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Relativitätstheorie für Dummies
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eBook815 Seiten7 Stunden

Relativitätstheorie für Dummies

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Über dieses E-Book

Sie wollten schon immer die bekannte Formel E = mc² verstehen? Oder Sie gucken einfach gerne in den Sternenhimmel und staunen über die unendliche Weite des Universums? Vielleicht möchten Sie auch schlichtweg mehr über Galileo Galilei, Johannes Kepler, Isaac Newton oder Albert Einstein erfahren? Da liegen Sie mit diesem Buch goldrichtig. Angefangen bei den Grundlagen der Relativitätstheorie erklärt Ihnen Dr. Helmut Hetznecker anschaulich, einfach und mit einer großen Portion Witz, was es bedeutet, wenn sich Zeit ausdehnt, sich Raum verkürzt, sich Massen vergrößern oder das Universum expandiert.
SpracheDeutsch
HerausgeberWiley
Erscheinungsdatum12. Dez. 2018
ISBN9783527805563
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    Buchvorschau

    Relativitätstheorie für Dummies - Helmut Hetznecker

    Einführung

    Wir erleben Raum und Zeit immer und überall, an jedem Ort und zu jedem Zeitpunkt unseres Lebens, einfach ständig! Alles was geschieht, geschieht in Raum und Zeit. Wir leben in Raum und Zeit. Wir bewegen uns durch Raum und Zeit, ohne je einen Gedanken daran zu verschwenden, was es denn damit eigentlich auf sich hat. Warum sollten wir auch? Raum und Zeit sind eben, was sie sind: die grundlegendsten Gegebenheiten der Natur, die Bühne auf der einfach alles passiert; starr und unveränderlich der Raum, stoisch dahinfließend die Zeit, auch wenn sie uns mal zäher und mal flüchtiger vorkommt.

    Bis in das frühe 20. Jahrhundert hinein sahen Physiker und Philosophen keinen Anlass, dieses intuitive Verständnis von Raum und Zeit in Frage zu stellen. Die etablierten physikalischen Theorien erwiesen sich als ungeheuer erfolgreich. Alle natürlichen Vorgänge schienen aus den klassischen Disziplinen der Physik erklärbar, aus der Mechanik, der Elektrodynamik und der Thermodynamik. Zusammen mit Newtons Gravitation ließ sich sogar der Lauf der Gestirne vorhersagen, noch dazu in beeindruckender Präzision. Mehr geht nicht, so konnte man meinen. Die Natur der Dinge schien im Wesentlichen erschlossen, und letzte offene Details würden sich schon bald klären.

    Aus dem Dickicht jener »Details« ragte eine gravierende Unstimmigkeit im Zusammenspiel zwischen Mechanik und Elektrodynamik hervor. Neue Experimente zur Ausbreitung des Lichts bereiteten den Forschern Kopfzerbrechen. Die führenden Physiker des ausgehenden 19. Jahrhunderts gingen daran, sich physikalische Mechanismen und mathematische Kniffe auszudenken, um den Makel zu bereinigen und die Disziplinen der klassischen Physik in Einklang zu bringen. Doch der Durchbruch zu einem tieferen Naturverständnis sollte damit nicht gelingen.

    Im Leben, in der Geschichte und in der Wissenschaft sind es aber häufig gerade Krisen, die einen Weg zu völlig neuen Möglichkeiten weisen – so auch in diesem Fall. In seinem sogenannten »Wunderjahr« 1905 nämlich trat der junge, völlig unbekannte Physiker und Patentamtsangestellte Albert Einstein in seinem kleinen Büro in Bern auf den Plan, um die Physik von Grund auf neu zu gestalten. Mit seiner Schrift »Zur Elektrodynamik bewegter Körper« legte er den Grundstein einer Theorie, die später als Spezielle Relativitätstheorie berühmt wurde und das physikalische Weltbild revolutionierte. Die seltsamen Licht-Experimente ließen sich plötzlich ganz zwanglos erklären, wenn nur zwei einfache Bedingungen (die Sie in diesem Buch kennenlernen werden) erfüllt waren. Konsequent zu Ende gedacht, führten diese Postulate zu einer völlig neuen Vorstellung von Raum und Zeit.

    Einstein entlarvte das alte Bild von Raum und Zeit als Trugbild unserer eingeschränkten Erfahrungswelt. Urteile über Zeitintervalle und Längenmaßstäbe hängen nämlich in Wirklichkeit entscheidend davon ab, welcher Beobachter sie fällt. Was für den einen Beobachter gleichzeitig passiert, geschieht für einen anderen zeitversetzt – und sie haben beide Recht, denn Raum und Zeit erweisen sich als relativ! Ein Astronaut, der nach einer langen Reise durch das All auf die Erde zurückkehrt, ist plötzlich jünger als sein Zwillingsbruder! Auch Begriffe wie Masse und Energie landeten auf Einsteins geistigem Seziertisch, wurden von ihm kritisch hinterfragt und neu bewertet. Das Ergebnis, die berühmte Formel , kennt heute beinahe jeder Mensch, und sei es nur als T-Shirt-Aufdruck. Und das allerbeste dabei: Alle Vorhersagen der Speziellen Relativitätstheorie erwiesen sich in späteren Experimenten als richtig. Bis heute kennt die Physik kein einziges Experiment, das der Speziellen Relativitätstheorie widersprechen würde.

    So wuchtig die Spezielle Relativitätstheorie auch über die Physik hereingebrochen war, Einsteins Ruhm und Mythos gründen auf einen späteren, seinen eigentlichen Geniestreich: Die Allgemeine Relativitätstheorie offenbart die Natur der Gravitation. Was wir in jedem Moment unseres Lebens als Schwere oder »Schwerkraft« empfinden, stellt sich in Wahrheit als Scheinkraft in einer gekrümmten Raumzeit heraus! Unsere gesamte Kenntnis von der Struktur des Universums fußt auf Einsteins Theorie der Gravitation. Phänomene wie Schwarze Löcher und Gravitationswellen entsprangen als Ideen der Allgemeinen Relativitätstheorie, bevor sie viel später als Realität erkannt wurden. Der Augenblick, als die Krümmung von Lichtstrahlen mithilfe einer Sonnenfinsternis experimentell bestätigt wurde, machte Einstein schlagartig weltberühmt.

    Niemand von uns wird behaupten können, die Effekte der Relativitätstheorie intuitiv zu »begreifen«. Unser Alltag der kleinen Geschwindigkeiten, des begrenzten räumlichen Erlebens und der vergleichsweise schwachen Gravitation bietet einfach keine Möglichkeit, unsere Wahrnehmung und unseren Verstand entsprechend zu schulen. Wir können kein Gefühl dafür entwickeln, dass die Zeit für verschiedene Beobachter unterschiedlich rasch abläuft, dass bestimmte Raumintervalle an sich keine Bedeutung haben, oder was wir uns unter einer gekrümmten Raumzeit überhaupt vorstellen sollen. Es verhält sich genau wie mit der Oberfläche unserer Erde, die den Menschen so lange als flache Scheibe vorkommen musste, bis es überzeugende Belege für ihre Kugelgestalt gab. Gerade daher stellt es eine der aufregendsten und genialsten Leistungen der menschlichen Geistesgeschichte dar, derart tief in die Natur von Raum und Zeit, von Masse, Energie und Gravitation vorgedrungen zu sein.

    Und umso bemerkenswerter ist es auch, dass wir Nachgeborenen gar keine besonderen Gaben brauchen, um die entscheidenden Ideen und Inhalte der Relativitätstheorie zu verstehen – jedenfalls, solange wir nicht das Bedürfnis haben, sie mathematisch stringent zu formulieren. Denn beide Relativitätstheorien, die spezielle wie die allgemeine, beruhen auf äußerst einfachen Grundannahmen, die Einstein lediglich konsequent zu Ende gedacht (und gerechnet!) hat. Ich lade Sie ein, den Gedanken des Jahrtausendgenies Albert Einstein zu folgen. Freuen Sie sich auf einen aufregenden neuen Blick auf die physikalische Welt.

    Über dieses Buch

    Was ist Bewegung? Was sind Raum, Zeit und Gravitation? Warum glauben die Physiker, dass Raum und Zeit gekrümmt sind? Was soll das überhaupt bedeuten und welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Das sind die großen Themen, über die Sie in diesem Buch Grundlegendes erfahren werden. Das Ziel dieses Buchs ist es, Sie in die Lage zu versetzen, die Ideen der Relativitätstheorie und ihre Konsequenzen Schritt für Schritt nachzuvollziehen.

    Konventionen in diesem Buch

    Das ist schnell gesagt:

    Hinter den häufig erscheinenden Symbolen oder »Icons« finden Sie besonders wichtige und zentrale Aussagen.

    Begriffe, die innerhalb eines »Icons« definiert werden, sind fettgedruckt.

    Neue Begriffe, aber auch Betonungen stehen in diesem Buch kursiv.

    Graue Kästen enthalten Zusatzinformationen.

    Was Sie nicht lesen müssen

    Ich hoffe, dass Sie dieses Buch freiwillig lesen – von »müssen« kann daher überhaupt keine Rede sein. Alles kann, nichts muss. Die Frage ist aber natürlich, welche Lücken Sie sich erlauben können, ohne im weiteren Verlauf der Lektüre in Verständnisnot zu geraten. Da wären in der Tat die grauen Infokästen zu nennen, die für den kognitiven Fluss nicht zwingend notwendig sind, aber natürlich auch nicht schaden. Wenn Sie (zum Beispiel als Physikstudent der unteren Semester) bereits über Grundkenntnisse in der klassischen Mechanik und Elektrodynamik verfügen, könnten Sie überlegen, die Kapitel 1 bis 5 zu überspringen. Im fünften Kapitel werden dann allerdings bereits die Konflikte zwischen den beiden Disziplinen sichtbar. Ach, wissen Sie was? Lesen Sie doch einfach alles!

    Törichte Annahmen über den Leser

    Also gut, wie stelle ich Sie mir vor?

    Vermutlich hegen Sie ein gewisses Interesse für die Naturwissenschaften im Allgemeinen und die Physik im Besonderen.

    Der Wunsch, die Spezielle und Allgemeine Relativitätstheorie in ihren Grundzügen zu verstehen, weckt das Tier in Ihnen. Oder zumindest eine Art von gepflegtem Ehrgeiz. Das ist die denkbar beste Voraussetzung dafür, sich erfolgreich in den Gegenstand dieses Buchs zu vertiefen.

    Es bereitet Ihnen Freude, in Neues einzutauchen, auch wenn es an einigen Stellen etwas Anstrengung erfordern sollte. Sie betrachten es nicht als Offenbarungseid, einen Satz zweimal lesen zu müssen.

    Vielleicht sind Sie Schülerin oder Schüler in der Oberstufe, haben Physik noch nicht abgewählt und wünschen sich nun einen Begleiter, der Sie Schritt für Schritt in das neue Denken der Relativitätstheorie führt.

    Vielleicht befinden Sie sich aber auch im Grundstudium der Physik und hadern damit, die Relativitätstheorie alleine in der Sprache der Mathematik kennenzulernen.

    Sie brauchen keine Mathematik, um den Tag zu überstehen, fangen aber auch nicht gleich an zu hyperventilieren, wenn Ihnen doch einmal eine Formel über den Weg läuft.

    Wie dieses Buch aufgebaut ist

    Sie werden in diesem Buch über weite Strecken der chronologischen Entwicklung folgen, beginnend bei den »alten Meistern« Galilei und Newton. Meines Erachtens lassen sich viele Begriffe und Konzepte am schlüssigsten Hand in Hand mit der historischen Entwicklung einführen. Denn neue Ideen entstehen immer dann, wenn das Altbekannte an seine Grenzen gelangt. Später – in den Teilen II und III, wenn es konkret um die Spezielle und Allgemeine Relativitätstheorie geht – halten wir uns im Großen und Ganzen an die Chronologie der Einstein'schen Gedankengänge, ohne deswegen völlig auf Umwege, Abkürzungen und Querstraßen zu verzichten.

    Teil I: Der Weg zur modernen Physik

    Die Relativitätstheorie geht aus der klassischen Physik hervor, um die es in diesem Teil geht. Natürlich nicht um die komplette klassische Physik, sondern um zwei ihrer Säulen, die Mechanik und die Elektrodynamik. Denn diese beiden gerieten zum Ende des 19. Jahrhunderts hin dermaßen in Konflikt miteinander, dass erst ein frischer Geist und neues Denken imstande waren, die Wogen zu glätten.

    Sie erfahren, was Galilei über den Begriff der Bewegung zu sagen hatte, und wie Newton die Erkenntnisse über Bewegungen und Kräfte zu einem vollendeten System ausbaute, das wir heute die »Newtons'sche« oder »Klassische Mechanik« nennen. Raum, Zeit, Kraft, Bewegung und Energie sind die zentralen Begriffe, von denen die Mechanik handelt. Aber was unterscheidet eigentlich Ruhe und Bewegung? Woher weiß ich, dass ich in Ruhe bin? – Eine Frage, die nicht so locker zu beantworten ist, wie es zunächst scheinen mag.

    Während die Mechanik in hohem Maße der alltäglichen Anschauung zugänglich ist, blieben die elektrischen und magnetischen Phänomene über lange Zeit im Dunklen – jedenfalls in den Zeiten, bevor die Errungenschaften der Elektrizität den Alltag der Menschen erleuchteten. Fortschritt und handfeste Erkenntnis gab es in diesen Bereichen über Jahrhunderte eher sporadisch. Forscher wie Ampère und Faraday mühten sich mit seltsamen Erscheinungen ab: Warum schlägt eine Kompassnadel aus, sobald in ihrer Umgebung ein elektrischer Strom zu fließen beginnt? Welche Kräfte sind dabei am Werk? Wieso verursacht umgekehrt ein bewegter Magnet einen Stromimpuls in einem Metalldraht? Der »Urknall« der Elektrodynamik vollzog sich, als ein gewisser James Clerk Maxwell das Wunder vollbrachte, alle elektrischen und magnetischen Erscheinungen mit vier kompakten mathematischen Gleichungen abzudecken.

    Maxwells Gleichungen sagten sogar die Existenz sogenannter elektromagnetischer Wellen voraus, die sich – wie der Erfahrung nach alle Wellen – durch ein Medium ausbreiten sollten, den sogenannten Äther. Das Licht erwies sich als nichts anderes als eine Erscheinungsform solcher Wellen. Allerdings entzog sich dieser Äther jedem Nachweis. Als noch dazu deutlich wurde, dass sich Licht in alle Richtungen gleich schnell auszubreiten scheint, obwohl sich die Erde durch den Äther bewegt, standen die Physiker vor einer wirklich harten Nuss.

    Teil II: Spezielle Relativitätstheorie

    Von allen Forschern, die sich mit den angestauten Problemen zwischen Mechanik und Elektrodynamik beschäftigten, ging ein junger, in der Fachwelt unbekannter Patentamtsangestellter die Sache am entschiedensten an: Albert Einstein erkannte, dass die Widersprüche der klassischen Physik am einfachsten aus der Welt zu schaffen sind, wenn man an Newtons Vorstellungen von Raum und Zeit rüttelt. »Zeit ist, was die Uhr anzeigt«, lautet einer von Einsteins berühmten Kommentaren. Was so banal daherkommt, ist in Wirklichkeit ein Statement von ungeheurer Tragweite. Denn Einstein konnte mithilfe von einfachen Gedankenexperimenten zeigen, dass die Uhren gegeneinander bewegter Beobachter in der Tat unterschiedliche Zeiten anzeigen, wenn nur zwei einfache Voraussetzungen, die Einstein'schen Postulate, erfüllt sind. Was gleichzeitig ist, liegt plötzlich in den Augen des Beobachters – genau wie die räumliche Ausdehnung. Denn wie Sie bald sehen werden, hängt letztere aufs Engste mit dem Begriff der Gleichzeitigkeit zusammen. Im zweiten Teil dieses Buchs werden Sie die seltsamen Phänomene kennenlernen, die Einsteins neue Sicht von Raum und Zeit mit sich bringt. Es werden sich einige verblüffende, scheinbar paradoxe Szenarien daraus ergeben, die sich jedoch allesamt in Wohlgefallen auflösen.

    Wenige Jahre, nachdem die Spezielle Relativitätstheorie bekannt wurde, begann der Mathematiker Hermann Minkowski – einer von Einsteins früheren Lehrern –, sich mit ihr zu befassen. Das Ergebnis seiner Untersuchungen war die völlig neue Vision von Raum und Zeit als Einheit. Diese vierdimensionale Raumzeit birgt allerdings einige Eigenheiten, die wir aus dem gewöhnlichen, uns vertrauten dreidimensionalen Raum so nicht kennen.

    Am Ende des zweiten Teils werden Sie schließlich erfahren, wie die »Elektrodynamik bewegter Körper« – so Einsteins ursprüngliche Bezeichnung der Theorie – die berühmte Formel auf den Weg brachte, und welche Konsequenzen sich aus ihr ergeben.

    Teil III: Allgemeine Relativitätstheorie

    Die Spezielle Relativitätstheorie gilt für gleichförmig bewegte Bezugssysteme, das heißt für solche, die sich mit konstanter Geschwindigkeit in gleichbleibender Richtung bewegen. Außerdem ignoriert sie eine zentrale Gegebenheit der Natur, nämlich die Gegenwart der Gravitation. Im dritten Teil werden Sie sehen, mit welch einfachen und genialen Gedanken es Einstein gelang, diese Makel zu überwinden. Die Konsequenzen dieser Gedanken sind verblüffend. Sie werden Raum und Zeit noch einmal völlig neu sehen! Es stellt sich heraus, dass wir die Gravitation gar nicht als »Kraft« ansehen dürfen, sondern es sich bei ihr vielmehr um einen geometrischen Effekt handelt. Klingt komisch? Ist es auch! Aber Sie werden nach der Lektüre verstehen, warum es so ist.

    Auch aus der Allgemeinen Relativitätstheorie ergeben sich einige sonderbare Konsequenzen, insbesondere für unser Universum. Gebogene Lichtstrahlen können wir uns gerade noch vorstellen. Schwarze Löcher dagegen, die keine Materie, ja nicht einmal Lichtstrahlen jemals wieder entweichen lassen, wenn diese einmal den Ereignishorizont überschritten haben, gehören zu den großen mystischen Phänomenen im All. Und natürlich ist die moderne Kosmologie – die Wissenschaft vom Universum als Ganzem – ohne Allgemeine Relativitätstheorie völlig undenkbar. Bis heute beschreibt Einsteins Theorie das beobachtbare, expandierende Universum sehr genau.

    Teil IV: Der Top-Ten-Teil

    Die beliebte Rubrik am Ende aller Dummies-Bücher. In diesem Band: Weise Sprüche und illustre Leute. Wird, wie ich vermute, von 89 Prozent aller Leserinnen und Leser zuerst gelesen.

    Symbole, die in diesem Buch verwendet werden

    Kein Dummies-Buch ohne die Symbole im Text. In diesem Buch werden Sie den folgenden Symbolen begegnen:

    Techniker So sind besonders wichtige Aussagen markiert.

    Tipp Das hier ist eine Definition.

    Warnung Hier möchte ich Missverständnissen vorbeugen.

    Wie es weitergeht

    Kein weiteres Gerede an dieser Stelle. Schnallen Sie sich an, und los geht die Reise auf den Spuren Albert Einsteins!

    Teil I

    Der Weg zur modernen Physik

    IN DIESEM TEIL …

    Die Relativitätstheorie hat eine lange und bedeutende Vorgeschichte. Und es hat wenig Sinn, sich mit Einsteins Theorie zu befassen, ohne die Vorgeschichte wenigstens in ihren Grundzügen zu kennen.

    Galileo Galilei war der erste Naturforscher, der den Begriff der Bewegung wissenschaftlich untersuchte. Ende des 17. Jahrhunderts fügte Newton die Erkenntnisse von Galilei, Johannes Kepler und anderen zu einer in sich geschlossenen Theorie zusammen, die wir heute als Newton'sche oder Klassische Mechanik bezeichnen. Bis zur Mitte dieses Teils werden Sie mit den grundlegenden Begriffen und Gesetzen dieser Disziplin vertraut sein.

    Unabhängig davon entstand im 18. Jahrhundert ein zweiter Grundpfeiler der Klassischen Physik, nämlich jener, der die elektrischen und magnetischen Phänomene ergründet. Die Erkenntnisse, die Forscher wie Michael Faraday oder Hans Christian Ørsted sammelten, packte der Physiker James Clerk Maxwell später in vier mathematische Formeln, welche die gesamte Klassische Elektrodynamik beinhalten.

    Ende des 19. Jahrhunderts wurde allerdings immer deutlicher, dass zwischen der Mechanik und der Elektrodynamik ein Konflikt existiert, der im Rahmen der Klassischen Physik nicht aus der Welt zu schaffen war.

    Kapitel 1

    Das Klassische Relativitätsprinzip

    IN DIESEM KAPITEL

    Ruhe und Bewegung

    Bezugssysteme

    Das klassische Relativitätsprinzip

    Lassen Sie mich raten. Wahrscheinlich sitzen Sie gerade gemütlich in einem Sessel oder auf der Couch in Ihrem Wohnzimmer und haben die Beine übereinander geschlagen. Währenddessen, und ohne dass es Ihnen in besonderem Maß bewusst wäre, wähnen Sie sich in Ruhe. Ich meine nicht jene Ruhe, die sich einstellt, wenn die Kinder im Bett und die Schwiegereltern aus dem Haus sind. Ich meine auch nicht die mentale Ruhe, die den ausgeglichenen Menschen vom Hektiker unterscheidet. Wenn Sie in diesem Buch davon lesen, dass ein Objekt (zum Beispiel Sie selbst oder eine Dampflok) in Ruhe sei, meine ich damit immer, dass es unbewegt an seinem Ort verharrt.

    Ein Objekt ist in Ruhe, wenn sich seine Ortskoordinaten nicht verändern, das heißt, wenn es unbewegt an seinem Ort verweilt.

    Gut. Sie sind also in Ruhe. Gleichzeitig wissen Sie natürlich, dass die Erde zusammen mit Ihnen in atemberaubender Geschwindigkeit durch das All rast, jede Sekunde Kilometer weit (das sind ) auf ihrer bekannten Bahn um die Sonne. Die Sonne, mitsamt der Erde, der anderen Planeten, mit allen Kometen und Asteroiden wandert in jeder Sekunde sage und schreibe Kilometer um das Zentrum der Milchstraße. Sogar die Milchstraße zieht in gehörigem Tempo (mit etwa Kilometern pro Sekunde) durch die sogenannte Lokale Gruppe (ein Galaxienverbund, zu dem außer unserer Milchstraße die Andromeda-Galaxie und einige Dutzend kleinere Sternsysteme gehören). Spätestens jetzt wird es unübersichtlich, denn die Lokale Gruppe ihrerseits … – aber genug, Sie wissen, worauf ich hinaus will.

    Was genau meinen wir also, wenn wir sagen, wir befinden uns in Ruhe?

    Ein anderes Beispiel: Möglicherweise werden in einigen Jahrzenten Menschen über den Mars spazieren. Sie werden dort leben und arbeiten, und gelegentlich wird es vorkommen, dass einer von ihnen sich auf einem bequemen Sessel ausruht. Vielleicht machen Sie in einem solchen Moment gerade dasselbe hier auf der Erde. Jeder von Ihnen, Sie und der Marsbewohner, wird dann mit gutem Recht behaupten: »Ich befinde mich in Ruhe.« Je nach Konstellation bewegen sich Erde und Mars aber mit mehreren Kilometern pro Sekunde aufeinander zu oder voneinander fort. Offenbar können Sie und der Marsbesucher also nicht beide gleichzeitig in Ruhe sein. Wer von Ihnen ruht jetzt also und wer ist in Bewegung?

    Was ist Bewegung ?

    Bestimmt kennen Sie das folgende Phänomen: Sie betreten einen Zug, nehmen Platz und warten auf die Abfahrt. Direkt vor Ihrem Fenster verstellt ein Zug auf dem Nachbargleis die Sicht. Fünf Minuten nach der planmäßigen Abfahrtszeit Ihres Zugs kommt endlich Bewegung in die Sache. Das merken Sie daran, dass der Zug auf dem Nachbargleis vor Ihrem Gesichtsfeld vorbezieht. Manchmal stellen Sie aber überrascht fest: In Wahrheit ist es nicht Ihr Zug, der sich in Bewegung setzt, sondern derjenige auf dem Nachbargleis und Ihre Verspätung wächst unerbittlich weiter.

    Der irrtümliche Eindruck, dass Ihre Reise nun endlich beginnen würde, ist einer simplen Erfahrung geschuldet:

    Bewegung erkennen und definieren wir dadurch, dass wir unsere Position gegenüber einem festen Bezugsrahmen verändern.

    Dieser Bezugsrahmen ist für gewöhnlich etwas fest mit der Erde Verbundenes. Das könnten zum Beispiel die Gebäude sein, die Sie hinter sich lassen, während Sie mit dem Auto durch eine Stadt fahren, oder der Parkettboden Ihrer Wohnung, der unbewegt daliegt, während Sie von der Couch zum Kühlschrank schlendern. Eine besonders wichtige Form der Bewegung ist die gleichförmige:

    Unter gleichförmiger Bewegung versteht man in der Mechanik eine Bewegung mit gleichbleibender Geschwindigkeit in gleichbleibender Richtung. Jede andere Art der Bewegung nennt man beschleunigt.

    Beschleunigte Bewegung bedeutet also nicht zwangsläufig, dass irgendetwas schneller wird. Vielmehr fällt jede Veränderung des Bewegungszustands in der Physik unter den Begriff der Beschleunigung, also auch eine Verlangsamung oder lediglich eine Veränderung der Richtung. Ein Spezialfall ist die gleichmäßige Beschleunigung. Damit ist gemeint, dass die Änderungsrate der Geschwindigkeit über die Zeit konstant bleibt. Beispiele sind der freie Fall ohne Luftwiderstand oder die Bewegung mit konstantem Tempo auf einem Kreis.

    Dass die Sache mit Ruhe und Bewegung nicht ganz so simpel ist, wie man gemeinhin glaubt, ist den Menschen schon lange vor Einstein aufgefallen – allen voran dem berühmten italienischen Naturforscher Galileo Galilei (1564–1642). Im Jahr 1630 erschien sein Hauptwerk mit dem Titel »Dialog über die beiden hauptsächlichen Weltsysteme, das ptolemäische und das kopernikanische«. Galilei beschreibt darin, wie ein Bootsfahrer unter Deck die gleichförmige Bewegung seines Schiffs als Ruhe erlebt. Egal wie rasch der Kahn über das Gewässer treibt, nichts in seinem Innern deutet auf eine Bewegung hin: weder das Empfinden des Reisenden, noch die Vorgänge, die er in seiner Kajüte beobachten kann.

    Nun könnte man sich eine Reihe von Einwänden ausdenken. Zwar mag der Schiffsreisende seine Bewegung nicht visuell anhand der vorbeidriftenden Umgebung bemerken. Aber es sollte sich doch irgendeine Methode finden lassen (und sei sie noch so vertrackt), um am Ende sagen zu können: Ich bin in Ruhe oder Ich bin in Bewegung!

    Galilei stattete den Reisenden mit einer ganzen Reihe von Vorrichtungen und Ideen aus, mit deren Hilfe sich der Bewegungszustand des Schiffs vielleicht erkennen ließe. Mit einem an der Decke aufgehängten Eimer zum Beispiel, von dem Wasser in einen senkrecht darunter stehenden Becher tropft. Sollte das in einem bewegten Schiff funktionieren? Immerhin bewegt sich das Schiff jedes Mal ein paar Zentimeter vorwärts, während sich der nächste Wassertropfen auf den Weg senkrecht nach unten zum Becher macht. Würde man also nicht erwarten, dass die Tropfen stets ein Stück weit hinter dem Becher landen? Nichts dergleichen kann der Schiffsreisende beobachten. Das Experiment funktioniert im ruhenden wie im bewegten Schiff gleichermaßen, die Wassertropfen finden in beiden Fällen ihren Weg in den Becher. Als nächstes sollte der Reisende versuchen, mit aller Kraft aus dem Stand einen Hüpfer je in Fahrtrichtung und gegen dieselbe zu versuchen. Man könnte spontan erwarten, dass der Sprung nach hinten weiter ausfällt, da der Schiffsboden dem Springenden während des Sprungs ja ein Stück weit entgegenkommt. Tatsächlich stellt sich aber heraus, dass die Sprünge in keinem der Fälle kürzer oder weiter geraten. Auch an einem schwingenden Pendel oder einem Kreisel würde die Bewegung zu keinerlei Auffälligkeiten führen. Und selbst beim Billard, das besonders empfindlich auf äußere Störungen reagiert, würden sich die Kugeln auf dem fahrenden Schiff nicht anders anstellen als sonst. Alle Experimente dieser Art enden mit einem Nullergebnis. Egal mit welcher Methode Sie versuchen, einen Effekt zu finden, der die Bewegung des Schiffs verrät: Es wird Ihnen nicht gelingen! Galilei zog aus solchen Erfahrungen einen Schluss, der bis heute sehr grundlegend für das Verständnis der Mechanik ist.

    Es gibt keine Experimente, mit deren Hilfe Sie feststellen könnten, ob Sie sich in Ruhe oder aber in gleichförmiger Bewegung befinden.

    So lautet dem Sinn nach die erste Fassung des klassischen (oder auch Galilei'schen) Relativitätsprinzips. Etwas formaler liest sich das so:

    Klassisches Relativitätsprinzip: Mechanische Vorgänge verlaufen in ruhenden und gleichförmig bewegten Systemen in gleicher Weise.

    Wichtig ist hier der Begriff der gleichförmigen Bewegung! Denn für eine beschleunigte Bewegung gilt dieses Prinzip nicht so ohne Weiteres, wie Sie bald sehen werden.

    Vom Koordinatensystem …

    Wenn Ihnen der Begriff des Koordinatensystems einigermaßen vertraut ist, werden in diesem Abschnitt wenig Neues finden. Für alle anderen sei gesagt, dass Koordinatensysteme uns von einer Menge Ballast befreien: Anstatt über statische Ufer, Landschaften und Wohnzimmerausstattungen zu fabulieren, wollen wir in Zukunft einfach von Koordinatensystemen und Bezugssystemen sprechen.

    Nehmen wir als Beispiel einen Zug, der gerade in einen Bahnhof einfährt, wie in Abbildung 1.1 gezeigt. Für einen Beobachter, der neben den Gleisen wartet, ist der Bahnsteig mit allem, was dazu gehört (der Uhr, dem Fahrkartenautomaten, dem Gebäude, dem Gleis mit den Holzschwellen und so weiter) ein fester Bezugsrahmen, in dem er Ruhe und Bewegung unterscheiden kann.

    Abbildung 1.1: Das Bezugssystem »Bahnsteig« mit einem Beobachter

    Wenn es der Beobachter genau wissen will, könnte er zum Beispiel feststellen, dass das vordere Ende der Lok exakt um halb drei den Pfeiler der Uhr passiert hat. Wir können die Beschreibung der Situation deutlich abspecken, wenn wir nun den Bahnsteig und seine Ausstattung aus Ihrer Vorstellung verschwinden lassen und durch ein rechtwinkliges (sogenanntes kartesisches) Koordinatensystem ersetzen (Abbildung 1.2).

    Abbildung 1.2: Ein Koordinatensystem ersetzt den Bahnsteig

    Wo eben noch die Bahnhofsuhr stand, sehen Sie jetzt den Ursprung des Koordinatensystems, aus dem die drei senkrecht aufeinander stehenden räumlichen Achsen hervorgehen. Natürlich ist es reine Willkür, den Ursprung des Koordinatensystems an den Ort der Uhr zu legen. Er könnte ebenso gut in der Mitte des Bilds liegen oder am Standort des Beobachters.

    Was wir ebenfalls brauchen, ist ein Maßstab, mit dessen Hilfe sich die Länge und die Position des Zugs durch eine Zahl ausdrücken lassen. Der übliche Längenmaßstab in der Physik ist natürlich der Meter.

    Auch die Entscheidung, dass wir die Länge des Zugs entlang der -Achse gelegt haben, ist willkürlich. Wenn wie im Fall unseres Zugs ohnehin nur eine Bewegungsrichtung in Frage kommt, können wir die - und -Achse auch getrost weglassen. In anderen Fällen, wenn wir die Position eines Objekts im dreidimensionalen Raum angeben möchten, bedienen wir uns aller drei Achsen des Koordinatensystems. In Abbildung 1.3 ist gezeigt, wie es geht: Der Punkt ist von der -Ebene offensichtlich sieben Längeneinheiten entfernt. Seine -Koordinate hat damit den Wert sieben. Die Entfernungen von den beiden anderen Ebenen ( und ) betragen drei beziehungsweise vier Längeneinheiten. Auf diese Weise ordnen wir dem Punkt die Koordinaten zu, die die Position des Punkts im Koordinatensystem eindeutig beschreiben.

    Abbildung 1.3: Ein Punkt im Koordinatensystem

    Der Punkt könnte die Sache aber noch komplizierter machen: Er könnte sich bewegen. Um auch dies zu berücksichtigen, ist es nötig, noch eine weitere »Dimension« einzuführen, nämlich die Zeit .

    Um die Bewegung des Punkts zu beschreiben, benötigen wir ein dreidimensionales Koordinatensystem und eine Uhr. Zu jedem Zeitpunkt sind dem Punkt dann bestimmte räumliche Koordinaten zugeordnet. Die Gesamtheit dieser Daten beschreibt die Bewegung des Punkts vollständig.

    Wenn der Punkt eine verhältnismäßig einfache Bewegung ausführt (zum Beispiel eine gleichförmige oder eine gleichmäßig beschleunigte), ist es leicht, die Koordinaten zu jedem Zeitpunkt anzugeben. Bei komplizierten Bewegungen (etwa der Bewegung eines Luftmoleküls in der Atmosphäre) ist das ganz und gar unmöglich, geschweige denn durch Berechnung vorherzusagen.

    Die Bewegung eines Objekts durch den physikalischen Raum lässt sich also im Prinzip mithilfe eines Koordinatensystems mit drei Achsen und der Angabe einer Zeit beschreiben. Dass dieses Koordinatensystem gerade drei Achsen hat, liegt natürlich daran, dass der physikalische Raum um uns herum dreidimensional ist. Denn es gilt ja ganz allgemein: Die Zahl der Koordinatenachsen, die es braucht, um einen Raum »aufzuspannen«, entspricht gerade der Dimension dieses Raums. Würde sich der Punkt ausschließlich in einer Ebene bewegen, also in einem zweidimensionalen Raum, würden zu seiner Beschreibung zwei Koordinatenachsen ausreichen.

    In der Physik hat es sich bewährt, die Zeit als vierte Dimension anzusehen. Das wird spätestens dann essenziell, wenn in der Relativitätstheorie Raum und Zeit jene enge Verbindung eingehen, die man als vierdimensionale Raumzeit bezeichnet. Aber dazu später mehr.

    … zum Bezugssystem

    Gehen wir in Gedanken noch mal zurück auf den Bahnsteig, den wir inzwischen durch ein ruhendes Koordinatensystem ersetzt haben. Dieses Koordinatensystem stellt einen perfekten Bezugsrahmen dar, in dem sich zum Beispiel die Bewegungen der Züge eindeutig beschreiben lassen. Eine solche, mit einer Uhr ausgestattete räumliche Referenz bezeichnet man in der Mechanik als Bezugssystem. Wir sind damit bei einem Begriff gelandet, der für die Klassische Mechanik und ebenso für die Spezielle und die Allgemeine Relativitätstheorie von absolut grundlegender Bedeutung sein wird. Also bitte merken: Bezugssystem! Bezugssystem! Bezugssystem!

    Ein Bezugssystem ist ein physikalischer Referenzrahmen, in Bezug auf welchen sich Positionen und Bewegungen beschreiben lassen.

    Wann immer wir also im Weiteren eine räumliche Position, eine Geschwindigkeit, einen Zeitpunkt oder einen Zeitabschnitt charakterisieren möchten, müssen wir dazu sagen, auf welches Bezugssystem wir uns dabei beziehen (sofern das nicht ohnehin aus dem Kontext hervorgeht). Wenn Sie zum Beispiel die Geschwindigkeit einer vorbeifliegenden Taube messen wollen, werden Sie offensichtlich unterschiedliche Werte erhalten, je nachdem, ob Sie die Messung vom Bahnsteig oder aus dem fahrenden Zug heraus vornehmen. Für denjenigen, dem Sie das Messergebnis mitteilen möchten, ist es natürlich ganz entscheidend zu wissen, in welchem Bezugssystem Sie die Messung durchgeführt haben.

    Alles nur Gedankenspiele!

    Wenn Sie sich an dieser Stelle darüber wundern, weshalb jemand die Geschwindigkeit einer Taube aus einem fahrenden Zug heraus messen und den gemessenen Wert auch noch jemandem mitteilen wollte – nun, dann haben Sie ein gutes Indiz dafür, dass Sie noch alle Latten im Zaun haben. Solche bizarren Dinge passieren in der Regel nur in sogenannten Gedankenexperimenten. Sie werden noch sehen, dass Gedankenexperimente in der Relativitätstheorie eine enorm wichtige Rolle spielen. Physiker führen aus unterschiedlichen Gründen Gedankenexperimente durch. Entweder

    ist das Experiment in der Realität nicht durchführbar, lässt sich aber durch reines Nachdenken durchspielen und analysieren, oder

    das Experiment dient der reinen Veranschaulichung eines Sachverhalts, zum Beispiel der Tatsache, dass die gemessene Geschwindigkeit eines Objekts vom gewählten Bezugssystem abhängt.

    Der Begriff des Gedankenexperiments ist in der Physik so sehr verankert, dass er sogar Einzug in den englischen Sprachgebrauch gefunden hat. Wenn Sie schon mal ein englisches Buch über Relativitätstheorie gelesen haben, sind Sie bestimmt einem Satz begegnet wie As Einstein demonstrated in his famous gedankenexperiment, …

    Während Sie nun in Ihrem Bezugssystem »Bahnhof« zusehen, wie der Zug einfährt, sitzt im Zug vielleicht jemand, auf den Sie warten. Ihr Freund mag dort seit mehreren Stunden sitzen und sich während seiner Reise wenig um das Bezugssystem »Bahnhof« geschert haben. Für ihn gilt ein anderes Bezugssystem, nämlich sein Zugabteil mit allem, was darin festgeschraubt ist: die Sitze, die Tische, auch die Fenster und die Karosserie des Waggons. Er sieht dieses System mit gleichem Recht als »sein« Bezugssystem an, wie Sie es mit dem Bahnsteig tun. Sie sehen also:

    Bezugssysteme müssen nicht unbedingt ruhen! Es gibt auch bewegte Bezugssysteme.

    Natürlich können wir auch das Bezugssystem »Zug«, und durch ein schlichtes Koordinatensystem ersetzen. Zur Unterscheidung vom Bahnhof würden wir die Achsen statt mit nun mit bezeichnen. Abbildung 1.4 zeigt die Verhältnisse in den beiden Bezugssystemen.

    Abbildung 1.4: Bahnsteig und Zug: jeder kriegt sein eigenes Bezugssystem

    In der Abbildung sehen Sie ein prima Beispiel dafür, wie Sie eine konkrete Situation abstrahieren, vereinfachen und idealisieren können. In der realen Welt stehen Sie auf einem Bahnsteig und beobachten einen Zug, der soeben mit der Geschwindigkeit in den Bahnhof einfährt. Physikalisch, wenn wir von Bezugssystemen sprechen, haben wir es hier einfach mit zwei Bezugssystemen zu tun: »Ihr« ruhendes System mit den Koordinatenachsen und ein relativ dazu mit der Geschwindigkeit bewegtes System mit den Achsen . Und der Vollständigkeit halber wollen wir auch noch festhalten: in beiden Systemen gilt die von der Bahnhofsuhr angezeigte Zeit , also (nach dem englischen time).

    Übrigens können wir uns das Leben noch ein bisschen einfacher machen, indem wir einen weiteren Begriff einführen:

    Das Bezugssystem, in welchem ein Körper in Ruhe ist, nennen wir das Ruhesystem dieses Körpers.

    Kapitel 2

    Der Weg zur Klassischen Mechanik

    IN DIESEM KAPITEL

    Galilei, die Gestirne und der freie Fall

    Die Kepler'schen Gesetze

    Die Newton'schen Gesetze

    Inertialsysteme

    Raum und Zeit bei Newton

    Die Klassische Mechanik ist die erste physikalische Theorie (und wohl die erste Theorie überhaupt), die die Bezeichnung »Theorie« wirklich verdient. In den Physik-Studiengängen aller Universitäten wird die Klassische Mechanik im ersten Semester gelehrt. Nicht nur, dass sie für alle weitere Physik grundlegend ist; durch ihre Nähe zu unserer Erfahrungswelt ist sie auch verhältnismäßig leicht zu verstehen. Gleichzeitig ist sie das Paradebeispiel für eine in sich geschlossene Theorie.

    Die Mechanik, soweit sie vor der Relativitätstheorie (und vor der Quantenmechanik) entstand, bezeichnen wir als Klassische Mechanik. Sie umfasst all jene mechanischen Vorgänge, die uns aus der Alltagserfahrung vertraut sind.

    Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde mehr und mehr deutlich, dass die Klassische Mechanik, nun, zwar nicht falsch, aber wohl auch nicht die ganze Wahrheit sein konnte. Wir folgen in diesem Kapitel der historischen Entwicklung, von den ersten Experimenten Galileis über die theoretischen Einlassungen Keplers zu den Planetenbahnen bis hin zur traumhaft eleganten, kompakten Formulierung der Theorie durch das Jahrtausendgenie Isaac Newton.

    Der Vater der Naturwissenschaften

    Galileo Galilei (1564–1642) gehört zu den ersten Forschern, die versucht haben, der Natur durch gezielte Experimente auf den Grund zu gehen. Außerdem war er der erste, die sich konsequent der Mathematik zur Beschreibung der Natur bediente. Einstein nannte ihn einmal den »Vater der modernen Physik, ja der modernen Naturwissenschaft überhaupt«. Besonders berühmt sind Galileos Versuche zum freien Fall, von denen Galileis Biograph Vincenzo Viviani (im Gegensatz zu Galilei selbst) berichtet.

    Abbildung 2.1: Der schiefste Turm von Pisa. Was hat Galilei hier getrieben?

    Klar ist, dass es mit den technischen Möglichkeiten der damaligen Zeit schwierig gewesen sein dürfte, einen so rasanten Vorgang wie den freien Fall zeitlich genau zu erfassen. Vielleicht war das aber auch gar nicht nötig. Denn unabhängig von den Fallgesetzen erkannte Galilei zunächst eine e