Aus Liebe zu diesen beiden: Mami 1944 – Familienroman
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Olivia Rutland bummelte heute Überstunden ab – heute, an diesem ganz gewöhnlichen Dienstag Anfang April. Für die junge Frau war es aber trotzdem ein besonderer Tag. Ihre Kolleginnen und Kollegen vom großen Gartenmarkt, in dem Olivia seit nahezu vier Jahren als Floristin arbeitete, hatten amüsiert gelächelt, als sie ihnen erklärt hatte, diesen Tag müsse sie unbedingt feiern, zuerst allein und dann mit ihrem kleinen Sohn. Es war nämlich der Tag ihrer Scheidung. Vor genau zwei Jahren hatte sie sich endgültig von ihrem Mann getrennt, diesem sogenannten »Allerweltskerl«, der für Frau und Kind kaum Zeit fand und einem erotischen Abenteuer nie abgeneigt war. Sie vermißte ihn nicht, ganz im Gegenteil. Endlich kam sie innerlich zur Ruhe. Der Sohn wurde ihr zugesprochen, und Andreas mußte zahlen, tüchtig zahlen. Und er sollte sich ja nicht einfallen lassen, das nicht zu tun. Dann würde er seine Ex-Frau aber kennenlernen. Offensichtlich wußte Andreas Rutland das genau, denn pünktlich trafen die Unterhaltszahlungen ein. Er allerdings kam so selten, daß Klein Jonas in ihm mittlerweile nur einen netten Onkel sah, der ihn zum Geburtstag und zu Weihnachten besuchte und stets ein teures Spielzeug und viele Süßigkeiten mitbrachte. Ja, die erfolgreiche Scheidung war durchaus ein Grund, sich wieder etwas Hübsches zu gönnen. Die junge Frau lächelte vor sich hin und ging gleich nach der Arbeit zum Friseur. Dort ließ sie sich ihr dickes kastanienbraunes Haar zu einer modernen Kurzhaarfrisur schneiden, kaufte sich anschließend in einem renommierten Modesalon ein schickes Frühjahrskostüm und fuhr dann zur Kindertagesstätte, um ihren Sohn abzuholen. Der Kleine freute sich riesig, denn es kam nicht allzu oft vor, daß seine Mutti früher als sonst kam. »Mutti – Mutti!« kreischte er vergnügt und lief ihr entgegen. Anorak und die Handschuhe an.
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Aus Liebe zu diesen beiden - Karina Kaiser
Mami
– 1944–
Aus Liebe zu diesen beiden
… finden Olivia und Ingmar eine Lösung
Karina Kaiser
Olivia Rutland bummelte heute Überstunden ab – heute, an diesem ganz gewöhnlichen Dienstag Anfang April. Für die junge Frau war es aber trotzdem ein besonderer Tag.
Ihre Kolleginnen und Kollegen vom großen Gartenmarkt, in dem Olivia seit nahezu vier Jahren als Floristin arbeitete, hatten amüsiert gelächelt, als sie ihnen erklärt hatte, diesen Tag müsse sie unbedingt feiern, zuerst allein und dann mit ihrem kleinen Sohn. Es war nämlich der Tag ihrer Scheidung.
Vor genau zwei Jahren hatte sie sich endgültig von ihrem Mann getrennt, diesem sogenannten »Allerweltskerl«, der für Frau und Kind kaum Zeit fand und einem erotischen Abenteuer nie abgeneigt war. Sie vermißte ihn nicht, ganz im Gegenteil. Endlich kam sie innerlich zur Ruhe. Der Sohn wurde ihr zugesprochen, und Andreas mußte zahlen, tüchtig zahlen. Und er sollte sich ja nicht einfallen lassen, das nicht zu tun. Dann würde er seine Ex-Frau aber kennenlernen.
Offensichtlich wußte Andreas Rutland das genau, denn pünktlich trafen die Unterhaltszahlungen ein. Er allerdings kam so selten, daß Klein Jonas in ihm mittlerweile nur einen netten Onkel sah, der ihn zum Geburtstag und zu Weihnachten besuchte und stets ein teures Spielzeug und viele Süßigkeiten mitbrachte.
Ja, die erfolgreiche Scheidung war durchaus ein Grund, sich wieder etwas Hübsches zu gönnen. Die junge Frau lächelte vor sich hin und ging gleich nach der Arbeit zum Friseur. Dort ließ sie sich ihr dickes kastanienbraunes Haar zu einer modernen Kurzhaarfrisur schneiden, kaufte sich anschließend in einem renommierten Modesalon ein schickes Frühjahrskostüm und fuhr dann zur Kindertagesstätte, um ihren Sohn abzuholen.
Der Kleine freute sich riesig, denn es kam nicht allzu oft vor, daß seine Mutti früher als sonst kam.
»Mutti – Mutti!« kreischte er vergnügt und lief ihr entgegen. Olivia nahm ihn in die Arme, drückte ihn einen Moment an sich und zog ihm danach seinen
Anorak und die Handschuhe an. Eine warme Mütze folgte. So konnte Jonas Rutland dem scharfen Wind trotzen, zumal man bis zum Auto seiner Mutter nur ein paar Schritte zurückzulegen brauchte. Olivia sorgte sich seit längerer Zeit ein wenig um den kleinen Mann, denn er war leider recht oft krank, nicht schlimm, aber Husten, Schnupfen und Fieber plagten ihn oft – viel zu oft.
Der Kinderarzt hatte schließlich eine Kur empfohlen – eine »Mutter und Kind-Kur«. Olivia hatte diese bei der Krankenkasse beantragt, vor Wochen schon. Eine Antwort hatte sie bisher nicht erhalten, man hüllte sich in diskretes Schweigen.
Inzwischen war Olivia mit ihrem Kleinen zu Hause angekommen.
»Möchtest du nachher einen Schokoladenpudding haben?« fragte sie Jonas, während sie den Hausflur betraten.
Der Junge nickte kräftig. Olivia hatte unterdessen die Post aus dem Kasten genommen und blätterte sie flüchtig durch. Viel Werbung und ein Brief von der Krankenkasse.
Das würde endlich die Genehmigung zur Kur sein. Olivia freute sich und drückte die kleine Hand von ihrem Sohn.
»Da werden wir es uns jetzt ein paar Wochen aber so richtig gemütlich machen, Sohnemann«, versprach sie ihm, nahm ihn auf die Arme und eilte mit ihm zu ihrer Wohnung. Dort stellte sie die Einkäufe auf den Küchentisch, befreite den Jungen von seinen warmen Sachen und gab ihm einen Becher mit Schokopudding und einen Plastiklöffel. Lächelnd sah sie ihm nach, wie er damit zu seinem Zimmer lief. Erst danach las sie den Brief.
»Bei denen ist wohl eine Schraube locker!« schimpfte sie laut und warf das Schreiben, nachdem sie es zu Ende gelesen hatte, wütend auf die Tischplatte. Sie überlegte, was sie nun tun sollte und atmete tief ein und aus. Dann las sie das Schreiben ein zweites Mal, es lautete:
»Sehr geehrte Frau Rutland, wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu dürfen, daß für Ihren Sohn Jonas eine Heilkur nach Bad Soden bewilligt wurde…
Bad Soden, das lag doch im Taunus, nicht an der See. Dabei hatte der Arzt Jonas Seeklima empfohlen. Und wo blieb sie als Mutter? Jonas konnte doch wohl bestimmt nicht allein fahren. Aber so oft sie das Schreiben auch las, sie fand keinerlei Hinweis für sich selbst. Unterschrieben hatte ein Herr Lenhard.
Es ist doch kein so guter Tag, sagte sich Olivia erbost und sah auf die Uhr. Und für den Herrn Lenhard würde dieser Tag noch eine unliebsame Überraschung haben, vorausgesetzt, sie konnte Jonas für eine Weile bei den Nachbarn unterbringen und vorausgesetzt, dieser neunmalkluge Herr war überhaupt an seinem Arbeitsplatz.
Wie immer aktiv und entschlußfreudig, sah Olivia kurz nach ihrem Sohn. Jonas spielte inzwischen friedlich mit seinen Hartgummitieren.
»Ich komme gleich wieder«, erklärte sie ihm. »Ich gehe nur zu Onkel Peter und Tante Gertrud.«
»Will mit!« krähte der Kleine laut und beförderte seine Spieltiere in die nächste Zimmerecke.
»Mal sehen«, wich seine Mutter aus. »Ich weiß ja nicht, ob sie da sind.«
Natürlich waren Peter und Gertrud Winzling zu Hause. Das kinderlose Ehepaar paßte mitunter auf Jonas auf, wenn Olivia verhindert war, und freute sich immer sehr über den quicklebendigen Buben.
»Könnt ihr für eine Stunde auf Jonas achten? Ich muß noch zur Krankenkasse und werde dort einen fürchterlichen Rabatz machen, weil die dort anscheinend nicht durchblicken. Das ist nichts für Jonas.«
»Natürlich, geh nur.« Trudchen Winzling trabte bereits Olivia hinterher und nahm den strahlenden Kleinen bei der Hand, um mit ihm zur eigenen Wohnung zu gehen. Er wußte genau, daß es bei der Tante immer eine kleine Leckerei gab, und daß Onkel Peter so herrlich mit ihm spielte.
Olivia wußte, sie brauchte sich keine Sorgen zu machen. Ihr Sohn war bei ihren Bekannten gut aufgehoben.
Sie steckte vorsichtshalber noch einige wichtige Unterlagen in ihre Handtasche, schlüpfte in aller Eile in ihren Mantel, zog die Pumps wieder an und eilte im Sturmschritt zu ihrem Kleinwagen.
*
Mit Wut bis zur Halskrause betrat Olivia das Foyer der Krankenkasse. Nobler Schuppen, dachte sie empört. Die müssen es ja haben. Aber eine alleinstehende Mutter darf nicht mit ihrem Sohn zur Kur fahren. Dafür ist anscheinend kein Geld da. Aber nicht mit mir, meine Damen und Herren. Ich lasse mir nicht die Butter vom Brot nehmen.
»Ich möchte mit Herrn Lenhard sprechen«, sagte sie laut und deutlich zu der Dame bei der Anmeldung.
»Dann gehen Sie bitte zum Zimmer 23.«
Olivia nickte kurz und stürmte weiter, fand die betreffende Tür, klopfte laut und stand fast gleichzeitig im Zimmer.
Ein breitschultriger Mann, etwa Mitte Dreißig mit dunklen, leicht graumelierten Haaren sah ihr verdutzt entgegen. »Sie sind wohl eine von den ganz Schnellen, was?«
»Und Sie einer von den ganz Langsamen, scheint mir. Ich warte zuerst wochenlang darauf, daß der Kurantrag für meinen Sohn genehmigt wird, und wenn Sie sich endlich befleißigen, mir überhaupt zu antworten, dann kommt nur haarsträubender Unsinn dabei heraus. Es geht hier um eine Mutter-und-Kind-Kur, mein Herr. Aber Ihrem Schreiben nach zu urteilen, soll mein Sohn allein fahren. Können Sie mir sagen, wie er das machen soll? Und was soll er im Taunus? Seeklima ist das Beste für ihn, hat sein Arzt gesagt. Außerdem habe ich mich erkundigt. In der Kurklinik