die Zeit reif dafür, sich dem Therapeuten anzuvertrauen und vom Schlimmen zu sprechen? Träume, das innere Raunen, und die freilassende beharrliche Zuwendung des Therapeuten an Sie und Ihre Betroffenheit, lassen Sie es fühlen, wann die Zeit zu sprechen gekommen ist.

    III. A. 1. Allgemeine Psychotherapie

    Therapeut

    Psychotherapie im Allgemeinen

    Jeder Therapeut weiss, wie er seine Therapien führen soll und hat grosses Können. Weshalb dieses fast schematische Vorgehen in der Therapie sexueller Übergriffe, weshalb diese Vorsicht?

    Schema des Vorgehens bei der Behandlung jahrelang zurückliegenden sexuellen Missbrauches:

    Ein mögliches Vorgehen in der Behandlung des lange zurückliegenden sexuellen Missbrauches wird dargestellt, und verschiedene in zeitlicher Abfolge durchschrittene Phasen der Behandlung werden aufgezeigt.

    Sexueller Missbrauch, nennt man diese Erlebnisse so?

    Betroffene sind glaubwürdig, und werden nicht noch zusätzlich zur eigenen Unsicherheit durch abwehrendes Misstrauen der Therapeuten verunsichert. Sexueller Missbrauch ist häufig, und wenn in bildhafter oder sinnenhafter Weise erinnert, immer wahr.

    Zeit zu schweigen, Zeit zu sprechen

    Das Bedürfnis der Betroffenen, endlich aus dem Kerker des Schweigens auszubrechen, Träume die das Thema ans Licht bringen, oder die direkte Frage des Therapeuten, können der Betroffenen die Zunge lösen. Sie beginnt zu erzählen was wirklich war. Sind wir als Therapeuten würdig und bereit, die Frage nach ihrer schlimmsten Demütigung an eine Frau zu richten, und können wir den Einschlag ihres Leidens in unser Leben entgegennehmen? Betroffene warten oft, bis die Zeit für uns Therapeuten reif ist, dass wir sie anzuhören vermögen.

    III. B. Vorbereitungsmassnahmen

    III. B. 1. Codierte Erinnerung

    Bestandesaufnahme: Was war geschehen, und welche Folgen hat das Geschehene für die Betroffene.

    Klientin

    Erstmals sprechen Sie jetzt, wenn auch noch in distanzierter Sprache, gleichsam codiert, verschlüsselt und dadurch geschützt, vom erlebten Grauen, und der Therapeut erarbeitet mit Ihnen zusammen das Erscheinungsbild der Folgen des sexuellen Missbrauches vor so langer Zeit, welche heute noch Ihr Leben beeinträchtigen.

    III. B. 1. Codierte Erinnerung

    Bestandesaufnahme: Was war geschehen, und welche Folgen hat das Geschehene für die Betroffene.

    Therapeut

    Die codierte und dadurch formelhafte, zu Wiederholungen neigende, und damit zur Distanziertheit aller Beteiligten führende Sprache der Erinnerung irritiert, da sie gefühlskalt und unecht wirkt. Sie verbirgt das Grauen der gelebten Wirklichkeit des sexuellen Missbrauches, der alle Beteiligten noch nicht standhalten können. Im Überflug gleichsam, wird jetzt eine Landkarte des Grauens und seiner Auswirkungen erstellt, die posttraumatische Belastungsstörung mit ihren allgemeinen Symptomen, der sich aufdrängenden Vergangenheit in den Nachhallerinnerungen, aber auch den Vermeidungsstrategien, den Wächtern des Überlebens der Opfer, wird zur Kenntnis genommen und schriftlich festgehalten. Wie beeinträchtigt der lange zurückliegende sexuelle Missbrauch die Sexualität der Betroffenen heute?

    III. B. 2. Sicherheit und Schutz vor Gefahren

    Schutz vor Aussen

    Schutz vor Innen

    Schutz in der

    Therapie

    Klientin

    Bevor näher an die Entschlüsselung der Erinnerungen an den sexuellen Missbrauch, die Erinnerungen unter Einbezug belastender Erinnerungsbilder, des Körpergefühles, der Gefühle, der Gerüche und Geräusche, des Erlebens wie es war und noch nie vollumfänglich zugelassen worden war, damals als der Täter seine Macht ausübte, bevor wir uns in dieses verminte Gebiet wagen, müssen wir die Sicherheit Ihrer Person als Betroffene überprüfen. Sie brauchen bestmöglichen Schutz und grösstmögliche Sicherheit, um den sexuellen Missbrauch bewältigen zu können. Der Risikofaktor, der Ihr Therapeut für Sie darstellt, wird nochmals überprüft, da sie ihm ab jetzt vertrauen müssen, oder ihn jetzt auswechseln.

    III. B. 2. Sicherheit und Schutz vor Gefahren

    Schutz vor Aussen

    Schutz vor Innen

    Schutz in der

    Therapie

    Therapeut

    Kann sich die Betroffene im Alltag genügend schützen, denn während der Arbeit an tiefen Verletzungen wird sie schutzloser, verwundbarer, und eine Wiederholung, eine erneute Verwundung, darf nicht sein. Kann sie die Unterstützung durch die Therapie und den Schutz in der Therapie nutzen, ist sie, fühlt sie sich, in der Therapie sicher, oder lebt sie in Angst auch vor Ihnen als Therapeut?

    III. B. 3. Konzepte und Menschenbild

    Klientin

    Wie sehen Sie sich selbst, als Betroffene, wie verstehen Sie den sexuellen Missbrauch, wer ist an allem schuld, wer ist schlecht, wer ist böse, Gott, der Täter, Sie selbst? Sie an allem schuld? Selbstbild, Männerbild, Schuldkonzepte und Weltbild, lassen Ihre Energien je nach Ausrichtung in ganz verschiedene Bahnen, in verschiedene Richtungen fliessen. In die Erhebung und Ermächtigung der eigenen Person als Frau, oder aber in selbst schädigende Zerstörungswut und Suizidalität. Daran muss jetzt gearbeitet werden, bevor die Wasser der decodierten unverhüllten Erinnerungen anfluten.

    III. B. 3. Konzepte und Menschenbild

    Therapeut

    Die vom Täter in die misshandelte Frau eingesenkten sie abwertenden Täterbotschaften, die sie verinnerlicht hat, und jetzt selbst glaubt, sie sei wertlos, schmutzig und schuldig, müssen aufgefunden, von der Verfilzung mit negativen Botschaften der Eltern und anderer Erzieher gereinigt und unschädlich gemacht werden, denn sie gefährden die Betroffene und binden ihre Lebensenergien. Die Befreiungsarbeit ist voll im Gange. Die Verdunkelung des Himmels über der Betroffenen, die Schädigung ihres Selbstkonzeptes, ihres Menschenbildes und ihrer Auffassung vom Leben, beginnt heiler zu werden.

    III. C. Erinnerungsarbeit

    III. C. 1. Auf der Schwelle zum Erinnerungsraum

    ist die Zeit reif?

    Klientin

    Der Wille der Betroffenen zu berichten, ihre Angst zu überwinden und das Unaussprechliche zu formulieren, ihm Worte zu geben, aber auch Träume, oder äussere Ereignisse, Sie als Betroffene wissen, wann der Moment gekommen ist, die Blutkammer zu öffnen, und sich dem Unsäglichen zu stellen, es auszusprechen.

    III. C. 1. Auf der Schwelle zum Erinnerungsraum

    - ist die Zeit reif?

    Therapeut

    Wenn nicht Träume oder äussere Ereignisse, so ist es manchmal die Frage des Therapeuten nach der detailgetreuen Darstellung des Missbrauchserlebens, welche die Betroffene dazu bewegt, von ihrem Schmerz, ihrer Erniedrigung und Beschämung, zu berichten. Wann ist der rechte Zeitpunkt gekommen, zu fragen, wann darf ich es wagen, als Therapeut um das Öffnen des Grauens zu bitten. Bin ich der Frage würdig, wie einst Parzival bei Amfortas Wunde am Geschlecht? Kann und darf ich die Frage stellen?

    III. C. 2. Die Erinnerung flutet an

    Klientin

    Nun entsteht das Grauen im therapeutischen Gefäss, bildet sich ab in Ihrer Erzählung, jetzt erfolgt der Bericht was war, bis in alle Einzelheiten. Sie legen die Last des jahrelangen Schweigens ab, brechen aus der Intimität der Missbrauchssituation aus, und machen Alles öffentlich, in der Therapie. Sie bieten dem Täter die Stirne, brechen sein Schweigegebot.

    Ihr Therapeut führt Sie jetzt sehr eng in der Therapie, dosiert die Menge der Erinnerungen sorgfältig, und behutsam führt er Sie, zum Ende der einzelnen Sitzungen, aus dem Erinnerungsraum zurück in die heutige Wirklichkeit, auf dass Sie nicht verloren gehen in jener anderen Welt der Vergangenheit. Jetzt sind Sie mitten drin im Minenfeld, es ist schrecklich und zutiefst erleichternd.

    III. C. 2. Die Erinnerung flutet an

    Therapeut

    Wie im Wattenmeer ist die Flut plötzlich da. Jetzt sind Sie froh um die umfangreiche Vorbereitungsarbeit, die geleistet worden war, denn jetzt gilt es das Boot des therapeutischen Prozesses mit fester Hand zu steuern, zwischen der Vermeidung der genauen Vergegenwärtigung des sexuellen Missbrauches im therapeutischen Gefäss, gleichsam dem Versanden des Erinnerungsprozesses einerseits, und andererseits dem Überspült werden des schlingernden Bootes durch die im Übermass anflutenden Wogen der Erinnerung.

    III. C. 3. Einfach nur noch sterben

    Klientin

    Der Erinnerungsprozess bedeutet eine schwere Erschütterung für die Betroffene, und geht an die Grenze des Tragbaren. Manchmal verlieren Sie fast den Mut. Jedoch, in Ihnen bewegt es sich, und Sie beginnen die Freiheit zu spüren, Hoffnung wird reales Erleben.

    III. C. 3. Einfach nur noch sterben

    Therapeut

    Die Wunde der Betroffenen betrifft und bewegt auch Sie als Therapeut. Sie unterstützen sich selbst, freundlich und liebevoll, und sorgen gut für sich in dieser Phase der Therapie. Ihre letzten Inseln einer heilen Kinderwelt, die manchmal auch noch in einer Therapeutenseele anzutreffen sind, zerbrechen jedoch an der abgründigen Bosheit und Rücksichtslosigkeit des sexuellen Missbrauches. Der Riss geht auch durch Ihre Welt.

    III. C. 4. Dran bleiben, weitergehen, standhalten

    Klientin

    Sie bleiben am Thema, finden Ihr Mass an Erinnerung, das Sie zulassen können, und vertreiben den Täter und die Folgen des sexuellen Missbrauches jetzt endgültig aus Ihrem Leben. Sie bleiben dran.

    III. C. 4. Dran bleiben, weitergehen, standhalten

    Therapeut

    Um die Betroffene aus der Verhaftung an die Vergangenheit in die Gegenwart zurückkehren zu lassen, müssen Sie mit Ihr den Tatort vollumfänglich abschreiten, ohne Rücksicht auf Scham und Peinlichkeit, das Minenfeld muss geräumt werden, ganz, wenn immer möglich. Deshalb bleiben Sie an der Erinnerungsarbeit dran, gegen alle eigenen Widerstände, und diejenigen der Betroffenen.

    III. D. Nacharbeit

    III. D. 1. Wut und Vergebung

    Klientin

    Wenn die Wut anbraust, dann reisst sie alle Spuren des sexuellen Missbrauches aus Ihnen mit, und brennt den Täter aus Ihnen hinaus. Sie ist die Morgenröte der Heilung, kündet vom neuen Tag. Dem Täter vergibt Gott, vielleicht, nicht die Betroffene.

    III. D. 2. Wut und Vergebung

    Therapeut

    Wild und gewaltig erhebt sich die gedemütigte Seele der Betroffenen in der Wut, und die Frau richtet sich auf und tritt der Welt neu entgegen, wütend, stark. Dass sich die Wut gegen den Täter, nicht gegen sie selbst richtet, verdanken wir der Vorarbeit.

    III. D. 3. Befreiung und neues Leben

    Klientin

    Schöpferische Kräfte, neue Ideen, Lebensfreude und Kraft breiten sich jetzt in Ihnen aus, die alten Ängste sind plötzlich weg, auch dies, das neue Lebensgefühl, ist gewöhnungsbedürftig.

    III. D. 3. Befreiung und neues Leben

    Therapeut

    Die Energie und Intensität der Therapie wandert aus dem therapeutischen Gefäss immer mehr ins Leben der Betroffenen. Sie errichtet ihre Freiheit aus eigener Kraft, bedarf jedoch noch weiterhin Ihres Schutzes und der Unterstützung in der Fortführung der Begleitung.

    III. E. Weiterführung der Allgemeinen Psychotherapie

    III. E. 1. Dinosaurier der Negativität und der Golem der Selbstentwertung

    Klientin

    Sie haben in der Konfrontation mit dem sexuellen Missbrauch und dessen Überwindung in der Therapie ein menschheitliches Thema aufgenommen, und tragen manchmal schwer daran. Es ist das Thema der Realität des Bösen, die so viele leugnen und die Last denen überlassen wollen, die nicht mehr leugnen können, weil sie erlebt haben. Sie tragen Negativität und Selbstentwertung der Allgemeinheit, der Gesellschaft, ja der Menschheit mit, als Betroffene.

    III. E. 1. Dinosaurier der Negativität und der Golem der Selbstentwertung

    Therapeut

    Selbstentwertung um sein Weltbild heil zu bewahren, ist eine Überlebensstrategie des Abendlandes. In der Auseinandersetzung mit dem Abgründigen sind wir als Begleiter der Betroffenen, die uns vorangehen, beteiligt an einem grundlegenden Wandel auch unseres eigenen Selbstbildes, Menschenbildes und Weltbildes. Das Thema des Schattens und des Bösen betrifft uns real.

    III. E. 2. Therapeutische Beziehung Übertragung und Abschied aus der Therapie

    Klientin

    Die dem Therapeuten übertragene Aufgabe ist beendet, Sie entlassen ihn, und verabschieden sich. Eine kleine Geschichte illustriert das Wesentliche.

    III. E. 2. Therapeutische Beziehung Übertragung und Abschied aus der Therapie

    Therapeut

    Die weitgehend positive Übertragungsbeziehung zum Therapeuten in der Behandlung des sexuellen Missbrauches ist für den schwierigen therapeutischen Durchgang, für die Überquerung des Hochgebirges, wichtig. Ist die schwere Aufgabe erfüllt, haben wir unsere Pflicht getan, so setzen sie uns wieder frei, die Betroffenen, wenn wir sie nur lassen, denn dann benötigen sie uns nicht mehr. Wir jedoch, verlassen sie nicht.

    IV. Frauen unterwegs

    Zwei Berichte, zwei Wege im Unwegsamen, zwei Menschen, die sich mit therapeutischer Hilfe von den Folgen des sexuellen Missbrauches vor langer Zeit, als sie noch so jung waren, befreit haben und in neuer Weise lebendig und verbunden mit sich und ihren Mitmenschen im beruflichen Alltag und in ihren Beziehungen stehen. Beide lassen Missbrauch in ihrem Leben nicht mehr zu. Dieses Thema liegt hinter ihnen, die neuen Themen, welche sie beschäftigen, sind zukunftsträchtiger.

    IV. A. Bärentänzerin

    Klientin und Therapeut

    Was bisher gegliedert dargestellt worden war, durchwebt sich in der Beschreibung des Heilungsprozesses der mutigen Frau, der Bärentänzerin. Im gelebten therapeutischen Prozess vermischt das Leben die einzelnen Phasen der Behandlung. Dennoch, der Weg der Frau, die mit dem Bären tanzte, welcher orientiert an den Eckpunkten Ihrer Träume, sie aus der Überschattung durch die schlimme Tat der missbrauchenden Männer ans Licht ihrer eigenen Lebensfreude geführt hat, zeigt die wesentlichen Elemente des therapeutischen Vorgehens deutlich auf, eines möglichen Weges zur Überwindung der Folgen lange zurückliegenden sexuellen Missbrauches.

    IV. B. Löwenherz

    Klientin und Therapeut

    Löwenherz nimmt uns mit in die Fülle der Verflechtungen zwischen missachtenden und missbrauchenden, da übergriffigen, Familien- und Beziehungssystemen, Verflechtungen mit der Thematik der Überwindung der Folgen sexuellen Missbrauches als sie noch nicht Frau war, und doch wie eine Frau vergewaltigt wurde. Es bedurfte wahrhaft der Kräfte ihres Totemtieres, der Löwin, um zurückzukehren aus dem Grauen, und zu überleben, und immer wieder aus den Trümmern ihrer zerbrochenen Lebensbedingungen erneut auf zu stehen, zu neuem erfülltem Sein.

    IV. C. Literaturangabe III

    V. Möglichkeiten der Vertiefung des Themas an Ihrem Wohnort

    Klientin und Therapeut

    Vorträge, Workshops für Betroffene und Schulung der ortsansässigen interessierten Therapeuten durch einen geeigneten Referenten, ermöglichen es Ihnen in relativ einfacher Eigeninitiative, die Voraussetzungen für die erfolgreiche Überwindung der Folgen sexueller Übergriffe noch nach Jahrzehnten in einer erfolgreichen Therapie an Ihrem Wohnort, in Ihrem Lebensraum, zu verbessern. Sie ergreifen Initiative.

    II. Teil

    Blutstein

    Im Vorfeld der Überwindung der Folgen des lange zurückliegenden sexuellen Missbrauches in der Therapie, gleichsam bei der Durchquerung des Vorgebirges, wird unter dem Thema Blutstein die vielschichtige Weise der Betroffenheit aller Beteiligten durch sexuellen Missbrauch angenähert, und die Gefahrenzone umkreist. Wie kann ich sexuellem Missbrauch begegnen? Wie, wenn er jetzt stattfindet, wie, wenn er vor vielen Jahren stattgefunden hat, was soll ich tun? Betroffenheit herrscht sowohl bei den Missbrauchten, vor allem Frauen, wie auch bei ihren Therapeuten. Denn sexuelle Gewalt, sexueller Missbrauch, betrifft alle Beteiligten, und beteiligt sind Sie als Betroffene und Sie auch als deren Therapeuten.

    Und dazu kommt noch, es besteht Gefahr für die Betroffenen von sexuellem Missbrauch, Gefahr, durch die Auswirkungen des Verbrechens des sexuellen Missbrauches überwältigt zu werden, auch noch nach vielen Jahren, und nicht mehr leben zu können und zu wollen. Weshalb nur, werden Geschändete auch noch verstossen, und weshalb versuchen sie alles zu vergessen und dies gelingt nicht?

    II. A. Blutstein

    Klientin und Therapeut

    Wo sexueller Missbrauch stattgefunden hat, entsteht Niemandsland, vermint, unzugänglich, ohne Wege und Orientierung, umgrenzt von den Wällen der Scham, der Schuldgefühle und der Selbstentwertung. In dieses Niemandsland führt uns das Handbuch der Therapie des lange zurückliegenden sexuellen Missbrauches, ins Unwegsame, ins Minenfeld, in den Bereich im Inneren der Betroffenen, wo die noch nie berichteten Ereignisse liegen, aber auch ins Niemandsland zwischen der Betroffenen und ihren Mitmenschen, denen sie nicht mehr vertrauen kann, und schliesslich ins Niemandsland im Inneren des Therapeuten, zwischen seinem Fachwissen und der tiefen Betroffenheit, aus welcher heraus er nicht mehr wegschauen darf, nicht mehr wegschauen kann, sondern die Therapie des lange zurückliegenden sexuellen Missbrauches aufnehmen will und muss.

    II. A. Blutstein

    Klientin und Therapeut

    Den Stein habe ich am Strand gefunden, rot, alt, zerfurcht, ermutigend. Dort wo die Wasser der Tiefe und der feste Boden sich begegnen. Er begleitet mich, seit ich beschlossen hatte über meine Erfahrungen in der Behandlung von vor allem Frauen, aber auch Männern, mit lange zurückliegender sexueller Traumatisierung zu schreiben.

    Blutstein soll der Name auch sein, weil er im Vorübergehen aufhorchen lässt. Blut, Herzblut, ich blute, Wunde, erstarrtes Blut, vergossenes Leben, und gleichzeitig Stein, schwer, kalt, versteinert dort, wo sonst Herzblut pulsiert und Lebendigkeit stattfindet.

    Blutstein lässt eine Opferungsszene anklingen. Ausgeliefert, geopfert einem dunkeln Gott, eine sich durch die Zeiten wiederholende herzzerreissende Tragik, der sexuelle Missbrauch, hat ihren Ort des Geschehens, den Blutstein.

    Ich will von sexuellem Missbrauch Betroffene ansprechen. Ansprechen mit diesen Texten, um sie zu ermutigen, den Kampf gegen die schlimme Tat des sexuellen Missbrauches und deren Folgen, auch noch nach vielen Jahren aufzunehmen, den Täter und die Erinnerungen an die Tat in sich aufzufinden und sie unschädlich zu machen, sodass der Schaden aufhört, und die Folgen der Tat geheilt werden können. Dies ist möglich, durch eine Therapie. Und da Betroffene nicht mehr erleben wollen und dürfen, dass jemand mit ihnen etwas tut, was sie nicht zum voraus wissen, wenn notwendig verhindern und sicher kontrollieren können, auch nicht in einer Therapie, will ich Betroffenen klare Informationen über eine mögliche Therapieform lange zurückliegender sexueller Verletzung geben, und sie ermutigen, Therapeuten und Therapeutinnen aufzusuchen, die bereit sind, nach klaren und offen mit den Betroffenen geteilten Behandlungsgrundsätzen zu arbeiten, zum Beispiel nach den hier vermittelten.

    Ebenfalls will ich in diesem Buch Therapeuten, die bereits therapeutische Erfahrung und erprobte therapeutische Fähigkeiten haben, Anhaltspunkte für eine mögliche Weise der Behandlung von sexuellem Missbrauch Betroffener geben, in der Hoffnung, dass sich immer mehr Therapeuten und Therapeutinnen in einer hilfreichen Weise der Therapie lange Jahre zurückliegender sexueller Traumatisierung zuwenden, und den Betroffenen helfen, sich aus dem Bann der Folgen von sexuellem Missbrauch zu befreien.

    Blutstein ist ein Handbuch. Ein Buch in der Hand der Betroffenen, die sich darüber informieren können, nach welchen Handlungsgrundsätzen ihre Therapie stattfinden kann, worauf sie in einer Therapie sich einlassen und

    was sie von ihren Therapeutinnen und Therapeuten verlangen und erwarten können und sollen.

    Es ist aber auch ein Buch in der Hand von erfahrenen Therapeuten, eine Orientierungshilfe im Labyrinth zum Teil sich widersprechender Lehrbücher und Veröffentlichungen, über die wir, beschäftigt im hektischen Praxisalltag, keine Übersicht haben können, und doch haben sich, so jedenfalls sehe ich dies, einige wichtige, und zum Teil für die Behandlung von sexuell missbrauchten und gedemütigten vor allem Frauen wesentliche Grundsätze aus der Forschung und der Therapieerfahrung ergeben, über welche sich die Fachleute allgemein einig sind. Die Anwendung dieser Grundsätze, wie sie sich für mich in der Praxis der Behandlung von Betroffenen ergeben und bewährt haben, haben mein therapeutisches Vorgehen im therapeutischen Alltag klarer geordnet und vereinfacht.

    Diese klarere Ordnung und in der Vereinfachung verbesserte Anwendungsmöglichkeit einiger Erkenntnisse aus der Literatur und der Praxis der Behandlung sexuell missbrauchter Menschen, möchte ich an Kolleginnen und Kollegen weitergeben, zur Optimierung ihrer eigenen therapeutischen Möglichkeiten.

    Also ein Handbuch für von sexuellem Missbrauch Betroffene, Hilfe suchende, Klientinnen, aber auch für die Menschen die ihnen helfen wollen, ihre Therapeuten.

    Im Bemühen, Klientinnen und ihre Therapeuten entsprechend ihren besonderen Anliegen und ihren spezifischen Bedürfnissen und Problemen anzusprechen, schreibe ich zu den jeweiligen Ausführungen und der Beschreibung der Grundsätze therapeutischen Handelns aus meiner Sicht, immer einige Seiten für die Klientinnen, dann unmittelbar darauf folgend, für die Therapeuten. Somit gibt es keine Geheimnisse, was die Therapie anbetrifft zwischen Therapeut und Betroffener, kein hinter dem Berg halten von Seiten der Therapeuten. Das Vorgehen in der Therapie ist bekannt und offensichtlich, ist gemeinsames Gut.

    Dies drückt meine therapeutische Grundhaltung aus, und ich versuche diese, sowohl in der Form der Darstellung, wie dann auch im Inhalt des Vermittelten, offensichtlich zu machen. Bei der Behandlung sexuell missbrauchter Menschen ist es wesentlich, offen und transparent klar zu machen, was man als Therapeut tut und was man vorhat, da damit offensichtlich und folgerichtig angewendet wird, was oberstes Gebot in der Behandlung traumatisierter, das heisst verletzter, Menschen ist: Offenheit und klare Verhältnisse zwischen Therapeut und Betroffener, keine Geheimnisse um das was in der Therapie vor sich geht und erarbeitet wird, und ausdrückliche Kontrolle des therapeutischen Geschehens durch die Klientin. Denn dies ist das einzige Gegenmittel gegen die Folgezustände sexuellen Missbrauches, bei welchem Dinge geschahen, welche die Betroffene nicht voraus wusste, welche sie nicht wollte und welche sie nicht verhindern und somit kontrollieren konnte. Offenheit, Transparenz, Vorausinformation, und dadurch Voraussehbarkeit und Kontrolle über das Geschehen in der Therapie durch die Betroffene gewährleisten, dass keine Gefahr der Wiederholung einer Missbrauchssituation in der Therapie besteht.

    Sie lesen somit als Betroffene und als Therapeutin oder Therapeut beide Texte, die auch beide in möglichst verstehbarer Form weitgehend ohne Fachausdrücke geschrieben sind.

    Für Therapeuten ersetzen diese oft wie Tips und Tricks als Anregungen bewusst therapiealltagsbezogen vorgestellten Ausführungen keineswegs eine fundierte therapeutische Ausbildung und entheben Therapeuten mitnichten davon, in jeder Situation eigenverantwortlich zu entscheiden oder sich mit erfahrenen Kollegen zu vernetzen, sich Unterstützung zu holen, um den Betroffenen bestmöglich zu helfen. Auch ist dieses Handbuch keine umfassende Darstellung der heute verfügbaren und üblichen Therapiemethoden, sonst wäre es ein Lehrbuch. Nein dieses Handbuch ist alltagsnahe, beschränkt, einfach, unvollständig, zeigt einen möglichen Weg zur Heilung der Folgezustände nach jahrelang zurückliegendem sexuellem Missbrauch, und hoffentlich ist es brauchbar für den Umgang mit den häufigsten Alltagsproblemen in der Therapie lange zurückliegender sexueller Missbrauchserfahrungen. Dadurch glaube und hoffe ich, dass meine Hinweise für Therapeuten und Betroffene, gewisse grundsätzlich wichtige Dinge zu beachten, und vielleicht einige weit verbreitete Fehler nicht zu wiederholen, hilfreich sein können, einiges heute verfügbares Wissen in einfacher Form aufzunehmen und im therapeutischen Prozess sinnvoll umzusetzen.

    Ich schreibe als Mann, als Therapeut, und die meisten von mir behandelten Betroffenen sind Frauen. Ich schreibe von meinen Erfahrungen her, und von dem, was mich die Betroffenen gelehrt haben. Ich schreibe für Männer und Frauen. In der Folge bitte ich darum, Verständnis zu haben dafür, dass ich aus meiner und meiner Klientinnen Sicht, aus den Erfahrungen in der Therapie lange zurückliegenden sexuellen Missbrauches berichte, und deshalb von Therapeut und Betroffener spreche. So erlebe und lebe ich die Therapieerfahrung als Therapeut missbrauchter Menschen, welche meist Frauen sind. Natürlich gilt das Gesagte auch für Therapeutinnen und männliche Betroffene von sexuellem Missbrauch, aber ich möchte mich und Sie als Leser nicht mit der dauernden geschlechtsneutralen Formulierung bemühen.

    Auch ist das ganze Thema mitnichten geschlechtsneutral. Therapie geschieht im Bewusstsein der eigenen Geschlechtszugehörigkeit, und der Probleme, die dadurch für die Betroffenen und ihre Therapeuten und Therapeutinnen entstehen. Die Probleme und Spannungen, ja Chancen und Klippen, die dadurch entstehen, dass Therapeut, Therapeutin, Betroffene oder Betroffener, auch als Frau und Mann, oder als Frau und Frau, oder als Mann und Mann in der Therapie das therapeutische Gefäss bilden, und sich gegenüber sitzen, diese Probleme müssen immer wieder neu angesprochen und besprochen werden, in fast jeder Phase der Behandlung, immer wieder. Und dies ist um so mehr sinnvoll, als ja der Verletzungsraum der Betroffenen von sexuellem Missbrauch immer ein Zwischenmenschlicher, und ganz wesentlich ein Geschlechtlicher, ist.

    Dieses Buch führt uns gleichsam in ein Niemandsland.

    Auf der einen Seite des Niemandslandes befindet sich das Territorium des wissenschaftlich erarbeiteten Wissens über schwere seelische Verletzungen und ihre Folgen für die Betroffenen, Wissen aus der wissenschaftlichen Forschung und der Literatur über die Auswirkungen von Folter, sexuellem Missbrauch und anderen katastrophalen Ereignissen auf die Seele, den Körper und die Weltanschauung der Betroffenen.

    Auf der anderen Seite des Niemandslandes liegt das Gebiet des Erlebens der Betroffenen, das meist verschwiegen und verborgen, dennoch über eine eigene

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