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Wenn Ideen Sex haben: Wie Fortschritt entsteht und Wohlstand vermehrt wird
Wenn Ideen Sex haben: Wie Fortschritt entsteht und Wohlstand vermehrt wird
Wenn Ideen Sex haben: Wie Fortschritt entsteht und Wohlstand vermehrt wird
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Wenn Ideen Sex haben: Wie Fortschritt entsteht und Wohlstand vermehrt wird

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About this ebook

Eine überzeugende Absage an den Pessimismus unserer Zeit. Die Geschichte der Menschheit ist eine großartige Erfolgsgeschichte, und es gibt keinen vernünftigen Grund für die – allerdings weitverbreitete – Annahme, dass urplötzlich in unserer Zeit der Fortschritt erlahmen, die Innovationskraft und Erfindungsgabe der Menschen versiegen und die Verbreitung von Wohlstand an ein Ende kommen soll. Die kulturelle Entwicklung des Menschen hat über Jahrtausende zu immer besseren Lebensbedingungen geführt. Der Schlüssel dafür waren die Arbeitsteilung und der Austausch von Ideen. Wenn wir nicht verzagen und die kreativen Kräfte der Menschen nicht behindert werden, dann kann uns ein 21. Jahrhundert bevorstehen, in dem der Wohlstand sich vermehrt, Armut zurückgeht, Krankheiten eingedämmt werden, die Überbevölkerung abnimmt, die technologische Entwicklung blüht, Wissen und Bildung immer mehr Menschen erreicht und Umweltbedingungen sich verbessern.
LanguageDeutsch
Release dateJul 5, 2018
ISBN9783864705939
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    Book preview

    Wenn Ideen Sex haben - Matt Ridley

    kann.

    Kapitel 1

    Die beispiellose Gegenwart

    »Welches Prinzip liegt der Wahrnehmung zugrunde, dass wir im Rückblick nur Fortschritt sehen und in der Zukunft nichts als Niedergang erwarten?«

    – Thomas Babington Macaulay,

    Review of Southey’s Colloquies on Society¹

    Weltweites Bruttosozialprodukt pro Kopf²

    Gegen Mitte unseres Jahrhunderts wird sich die Erdbevölkerung von den weniger als zehn Millionen Menschen, die vor 10.000 Jahren lebten, auf annähernd zehn Milliarden vermehrt haben. Ein Teil der heutigen Menschen verbringt sein Dasein noch immer in Not und Elend, die weit schlimmer sind als alles, was unsere Vorfahren in der Steinzeit durchmachen mussten. Anderen geht es heute schlechter als noch vor einigen Monaten oder Jahren. Doch die überwiegende Mehrheit kann sich besser ernähren, besser wohnen, sich besser unterhalten, ist gesünder und hat eine höhere Lebenserwartung als sämtliche Generationen vor uns.³ Die Verfügbarkeit von fast allem, was der Einzelne braucht oder sich wünscht, ist seit 200 Jahren stetig und in den 10.000 Jahren davor in Schüben gestiegen: eine hohe Lebenserwartung, sauberes Wasser, klare Luft, private Stunden der Muße, die Möglichkeit, schneller zu reisen, als man laufen, und in größere Entfernungen zu kommunizieren, als man rufen kann. Selbst mit der Einschränkung, dass Hunderte Millionen noch immer unter bitterer Armut, Krankheiten und Mangel leiden, stehen unserer Generation mehr Kalorien, Watt, Lumenstunden, Quadratmeter, Gigabytes und Megahertz, Lichtjahre, Nanometer, Tonnen pro Hektar, Liter pro Kilometer, »Food Miles«, Flugkilometer und natürlich Dollars zur Verfügung als allen vor uns. Wir haben mehr Klettverschlüsse, Impfstoffe, Vitamine, Schuhe, Sänger, Seifenopern, Mangoschäler, Sexualpartner, Tennisschläger, Lenkflugkörper und vieles andere, was man wohl niemals brauchen wird. Einer Schätzung zufolge liegt die Zahl der verschiedenen Artikel, die man in New York oder London kaufen kann, bei über zehn Milliarden.⁴

    Man sollte meinen, über all dies bestehe Einigkeit, aber dem ist keineswegs so. Eine ganze Reihe unserer Zeitgenossen glaubt, dass es sich in der Vergangenheit besser leben ließ als heute. Früher, so wenden sie ein, sei das Leben einfacher gewesen, ruhiger, es habe mehr Gemeinsinn und Spiritualität gegeben, aber auch mehr Tugenden und Werte. Allerdings findet man diese rosarote Brille, so möchte ich betonen, in der Regel allein unter Wohlhabenden. Es fällt leicht, elegisch für das Leben eines Bauern zu schwärmen, wenn man kein Plumpsklo benutzen muss. Führen wir uns einmal vor Augen, wie es um das Jahr 1800 in Westeuropa oder Nordamerika aussah. Die Familie versammelt sich um das Herdfeuer in einem schlichten Fachwerkhaus. Der Vater liest aus der Bibel vor, während die Mutter einen Eintopf aus Rindfleisch und Zwiebeln zubereitet. Das Baby wird von einer der Schwestern gewiegt, während der größte Junge aus einem Krug Wasser in die irdenen Becher auf dem Tisch gießt. Seine älteste Schwester füttert das Pferd im Stall. Draußen vor der Tür stört kein Verkehrslärm, es gibt keine Drogendealer und die Milch der Kuh ist weder mit Dioxin noch mit radioaktivem Fallout belastet. Es herrscht Stille, nur vor dem Fenster singt ein Vogel.

    Ich bitte Sie! Auch wenn diese Familie zu den Bessergestellten des Dorfes gehört, werden die Bibelworte des Vaters von seinem rachitischen Husten unterbrochen, ein Vorzeichen der Lungenentzündung, die ihn im Alter von 53 Jahren dahinraffen wird – und der durch den Holzrauch des Feuers sicherlich nicht besser wurde. (Dabei zählt er noch zu den Glücklichen, denn die durchschnittliche Lebenserwartung lag um 1800 in England bei unter 40 Jahren.) Das Baby stirbt an den Pocken, die es jetzt schon greinen lassen, die Schwester wird bald schon unter der Knute eines versoffenen Mannes stehen. Das Wasser, das der Junge in die Becher gießt, schmeckt nach den Kühen, die im Bach getränkt werden, die Mutter quälen Zahnschmerzen. Gerade in diesem Augenblick wird die Tochter im Stall vom Burschen des Nachbarn im Heu geschwängert und ihr Sohn landet im Waisenhaus. Der Eintopf ist grau und voller Knorpel, dennoch ist Fleisch eine seltene Abwechslung vom ewigen Haferschleim. Zu dieser Jahreszeit gibt es kein Obst und keinen Salat. Sie essen mit einem Holzlöffel aus einer Holzschale. Da Kerzen zu teuer sind, müssen sie sich mit dem Licht begnügen, das das Herdfeuer spendet. Keiner aus der Familie hat je ein Theaterstück gesehen, ein Bild gemalt oder den Klang eines Klaviers gehört. Die Schulbildung besteht aus ein paar Jahren langweiliger Lateinstunden, unterrichtet vom bigotten Drillmeister im Pfarrhaus. Der Vater hat einmal die Stadt besucht, obwohl ihn die Fahrt einen Wochenlohn kostete, die anderen jedoch sind nie weiter als etwa 20 Kilometer von zu Hause fort gewesen. Die Töchter besitzen jeweils zwei Wollkleider, zwei Leinenhemden und ein Paar Schuhe. Den Vater hat sein Jackett ein Monatseinkommen gekostet, allerdings ist es mittlerweile voller Läuse. Die Kinder teilen sich jeweils zu zweit ein Bett, das aus einer Strohmatratze auf dem Boden besteht. Und was den Vogel vor dem Fenster betrifft: Am nächsten Tag wird er von dem Jungen gefangen und verspeist werden.

    Wenn Ihnen meine fiktionale Familie nicht gefällt, befassen Sie sich vielleicht lieber mit Zahlenmaterial. Seit dem Jahr 1800 hat sich die Weltbevölkerung versechsfacht, die durchschnittliche Lebenserwartung verdoppelt und das Realeinkommen ist um mehr als das Neunfache gestiegen.⁶ Betrachten wir den kürzeren Zeitraum von 1955 bis zum Jahr 2005: In dieser Spanne stieg für jeden Erdbewohner im Durchschnitt der Lohn auf das Dreifache (die Inflationsrate bereits berücksichtigt), seine Kalorienaufnahme nahm um ein Drittel zu, ebenso wie seine Lebenserwartung, und er verlor ein Drittel weniger Kinder. Als Todesursachen wurden Krieg, Mord, Kindbettstod, Unfall, Wirbelstürme, Überschwemmungen, Hunger, Keuchhusten, Tuberkulose, Malaria, Diphtherie, Typhus, Masern, Pocken, Skorbut oder Kinderlähmung immer seltener. Außerdem erkrankten weniger Menschen aller Altersstufen an Krebs, an einem Herzleiden oder erlitten einen Schlaganfall. Die Wahrscheinlichkeit, lesen und schreiben zu lernen, erhöhte sich ebenso wie die, über ein Telefon, eine Wassertoilette, einen Kühlschrank oder ein Fahrrad zu verfügen. All dies entwickelte sich in dem halben Jahrhundert, in dem sich die Weltbevölkerung mehr als verdoppelte, was bedeutet, dass sich Waren und Dienstleistungen unter dem Druck des Bevölkerungswachstums nicht verknappten, sondern sogar in weit größerem Ausmaß zugänglich waren. Und das ist, wie immer man es sehen mag, eine großartige Leistung der Menschheit.

    Gewiss geben Durchschnittszahlen nicht die ganze Wahrheit wieder. Doch selbst wenn wir die Welt in einzelne Regionen aufteilen, lässt sich wohl kaum ein Gebiet finden, in dem es den Menschen im Jahr 2005 schlechter ging als 1955. In diesen 50 Jahren ist das reale Pro-Kopf-Einkommen in nur sechs Ländern leicht gesunken (Afghanistan, Haiti, Kongo, Liberia, Sierra Leone und Somalia), die Lebenserwartung in drei (Russland, Swasiland und Simbabwe) und die Säuglingssterblichkeit hat in keinem zugenommen. In allen anderen Ländern haben sich die Zahlen deutlich verbessert. In Afrika ging der Anstieg, verglichen mit dem Rest der Welt, zwar nur besorgniserregend langsam und nicht flächendeckend vonstatten, zudem sank in vielen südafrikanischen Ländern die Lebenserwartung aufgrund der Aids-Epidemie in den 1990er-Jahren drastisch, ehe sie sich in den letzten Jahren wieder erholte. Und einige Länder verzeichneten im Lauf dieses halben Jahrhunderts auch Phasen mit einem erschreckenden Absinken des Lebensstandards oder mit dramatischen Einbrüchen in Bezug auf die Entwicklungsmöglichkeiten des Einzelnen – China in den 1960er-, Kambodscha in den 1970er-, Äthiopien in den 1980er-, Ruanda in den 1990er-, Kongo in den 2000er-Jahren und Nordkorea in dem gesamten Zeitraum. Für Argentinien war das 20. Jahrhundert eine unbefriedigende Epoche der Stagnation. Doch alles in allem ist die Bilanz nach 50 Jahren für die Welt erstaunlicherweise eindeutig positiv. Der durchschnittliche Südkoreaner lebt heute 26 Jahre länger und verdient im Jahr 15-mal mehr als 1955 (und 15-mal mehr als ein Nordkoreaner). Ein Mexikaner hat heute im Durchschnitt eine höhere Lebenserwartung als ein Bretone im Jahr 1955. Ein Durchschnittsbürger Botswanas verdient heute mehr als ein Finne im Jahr 1955. In Nepal ist die Säuglingssterblichkeit heute niedriger als in Italien im Jahr 1951. Die Anzahl der Vietnamesen, die mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen müssen, ist in 20 Jahren von 90 auf 30 Prozent der Bevölkerung gesunken.

    Die Reichen sind zwar reicher geworden, doch die Armen haben weit mehr hinzugewonnen. In den Entwicklungsländern stieg der Konsum der Armen zwischen 1980 und 2000 doppelt so rasch wie im Weltdurchschnitt.⁸ Die Chinesen sind zehnmal so reich wie vor 50 Jahren, haben ihre Geburtenrate um ein Drittel gesenkt und leben 28 Jahre länger. Selbst die Nigerianer sind doppelt so reich, um ein Viertel weniger fruchtbar und haben eine um neun Jahre längere Lebenserwartung als 1955. Obwohl sich die Weltbevölkerung verdoppelt hat, ist die Zahl der in absoluter Armut lebenden Menschen (die nach offizieller Definition mit weniger als einem, nach der Kaufkraft des Jahres 1985 berechneten Dollar pro Tag auskommen müssen) seit den 1950er-Jahren gesunken. Ihr Anteil hat sich mehr als halbiert – auf weniger als 18 Prozent.⁹ Natürlich sind das immer noch viel zu viele, doch die Entwicklung gibt Grund zur Hoffnung: Hielte dieser Trend an, würden wir im Jahr 2035 bei null ankommen, obwohl das wahrscheinlich nicht eintreten wird. Die Vereinten Nationen schätzen, dass in den letzten 50 Jahren die Armut in höherem Maß abgebaut werden konnte als in den 500 Jahren davor.¹⁰

    Überfluss für alle

    Dabei war 1955 keineswegs ein Jahr des Mangels, sondern ein Rekordjahr – ein Augenblick, in dem die Welt reicher, dichter bevölkert und bequemer war als je zuvor, trotz der noch nicht weit zurückliegenden Verbrechen Hitlers, Stalins und Maos (der damals gerade begann, sein Volk auszuhungern, um mit dessen Getreidevorräten in Russland Atomwaffen zu kaufen). Im Vergleich zu allen früheren Zeiten waren die 1950er ein Jahrzehnt des außerordentlichen Wohlstands und des Luxus. In Indien war die Säuglingssterblichkeit bereits niedriger als in Frankreich und Deutschland im Jahr 1900. Japanische Kinder gingen fast doppelt so lange zur Schule wie zur Jahrhundertwende. In der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts konnte sich das Pro-Kopf-Einkommen der Weltbevölkerung nahezu verdoppeln. 1958 schrieb John Kenneth Galbraith, die »Überflussgesellschaft« habe ein solches Niveau erreicht, dass die Verbraucher durch die eingängige Werbung inzwischen mit unnützen Waren »überversorgt« seien.¹¹

    Seine Behauptung, dass es den Amerikanern im Vergleich zu anderen besonders gut gehe, traf durchaus zu: 1950 waren sie durchschnittlich knapp acht Zentimeter größer als noch zur Jahrhundertwende und gaben doppelt so viel Geld für ihre Medikamente aus wie für ihr Begräbnis – 1900 war das Verhältnis noch umgekehrt. Etwa acht von zehn amerikanischen Haushalten verfügten 1955 über fließendes Wasser, Elektrizität, eine Waschmaschine und einen Kühlschrank, also Luxusgüter, die 1900 noch kaum jemand kannte. In seinem 1890 erschienenen Klassiker How the Other Half Lives schildert Jacob Riis eine neunköpfige Familie in New York, die in einem knapp zehn Quadratmeter großen Wohnraum plus winziger Küche lebte. Die Frauen verdienten damals für einen 16-stündigen Arbeitstag in einem Ausbeuterbetrieb 60 Cent und mehr als eine Mahlzeit pro Tag konnte man sich nicht leisten. Zur Mitte des letzten Jahrhunderts wäre dies undenkbar gewesen.¹²

    Wenn wir heute, noch einmal mehr als 50 Jahre später, zurückschauen, würden wir die Angehörigen der Mittelschicht von 1955, die sich an Annehmlichkeiten wie Autos und allen möglichen Geräten erfreuten, als »unterhalb der Armutsgrenze« bezeichnen. Der durchschnittliche Arbeiter in Großbritannien, von dem Harold Macmillan 1957 sagte, es sei ihm »noch nie so gut gegangen«, verdiente preisbereinigt damals weniger, als sein Kollege heute an staatlicher Beihilfe erhält, wenn er arbeitslos wird und drei Kinder hat. Von den in den Vereinigten Staaten als »arm« eingestuften Bürgern haben 99 Prozent Elektrizität, fließendes Wasser, eine Wassertoilette und einen Kühlschrank, 95 Prozent ein Fernsehgerät, 88 Prozent ein Telefon, 71 Prozent ein Auto und 70 Prozent eine Klimaanlage. Dem »Schiffs- und Eisenbahnkönig« Cornelius Vanderbilt stand nichts dergleichen zur Verfügung. Noch 1970 besaßen nur 36 Prozent der US-Bürger eine Klimaanlage, im Jahr 2005 79 Prozent aller armen Haushalte. Unter der städtischen Bevölkerung Chinas verfügen 90 Prozent über elektrisches Licht, einen Kühlschrank und fließendes Wasser, viele von ihnen zudem über ein Mobiltelefon, Internetzugang und Satellitenfernsehen, ganz zu schweigen von zahlreichen verbesserten und günstigeren Ausführungen aller möglichen Dinge wie Autos, Spielzeug, Impfstoffe und Restaurants.

    Ist ja gut und schön, sagt der Pessimist, aber welchen Preis müssen wir dafür zahlen? Die Umweltverschmutzung nimmt stetig zu. Vielleicht an einem Ort wie Peking, an vielen anderen jedoch nicht. In Europa und den Vereinigten Staaten werden Flüsse, Seen, das Meer und die Luft immer sauberer. In der Themse gibt es weniger Abwasser und mehr Fische. Im Eriesee waren die Wasserschnecken in den 1960ern beinahe ausgestorben, jetzt aber lebt in dem Gewässer wieder eine große Population. Die Weißkopfseeadler haben sich vermehrt. In Pasadena sieht man kaum noch Smog. In Schweden sind die Vogeleier um drei Viertel weniger mit Umweltgiften belastet als in den 1960er-Jahren. In den USA ist die Luftverschmutzung durch das von Kraftfahrzeugen ausgestoßene Kohlenmonoxid in 25 Jahren um 75 Prozent zurückgegangen. Ein mit Höchstgeschwindigkeit fahrendes Auto produziert heute weniger Schadstoffe als 1970 ein geparktes durch seine Lecks in den Leitungen.¹³

    Zugleich steigt die durchschnittliche Lebenserwartung in dem Land mit dem höchsten Lebensalter (1850 war dies Schweden, 1920 Neuseeland und heute ist es Japan) weiterhin um drei Monate pro Jahr an, eine Rate, an der sich seit 200 Jahren kaum etwas geändert hat. Außerdem hat sie bisher noch nicht ihre Grenze erreicht, obwohl das irgendwann der Fall sein muss. In den 1920er-Jahren versicherten uns die Demografen noch voller Überzeugung, »ohne die Einwirkung radikaler Neuerungen oder eines fantastischen evolutionären Wandels in unserer physiologischen Konstitution« werde die durchschnittliche Lebenserwartung mit 65 ihren Höhepunkt erreicht haben. In den 1990er-Jahren meinten sie, die Lebenserwartung werde »bei den 50-Jährigen 35 Jahre nicht übersteigen, es sei denn, bahnbrechende Entwicklungen könnten die grundlegende Geschwindigkeit des Alterns beeinflussen«. Innerhalb von fünf Jahren sind beide Vorhersagen in wenigstens einem Land widerlegt worden.¹⁴

    Dementsprechend verbringen wir immer mehr Zeit im Ruhestand. Von 1901 bis 1969, also innerhalb von 68 Jahren, sank die Sterblichkeitsrate der britischen Männer im Alter zwischen 65 und 74 um 20 Prozent. Danach dauerte es erst 17, dann zehn und schließlich sechs Jahre, bis sie jeweils um weitere 20 Prozent fiel – die Entwicklung beschleunigte sich also. Schön und gut, sagt der Pessimist, aber was ist mit der Lebensqualität im Alter? Sicher, die Menschen leben länger, doch sie verbringen die hinzugewonnenen Jahre in Krankheit und Gebrechlichkeit. Falsch. Gemäß einer amerikanischen Studie sank die Rate der Gebrechlichen über 65 zwischen 1982 und 1999 von 26,2 auf 19,7 Prozent – doppelt so schnell wie die Sterblichkeitsrate. Eine chronische Krankheit vor dem Tod dauert, wenn sie überhaupt auftritt, bei besserer Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten im statistischen Mittel ein wenig kürzer und nicht länger – »Verzögerung der Morbidität« lautet der Fachausdruck. Die Menschen leben nicht nur länger, sondern die Zeit ihres Sterbens ist auch kürzer geworden.¹⁵

    Betrachten wir einmal den Schlaganfall, eine der wesentlichen Ursachen für Behinderung im Alter. In den Vereinigten Staaten und Europa sank die Zahl der Todesfälle durch Schlaganfall in der Zeit von 1950 bis 2000 um 70 Prozent. Zu Beginn der 1980er-Jahre kam eine in Oxford durchgeführte Untersuchung an Schlaganfallpatienten zu dem Ergebnis, dass in den folgenden zwei Jahrzehnten die Zahl der Schlaganfälle um nahezu 30 Prozent steigen werde, hauptsächlich weil sich Schlaganfälle im Alter häufen und den Menschen ein höheres Lebensalter vorausgesagt wurde. Letzteres traf tatsächlich zu, doch die Schlaganfallrate sank um 30 Prozent. (Der altersbedingte Anstieg ist zwar immer noch vorhanden, doch er tritt zunehmend später auf.) Das Gleiche gilt für Krebs, Herz- und Atemwegserkrankungen: Sie werden zwar mit dem Alter häufiger, zeigen sich jedoch immer später – seit den 1950ern zehn Jahre später.¹⁶

    Selbst die Ungleichheit, die Spanne zwischen Arm und Reich, nimmt weltweit ab. Es stimmt, dass sich in Großbritannien und den USA an den Einkommensunterschieden – die in den letzten zwei Jahrhunderten gesunken waren (um 1800 war ein britischer Aristokrat 15 Zentimeter größer als ein Durchschnittsbürger, heute durchschnittlich nur noch knapp fünf) – seit den 1970er-Jahren nichts geändert hat. Von den vielen Ursachen hierfür sind aber keineswegs alle zu bedauern. Zum Beispiel heiraten Großverdiener heute viel häufiger jemanden aus den eigenen Kreisen als früher (was das Vermögen konzentriert). Die Einwanderung hat zugenommen, der Handel ist freier geworden, Kartelle haben sich dem unternehmerischen Wettbewerb geöffnet und das Fachwissen am Arbeitsplatz ist gestiegen. Diese Tendenzen befördern die Entwicklung zur Ungleichheit, haben aber ihren Ursprung in der Liberalisierung. Außerdem stehen wir vor dem statistischen Paradoxon, dass sich die Ungleichheit in einigen Ländern zwar verschärft, global aber abnimmt. Im aktuellen Wohlstandsboom in China und Indien etwa wachsen die Vermögen der Reichen rascher als die der Armen – die Einkommensschere ist eine unausweichliche Folge einer boomenden Wirtschaft. Global gesehen hat das Wachstum in Indien und China jedoch die Unterschiede zwischen Arm und Reich schrumpfen lassen.¹⁷ So schreibt Hayek, dass, »wenn der Aufstieg der unteren Klassen sich einmal zu beschleunigen beginnt, die Versorgung der Reichen aufhört, die Hauptquelle großer Gewinne zu sein, und die Bemühungen sich anstatt dessen den Bedürfnissen der Massen zuwenden. Die Kräfte, die die Ungleichheit zunächst selbstverstärkend machen, haben später die Tendenz, sie auszugleichen.«¹⁸

    Auch in einem anderen Bereich befindet sich die Ungleichheit auf dem Rückzug. Bei Intelligenztests gibt es immer weniger deutliche Ausschläge – die niedrigen IQs werden seltener und schließen zu den höheren auf. Dies erklärt den gleichmäßig fortschreitenden und überall festzustellenden Anstieg des durchschnittlichen Intelligenzquotienten bei Menschen jeglichen Alters – um drei Prozent pro Jahrzehnt. Zwei spanische Studien stellten fest, dass der IQ innerhalb von drei Jahrzehnten um 9,7 Prozent gestiegen war, und zwar weit deutlicher in der Probandengruppe mit der geringeren Intelligenz. Dieses auch als Flynn-Effekt bezeichnete Phänomen – James R. Flynn war der Erste, der darauf aufmerksam machte¹⁹ – wurde zunächst nicht erkannt, sondern Änderungen im Testverfahren oder den Auswirkungen eines besseren und längeren Schulunterrichts zugeschrieben. Doch die Tatsachen zeigen uns etwas anderes, denn am schwächsten war dieser Effekt bei den klügsten Kindern und in jenen Tests ausgeprägt, die sich eng an erlerntem Wissen orientieren. Verantwortlich für die Angleichung der IQs sind einheitlichere Ernährung, Anregungen und Erfahrungsvielfalt in der Kindheit. Man kann natürlich einwenden, dass der IQ vielleicht nicht den wirklichen Grad der Intelligenz wiedergibt, aber dass es eine Steigerung und zugleich eine Annäherung gibt, lässt sich nicht leugnen.

    Selbst die Justiz wurde gerechter, da man mithilfe neuer Techniken Fehlurteile erkannte und die wahren Schuldigen aufspüren konnte. Bis heute wurden in den USA nach DNA-Tests 234 unschuldig Verurteilte freigelassen, die durchschnittlich zwölf Jahre in Haft gewesen waren, 17 davon in der Todeszelle.²⁰ Als man bei kriminaltechnischen Untersuchungen 1986 zum ersten Mal von dem DNA-Test Gebrauch machte, konnte ein Unschuldiger entlastet und der wahre Mörder gefunden werden, ein Vorgang, der sich seither viele Male wiederholt hat.

    Billige Beleuchtung

    Diese reicheren, gesünderen, größeren, klügeren, freieren Menschen mit einer höheren Lebenserwartung – also wir alle – genießen einen großen Überfluss, zumal die Preise für die meisten Dinge des täglichen Gebrauchs stetig sinken. Die vier wichtigsten Grundbedürfnisse des Menschen – Nahrung, Kleidung, Energie und Wohnen – sind in den letzten zwei Jahrhunderten deutlich billiger geworden. Besonders gilt das für Lebensmittel und Kleidung (abgesehen von einem kurzen Anstieg der Lebensmittelpreise im Jahr 2008), während der Preis bei der Energie schwankt. Sogar das Wohnen kostet offenbar weniger als früher: Auch wenn es manchen überraschen mag, muss eine Familie dafür heute nicht mehr so viel aufwenden wie im Jahr 1900 oder gar 1700 – trotz der moderneren Ausstattung mit Elektrizität, Telefon und fließendem Wasser.²¹ Wenn der Grundbedarf günstiger zu haben ist, kann man einen größeren Teil seines Einkommens für Luxus ausgeben. Künstliches Licht liegt im Grenzbereich zwischen Grundbedarf und Luxus. In Geld gemessen, war künstliche Beleuchtung im England des Jahres 1300 20.000-mal teurer als heute.²²

    So enorm diese Differenz auch ist, noch deutlicher kommt der Fortschritt vor allem der letzten Jahre im Verhältnis zur Arbeitsleistung zum Ausdruck. Vergleichen wir, wie viel künstliches Licht wir uns mit dem Lohn für eine Arbeitsstunde kaufen können, zeigt sich, dass die Menge von 24 Lumenstunden im Jahr 1750 v. Chr. (Lampe mit Sesamöl) über 186 Stunden im Jahr 1800 (Talglicht), 4.400 Stunden im Jahr 1880 (Petroleumlampe) und 531.000 Stunden im Jahr 1950 (Leuchtstoffröhre) bis auf die heutigen 8,4 Millionen Lumenstunden (Energiesparbirne) gestiegen ist. Anders gesagt erwirtschaften wir heute mit einer Arbeitsstunde das Licht für 300 Tage Lesevergnügen, während wir 1800 dafür lediglich zehn Minuten bekamen.²³ Oder andersherum: Wie lange müssen wir arbeiten, um eine 18-Watt-Energiesparbirne eine Stunde brennen zu lassen? Heute kostet es bei einem Durchschnittsgehalt noch nicht einmal eine halbe Sekunde unserer Arbeitszeit, während es 1950 mit einer konventionellen Glühbirne und dem damaligen Gehalt noch acht Sekunden waren. In den 1880er-Jahren, als man Petroleumlampen verwendete, musste man für eine Stunde Beleuchtung etwa 15 Minuten arbeiten und 1750 v. Chr. in Babylon, als das Licht mit Sesamöllampen erzeugt wurde, kostete es mehr als 50 Arbeitsstunden. Von sechs Stunden bis zu einer halben Sekunde – eine Verbesserung um den Faktor 43.200 – für eine Stunde Licht: Um so viel stehen wir besser da als unsere Vorfahren im Jahr 1800, errechnet man es in der Währung unserer Tage, also in Zeit.²⁴ Jetzt ist auch klar, warum meine fiktionale Familie ihre Mahlzeit beim Schein des Feuers einnahm.

    Viele dieser Verbesserungen sind in den Berechnungen der Lebenshaltungskosten, die mühsam Gleiches mit Ungleichem in Beziehung setzen, nicht enthalten. Der Ökonom Donald Boudreaux wies einmal darauf hin, dass ein Durchschnittsamerikaner, der mit seinem heutigen Einkommen ins Jahr 1967 zurückkehrte, vielleicht der reichste Einwohner der Stadt wäre, sich aber mit keinem Geld der Welt die Freuden von Ebay, Amazon, Starbucks, Wal-Mart, Prozac, Google oder BlackBerry erkaufen könnte.²⁵ Außerdem sind in den oben aufgeführten Zahlen zur Beleuchtung noch nicht die größere Bequemlichkeit und die geringere Verschmutzung durch die Verwendung von Elektrizität im Gegensatz zu Kerzen oder Petroleum berücksichtigt – einfache Handhabung, kein Ruß, keine Geruchsbildung, kein Flackern, weniger Brandgefahr. Darüber hinaus stehen wir mit der Weiterentwicklung unserer Beleuchtung noch lange nicht am Ende. Energiesparbirnen sind in der Umwandlung von Elektronenenergie in Photonenenergie dreimal effizienter als konventionelle Glühbirnen, dennoch werden sie rasch von der Leuchtdiode (LED) überholt (man hat bereits LEDs vorgestellt, die zehnmal so ergiebig sind wie Glühbirnen), die den zusätzlichen Nutzen hat, dass man sie auch in Taschen- und anderen tragbaren Lampen verwenden kann. Eine günstige, von einer solargespeisten Batterie betriebene LED-Taschenlampe wird mit Sicherheit bald das Leben jener 1,6 Milliarden Menschen umkrempeln, denen keine Elektrizität zur Verfügung steht, vor allem das der Bauern in Afrika. Gegenwärtig sind LEDs noch zu teuer, um Glühbirnen in größerem Maßstab zu ersetzen, doch das könnte sich bald ändern.

    Vergessen wir also nicht, was diese Verbesserungen in der Versorgung mit künstlicher Beleuchtung bedeuten: Entweder wir leisten uns mehr Licht oder wir arbeiten weniger oder wir kaufen uns andere Dinge. Durch den geringeren Aufwand an Arbeitszeit für Licht können wir die gewonnene Zeit für etwas anderes nutzen. Als Folge könnte ein Arbeitsloser möglicherweise wieder eine Stelle finden. Die bessere Technik der Lichtversorgung gibt uns die Freiheit, ein anderes Produkt – sei es ein Gegenstand oder eine Dienstleistung – herzustellen oder zu erwerben oder uns sozial zu engagieren. Und genau das ist wirtschaftliches Wachstum.

    Gesparte Zeit

    Was zählt, ist Zeit – und nicht Dollar oder Kaurimuscheln oder Gold. Der wahre Maßstab für den Wert eines Gegenstands sind die Stunden, die man arbeiten muss, um ihn zu erwerben. Wenn wir ihn selbst herstellen, sind es gewöhnlich mehr, als wenn wir ihn als von anderen gefertigtes Endprodukt kaufen. Und wenn wir ihn als effizient gefertigtes Endprodukt bekommen, können wir uns oft mehr davon leisten. Als das Licht billiger wurde, haben die Menschen mehr verbraucht. Ein durchschnittlicher Brite konsumiert heute etwa 40.000-mal mehr künstliches Licht als im Jahr 1750 und außerdem 50-mal mehr Energie und legt 250-mal mehr Kilometer zurück.²⁶

    Das ist Wohlstand: die gestiegene Menge von Gütern oder Dienstleistungen, die man sich mit derselben Menge Arbeit leisten kann. Noch Mitte der 1800er-Jahre entsprachen die Kosten einer Reise in der Kutsche von Paris nach Bordeaux dem Monatslohn eines Angestellten, heute entsprechen sie ungefähr dem Gehalt eines Tages und das Ganze dauert nur ein Fünfzigstel der Zeit. Ein Liter Milch kostete 1970 in Amerika noch etwa fünf Minuten der Arbeitszeit eines Durchschnittsverdieners, 1997 waren es nur noch dreieinhalb. Für einen dreiminütigen Telefonanruf von New York nach Los Angeles musste ein Durchschnittsverdiener 1910 noch 90 Arbeitsstunden aufwenden, heute sind es nicht einmal zwei Minuten. Eine Kilowattstunde Elektrizität kostete 1900 eine Arbeitsstunde und heute fünf Minuten. In den 1950er-Jahren musste man für einen Cheeseburger bei McDonald’s 30 Minuten arbeiten, heute nur noch drei. Zu den wenigen Dingen, die uns gegenwärtig mehr Arbeitszeit kosten als in den 1950er-Jahren, gehören Gesundheitsversorgung und Bildung.²⁷

    Selbst die berüchtigtsten Kapitalisten, die Räuberbarone des ausgehenden 19. Jahrhunderts, verdienten ihr Vermögen in der Regel dadurch, dass sie die Dinge billiger machten. Cornelius Vanderbilt war der Erste, der – in der New York Times – diesen unrühmlichen Titel verliehen bekam, und das zu Recht, denn er war der Inbegriff eines Räuberbarons. Dennoch ist interessant, was Harper’s Weekly 1859 über seine Eisenbahnlinien schrieb:

    In jedem Falle hat Vanderbilt mit dem Bau seiner Konkurrenzstrecken ein dauerhaftes Absinken der Fahrpreise bewirkt. Wo immer er eine rivalisierende Strecke »anschloss«, senkte man unverzüglich die Tarife, und wie der Wettbewerb auch ausging – ob er nun seine Konkurrenten aufkaufte, wie es oft geschah, oder sie ihn –, die Fahrpreise wurden nie wieder auf ihr früheres Niveau angehoben. Diesen großen Segen – günstiges Reisen – verdankt unsere Gesellschaft im Wesentlichen Cornelius Vanderbilt.²⁸

    Die Tarife für Bahnfracht fielen zwischen 1870 und 1900 um 90 Prozent. Es lässt sich nicht bestreiten, dass sich Vanderbilt seinen Erfolg gelegentlich mit Bestechung und Schikanen erkaufte und dass er seinen Arbeitern manchmal niedrigere Löhne zahlte als andere – ich möchte ihn nicht als Heiligen hinstellen –, zugleich ist jedoch klar, dass er den Verbrauchern durch sein Vorgehen mit den erschwinglichen Fahrpreisen einen großen Vorteil verschaffte, der ihnen sonst entgangen wäre. Ähnlich verhält es sich mit dem Industriellen Andrew Carnegie, der, während er ein riesiges Vermögen anhäufte, die Preise für Stahlschienen um 75 Prozent senkte, und mit dem Unternehmer John D. Rockefeller, der dafür verantwortlich war, dass das Öl um 80 Prozent billiger wurde. In jenen 30 Jahren stieg das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in den Vereinigten Staaten um 66 Prozent. Die Räuberbarone bereicherten also nicht nur sich selbst, sondern auch andere.²⁹

    Henry Ford machte sein Vermögen, indem er die Anschaffungskosten für Autos senkte.³⁰ Sein erstes T-Modell war zu seiner Zeit mit 825 Dollar bereits unverhältnismäßig günstig, doch vier Jahre später betrug dessen Preis nur noch 575 Dollar. Im Jahr 1908 musste man 4.700 Arbeitsstunden aufwenden, um sich ein T-Modell leisten zu können. Heute brauchen wir 1.000 Arbeitsstunden für ein normales Auto – obwohl es eine Ausstattung hat, die man beim T-Modell noch vergeblich gesucht hätte. Dank der Erfindungen von Charles Martin Hall und seinen Nachfolgern bei Alcoa (Aluminium Company of America) sank der Aluminiumpreis von 545 Dollar pro Pfund in den 1880ern auf 20 Cent pro Pfund in den 1930ern.³¹ (Zur Belohnung wurde Alcoa von der Regierung wegen illegaler Monopolisierung in 140 Fällen angeklagt, denn man wertete die rasche Preissenkung ihrer Produkte als Beweis für Alcoas Entschlossenheit, die Konkurrenz auszuschalten. Microsoft sah sich später demselben Vorwurf ausgesetzt.) Als Juan Trippe 1945 in seiner Pan Am billige Plätze in der Touristenklasse anbot, waren andere Fluggesellschaften so empört, dass sie ihre Regierungen drängten, Pan Am die Landeerlaubnis zu entziehen.³² Zu seiner Schande ging Großbritannien darauf ein, was zur Folge hatte, dass Pan Am Irland anflog. Die Kosten für Rechenleistungen sanken im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts derart rasant, dass wir für das, was uns ein kleiner Taschenrechner aus dem Jahr 2000 an Leistungen bot, 1975 noch einen Lebenslohn hätten zahlen müssen. Der Preis eines DVD-Players fiel von 400 britischen Pfund im Jahr 1999 in nur fünf Jahren auf 40 Pfund, eine Entwicklung, die man zuvor schon bei Videorekordern hatte beobachten können, nur dass sie sich innerhalb eines viel kürzeren Zeitraums vollzog.

    Fallende Verbraucherpreise machen die Menschen reicher (ein Absinken der Aktienpreise kann sie ruinieren, weil die Aktienpreise dazu dienen, an die nötigen Geldmittel für den Erwerb von Konsumgütern zu kommen). Führen wir uns noch einmal vor Augen, dass der wahre Maßstab für Wohlstand die Zeit ist. Wenn uns Cornelius Vanderbilt oder Henry Ford nicht nur rascher an den gewünschten Ort transportieren, sondern wir auch weniger Arbeitsstunden für die Kosten der Reise aufwenden müssen, dann haben sie uns reicher gemacht, denn sie geben uns ein Mehr an freier Zeit. Entscheiden wir uns daraufhin, diese gewonnene Zeit für den Konsum des Produkts eines anderen zu verwenden, geben wir ihm die Möglichkeit, reicher zu werden; nutzen wir diese Zeit für die Herstellung von Produkten, die andere konsumieren, mehren wir ebenfalls unseren Reichtum.

    Auch der Immobilienmarkt giert nach einer Verbilligung des Angebots, aber die Regierungen haben das aus den unterschiedlichsten Gründen bisher zu verhindern gewusst. Während der Preis für Wohnraum von 30 Quadratmetern im Jahr 1956 noch dem Gegenwert von 16 Wochengehältern entsprach, sind es heute 14, und das bei besserer Qualität.³³ Wenn man jedoch bedenkt, wie leicht mit den modernen technischen Möglichkeiten ein Haus gebaut werden kann, hätte der Preisrückgang viel deutlicher ausfallen müssen. Dies wird jedoch von den Regierungen einmal über Bauvorschriften und Bebauungspläne verhindert, die das Angebot (besonders in Großbritannien) begrenzt halten, dann über Einsatz eines Steuersystems, das die Hypothekenaufnahme unterstützt (zumindest in den Vereinigten Staaten, in Großbritannien nicht mehr), und schließlich durch alle erdenklichen Maßnahmen, die ein Absinken der Immobilienpreise nach dem Platzen einer Blase verhindern. Dies erschwert das Leben von Menschen, die keine Wohnung ihr Eigen nennen können, während all jene, die bereits Eigentümer sind, massiv beschenkt werden. Um das zu korrigieren, müssten Regierungen den Bau erschwinglichen Wohneigentums fördern oder günstige Kredite für Arme zur Verfügung stellen.³⁴

    Glück

    Sind die Menschen glücklicher, wenn die Preise für Bedarfs- und Luxusgüter sinken? Um die Jahrtausendwende entstand eine kleine Nischenwissenschaft, die sich mit der »Wirtschaft des Glücks« beschäftigte. Ausgangspunkt war das Paradoxon, dass reichere Menschen nicht zwangsläufig auch glücklichere Menschen sind. Oberhalb eines bestimmten Pro-Kopf-Einkommens (laut Richard Layard 15.000 Dollar pro Jahr)³⁵ konnte man sich mit Geld offenbar kein Mehr an subjektivem Wohlbefinden erkaufen. Während die Wissenschaft Bücher und Abhandlungen veröffentlichte, ergingen sich die Rezensenten in unverhüllter Schadenfreude – welch ein Glück, dass auch die Reichen unglücklich sind. Politiker griffen das Thema auf, und plötzlich befassten sich Regierungen von Thailand bis Großbritannien mit der Aufgabe, anstelle des Bruttosozialprodukts das Bruttoglücksgefühl zu maximieren. In britischen Regierungsstellen gibt es inzwischen »well-being divisions« (Abteilungen für Wohlbefinden). Als der Erste, der sich diesem Anliegen widmete, gilt König Jigme Singye Wangchuck von Bhutan, der 1972 erklärte, dem Wirtschaftswachstum komme als nationalem Ziel in seinem Land nach dem Wohlbefinden der Bürger nur der zweite Rang zu. Wenn Wirtschaftswachstum nicht automatisch zu einer glücklicheren Gesellschaft führt, sagt die neue Erkenntnis, dann ergebe das Streben nach Wohlstand keinen Sinn und die Weltwirtschaft müsse bei einem vernünftigen Einkommensniveau sanft abgebremst werden. Oder, wie es ein Ökonom formulierte: »Die Hippies hatten es schon ganz richtig erkannt.«³⁶

    Wenn das stimmt, zerplatzt der Ballon des rationalen Optimisten. Warum sollten wir unsere fortgesetzten Siege über Hunger und Tod, über Krankheit und Schinderei feiern, wenn sie die Menschen nicht glücklicher machen? Aber die These ist falsch. Am Beginn der Diskussion stand eine Studie von Richard Easterlin aus dem Jahr 1974, in der es hieß, die Reichen in der Bevölkerung eines Landes seien zwar glücklicher als die Armen, die Gesamtbevölkerung eines reicheren Landes sei aber nicht glücklicher als die eines armen.³⁷ Seitdem ist das »Easterlin-Paradox« der zentrale Glaubenssatz der Debatte. Problematisch ist dabei nur, dass es nicht stimmt. In zwei im Jahr 2008 veröffentlichten Abhandlungen wurde Easterlins Datenmaterial analysiert und übereinstimmend und unanfechtbar nachgewiesen, dass es das Easterlin-Paradox nicht gibt.³⁸ Reiche Menschen sind glücklicher als arme, reichere Länder haben eine zufriedenere Bevölkerung als arme und die Menschen werden mit wachsendem Reichtum auch glücklicher. Die frühere Untersuchung hatte sich schlichtweg auf eine zu kleine Stichprobengruppe gestützt, als dass sie signifikante Unterschiede hätte ermitteln können. In allen drei Vergleichskategorien – innerhalb eines Landes, zwischen den verschiedenen Ländern und zwischen verschiedenen Zeiträumen – zeigte sich, dass ein Zuwachs an Einkommen tatsächlich auch einen Zuwachs an allgemeinem Wohlbefinden zur Folge hat. Das heißt, im Durchschnitt, länderübergreifend, im Großen und Ganzen und unter sonst gleichen Voraussetzungen macht uns mehr Geld glücklicher. Und wie es in der Studie heißt: »Zusammenfassend weisen sowohl unsere Zeitreihenvergleiche als auch die Erkenntnisse aus wiederholten internationalen Querschnittsvergleichen auf einen entscheidenden Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Wachstum und dem Anstieg des subjektiven Wohlbefindens hin.«³⁹

    Es gibt allerdings auch Ausnahmen. So zeigt sich in den USA gegenwärtig kein Trend zu erhöhter Zufriedenheit. Liegt es daran, dass die Reichen noch reicher geworden sind, während das Einkommen der durchschnittlichen Amerikaner in den letzten Jahren nicht gestiegen ist? Oder daran, dass die Vereinigten Staaten in der Regel arme (unglückliche) Einwanderer anziehen, die den Glücksquotienten senken? Wer weiß? Dass die Amerikaner zu reich sind, um noch glücklicher zu werden, ist sicherlich nicht die Ursache: Bei Japanern und Europäern, die oft ebenso gut gestellt sind wie die Amerikaner, stieg mit wachsendem Wohlstand auch die Zufriedenheit. Darüber hinaus äußern Frauen in den USA überraschenderweise sogar weniger Zufriedenheit, obwohl sich ihre finanzielle Situation gebessert hat.

    Natürlich kann man reich und trotzdem unglücklich sein, wie uns viele Prominente so schön vor Augen führen. Natürlich kann man zu Reichtum kommen und sich grämen, nicht noch reicher zu sein – verglichen mit den Nachbarn oder den Leuten im Fernsehen. Ökonomen nennen diesen Effekt »Anspruchstretmühle«, wir anderen kennen ihn als »Kirschen in Nachbars Garten«. Und wahrscheinlich stimmt es, dass die Reichen in ihrem Streben nach mehr unseren Planeten über das Maß ausbeuten, obwohl sie den Punkt längst überschritten haben, an dem es sich positiv auf ihre Zufriedenheit auswirkt. Aber schließlich folgen sie nur ihrem Instinkt für den »Konkurrenzkampf«, ein Erbe der Jäger und Sammler, bei denen damals nicht der absolute Status die sexuelle Belohnung sicherte, sondern der relative. Aus diesem Grund sollte man vielleicht eine Verbrauchssteuer ins Auge fassen, um so zum Sparen für Investitionen anzuregen.⁴⁰ Die Betroffenen wären zwar nicht zwangsläufig glücklicher, wenn sie weniger Geld zur Verfügung hätten – aber besser, man ist finanziell abgesichert und unglücklich als arm und unglücklich.⁴¹ Natürlich wird es immer unglückliche Menschen geben, auch wenn sie noch so reich sind, während andere selbst in Armut ihren Frohsinn behalten: Psychologen haben festgestellt, dass das Glücksniveau des Einzelnen relativ konstant bleibt und er nach einem freudigen oder schrecklichen Ereignis immer wieder dorthin zurückkehrt.⁴² Darüber hinaus hat die über Millionen von Jahre reichende natürliche Selektion im Menschen den Ehrgeiz gestärkt, möglichst erfolgreiche Kinder aufzuziehen, statt sich behaglich einzurichten: Wir sind auf Begehren programmiert, nicht auf Zufriedenheit.

    Seinen Reichtum zu mehren ist nicht der einzige und nicht einmal der beste Weg, um glücklicher zu werden. Eine weitaus wichtigere Rolle spielen gesellschaftliche und politische Freiheit, sagt der Politologe Ronald Inglehart: Den größten Zuwachs an Zufriedenheit verzeichnen Gesellschaften, die den Menschen die Freiheit geben, ihre Lebensumstände selbst zu wählen – also wo wir wohnen, wen wir heiraten, wie wir unsere Sexualität ausleben und Ähnliches.⁴³ Dass seit 1981 in 45 von 52 Staaten ein gestiegenes Wohlbefinden verzeichnet werden konnte, liegt also in einer gestiegenen Entscheidungsfreiheit begründet. Ruut Veenhoven stellt fest: »Je stärker die Individualisierung in einem Land, desto zufriedener sind die Bürger mit ihrem Leben.«⁴⁴

    Krise

    Das Leben ist zwar schön, doch gegenwärtig wird das manch einer bezweifeln. Die rosaroten Statistiken, die die Fortschritte der letzten Jahre belegen, klingen hohl in den Ohren eines entlassenen Autobauers in Detroit oder eines zwangsenteigneten Hausbesitzers in Reykjavík, eines Cholera-Opfers in Simbabwe oder eines vor dem Völkermord fliehenden Kongolesen. Millionen Menschen leiden noch immer unter Krieg, Krankheiten, Korruption und Hass und es ist nicht auszuschließen, dass das 21. Jahrhundert von nuklearem Terrorismus, steigenden Meeresspiegeln und Grippeepidemien geplagt wird. Wir können diese Schrecken jedoch nicht verhindern, indem wir das Schlimmste befürchten, sondern nur, indem wir uns weiterhin für ein glücklicheres Schicksal aller Menschen einsetzen. Weil wir in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder erfahren haben, welche Fortschritte in dieser Hinsicht möglich sind, hat die Menschheit angesichts der noch bestehenden Mängel die moralische Verpflichtung, die wirtschaftliche Entwicklung weiter voranzutreiben. Wandel, Erneuerung und Wachstum abzulehnen heißt, sich möglichem sozialem Fortschritt in den Weg zu stellen. Denken wir nur daran, wie Anfang der 2000er-Jahre Interessengruppen aus übertriebener Vorsicht Hilfssendungen mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln an Sambia verhinderten und damit womöglich die Hungersnot in dem Land verschlimmerten.⁴⁵ Das Vorsichtsprinzip – besser auf Nummer sicher gehen – führt sich selbst ad absurdum: Eine von Sicherheitsdenken beherrschte Welt beschert uns Stagnation und keine Sicherheit.⁴⁶

    In jüngster Zeit führte der Zusammenbruch der Finanzsysteme im Jahr 2008 zu einer tiefen und schmerzlichen Rezession, die in vielen Teilen der Welt Massenarbeitslosigkeit zur Folge haben und das Leben vieler Menschen erschweren wird. Die reale Steigerung des Lebensstandards erscheint manchen heute als Trickserei, als ein Schneeballsystem, in dem wir unseren Wohlstand aus den Mitteln zukünftiger Generationen finanzieren.

    Bis er 2008 aufflog, versprach Bernard Madoff seinen Investoren für ihr Geld in den ersten 30 Jahren die gleichmäßig hohe Rendite von mehr als einem Prozent pro Monat. Um das zu leisten, zahlte er die Zinsen der früheren Investoren aus dem Kapital später hinzugekommener Investoren – ein alter Kettenbrieftrick, der sich irgendwann totläuft. Als das Konstrukt zusammenbrach, hatte er Investorengelder in Höhe von 65 Milliarden Dollar verbrannt. Es war das gleiche Prinzip, nach dem auch John Law im Jahr 1719 in Paris mit seiner Mississippi-Kompanie, John Blunt 1720 in London mit seiner South Sea Company, Charles Ponzi 1920 in Boston mit den Internationalen Antwortscheinen und Kenneth Lay mit den Enron-Aktien 2001 verfuhren.

    Beruht womöglich nicht nur der gegenwärtige Boom des Anleihenmarkts, sondern auch der gesamte Anstieg des Lebensstandards nach Ende des Zweiten Weltkriegs auf einem derartigen Ponzi-Trick, ermöglicht durch eine stetig wachsende Kreditaufnahme? Sind wir letztlich nur deshalb so reich geworden, weil wir uns die Mittel von unseren Kindern geborgt haben? Ist nun der Tag der Abrechnung gekommen? Sicherlich stimmt es, dass unsere Hypotheken geborgtes Geld sind (von einem Sparer von irgendwoher, vielleicht aus China), das wir irgendwann in der Zukunft zurückzahlen müssen. Es stimmt auch, dass unsere staatliche Rente auf beiden Seiten des Atlantiks aus den Steuergeldern unserer Kinder finanziert werden wird und nicht aus den Abzügen auf unserem Gehaltszettel, wie so viele meinen.

    Doch daran ist nichts Unnatürliches. Es ist sogar ein typisch menschlicher Wesenszug. Schimpansen haben im Alter von 15 Jahren rund 40 Prozent der Kalorien verbraucht, die sie im Lauf ihres Lebens benötigen, und etwa 40 Prozent produziert. Die menschlichen Jäger und Sammler hingegen haben im selben Alter 20 Prozent ihrer Lebenskalorien konsumiert, doch nur vier Prozent hergestellt.⁴⁷ Mehr als jede andere Spezies lebt der Mensch auf Pump und verlässt sich auf seine zukünftigen Fähigkeiten, während er sich in den frühen Jahren auf andere stützt. Die Ursache hierfür liegt vor allem darin, dass sich die Jäger und Sammler stets auf Nahrungsmittel spezialisiert hatten, die sie extrahieren und verarbeiten mussten – Wurzeln, die ausgegraben und gekocht, Muscheln, die geöffnet, Nüsse, die geknackt, und erlegte Wildtiere, die zerteilt werden mussten. Schimpansen hingegen fressen Dinge wie Termiten oder Früchte, die sie einfach nur suchen und sammeln. Man braucht Zeit, Übung und ein großes Gehirn, um sich die Kenntnisse des Extrahierens und Verarbeitens anzueignen, doch hat sie ein Mensch erst einmal erworben, kann er einen großen Kalorienüberschuss erzeugen, um ihn mit den Kindern zu teilen. Interessanterweise gleicht das Produktionsmuster der Jäger und Sammler im Verhältnis zu ihrer Lebensspanne eher der Lebensweise der westlichen Moderne als der bäuerlichen und feudalen Gesellschaft oder der Zeit zu Beginn der Industrialisierung. Das Phänomen, dass es 20 Jahre dauert, ehe die Kinder mehr einbringen, als sie konsumieren, bevor sie 40 Jahre lang äußerst produktiv sind, war bei den Jägern und Sammlern demnach ebenso verbreitet wie in den modernen Gesellschaften, nicht aber im gleichen Maß in den dazwischenliegenden Epochen, in denen Kinder arbeiten konnten und mussten, um zu ihrer eigenen Versorgung beizutragen.

    Heute allerdings finden Generationentransfers eher auf kollektiver Ebene statt – mit der Lohn- und Einkommensteuer der arbeitenden Bevölkerung in ihrer Blütezeit etwa finanzieren wir die Ausbildung aller. In diesem Sinn muss sich die Wirtschaft (im Grunde wie ein Kettenbrief, wenn auch nicht nach dem Muster der Finanzhaie) weiterentwickeln oder das System bricht zusammen. Durch das Bankenwesen ist es den Menschen möglich, in der Jugend Kredite aufzunehmen und zu konsumieren und im Alter zu sparen und Kredite zu vergeben, sodass der Lebensstandard einer Familie im Lauf der Jahrzehnte ausgeglichen bleibt. Die Jungen können für den Lebensunterhalt der älteren Generation aufkommen, weil sie durch Innovationen in der Lage sind, das Vermögen zu vermehren. Wenn jemand einen auf drei Jahrzehnte eingerichteten Kredit aufnimmt, um in eine Firma zu investieren, die ein Produkt erfindet, das ihren Kunden Zeit sparen hilft, dann werden nicht nur er, sondern auch die Kunden reicher, bis der Kredit irgendwann an die nächste Generation zurückgezahlt werden kann. Das ist Wachstum. Wenn hingegen jemand einen Kredit aufnimmt, um seinen luxuriösen Lebensstil aufrechtzuerhalten oder durch den Kauf einer zweiten Wohnung auf dem Vermögensmarkt zu spekulieren, stehen die späteren Generationen auf der Verliererseite. Inzwischen wissen wir, dass genau dies in den 2000er-Jahren passierte: Privatpersonen und Unternehmen in viel zu großer Zahl borgten sich mehr von zukünftigen Generationen, als durch ihre Innovationsrate gedeckt war. Sie lenkten zu viele Ressourcen in unproduktive Kanäle. Fast alle Wirtschaftskrisen beruhten bislang darauf, dass zu wenig Geld in Innovationen und zu viel in die Inflation von Vermögenswerten oder in Krieg, Korruption, Luxus und unrechtmäßige Bereicherung floss.

    Das Spanien unter Karl V. und Philipp II. wusste den ungeheuren Reichtum der peruanischen Silberminen nicht zu nutzen. Unter dem gleichen »Ressourcenfluch« litten seither auch

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