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Micah: Damage Control Reihe, #1
Micah: Damage Control Reihe, #1
Micah: Damage Control Reihe, #1
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Micah: Damage Control Reihe, #1

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About this ebook

Das bin ich: Micah Owens. Tätowierer im Damage Control. Keine Eltern oder Geschwister. Eine Vergangenheit, die mir immer noch Alpträume beschert.

Und dann ist da noch sie: Evangeline, das Mädchen, das mein Leben gerettet hat und mich in meinen angenehmeren Träumen besucht. Nur weiß sie nicht, wer ich wirklich bin, und ihr das zu sagen, könnte sie schreiend davonrennen lassen. Sie verdient etwas Besseres als einen Versager wie mich. Sie ist hübsch. Sie ist clever. Sie ist gottverdammt sexy und hat ein Herz aus Gold.

Deswegen kann ich es ihr nicht sagen. Ein Lächeln von ihr und ich würde alles tun, was ich kann, um sie zu meinem Mädchen zu machen – wie vorzugeben, jemand anderes zu sein. Jemand, der ihrer würdig ist.

Ist Liebe nicht seltsam?

LanguageDeutsch
PublisherJo Raven
Release dateDec 13, 2018
ISBN9781386231141
Micah: Damage Control Reihe, #1
Author

Jo Raven

Jo Raven is a New York Times and USA Today bestselling author, best known for her series Inked Brotherhood and Damage Control. She writes edgy, contemporary New Adult romance with sexy bad boys and strong-willed heroines. She writes about MMA fighters and tattoo artists, dark pasts that bleed into the present, loyalty and raw emotion. Add to that breathtaking suspense, super-hot sex scenes and a happy ending, and you have a Jo Raven original story. Meet Jo Raven online – on Facebook (https://www.facebook.com/AuthorJoRaven), chat with her on Twitter (@AuthorJoRaven) and join her readers group for sneak previews of her covers and stories (http://on.fb.me/1K2LvzO). Be the first to get your hands on Jo Raven’s new releases & offers, giveaways, previews, and more by signing up here ▶ http://bit.ly/1CTNTHM

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    Book preview

    Micah - Jo Raven

    Kapitel Eins

    Micah

    Aus den Augenwinkeln erhasche ich einen Blick auf einen rotschwarzen Schemen. Eine schlanke Silhouette eilt leicht humpelnd aus dem Donutladen auf der anderen Straßenseite, und ich drehe den Kopf, um sie besser sehen zu können. Sie ist hier. Ich halte inne, die Tätowiermaschine summt in meiner Hand, und fluche innerlich. Sie ist spät dran. Später als sonst jedenfalls und meine Pause ist vorbei, also kann ich sie nicht beobachten, wie ich es seit der letzten Woche getan habe.

    Und jetzt klinge ich schon wie ein Stalker … Scheiße.

    „Sind wir fertig?", will mein mürrischer Kunde wissen. Er ist jung – sieht nicht älter aus als zwanzig– aber seine teuren Klamotten und sein Haarschnitt sehen nach viel Geld aus, was ihn Galaxien von mir entfernt.

    „Noch nicht."

    „Nun, dann beeil dich, okay? Und behalte deine Augen auf dem verdammten Ding, das du da rumschwingst. Ich will nicht, dass du irgendwelche Fehler machst."

    Die Zähne zusammenbeißend, umklammere ich die Tätowiermaschine fester und zwinge mich dazu, nichts zu erwidern. Ich gehe wieder dazu über, ein blutendes Herz auf den schwabbeligen Rücken des Kerls zu tätowieren. Ich habe noch nie einen Fehler gemacht. Das Tätowieren ist meine Leidenschaft und ich habe es von einem der Besten gelernt.

    Von Zane Madden.

    Mich auf die Arbeit zu konzentrieren, sollte kein Problem darstellen. Mein Job und das Tattoostudio sind mein Ein und Alles. Im wahrsten Sinne. Es ist alles, was ich habe, und ich weiß, dass ich mich verdammt glücklich schätzen kann, das zu haben. Es ist alles, was ich brauche.

    Oder wenigstens war das so, bis sie anfing, jeden Nachmittag aufzutauchen. Das erste Mal sah ich sie, als ich mir vorm Damage Control – dem Tattoostudio, in dem ich arbeite – die Beine vertrat, und hätte fast eine Bauchlandung hingelegt. Ich glaube, dass sie es ist. Ev. Ich habe sie seit mehr als sechs Monaten nicht mehr gesehen, aber ich würde nie ihr Gesicht vergessen. Nie im Leben.

    Ich glaube es. Auch wenn Evs Haar dunkler gewirkt hatte … Ist sie es? Ich wünschte, ich könnte sie aus der Nähe sehen, um sichergehen zu können.

    Stirnrunzelnd konzentriere ich mich auf die letzten Feinschliffe an dem blutenden Herz und den Dornen, die es durchstechen. Es ist ein simples Design, einfach zu tätowieren. Während ich die Farben und Details hinzufüge, verliere ich mich in einer Art Trance, in die ich normalerweise eintrete, wenn ich hundertprozentig in meinem Handwerk aufgehe, in der Kunst, etwas Schönes zu kreieren.

    Einige Zeit später kommt Zane an meiner Kabine vorbei und nickt mir grüßend zu. Da bemerke ich, dass das Licht draußen schwächer geworden ist. Ich trete zurück und betrachte das fertige Tattoo. Ein Geflecht aus Dunkelrot und Tiefschwarz, Blut und Schmerz.

    „Gute Arbeit, Micah", meint Zane, der das Tattoo mustert. Er ist immer noch hier, mit seinem knallblauen Irokesen.

    Ich nicke, Wärme breitet sich bei seiner Anerkennung in mir aus. Ich habe vor kurzem meine Ausbildung abgeschlossen und Zane ist mein Gott. Alles, was ich jetzt bin, verdanke ich ihm. Auch wenn er fast ein Jahr jünger ist als ich, sorgt er dafür, dass ich mich wohl in meiner Haut fühle, hat über mich gewacht, sich um mich gekümmert. Er ist wie der große Bruder, den ich nie hatte.

    Ich ziehe meine Einweghandschuhe aus und werfe sie in den Müll, dann säubere ich das neue Tattoo und lege einen Verband an. Während ich meinem ungeduldigen Kunden das Wichtigste bei der Nachpflege erkläre – wann er den Verband abnehmen kann und wie er das Tattoo sauber und trocken halten soll – höre ich Seths Stimme in der Kabine neben mir. Seth und ich teilen uns eine Wohnung, nicht weit vom Tattoostudio entfernt. Er ist gerade erst achtzehn geworden und ein Auszubildender hier, wie ich es auch vor ihm gewesen bin.

    Mein Kunde murmelt ein kurz angebundenes Dankeschön, zieht sein Shirt über und verlässt die Kabine, um am Empfangstresen zu bezahlen. Für einen kurzen Moment erlaube ich es mir, mich gegen den Tresen zu lehnen und der Müdigkeit nachzugeben, die mich plagt. Es ist in letzter Zeit besser geworden und dafür bin ich verdammt dankbar. Allerdings gebe ich mein Bestes, es vor Zane zu verbergen, da er sich zweifellos Sorgen machen und mich nach Hause schicken würde. Der Laden kann sich das nicht leisten. Abgesehen von mir, sind Zane und Ocean die einzigen anderen Tätowierer mit einer Lizenz.

    Ich kann es mir auch nicht leisten. Ich muss verdammt noch mal die Miete bezahlen. Außerdem geht es mir jetzt schon viel besser. Ein paar tiefe Atemzüge und ich bin bereit für meinen nächsten Termin.

    Ich bedauere nur, dass ich sie heute nicht gesehen habe. Ein Gesicht aus meiner Vergangenheit, von dem ich geglaubt hatte, es nie wiederzusehen. Ist sie es wirklich? Ich muss näher an sie herankommen und den Mut aufbringen, mit ihr zu reden. Gott, ich hoffe, es ist Ev. Sie hat mich an meinem tiefsten Punkt gesehen, und ich will, dass sie mich so sieht, wie ich jetzt bin. Gesund. Stark. Mit einem Dach über dem Kopf und einem festen Einkommen. Mit Freunden und einer Art Familie.

    Und vor allem will ich ihr dafür danken, dass sie mein Leben gerettet hat.

    Seth geht, bevor ich mit der Arbeit fertig bin. Ich hoffe, er hat nicht all unser Essen aufgegessen, wenn ich heimkomme. Ich bin am Verhungern. Mein Bauch knurrt wie ein Grizzlybär. Wenn ich so darüber nachdenke, haben wir überhaupt noch Essen im Kühlschrank? Wahrscheinlich wird es heute Abend wohl auf eine Bestellung beim Lieferservice hinauslaufen.

    Bis ich meine Arbeitsstation aufgeräumt und meine Hände gewaschen habe, hat sich der Laden geleert. Ich kann die glühende Asche von Zanes Zigarette draußen sehen, also schließe ich ab und gehe hinaus. Ich ziehe den Reißverschluss meiner Jacke hoch und schiebe meine Hände in die Taschen. Die Kälte sticht mir ins Gesicht. Ich stelle mich neben Zane und schaue über die Straße zum Donutladen.

    „Bei dir alles okay, Micah? Zane sieht mich von der Seite an. „Du siehst heute nicht so gut aus.

    Ich verziehe das Gesicht. Zane entgeht auch nichts. „Alles gut."

    Er schüttelt den Kopf und zieht an seiner Zigarette. Sein Gesicht liegt im Schatten, die glühende Asche wird für einen kurzen Moment in seinen dunklen Augen reflektiert. „Nimmst du deine Vitamine?"

    „Ja, Mom."

    Zane lacht leise und ich grinse in die Dunkelheit, fühle mich leicht und wohl in meiner Haut. So sollte sich Familie anfühlen. Zane ist meine Familie. Dazu kommt, dass er mir alles beigebracht hat, was ich weiß. Er hat mich gerettet. Uns alle, die im Damage Control arbeiten: Shane, Ocean, Jesse und Seth. Manchmal frage ich mich, ob ihm klar ist, wie wichtig er uns ist.

    „Du würdest es mir sagen, wenn du etwas brauchst, oder?" Er wirft seinen Zigarettenstummel runter und tritt ihn aus.

    „Sicher."

    „Dann ist gut. Geh nach Hause, du Spinner, und halte Seth aus Schwierigkeiten raus. Ich kann euch nicht alle rund um die Uhr im Auge behalten."

    Ich nicke und wende mich dann zum Gehen.

    „Das Mädchen, das du beobachtest … Zanes Stimme lässt mich erstarren. „Wer ist sie, Micah?

    Meine Stirn legt sich in Falten, als die Erinnerungen mich in einer riesigen Welle überschwemmen, heiß und kalt, schmerzhaft und bittersüß. Ich drehe mich wieder zu ihm um und überlege, was ich sagen soll. Denn ich kann Zane nicht den Mittelfinger zeigen und davonstiefeln. Nicht bei ihm. Aber über Ev zu sprechen fühlt sich wie eine Art Treuebruch an. Als wäre sie ein halb vergessener Traum, kostbar und zerbrechlich. Und über sie zu sprechen, könnte ihn zerplatzen lassen und beweisen, dass es nur ein Traum und keine Erinnerung war.

    Aber sie war dort und zwar nicht nur dieses eine Mal. Meine Erinnerung an jene Tage mag verschwommen sein, aber ihr Gesicht … Ich erinnere mich an ihr Gesicht. Ist sie es, die jeden Tag zu dem Laden auf der anderen Straßenseite geht, oder spielt mein Kopf mir etwas vor?

    „Micah?" Zane sieht mich aus zusammengekniffenen Augen an, eine Sorgenfalte hat sich zwischen seinen Augenbrauen gebildet.

    „Ich glaube, es ist jemand, den ich kenne, beeile ich mich zu sagen. „Ich bin … Ich schaue wieder zum Laden auf der anderen Straßenseite.

    „Du bist was?"

    „Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie es ist."

    Zane spielt mit seinem Feuerzeug, schaltet es an und aus. „Sie bedeutet dir etwas, oder?"

    Ich zucke mit den Schultern, versuche gelassen zu wirken. „Ich kenne sie nicht wirklich."

    „Ich meine nicht die Person, für die du sie hältst. Ich meine das Mädel von der Straße gegenüber. Ich habe bemerkt, wie du sie ansiehst. Du stehst auf sie, oder?"

    Diese Nervensäge führt sich auf wie ein großer Bruder, ganz neugierig und so‘n Mist. „Und was, wenn ich das tue?"

    Er schnaubt und steckt das Feuerzeug zurück in seine Jackentasche. „Nichts. Ich will nur sichergehen, ob ich mit meiner Vermutung richtig liege."

    „Fick dich", murmle ich und reibe mir über den Hinterkopf.

    „Ja, ja, erwidert Zane grinsend, scheinbar zufrieden mit sich selbst. „Gib ihr einen Kuss von mir, okay? Und dann geht er die Straße runter, bevor mir eine angemessene Antwort einfällt.

    Ich zeige ihm den Mittelfinger, auch wenn er es nicht sehen kann, und seufze dann. Ich kann froh sein, wenn ich überhaupt mit ihr reden kann, geschweige denn sie küssen.

    Sie küssen. Ihr Gesicht flackert vor meinem inneren Auge auf – ihre haselnussbraunen Augen, ihre zierliche Nase, ihr weicher Mund. Verflucht, ich hätte nichts dagegen, sie zu küssen. Überhaupt nichts.

    Aber auch wenn ich mir ziemlich sicher bin, dass sie ein- oder zweimal zu mir gesehen hat, sie hat nie gewunken und ist auch nie rübergekommen. Entweder hat sie mich nicht erkannt oder sie will nicht mit mir reden.

    Kann ich ihr das verübeln? Selbst wenn sie mich wiedererkennt, warum sollte sie mit mir reden wollen? Ich war nur ein Kerl, zu dem sie nett war, ein Kerl, der vom Jugendamt ausgespuckt und zum Verrotten zurückgelassen worden war. Ich wette, sie hat auch nicht geglaubt, mich je wiederzusehen, einen dunklen Fleck in ihrem perfekten Leben, so wie ich nicht geglaubt habe, dass sich unsere Wege erneut kreuzen würden.

    Ich frage mich, warum sie hier ist, ob sie in der Nähe wohnt oder arbeitet, und ob sie bald von Donuts und Kaffee genug haben wird, und ich sie dann nie wieder sehen werde.

    Der Gedanke lässt mein Herz wild hämmern. Ich habe es lange genug aufgeschoben. Morgen werde ich über die Straße gehen und mit ihr reden. Warum zur Hölle nicht? Was habe ich schon zu verlieren? Gott weiß, ich habe bereits die Lektion gelernt, dass das Leben kurz ist und man tun sollte, was man will, bevor es zu spät dafür ist.

    Mein Atem formt Wolken in der Luft, und jede unbedeckte Stelle Haut schmerzt. Der Wind ist eiskalt, und ich beeile mich, so schnell ich kann nach Hause zu kommen. Dennoch schaffe ich es, nach einigen Leuten zu sehen, gehe zu Mollys üblichem Aufenthaltsort, draußen vor einem Süßwarengeschäft, um ihr etwas Geld zu geben, und zu der Sitzbank, wo Ben sich normalerweise abends aufhält, um nach dem alten Mann zu sehen.

    Ein Hustenanfall packt mich, als ich um die Ecke zu unserem Wohnkomplex gehe, und ich muss stehenbleiben, um wieder zu Atem zu kommen, bevor ich reingehe. Mist.

    Seth ist nicht zu Hause, als ich die Tür aufschließe und eintrete. Jetzt, wo ich so darüber nachdenke, hat er etwas von einem neuen Job erzählt, den er heute anfängt. Ich glaube, es war eine Kneipe in der Nähe? Vom Gehalt eines Tattoo-Azubis kann man leider nicht die Miete bezahlen. Wenigstens habe ich dort einen Vollzeitjob.

    Es ist zudem verdammt kalt, deshalb drehe ich die Heizung auf und sinke auf unser durchgesessenes Sofa hinunter, reibe mir mit den Händen übers Gesicht. Ich japse immer noch, also lehne ich mich zurück und warte, bis es vorbeigeht.

    Aber ich bin auf einem guten Weg. Vor sieben Monaten war ich ein Wrack – zu dünn, zu schwach, zu krank. Zu tief am Boden, um wieder ganz hochzukommen. Aber ich habe es geschafft.

    Ich will, dass sie das sieht. Die Meinungen anderer Leute über mich sind mir scheißegal. Sie kennen mich nicht. Ich kenne sie nicht. Wen zum Teufel kümmert das? Aber sie ist wichtig, denn sie war eine der wenigen, die mich wirklich gesehen haben, als ich am Boden war, und mich nicht ignoriert haben. Ich will ihr zeigen, dass ihre Hilfe etwas bewirkt hat.

    Okay, es schadet auch nicht, dass sie hübsch ist. Süß. Das hatte ich bis zu dieser Woche nicht einmal bemerkt. In meiner Erinnerung ist Ev nur ein Paar großer, ausdrucksstarker Augen und eine beruhigende Stimme, die mich über Wasser gehalten hat, als ich in die Tiefe hinabsank. Und ich bin verdammt tief gesunken.

    Vielleicht ist sie es nicht. Und selbst wenn sie es ist … Wer sagt, dass sie mit mir reden will?

    Ich stehe auf und schaue in den Kühlschrank. Leer. Ich schlage die Tür zu und denke darüber nach, mir eine Pizza zu bestellen. Meine Multivitamintabletten stehen auf dem Tresen. Ich sollte etwas essen und sie nehmen, oder ich werde morgen im Arsch sein und herumlaufen wie ein Betrunkener.

    Aber ich bin müde und nicht wirklich hungrig. Scheiß drauf. Es wird mich nicht umbringen, wenn ich heute Nacht nichts esse. Gott weiß, ich bin das gewohnt. Depressionen überkommen mich. Es ist zu still hier. Ihr Gesicht bringt zu viele Erinnerungen zurück, die in meinem Kopf umherschwirren, und ich will mich ihnen gerade nicht stellen.

    Ich gehe durch die stille Wohnung, ertaste im Dunkeln mein Bett und lasse mich wie ein nasser Sack darauf fallen.

    Kapitel Zwei

    Evangeline

    Der Nachmittagshimmel hat sich düster zugezogen. Schwere Wolken hängen über mir, als ich mit der Arbeit fertig bin. Ich humple die Straße runter, von dem Sportgeschäft, wo ich einen Teilzeitjob bekommen habe, zu meinem Lieblingsdonutladen.

    Ich beschleunige meine Schritte, ignoriere dabei den Drang, nach unten zu greifen und mein schmerzendes Bein zu massieren. Da ist es. Es ist ein kleines Geschäft, Mava’s Donuts. Ich trete ein und inhaliere den Geruch von Zucker und Fett. Billige, fettige, köstliche Süße. Genau das, was ich gerade brauche. Das beste Mittel gegen Nervosität.

    Meine Hände zittern. Ich habe mein Handy nach Blakes letzter Nachricht abgeschaltet, und ich weiß nicht, ob ich es in nächster Zeit wieder anschalten werde.

    Blake. Ein Riesenarschloch. Mein Ex-Freund.

    Nur scheint er den Teil mit dem „Ex" nicht zu verstehen. Ich habe kurz vor dem Unfall mit ihm Schluss gemacht, das ist sieben Monate her. Danach lief mein Leben irgendwie aus dem Ruder, dann wurde es irgendwie anstrengend, und dann begann Blake mir Geschenke zu schicken und mich zu besuchen. Ich dachte, wir könnten vielleicht Freunde sein.

    Aber dann wanderten seine Hände an Orte, wo sie nicht hingehörten, und ich musste ihm sagen – wieder einmal – dass wir kein Paar sind. Und das Schlimmste? Er schien zu glauben, dass ich scherzte.

    Gott.

    Meine Joggingschuhe quietschen auf dem Boden, als ich mein Gewicht auf mein gutes Bein verlagere und das andere strecke. Die anderen Kunden drehen sich zu mir um, starren mich an, und ich pflastere ein Lächeln auf mein Gesicht.

    ‚Wo willst du jemand Besseren finden als mich?‘, hat Blake spöttisch gemeint. ‚Du wirst nicht jünger, Evangeline.‘

    Ja, ich bin so was von alt. Ganze neunzehn Jahre.

    ‚Warum kannst du nicht an deine Zukunft denken? Alles, was du tust, ist, mit obdachlosen Landstreichern abzuhängen, und du siehst ja, wo dich das hingebracht hat.‘

    Wo mich das hingebracht hat? Nun, du kannst mich mal, Blake. Ich habe meinen Schulabschluss gemacht und erhole mich immer noch von dem Unfall, bei dem ich von einem Motorrad erwischt wurde, was mir das Bein gebrochen und mein Knie kaputt gemacht hat. Ich habe einen Teilzeitjob und ich will herausfinden, was ich mit meinem Leben anfangen möchte. Was ist falsch daran?

    Außerdem sehe ich nicht die Verbindung zwischen jemandem zu helfen, die Nacht zu überleben, und von jemandem angefahren zu werden, dem man es gar nicht erst hätte erlauben sollen, auf der Straße zu fahren. Aber Blake hat einige Vorurteile, was obdachlose Menschen angeht. Er glaubt, es sei ihre eigene Schuld und ihre Entscheidung. Er besteht darauf, dass sie kein Dach über dem Kopf haben, weil sie faul, dumm und leichtsinnig sind.

    Ja, sicher. Die Leute auf der Straße haben keine andere Wahl. Sie fallen nicht vom Himmel. Das belegen Statistiken. So spielt das Leben.

    ‚Wer wird dich das nächste Mal retten, Evie? Wer wird dich nach Hause bringen, wenn dir wieder etwas zustößt?‘

    Denn natürlich war er derjenige, der mich nach dem Unfall gefunden und den Krankenwagen gerufen hat, wodurch er in den Augen meiner Familie zu einem Helden wurde.

    Und als er schließlich sah, dass mich das nicht erweichen würde, sagte er das Abscheulichste überhaupt:

    ‚Gott, Evie. Wer, glaubst du, will sonst einen Krüppel wie dich?‘

    Ein Tritt dorthin, wo es am meisten wehtut: in den unsichersten Teil von mir.

    Ich streiche mir mein Haar hinter die Ohren und krame in meiner Tasche nach Geld, als ich mich dem Verkaufstresen nähere. Vielleicht wird mich nie jemand wollen. Es ist nicht so, als würden die Jungs Schlange stehen, um mit mir auszugehen. Ich habe nicht das umwerfende Aussehen meines Bruders Joel. Ich bin nur seine unscheinbare kleine Schwester mit den großen Augen und dem langweiligen Haar. Ebenso wenig habe ich sein Talent. Er hat ein Sportstipendium für Leichtathletik und bekommt gute Noten im Studium. Ich kann nicht einmal Joggen gehen, ohne dass mich jemand mit einem Motorrad überfährt, und brauche Monate, um wieder einigermaßen gerade laufen zu können.

    Ich nehme meinen Donut entgegen und gehe in die Kälte hinaus, vorbei an den Tischen und Sitzbänken für Kunden.

    Ich muss mein Leben zurückbekommen. Ich muss mich selbst wiederfinden. Blake ist ein Arsch, und ich will, dass er mich in Ruhe lässt. Also ignoriere ich seine Textnachrichten, seine Anrufe, seine Sticheleien und ziehe weiter.

    Ziehe wirklich weiter.

    Auf der anderen Straßenseite liegt ein Tattoostudio. Manchmal steht ein großer blonder Kerl davor, der mich direkt ansieht. Zumindest in meine Richtung. Manchmal fantasiere ich, dass er mich ansieht, dass er mich attraktiv findet. Selbst von der anderen Straßenseite sieht er gut aus, mit seinem kantigen Kiefer, seinem gut geschnittenen Gesicht und den breiten Schultern.

    Sicher, Ev. Träum weiter. Warum sollte er von all den Frauen ausgerechnet dich ansehen?

    Ich schaue auf und erstarre. Er ist dort, an seinem üblichen Platz vor dem Tattoostudio, mit dem Rücken an das Gebäude gelehnt, seine Hände in den Taschen vergraben. Er trägt verblichene Jeans, schwarze Stiefel und eine schwarze Jacke. Sein Kopf ist zurückgelehnt, seine Augen geschlossen, sein kurzes blondes Haar glänzt im schwachen Sonnenlicht.

    Mit einem letzten Blick

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