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Myrtle Clover und der mörderische Dinnerclub: Myrtle-Clover-Krimis
Myrtle Clover und der mörderische Dinnerclub: Myrtle-Clover-Krimis
Myrtle Clover und der mörderische Dinnerclub: Myrtle-Clover-Krimis
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Myrtle Clover und der mörderische Dinnerclub: Myrtle-Clover-Krimis

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Wer will schon Häppchen und Dips, wenn er Dickens und Twain haben kann?

Für die Bewohner der verschlafenen Kleinstadt Bradley, North Carolina, ist Jill Caulfield eine wahre Heilige. Sie engagiert sich für die Kirche, putzt nebenbei, hält ihren Garten in tadellosem Zustand – und trägt ständig ein Lächeln in ihrem Gesicht, trotz ihres nutzlosen, arbeitslosen und untreuen Ehemanns.

Als die unerschrockene 80-jährige Amateurdetektivin Myrtle Clover ihre neue Haushaltshilfe Jill dabei erwischt, wie sie in ihrem Medikamentenschränkchen wühlt, sollte sie erbost sein. Aber herauszufinden, dass die ach-so-tolle Jill doch nicht so makellos ist, ist in Myrtles Augen eine viel größere Genugtuung.

Nur zu gerne hätte Myrtle herausgefunden, was Jill Caulfield wohl sonst noch alles verheimlicht… hätte Myrtle sie nicht während des neu gegründeten Dinnerclubs tot in der Küche aufgefunden.

LanguageDeutsch
Release dateMay 14, 2019
ISBN9781547557578
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    Book preview

    Myrtle Clover und der mörderische Dinnerclub - Elizabeth Spann Craig

    Kapitel 1

    „Der erste Schritt, sagte Myrtle zu ihrem Freund Miles, „ist ein Putsch.

    Miles nahm seine Nickelbrille ab und rieb sich die Augen. „Ein Putsch?"

    Myrtle strahlte ihn wie ein frisch polierter Pfennig an. „Genau. Der Buchclub, in seiner jetzigen Form, muss abgeschafft werden."

    „Du sagst also... und bitte korrigiere mich, wenn ich falsch liege..., dass du und ich, die neuesten Mitglieder des seit Jahrzehnten bestehenden Buchclubs, die derzeitige Führung des Clubs stürzen, eine Umstrukturierung erzwingen und die Mitglieder dazu verdonnern sollen, statt Strandlektüre ab sofort Literatur zu lesen, die wir als würdig genug erachten."

    „Das, sagte Myrtle und klopfte dabei auf die gesammelten Werke von William Butler Yeats, „ist genau das, was ich sagen will.

    Miles blickte seine Freundin an. Sie war dieses Mal wirklich in Fahrt. Ihre Finger hatte sie so oft durch ihr graues Haar gefahren, dass es auf einer Seite wie das von Einstein zu Berge stand. Außerdem stand sie ihre 1,80 Meter, trotz ihres hohen Alters war sie noch keineswegs buckelig.

    „Wie genau schlägst du vor, dass wir das tun?"

    „Mit einfachem Marketing. Du warst früher Geschäftsmann, das ist doch nichts Neues für dich. Marketing, du weißt schon. Den Leuten geben, was sie wollen."

    „Myrtle, ich war Ingenieur, kein Verkäufer. Myrtle zuckte mit den Schultern. Miles seufzte. „Und warum genau tun wir das?

    Myrtle verdrehte die Augen. „Du hörst schon wieder nicht zu. Wir tun das, weil ein Buchclub sich mit großer Literatur beschäftigen sollte. Literatur, die eine wunderbare Geschichte erzählt, bringt die Welt ein Stück näher zusammen. Trixie und die Fahrt nach Myrtle Beach erfüllt diesen Anspruch nicht."

    Miles lehnte sich in seinem Sessel nach vorne. „Willst du damit etwa sagen, dass der Buchclub wirklich ein Buch ausgewählt hat, das..."

    „Nein, nein, ich sage nur, dass das die Art von Mist ist, der auf der Leseliste steht. Und wenn wir erst einmal diesen Weg einschlagen..." Sie atmete tief durch.

    „Hört der Greif den Ruf des Falkners nicht;

    Zerfall ringsum, das Zentrum hält nicht stand;

    Die Anarchie ist losgelassen in die Welt."

    Miles blickte hinüber zur Yeats-Sammlung. „Jetzt hab ich's. Er rückte seine Brille zurecht. „Du denkst, dass wenn wir dem Buchclub ein paar ordentliche Lesealternativen geben, sie uns in Scharen folgen und wir den Buchclub übernehmen werden. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das so funktionieren wird. Das erscheint mir etwas zu einfach.

    Myrtle schnippte mit den Fingern. „Guter Punkt. Und ich habe eine ausgezeichnete Idee."

    Miles stöhnte.

    „Wenn die Sache nicht gut läuft, brauche ich einen Plan B. Ich gehe natürlich davon aus, dass alles nach Plan läuft, aber wenn nicht, dann werde ich kurz auf die Toilette gehen. Und du wirst dann sagen: 'Ich finde Myrtles Vorschlag super'."

    „Und warum, fragte Miles und schob seine Nickelbrille die Nase hinauf, „sollte es die anderen scheren, was ich denke?

    „Die halbe Mannschaft dieser alten Hexen steht auf dich, Miles. Du bist der neue Witwer in der Gegend, das weißt du doch. Alles, was du sagst, wird für bare Münze genommen."

    Miles zweifelte an der Wirkung, die sein stahlgraues Haar, die Nickelbrille und seine 70 Lenze für die Witwen von Bradley erzielen sollten.

    „Denk doch mal nach, Miles, du fährst immer noch Auto! Für ältere Damen bist du der Jackpot, das kannst du mir glauben. Unser Plan lautet also wie folgt: Ich lausche in der Halle und sobald alle entschieden haben, dass es eine gute Idee ist, kehre ich zurück und wir bringen alles unter Dach und Fach." Myrtle rieb sich zufrieden die Hände.

    „Lob den Tag mal nicht vor dem Abend, sagte Miles. „Du weißt nie, wie die Sache ausgehen kann.

    „So ein Unsinn. Ich sage voraus, dass wir einen ruhigen Übergang zu einem Club mit hochwertiger, ordentlicher literarischer Diskussion vor uns haben."

    „Weißt du, sagte Miles, „alle anderen scheinen mit dem Club zufrieden zu sein. Du, die pensionierte Englischlehrerin, bist eigentlich die Einzige, die Wert auf ordentliche literarische Diskussionen legt.

    Myrtle schüttelte ungeduldig den Kopf. „Weil sie noch nicht wissen, was ihnen entgeht."

    „Hast du Red schon erzählt, dass du einen literarischen Coup planst?"

    Myrtle funkelte ihn an.

    „Hast du nicht, weil du genau weißt, was er davon halten wird: Nämlich, dass du wieder für Ärger sorgst. Erinnerst du dich an Reds Motto? 'Alles besser so lassen wie es ist.'"

    „Aber nur, weil mein Sohn der Polizeichef ist und will, dass ich ein träges Dasein führe, damit ich ihn nicht in Schwierigkeiten bringe. Ich will Bradley aufwecken! Allen hier die Scheuklappen abnehmen und ihnen ihre Möglichkeiten aufzeigen! Red ist so darauf fixiert, mich ruhig zu stellen. Wusstest du, dass er mich für dieses Wochenende für irgend so einen freiwilligen Dienst angemeldet hat? Eine Frechheit."

    „Ich vermute, deshalb hast du die Armee an Zwergen in deinem Vorgarten aufgefahren?"

    Myrtle führte ihre übergroße Sammlung an Gartenzwergen immer dann in Reds Sichtfeld vor, wenn er wieder einmal versuchte, sie zu manipulieren. In letzter Zeit bevölkerten die Zwerge besonders häufig Myrtles Rasen.

    „Das ist genau der Grund, warum die Zwerge draußen sind. Er weiß also ganz genau, dass ich sauer auf ihn bin. Außerdem denke ich nicht, dass er ein Problem damit hat, wenn ich die Nachbarschaft ein wenig umorganisiere."

    „Ich weiß nicht, Myrtle. Ich werde das Gefühl nicht los, dass die Umorganisation des Buchclubs zu unvorhergesehenen Konsequenzen führen könnte."

    *****

    Myrtle schielte auf ihre Wanduhr, die ein großer Hahn zierte. Wo blieb denn diese verdammte Puddin schon wieder? Sie sollte schon seit einer Stunde hier sein, um Myrtles Nippes abzustauben. Ein Anruf war wohl notwendig. Myrtle wappnete sich, denn anstelle von Puddin nahm für gewöhnlich Dusty den Hörer ab, ihr tattriger Ehemann und Myrtles Gärtner. Da er immer davon ausging, dass Myrtle ihn anrief, beantwortete er ihren Gruß jeweils in abgeänderter Form mit „Es ist zu heiß zum Rasenmähen!" Puddin war zwar auch nicht gerade eine angenehme Gesprächspartnerin, sie war ihr jedoch lieber als Dustys Gebelle, das an einen alten Jagdhund erinnerte.

    Myrtle wählte die Nummer. Es läutete fünf oder sechs Mal. „Hallo?", fragte eine schroffe Stimme.

    Myrtle seufzte. „Dusty? Hier spricht Myrtle Clover."

    Am anderen Ende der Leitung vernahm sie ein Stöhnen. „Es ist zu nass zum Rasenmähen, Mrs. Clover!"

    „Himmel noch mal! Es hat seit Tagen nicht geregnet, Dusty. Und das bisschen Wasser, das heruntertröpfelt, verdampft doch, bevor es auf dem Boden aufkommt."

    „Die Klingen könnten verstopfen. Dann haben Sie überall stinkende Grasklumpen auf Ihrem Rasen verteilt, Mrs. Clover. Und ich habe die Zwerge in Ihrem Garten gesehen, als ich vorbeigefahren bin. Das Zeug ist übel, wenn man drum herumfahren muss."

    „Lassen Sie es gut sein. Ich wollte sowieso nicht mit Ihnen sprechen. Ihr Unsinn hat mich nur vom Thema abgelenkt. Kann ich mit Puddin sprechen? Sie sollte eigentlich gerade mein Haus putzen."

    Dusty rief nach Puddin und nach einigen Minuten, während der sich Myrtle fragte, ob er aufgelegt hatte, antwortete Puddin mürrisch. Myrtle konnte sich ihren sauren Gesichtsausdruck nur zu gut vorstellen.

    Bevor Myrtle sich zu Freundlichkeit zwingen konnte, um herauszufinden, warum Puddin zuhause herumhing, anstatt ihren unterdurchschnittlichen Putzjob bei Myrtle zu erledigen, murmelte Puddin: „Der Rücken macht nicht mit, Mrs. Clover."

    Myrtle biss sich auf die Zunge. Sie wollte ihre „Haushilfe" nicht verscheuchen, bevor sie keinen Ersatz hatte. Aber wie praktisch das doch war. Puddins Rücken schien immer dann nicht mitzumachen, wenn sie keine Lust hatte, Silber zu polieren, Geschirr zu waschen oder überhaupt zu arbeiten.

    „Ich habe keine Zeit für Ihre Dummheiten, Puddin. Der Buchclub kommt morgen vorbei. Sind Sie ganz sicher, dass Sie nicht einfach Ibuprofen nehmen können?"

    Puddin dachte nach. „Hmm. Nein, das wird nicht helfen."

    Offensichtlich war das Gespräch zu Ende, denn Puddin sagte: „Frohen Buchclub", und legte auf. Myrtle hörte nur noch ein Piepen in der Leitung.

    Sie knallte den Hörer mit ungewohnter Wucht auf den Apparat. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als Verstärkung zu rufen. So ärgerlich Puddins Ausfall auch war, vermutlich war es das Beste so.

    Puddin wäre angesichts dieses ganz besonderen Buchclubtreffens sowieso nicht die Richtige für den Job gewesen. Mit ihrer derzeitigen Laune und fehlenden Hilfsbereitschaft war sie für das Aufräumen vor einem solchen Buchclubtreffen eindeutig nicht geeignet.

    Harte Zeiten erforderten harte Maßnahmen. Was Myrtle brauchte, war ein top Putz-Team. Sie griff nach dem Hörer. Blanche Clark sollte eine ordentliche Empfehlung für sie parat haben. Nachdem Blanche in einem weitläufigen Anwesen lebte, musste sie zumindest eine Haushaltshilfe haben, wenn nicht sogar eine ganze Armee.

    Während sie den Telefonhörer ans Ohr hielt, sah sie durch das Fenster eine dürre, schwarze Katze hereinblicken. Sie hatte das Tier schon einmal gesehen, es war offensichtlich ein Streuner. Die Katze lief davon, aber Myrtle hätte schwören können, einen zustimmenden Blick auf ihrem Gesicht erkannt zu haben, während sie Blanches Nummer wählte.

    *****

    Jill, dachte Myrtle nur eine Stunde später, war eine wahre Putzsensation.

    Was für ein Glück, dass sie so schnell einen Ersatz gefunden hatte, dachte Myrtle, während sie die motivierte Jill Caulfield beobachtete. Ihre Idee, selbst Staub zu wischen und zum Mob zu greifen, hatte wieder an Reiz verloren. Jill war hingegen entzückt von dem Angebot gewesen und leistete gute Arbeit. Auch sie war beim Buchclub und durchlebte offensichtlich gerade finanziell angespannte Zeiten. Außerdem wohnte sie praktischerweise gleich die Straße runter.

    „Putzen ist gar nicht so schlimm, sagte sie, als sie mit geschultem Auge Myrtles Tisch mit Zitronenöl polierte, bis er glänzte. „Ich kann das gut. Es ist eine beständige Arbeit. Und es hält fit.

    „Und außerdem, fuhr sie fort, während sie schrubbte, „bringt es Geld in die Kasse. Sie hielt kurz inne und sah Myrtle in die Augen. „Weißt du, was ich meine? Manchmal muss man tun, was zu tun ist, um zu überleben."

    „Mit dem, was du im Kindergarten verdienst, kannst du nicht alle deine Rechnungen bezahlen, nehme ich an", sagte Myrtle.

    „Kein bisschen. Es hilft natürlich. Aber es reicht für mich und Cullen einfach nicht. Und Cullen mit seiner Arbeitsunfähigkeit und allem... Sie hielt kurz inne und suchte in Myrtles Gesicht nach Anzeichen von Unglauben. „Na ja, also er kann halt nicht arbeiten. Und das macht die ganze Sache schwierig. Aber ich würde ihn nie verlassen, Myrtle. Niemals.

    „Ich werde Mr. Micawber niemals verlassen", dachte Myrtle an den Roman von Charles Dickens, auch wenn Cullen Caulfield gewiss kein Mr. Micawber war. Seine Arbeitsunfähigkeit resultierte, wie in Bradley allseits bekannt war, aus seinem unstillbaren Verlangen nach Alkohol.

    Jill war mit den Tischen fertig und widmete sich nun, ganz streng von oben nach unten, den Böden.

    „Ich bin sehr froh, dass du kurzfristig einspringen konntest, sagte Myrtle. „Ich bin einfach zu alt zum Staubwischen. Ich habe deine Nummer übrigens von Blanche Clark. Sie hat beim letzten Buchclubtreffen davon geschwärmt, wie gut du doch putzt.

    Jill konzentrierte sich plötzlich besonders auf den Boden und schrubbte hartnäckig an einem Fleck. „Ist das so?"

    „Deshalb war ich etwas überrascht zu hören, gurrte Myrtle unschuldig, „dass du nicht mehr für sie arbeitest. Sie hat mir deine Nummer gegeben, (etwas ungnädig), „aber sie hat gemeint, dass sich eure Wege getrennt haben." In Wirklichkeit war Blanche so in Rage über Jill gewesen, dass Myrtle ihre Stimme durch das Telefon zittern hörte und sie den Namen Jill ausgespuckt hatte, als hätte sie etwas Widerwärtiges aus ihrem Mund entfernen wollen. Es war jedenfalls interessant genug gewesen, um der Sache nachzugehen.

    „Geschäftsbeziehungen funktionieren nicht immer, sagte Jill unbekümmert. „Aber unsere gewiss. Brauchst du mich nächste Woche auch?

    Myrtle wollte gerade sagen, dass Puddin nächste Woche kommen würde, aber dann war da etwas... war es etwa der Duft nach Pinien? Die schimmernden Tische? Die aufmerksame Person vor ihr? Sie änderte abrupt ihre Meinung. „Ja, ich denke, ich könnte dich nächste Woche brauchen."

    Diese verfluchte Puddin hatte noch nie so geputzt. Sie hatte keine Leidenschaft fürs Putzen. Myrtle brachte die Stimme in ihrem Kopf zum Schweigen, die sie daran erinnern wollte, dass es Puddin und Dusty nur im Paket geben würde ‒ und was würde sie ohne einen Gärtner tun? Auch wenn es ein schlechter Gärtner war?

    „Wenn es für dich okay ist, Jill, gehe ich schnell hinüber zu Elaine und Red."

    „Kein Problem. Ich habe Elaine kürzlich getroffen, aber Red habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Wie geht es ihm?"

    „Oh, er sorgt für Recht und Ordnung, antwortete Myrtle und zuckte mit den Schultern. Viel lästiger war allerdings, dass ihr Polizeichef-Sohn auch bei ihr für Recht und Ordnung sorgen wollte. Er mischte sich in ihre Angelegenheiten ein. „Ich gehe vor allem rüber, um ein bisschen mit meinem Enkel Jack zu spielen. Er hat einfach die süßesten Pummelbeinchen..., mit diesen Worten zog sie zum Beweis ein Fotoalbum hervor.

    Es war Jill hoch anzurechnen, dass sie zumindest vorgab, sich für die Babyfotos zu interessieren. Eigentlich war Jill in jeder Hinsicht perfekt. Puddins einzige beständige Eigenschaft war ihre Unbeständigkeit. Denn alles an Puddin war ungewiss: Würde sie in Gesprächslaune sein und nur am Küchentisch quatschen, ohne zu putzen? Hätte sie einen Anfall von Nikotinsucht und würde den ganzen Vormittag draußen beim Rauchen verbringen? Würde sie überhaupt zur Arbeit kommen?

    Jills Perfektion ließ Myrtle Puddins Eigenartigkeit vermissen. Zumindest beinahe.

    *****

    Myrtle griff nach ihrem Gehstock neben der Vordertür und ging die Einfahrt hinunter. Einige Vögel saßen auf den Zwergen und flogen zwitschernd davon, als sie sich näherte. Sie pausierte für einen Moment, um ihr Werk zu betrachten. Die Zwerge hatten ihr den Rücken zugewandt, denn natürlich waren sie so ausgerichtet, dass sie alle in Reds Richtung sahen... und in die der vorbeifahrenden Autos. Sie kicherte, aber das Lachen ging in ein Keuchen über, als sie eine verhasste Stimme hinter sich wahrnahm. „Du bist wohl wieder mal mit Red im Streit, wie ich sehe.

    Erma Sherman... die teuflische Nachbarin von nebenan. Normalerweise überprüfte Myrtle gewissenhaft, ob die Luft rein war, bevor sie sich aus der Haustür wagte. Dass ihr Haus heute zu altem Glanz geführt wurde, hatte sie nachlässig werden lassen. Als sie Erma auf sich zukommen sah, die Arme weit für eine Umarmung ausgestreckt, dachte Myrtle darüber nach, wie schnell einem doch der Tag vermiest werden konnte.

    „Ich versuche nur, unaufdringlich meinen Standpunkt klar zu machen", entgegnete Myrtle. Nicht, dass Erma die Bedeutung des Wortes unaufdringlich kennen würde. „Red hat doch fälschlicherweise angenommen, dass ich gerne beim Pfannkuchen-Frühstück des Kiwani-Clubs helfen würde." Red zeigte seine schockierend schlechte Menschenkenntnis nur zu häufig. Nicht besonders hilfreich für einen Polizeichef.

    „Wie soll Dusty denn den Rasen mähen, bei all den Zwergen?, fragte Erma und blickte auf die Grashalme, die die Bäuche der Zwerge kitzelten. „Mit einem Rasentrimmer?

    Als ob Dusty so modernes Gartenwerkzeug wie einen Rasentrimmer kennen würde. „Nein, ich glaube, er mäht einfach nur dort, wo er rankommt."

    „Wie lange hast du denn geplant, deine Fehde gegen Red zu führen?", fragte Erma und warf einen bösen Blick auf einen besonders animierten Zwerg, der genüsslich ein Glas kippte.

    „Wie lange planst du denn, dass dein Unkraut in meinen Garten herüberwächst?"

    Erma keuchte und brach dann in schallendes Gelächter aus. „Kommt das nicht eher von dir hinten? Da ist eine Riesenstelle mit Unkraut, sodass es aussieht, als würdest du das Zeug züchten."

    Tatsächlich war dort eine kahle Stelle, an dem sich Ermas Unkraut ausbreitete. Sie würde diesen Dusty umbringen! Sie hatte ihn angewiesen, den Boden aufzulockern und auszusäen.

    Myrtle drehte sich zur Straße, als sie leises Hupen vernahm. Es war ihre Schwiegertochter Elaine, die ihr freudig aus ihrem Minivan zuwinkte. Dahin war er, der einzige Grund, warum sie überhaupt das Haus verlassen hatte. „Ich muss wieder rein", stieß sie zwischen knirschenden Zähnen hervor.

    „Aber du bist doch aus einem bestimmten Grund rausgekommen, Myrtle. Erinnerst du dich etwa nicht mehr daran? Lass mal überlegen, du bist rausgekommen, ohne deine Tasche. Du wolltest also nicht weit gehen, nicht wahr? Lass uns deine Schritte rückverfolgen. Erma zeigte sich verständnisvoll, aber allen anderen würde sie eine ganz andere Geschichte auftischen: „Habt ihr schon gehört? Myrtle Clover ist jetzt komplett gaga geworden. Gestern wusste sie nicht einmal mehr, warum sie das Haus verlassen hatte. „Ach nein, wie schade!"

    Myrtle drehte sich um und hastete die Einfahrt hoch. „Schönen Tag, Myrtle. Wir sehen uns morgen beim Buchclub", rief ihr Erma hinterher.

    Nicht, wenn ich dich zuerst sehe, dachte Myrtle. Sie schlüpfte schnell zur Vordertür hinein und lehnte sich dann dagegen. Das nächste Mal würde sie vorsichtiger sein, wenn sie das Haus verließ. Sie lauschte kurz, ob sich Jill in der Küche befand, hörte jedoch nichts. Keine Putzgeräusche zu hören. Neugierig ging sie durch die Küche ans hintere Ende des Hauses.

    Als sie durch ihre Schlafzimmertür spähte, sah sie, dass im Badezimmer das Licht an war. Sie hatte Jill eigentlich nicht angewiesen, dort zu putzen, denn das Bad war noch recht sauber. Sie ging zur Badezimmertür.

    Dort sah sie Jills Kopf tief im Medizinschrank vergraben. Mehrere Tablettenschachteln lagen im Waschbecken, einige andere hielt sie in der Hand. Myrtle tapste auf Zehenspitzen wieder hinaus. Warum wühlte Jill denn in ihren Medikamenten? War sie medikamentenabhängig? Nein, Jill war dafür viel zu klar im Kopf, viel zu detailorientiert in ihrem Putzen. Sie war auf jeden Fall um einiges klarer

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