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Wie wird man heterosexuell?
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Ebook72 pages52 minutes

Wie wird man heterosexuell?

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In biologistischer Sichtweise werden Geschlecht und Sexualität miteinander verknüpft. Es gibt männliche und weibliche Sexualität, egal ob homo oder hetero. Ilka Quindeau stellt diese Festlegungen in einem originellen Rückgriff auf Freud in Frage. Sie entwickelt ein Konzept von Bisexualität, die nicht nur in der Richtung des Begehrens offen ist, sondern auch im eigenen Empfinden nicht auf 'männlich' oder 'weiblich' festgelegt ist. Lustempfinden und Begehren sind demnach nicht einseitig im Körper verwurzelt, sondern bilden sich als Antwort, als Reaktion auf das heraus, was ihm von außen Befriedigung bereitet.
LanguageDeutsch
Release dateJun 1, 2011
ISBN9783863001995
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    Wie wird man heterosexuell? - Ilka Quindeau

    http://www.maennerschwarm.de/

    Umrisse eines geschlechterübergreifenden Modells

    von Sexualität

    Ich möchte mich der Frage nach der sexuellen Orientierung – wie wird man hetero-/homo-/bisexuell – zunächst aus der Perspektive Sigmund Freuds nähern. Er hat mit den Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (Freud 1905b) zu Beginn des letzten Jahrhunderts eine bahnbrechende Sexualtheorie vorgelegt, die nach wie vor eine intellektuelle Herausforderung darstellt und hinter welche die weitere psychoanalytische Theoriebildung nicht selten zurück gefallen ist. Gewiss ist die Rückkehr zu einem konventionellen Sexualitätsbegriff bereits im Freudschen Werk selbst angelegt – etwa im letzten Teil der Abhandlungen, doch lohnt es sich, den anderen Spuren zu folgen und – mit Martin Dannecker (2006) – in Freud einen der ersten Vertreter der «queer studies» zu entdecken. Auf diese Spurensuche habe ich mich begeben und weitere Ansätze aus dem psychoanalytischen Theoriebestand der letzten hundert Jahre zusammengetragen mit dem Ziel, eine psychoanalytische Theorie einer genuin menschlichen Sexualität zu entwickeln (Quindeau 2008).

    Was heißt genuin menschlich? Damit meine ich eine Sexualität, die weder auf ein angeborenes biologisches Programm noch eine biologische Funktion zu reduzieren ist, sondern die sich in einem interpersonalen Raum entwickelt und für die Phantasien und Erinnerungen konstitutiv sind. Kein Instinkt, sondern ein Begehren, das in der Beziehung zwischen dem Kind und dem Erwachsenen entsteht, liegt dieser Sexualität zugrunde.

    Wenn man die Sexualität nun in dieser Weise als unabhängig von ihrer biologischen Funktion, der Fortpflanzung, betrachtet, hat das eine Reihe von Konsequenzen:

    Die wichtigste besteht in der Infragestellung des Primats der Heterosexualität bzw. der Heteronormativität. Mein Anliegen ist, ein nicht-hierarchisches, nicht-normatives Modell von Sexualität zu entwickeln, in dem Heterosexualität und Homosexualität als psychisch gleichwertige Formen nebeneinander stehen. Dies mag inzwischen – auf den ersten Blick zumindest – eigentlich selbstverständlich erscheinen. Selbst in der Psychoanalyse, die sich ja bekanntlich sehr lange sehr schwer getan hat, Homosexualität nicht als Krankheit zu begreifen. Auch wenn das inzwischen überwunden ist, findet sich Heteronormativität nach wie vor implizit in der Theoriebildung.

    Nicht nur in der Psychoanalyse, sondern weit über diesen Diskurs hinaus scheint mir ein weiterer problematischer Aspekt dieses Primats der Heterosexualität verbreitet: die Verlötung von Sexualität und Geschlecht. So mutet es uns als völlig selbstverständlich an – und wird in den differenztheoretisch orientierten «gender studies» auch weiter befördert – von einer weiblichen und einer männlichen Sexualität zu sprechen, von einer Sexualität von Männern und einer von Frauen. Versucht man jedoch, diese jenseits der Fortpflanzungsfunktion genauer zu beschreiben oder gar zu definieren, wird es schon deutlich diffuser. Die intuitive Eindeutigkeit zumindest verschwindet. Ich nehme das zum Anlass, die behauptete Verbindung von Sexualität und Geschlecht infrage zu stellen und ein theoretisches Modell einer geschlechtsübergreifenden menschlichen Sexualität zu entwickeln, das die Polarität von Männlichkeit und Weiblichkeit überwindet und die Geschlechterspannung nicht zwischen Männern und Frauen, sondern in jeder einzelnen Person ansiedelt.

    In einem solchen Modell erscheint das sexuelle Erleben und Verhalten als ein wichtiger Bereich, in dem – neben den bewussten, körpergestaltentsprechenden Befriedigungsmodalitäten – die unbewussten, verdrängten andersgeschlechtlichen Identifizierungen eine lustvolle Ausdrucksgestalt erhalten. Die Wiederkehr des Verdrängten trägt dabei in besonderer Weise zum Lustgewinn bei, ein Mechanismus, der uns bspw. bereits vom Witz vertraut ist.¹

    Die Heteronormativität zeigt sich nicht nur in der Verlötung von Sexualität und Geschlecht, sondern wirkt sich auch auf das Verständnis von Homosexualität aus. Mir scheint, dass vielfach auch dieses implizit der Heterosexualität nachgebildet ist und sich am Vorbild der Beziehung von Mann und Frau orientiert. Dies findet sich nicht nur auf der Ebene der Theorie, sondern auch ganz unmittelbar im Alltagsleben. So werden nicht nur in heterosexuellen, sondern oft auch in schwulen oder lesbischen Paarbeziehungen die männlichen und weiblichen Geschlechterrollen untereinander aufgeteilt. Eine Kritik der Heteronormativität zielt daher auch auf die Frage, inwieweit die Unterscheidung einer Hetero- und einer Homosexualität überhaupt sinnvoll ist.

    In verschiedensten Diskursen wird zunehmend von sexueller Identität statt sexueller Orientierung oder Präferenz gesprochen. Das mag einer Übernahme aus dem angelsächsischen Diskurs und damit zusammenhängenden übersetzungstechnischen Schwierigkeiten geschuldet sein, weil (körper-)geschlechtliche und sexuelle Identität im Englischen sprachlich nicht zu unterscheiden sind. Problematisch erscheint dies jedoch, da damit ein starker – und im Übrigen auch nicht eigens begründeter – Zusammenhang von Sexualität und Identität hergestellt und der sexuellen Orientierung ganz besondere Bedeutsamkeit für das Identitätsgefühl zugeschrieben wird. Die postulierte identitätsbildende

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