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Zerrissene Wahrheit: Kriminalroman aus Bielefeld
Zerrissene Wahrheit: Kriminalroman aus Bielefeld
Zerrissene Wahrheit: Kriminalroman aus Bielefeld
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Zerrissene Wahrheit: Kriminalroman aus Bielefeld

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Der Schlüssel zur Vergangenheit

"Karen saß reglos da und starrte auf das Bild. Das Blut rauschte ihr in den Ohren. Es war, als hätte sie das Drama ihres Lebens zusammengesetzt."

Ein ungeheuerlicher Verdacht lässt Margret Lückner nicht mehr ruhig schlafen. Sie bringt einen Brief auf den Weg und legt eine Fotografie dazu …
Ausgerechnet an der steilsten Stelle der Dornberger Straße versagen kurz darauf die Bremsen ihres Wagens. Der tödliche Autounfall entpuppt sich sehr schnell als Mord. Dass die unscheinbare Bibliothekarin ihrem untreuen Ehemann und der Tochter mit den Drogenschulden ein beträchtliches Vermögen hinterlässt, ist überaus interessant für Kommissar Domeyer und seine Kollegen vom Bielefelder KK11. Offenbart sich hier das Tatmotiv?
Oder liegt der Schlüssel zur Lösung des Rätsels in Margrets Vergangenheit?
Was wollte sie ihrer ehemaligen Freundin Karen so dringend mitteilen? Karen macht sich auf die Suche nach dem geheimnisvollen Brief – ohne zu ahnen, in welcher Gefahr sie schwebt …
LanguageDeutsch
Release dateOct 29, 2018
ISBN9783954414475
Zerrissene Wahrheit: Kriminalroman aus Bielefeld

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    Book preview

    Zerrissene Wahrheit - Heike Rommel

    Fleischstücke.

    Montag, 26. August 2013

    Der Morgen dämmerte herauf und tauchte die Dächer der Stadt in blutrotes Licht. Margret Lückner lag in ihrem Bett und starrte an die Zimmerdecke. Sie gähnte so heftig, dass ihr Tränen in die Augen stiegen, und warf einen Blick auf den Wecker: Er würde bald klingeln, also konnte sie genauso gut aufstehen. Seufzend warf sie die Decke ab. Seit halb vier hatte sie sich schlaflos im Bett herumgewälzt. Sie riss die Fenster auf, um die dumpfe Wärme aus ihrem Schlafzimmer zu vertreiben. Es schien ein sonniger Sommermorgen wie jeder andere zu werden. Sie ahnte nicht, dass es ihr letzter sein würde.

    Ihr Yorkshire-Terrier wackelte zur Tür herein und sprang auf das Bett, um an den zerwühlten Laken zu schnüffeln. Roch er neben Schweiß auch den Gestank fruchtloser Grübeleien? »Runter, Orlando!«, rief Margret.

    Der Terrier sprang davon, fegte dabei Wasserglas und Schlaftabletten vom Nachttisch. Sie sammelte die Scherben auf und warf sie samt der halbvollen Tablettenschachtel in den Mülleimer in der Küche. Die Tabletten wirkten sowieso nicht.

    Gähnend befüllte sie die Kaffeemaschine, der Kaffee lief röchelnd durch, sein tröstlicher Duft breitete sich in der Küche aus. Nichts half, weder Hörbuch, noch progressive Muskelentspannung. Dabei hatte sie bis vor zehn Tagen noch geschlafen wie ein Baby. Die größte Aufregung in ihrem Leben hatte darin bestanden, dass einmal die Klimaanlage in ihrer Privatbibliothek ausgefallen war. Über Derartiges konnte sie jetzt nur noch müde lächeln. Sie riss die Kaffeekanne aus der Maschine, der Rest Kaffee verdampfte zischend auf der Warmhalteplatte. Gierig trank sie die erste Tasse.

    Wieder musste sie an dieses »klärende Gespräch« denken. Wie kannst du mir so etwas unterstellen? Eine Ungeheuerlichkeit, in der Tat. Sie war einen Moment lang unsicher geworden. Doch je länger sie darüber nachdachte, desto mehr hatte sich ihr Bauchgefühl zur Gewissheit verdichtet. Orlando wackelte zögernd näher, sah mit traurigen Augen zu ihr auf. »Schon in Ordnung, mein Guter.« Sie beugte sich zu ihm, kraulte ihm den Nacken. Was hatte sie von diesem Gespräch erwartet? Sie war zu naiv an die Sache herangegangen. Und … womöglich nicht nur an diese Sache? Ihre Hand verharrte in Orlandos langem Fell. Der Lärm des Berufsverkehrs drang von der Werther Straße durch das geöffnete Fenster.

    Margret blinzelte in der grellen Morgensonne, ein Stechen über ihrem Ohr kündigte Kopfschmerzen an. Das gleißende Sonnenlicht fiel auf die Bodenfliesen, die Küche wurde mit einem Mal zum überbelichteten Foto in hellen, künstlichen Farben. Orlando, der Küchentisch, die Kaffeekanne, alles schien sich von ihr zu entfernen, das Bild wurde kleiner, als führe sie rückwärts durch einen Tunnel. Weiße Punkte tanzten vor ihren Augen. Sie stützte sich auf der Anrichte ab, ließ sich dann auf einen Stuhl fallen. Ruhiger atmen, dachte sie, ruhiger …

    Nach einer Weile verschwanden die hellen Punkte. Der Kreislauf. Sie brauchte ein ordentliches Frühstück, dann würde die Welt schon anders aussehen. Und immerhin hatte sie den Brief vor ein paar Tagen auf den Weg gebracht. Sie überlegte, was sie damit auslösen könnte. Schlimmstenfalls … aber nein, es gab keinen anderen Weg. Für alle Fälle hatte sie mehrere Abzüge des Fotos gemacht, Vergrößerungen, die alles deutlich zeigten. Mehr würde sie vorerst nicht tun.

    Genau fünfundzwanzig Minuten später trat Margret Lückner aus ihrer Haustür. Die Arbeit in der Unibibliothek wartete auf sie, und sie war trotz der Müdigkeit froh über dieses Stück Normalität. Heute stand unter anderem eine Rezension für Buch und Bibliothek an. Auf dem Weg zur Garage zog sie ihre dünne Strickjacke aus. Auf die tropische Nacht folgte ein heißer Tag. Die Nachbarn hatten alle Fenster geöffnet, kein Lüftchen bewegte die zurückgezogenen Gardinen.

    Sie tippte den Code in das Tastenfeld neben dem Garagentor ein und wollte das Tor hochfahren, aber es kam eine Error-Meldung. Sie zog die Brauen zusammen. Das war ihr noch nie passiert. Wohl der Schlafmangel. Ungeduldig tippte sie ein zweites Mal. Wieder Error. Was war heute bloß los mit ihr? Beim dritten Mal durfte sie sich nicht vertippen, sonst blieb das Tor zu! Sie konzentrierte sich bewusst auf die Zahlenkombination und drückte auf Open. Das Tor fuhr summend hoch. Sie seufzte vor Erleichterung.

    Der vertraute Geruch nach Staub, Gummi und Benzin drang in ihre Nase. Der graue Mercedes schimmerte matt im Halbdunkel. Sie entriegelte den Wagen, trat zur Fahrerseite, als etwas unter ihren Schuhen knackte. Sie hob eine Scherbe auf. Woher kam die denn? Die Scheiben des Wagens waren intakt. Sie schaute sich um und … ah, die Fensterscheibe an der rückwärtigen Garagenwand war zerbrochen! Wie oft hatte Rudolph ihr schon versprochen, sich um das Vergittern dieses Fensters zu kümmern?! Sie presste die Lippen aufeinander. Aber dann waren wie immer andere Dinge wichtiger für ihren Mann gewesen. Welche, das wusste sie ja inzwischen!

    Sie würde sich also selbst darum kümmern. Verrückt, sie hatte sich damit zurückgehalten, um ihm nicht das Gefühl zu geben, dass sie in allem die Macherin war. Großer Gott, worüber sie sich den Kopf zerbrochen hatte. Damit war nun Schluss!

    Sie ließ ihren Blick über das Regal schweifen, über den Stapel Winterreifen, die beiden Fahrräder … es schien nichts zu fehlen, nicht einmal der Grill neben dem Fenster. Sie wischte ein paar Scherben von seiner Edelstahlhaube. Vermutlich waren es diese Jugendlichen gewesen, die abends auf dem Parkplatz am Johannisberg herumlungerten und sich wohl aus lauter Langeweile einen Spaß daraus gemacht hatten, die Scheibe einzuwerfen.

    Doch eines der Fahrräder lehnte in einem anderen Winkel an der Wand. Der Fahrradständer schwebte einen Zentimeter über dem Boden. Mit einem Mal fühlte sie sich beobachtet. Die feinen Härchen auf ihren Unterarmen stellten sich auf. Aber da war niemand, oder? Bestimmt war sie nur übermüdet. Wie konnte sie so sicher sein, dass das Fahrrad gestern noch anders gestanden hatte? Sie schüttelte den Kopf und warf einen Blick auf ihre Uhr. Schon so spät? »Diese Teenies!«, sagte sie laut und stieg in ihr Auto.

    Margret fuhr den Mercedes in die Morgensonne, ließ ihn im zweiten Gang die kurze Einfahrt hinunterrollen, die direkt auf die steile, abschüssige Straße führte. Der neue Nachbar trat mit einem Aktenkoffer aus seiner Haustür und winkte ihr zu. Sie hob grüßend die Hand, legte den dritten Gang ein und gab behutsam Gas. Normalerweise brauchte sie das nicht, weil der Wagen allein durch das Gefälle beschleunigt wurde, aber sie hasste es, unpünktlich zur Arbeit zu kommen. Die junge Frau, die mit ihrem Kinderwagen die Straße überqueren wollte, musste warten, ebenso wie der Radfahrer, der im Begriff gewesen war, vom Bürgersteig auf die Straße zu wechseln, und nun mit einem kläglichen Quietschen anhielt. Der Mercedes wurde rasch schneller.

    Zu schnell. Sie trat auf die Bremse. Nichts passierte! Der Schock war wie ein Stromstoß. Sie trat noch einmal mit aller Kraft bis zum Anschlag, versuchte es mit Stotterbremse, riss die Handbremse hoch. Nichts! Der Wagen raste auf die stark befahrene Querstraße zu. Margret schrie, riss das Steuer herum, prallte am Bordstein ab, schoss auf ein Auto zu, das auf der Vorfahrtstraße fuhr. Sie verfehlte es um Haaresbreite. Einen Moment später krachte ein nachfolgendes Auto in den Mercedes, sie wurde nach vorne geschleudert, der Airbag nahm ihr die Luft. Das schrille Hupen des Lieferwagens auf der Gegenfahrbahn der Werther Straße war das Letzte, was Margret Lückner in ihrem Leben hörte.

    Irgendwo knatterte ein Rasenmäher, dann herrschte Stille. Kommissar Domeyer holte sich eine Fassbrause aus dem Kühlschrank, öffnete die Flasche und wollte gerade ansetzen, als das Telefon klingelte. Er ging mit der Flasche in den Flur und nahm ab.

    »Hier Betty.«

    »Betty? Willst du mit Robin sprechen oder …«

    »Mit dir!«

    Er konnte seine Überraschung nicht verbergen. Seit ihrem Auszug hatten seine Ehefrau und er kaum miteinander geredet. »Aha?«

    »Ich wollte nur fragen, ob ihr schon das Flugticket und die anderen Unterlagen bekommen habt.«

    »Wir

    Betty stöhnte. »Unsere Tochter! Du weißt genau, was ich meine. Ihr Ticket müsste längst da sein! Lissa hat mich gestern deswegen angerufen.« Es klang vorwurfsvoll.

    Dominik nahm einen langen Zug aus der Flasche.

    »Dominik, bist du noch dran?«

    »Sicher, ich hab nur gerade was getrunken. Ist ziemlich heiß heute.«

    »Ja ja, was ist denn nun mit dem Ticket?«

    Er hatte den Umschlag erst vor zehn Minuten auf dem Küchentisch entdeckt. Die Papiere und das Flugticket waren halb herausgezogen, Lissa hatte also schon einen Blick auf die Reiseunterlagen geworfen. Er nahm noch einen Schluck.

    »Also, manchmal habe ich den Eindruck, du sabotierst das Ganze«, fuhr sie fort. »Wenn das Ticket nicht da ist, müssen wir beim Reisebüro anrufen!«

    »Ich sabotiere das Ganze? Nur weil es deine Idee war, unsere Tochter ein halbes Jahr lang ans andere Ende der Welt zu schicken? Stell dir vor, sie lernt da jemanden kennen. So wie Nils in Österreich. Nur dass es nicht mal eben eine Tagesreise mit dem Auto entfernt ist, sondern …«

    »Gönnst du ihr das nicht?«

    Er verdrehte die Augen. »Das ist es nicht, Betty, ich …«

    »Sie freut sich so darauf!« Bettys Stimme wurde schrill. »Und du …«

    Er nahm den Hörer vom Ohr und seufzte. Schließlich hob er ihn wieder ans Ohr und hörte das Ende ihres Satzes: »… Reisebüro anrufen!«

    »Keine Sorge, Betty, der Flugschein ist heute gekommen.«

    »Meine Güte, warum sagst du das nicht gleich?!«

    »Weil ich kaum zu Wort gekommen bin! Übrigens lag heute noch ein Umschlag im Briefkasten. Der Termin für unsere Scheidung steht jetzt fest. Aber das weißt du ja sicher schon.« Er drückte das Gespräch weg und atmete einmal tief ein und wieder aus.

    Er hatte das mit Lissas Highschool-Halbjahr in Neuseeland so gut wie möglich verdrängt und sich aus der Planung rausgehalten. Im Juli hatte er mit seiner Tochter und ihrem Freund noch das Sparrenburgfest besucht. Als sich das Mittelalter-Fest dem Ende zuneigte, setzten sie sich auf die Burgmauer und suchten den Nachthimmel nach Sternschnuppen ab. Erfolgreich.

    Lissa hatte gelächelt. »Du darfst dir was wünschen.« Es gab keinen Zweifel daran, was er sich am meisten wünschte. Er sagte es ihr. »Aber Papa!« Empörung schwang in ihrer Stimme. »Wieso sollte ich denn nicht wohlbehalten zurückkommen?! Und so ein halbes Jahr geht schnell rum.«

    Na, hoffentlich.

    Nach und nach zogen alle aus, Betty hatte nur den Anfang gemacht. Und wenn Lissa weg war, würde nur noch sein jüngster Sohn Robin bei ihm wohnen.

    Er stieg die Treppe hoch. »Lissa?« Ihre Zimmertür stand offen. Weder sie noch Robin waren zu Hause. Staubteilchen glühten auf im nachmittäglichen Sonnenschein, der durch das Fenster in Lissas Zimmer fiel. Stille. Fast wünschte er sich den Rasenmäher zurück, irgendein Radio, das plärrte, ein Grillfest bei den Horstkötters … Nur die Fassbrause gluckerte leise, während er die Flasche leerte.

    Immerhin hatte er heute Abend noch etwas vor.

    Als er drei Stunden später am Bürgerpark ankam, lag schon wieder ein Schweißfilm über seiner Oberlippe. Vermutlich würde er vorm Schlafengehen die dritte Dusche des Tages nehmen. Im Café am Bürgerpark herrschte Hochbetrieb. Die meisten Gäste, die der Kollege Fritz Redekop anlässlich seiner Pensionierung zum Umtrunk eingeladen hatte, saßen an den Tischen draußen, plauderten, lachten, aßen und stießen mit Sekt und Bier an. Über einem der Tische stand Rauch in der Luft. Auf den steuerte Dominik zu. Sein Bürokollege Frank Tillmann Herbst zog genüsslich an seiner Zigarette und versuchte, Rauchringe zu blasen, während Kollegin Nina Tschöke ihm grüßend ihr Bierglas entgegenhob.

    »Hallo Dodo!« Ihre sportive Sonnenbrille war blau verspiegelt, sodass er ihre Augen nicht sehen konnte, aber auf ihren Lippen lag ein Lächeln.

    »Hallo ihr beiden. Frank, wow, endlich ist die fusselige Matte ab!«

    »Mensch, Dodo, und wir dachten schon, du kommst nicht mehr. Tja, da staunst du, was? Ich hab jetzt meine ganz private Friseuse.« Frank drückte seine Kippe aus, strich sich durch die frisch geschnittenen, blonden Haare und entblößte einen Schweißfleck auf seinem mit Papageien bedruckten Hemd.

    »Man sagt übrigens Friseurin! Und hoffentlich hält es deine ganz private Friseurin noch ein Weilchen mit dir aus.« Sie zwinkerte Dominik zu. Zur Feier des Abends trug Nina, die Jeans und Turnschuhe bevorzugte, ausnahmsweise ein Kleid. Ein schlichtes natürlich, aber immerhin. Sie rückte Dominik den Stuhl zurecht, damit er sich zu ihnen setzte. »Und du weißt, was das heißt, Dodo. Er hat sich sogar rasiert

    »Du hast wieder ein Techtel?« Fragend hob Dominik die Brauen.

    »Als ob ich mich nur dann ra…« Frank wurde von einer Kellnerin unterbrochen, die ihnen ein Tablett mit gefüllten Sektgläsern hinhielt. Er deutete auf sein volles Weizenglas.

    Dominik und Nina nahmen Sekt und stießen an.

    »Auf Fritz.« Dominik trank einen Schluck. »Was macht der wohl nach seiner Pensionierung?«

    »Er gibt sich die Kugel. Aber im Ernst: Was für eine blöde Frage ist das denn? Urlaub natürlich! Auf nach Malle oder mit Arminia in die Türkei oder noch mal sämtliche Staffeln von Fargo angucken … oder, na …«, Frank wedelte mit der Hand, »von mir aus am Quietsche-Entchen-Rennen auf dem Johannisbach teilnehmen – es gibt doch tausend Sachen, die man machen kann. Würdest du etwa die Arbeit vermissen?«

    Die Staatsanwältin schob gerade ihren runden Körper im geblümten Sommerkleid zwischen den Stühlen hindurch, wobei sie einen Cocktail in die Luft reckte.

    Frank rückte mit seinem Stuhl näher an den Tisch. »Na, Dodo? Ich höre.«

    »Sicher würde ich die Arbeit nicht vermissen«, log Dominik. »Es ist nur … es wird langsam leer im Haus.«

    »Hat Robin schon einen Studienplatz?«, fragte Nina.

    »Nein, aber das wird nicht mehr lange dauern.«

    Frank wischte sich den Bierschaum von der Oberlippe. »Sieh es mal so: Dann hast du sturmfreie Bude. Keiner, der dir auf den Sack geht. Apropos Bude … wisst ihr zufällig von einer freien Wohnung? Ich muss raus, Eigenbedarf.«

    »Nein, aber in deiner alten Wohngegend am Umschlagbahnhof findest du sicher schnell was Neues«, sagte Dominik.

    »Spinnst du? Das ist beste Innenstadtlage, zentraler geht’s fast nicht!«

    Nina, die gerade ihre Sonnenbrille putzte, beugte sich vor und grinste. »Und du vergisst den grandiosen Ausblick auf den Schrottplatz. Aber ich weiß auch nichts. Ich bin schon froh, dass wir die Wohnung für meinen Bruder und seine Freundin gefunden haben. Der Markt in Bielefeld ist wie leergefegt. Und wenn es um ein Paar mit Down-Syndrom geht, dann fällt bei den Vermietern gleich die Klappe.«

    »Kai ist sicher aufgeregt«, sagte Dominik.

    »Klar, es ist seine erste eigene Wohnung.« Nina nippte am Sekt. »Und sie ist fast fertig. Stefan hilft uns beim Streichen.«

    »Wie praktisch. Ist dein Stefan nicht Designer?«, sagte Dominik.

    Ninas Gesicht rötete sich. »Er ist nicht mein …«

    »Ach ja!« Frank grinste. »Stefan war doch dieser Typ auf deiner Geburtstagsparty, der kaum von deiner Seite gewichen ist. Und – wie läuft’s so zwischen euch?«

    »Bent ist doch noch gekommen.« Nina deutete mit dem Kopf Richtung Park.

    Der hünenhafte Erste Kriminalhauptkommissar Bent Andersen stiefelte gerade an zwei Schachspielern vorbei, die sich an einem Tisch im Park über ihr Spiel beugten. Schweiß glänzte auf seinem von Zickzack-Narben gezeichneten Gesicht und auf der Kopfhaut, die durch die militärisch kurzen Haare schimmerte. Er schüttelte dem Leiter des KK11 auf der Treppe der Café-Terrasse die Hand. Neben Big Bent, wie Dominik den Riesen aus dem hohen Norden nannte, wirkte der alte Kommissariatsleiter Ernst Meyer zu Bargholz schmächtig. Ernst ging die Treppe hoch, postierte sich am Terrasseneingang des Cafés, hielt eine kurze Rede und übergab dem Pensionär den Umschlag mit dem Gutschein für eine Wellness-Woche auf Rügen, für die die Kollegen gesammelt hatten. Bevor der sich bedanken konnte, setzte auch schon das unvermeidliche Ständchen ein.

    »Nehmt Abschied Brüder, ungewiss …«, schmetterte der Kollege Ottfried Weber mit bebender Wampe gefühlte fünf Zentimeter von Bent Andersens Ohr entfernt. Hier in Bielefeld waren die Kollegen sangesfreudiger als bei der Kripo Flensburg, zu der Bent noch im letzten Jahr gehört hatte. Er wich ein paar Meter Richtung Park zurück. Den Überblick konnte er auch von hier aus behalten, da er die Menge um Haupteslänge überragte. Etwas abseits lehnte Ernst Meyer zu Bargholz an einer Magnolie und hielt sich ein Ohr zu, während er sein Handy ans andere Ohr presste. Die Falten zwischen seinen Brauen wurden tiefer, je länger er dem Anrufer lauschte. Schließlich notierte er etwas auf einem Zettel und beendete das Telefonat. Er fing Bents Blick auf und winkte ihn heran.

    Bent beugte sich zu ihm hinunter, um ihn besser zu verstehen.

    »Auf der Werther Straße hat es heute Morgen gegen halb acht einen schweren Unfall gegeben, mit einer Toten und einem Schwerverletzten. Ein Unfallexperte hat die Bremsspuren ausgewertet: Die Unfallverursacherin ist mit ihrem Mercedes ungebremst in den Gegenverkehr reingerauscht!«

    »Ist sie die Verstorbene?«, fragte Bent.

    »Ganz recht. Sie starb noch am Unfallort und wird gerade obduziert. Und jetzt halt dich fest …« Ernst Meyer zu Bargholz hob sein Handy wie zum Beweis in die Höhe. »Der Kfz-Sachverständige hat durchgeschnittene Bremsschläuche entdeckt!«

    »Also ein Fall für uns.«

    Ernst nickte. »Auch an der Handbremse ist manipuliert worden.«

    Bent stieß einen leisen Pfiff aus. »Da hat sich ja jemand richtig Mühe gegeben.«

    »In der Tat. Laut Sachverständigem braucht es Zeit, eine Handbremse zu manipulieren, weil die Seilmechanik schwer zugänglich ist, an der Unterseite des Autos.«

    »Und der Schwerverletzte ist sozusagen der Kollateralschaden?« Bent zerschlug eine Mücke auf seinem Handrücken.

    »Richtig. Der Lieferwagenfahrer auf der Gegenfahrbahn hatte keine Chance mehr, auszuweichen. Der liegt mit schwerer Kopfverletzung im künstlichen Koma. Dann gab’s noch eine leicht verletzte Autofahrerin, die mit ihrem SUV beim Unfallauto aufgefahren ist.«

    »Zeugen?«

    »Ein paar Passanten. Die Zeugenaussagen decken sich mit den Erkenntnissen des Unfallexperten.«

    Bent kratzte sich den Mückenstich. In seiner alten Heimat Flensburg hatte er schon einmal bei einem als Autounfall getarnten Mord ermittelt. Ein mehrfach überfahrener Mann. Erst der Rechtsmediziner hatte die eigentliche Todesursache entdeckt.

    »Ich will sichergehen, dass wir den Täter kriegen«, fuhr der Kommissariatsleiter fort. »Deshalb möchte ich, dass du den Fall übernimmst. Du bist zwar erst ein paar Monate hier, aber …« Er lächelte.

    Bent erwiderte das Lächeln. Er war sich nicht im Klaren, ob er das Kompliment ernst nehmen sollte oder ob es guter Mitarbeiterführung geschuldet war, aber er mochte den Kommissariatsleiter. Leider würde Ernst der nächste Pensionär werden. »Danke, Ernst. Und zur Mordkommission …«

    »Ich schlage Domeyer und Tschöke vor. Ein bewährtes Gespann und außerdem gerade frei, wenn mich nicht alles täuscht.«

    »Schön, ja … manchmal ist es allerdings gut, alte Strukturen aufzubrechen …«

    »Gut, Bent, fang mit diesen beiden an. Und dann überleg dir, wen du noch haben willst.«

    »Also dann …« Bent räusperte sich. Na super. Dominik Domeyer würde er wohl nie los. Er konnte dem Kommissariatsleiter schlecht erzählen, wieso er den Umgang mit dem Kollegen schwierig fand. Mit diesen großen, braunen Augen und den fein geschnittenen Zügen sah Dominik fast aus wie Andys Zwilling. Und wenn es jemanden gab, an den Bent ganz sicher nicht erinnert werden wollte, dann war es sein ebenso attraktiver wie narzisstischer Ex-Freund. Um Abstand von Andy zu kriegen, hatte er schließlich Flensburg verlassen!

    »Der zuständige Beamte vom Verkehr heißt Meier. Warte mal …« Der Kommissariatsleiter zog sein Handy aus der Hosentasche und gab Bent Meiers Nummer.

    »Viel Erfolg!« Ernst hob die Hand und ging Richtung Café.

    »Danke.« Bent lauschte dem Freizeichen seines Diensthandys und betrachtete den Bürgerpark. Allmählich wurde es dunkel. Auf den ansteigenden Wiesen lagen zahlreiche junge Leute auf Decken und Handtüchern. Manche spielten Frisbee oder Federball. Ein Jongleur, der drei Keulen in der Luft hielt, fesselte für einen Moment seine Aufmerksamkeit, bevor sich Kollege Meier am anderen Ende der Leitung meldete und ihm Auskunft über die bisherigen Erkenntnisse gab. Das Todesopfer, eine gewisse Margret Lückner, habe ihren Ausweis bei sich getragen, unter ihrer Adresse sei auch ein Rudolph Hofmeister gemeldet, den man bisher weder telefonisch noch zu Hause habe erreichen können. Bent bedankte sich und begab sich zur Gästeschar auf der in Stufen abfallenden Terrasse des Cafés.

    Sein Blick wanderte über die lächelnden Gesichter der Gäste, deren Sommerbräune sich dunkel von ihrer hellen Kleidung abhob. Für einige hier war die Party nun vorbei. Er würde die alte Crew zusammentrommeln. Ottfried Weber und Walter Kux sprachen gerade mit dem frisch gebackenen Pensionär. Er suchte Nina Tschöke in der Menge, neben ihr saßen Frank Herbst und Dominik Domeyer. Bent gab sich einen Ruck. Also los. Er durfte keine Zeit verlieren. Margret Lückner, wer immer sie gewesen sein mochte, würde nie mehr einen Sommerabend wie diesen in einem Parkcafé genießen können.

    Dominik und Nina beschlossen, den Dienstwagen stehen zu lassen. Margret Lückners Adresse lag nur einen Spaziergang weit entfernt. Sie gingen die Wertherstraße entlang, die am Hang oberhalb des Bürgerparks verlief. Ein junger Radler ohne Licht kam ihnen entgegen. Nina rief ihm etwas zu, das Dominik nicht verstand.

    Sie schnalzte mit der Zunge. »Diese Leute wissen gar nicht, in welche Gefahr sie sich begeben.«

    Der Geruch von Rauch und Bratwürstchen drang in seine Nase. In einem der Gärten hinter den Häusern wurde gegrillt. Gelächter, das Klirren von Flaschen. Ein Auto mit einer wummernden Musikanlage fuhr an ihnen vorbei.

    Er blieb unter einer Straßenlaterne stehen und zog den Zettel mit der Adresse aus der Hosentasche. Motten und Nachtfalter umtanzten das Licht. »Dornberger Straße. Wir müssen hier rauf.«

    Beide blickten den Hang hoch. Ein Schild am Rand der Straße zeigte eine siebenprozentige Steigung an. Die lange Dornberger Straße führte zum Kamm des Höhenzugs Teutoburger Wald und machte an der höchsten Stelle eine Kurve. Dahinter ging es wieder ein Stück abwärts.

    Nina sprach aus, was Dominik dachte. »Da konnte ja nichts mehr schiefgehen. Bei der Strecke kriegst du ordentlich Speed.«

    Margret Lückners schöner Altbau lag weit oben, am steilsten Stück der Straße. Noch weiter oben ragte die dunkle Silhouette des Teutos auf. Dominik dachte an die Silvesternacht, in der er mit Betty ganz in der Nähe gestanden und das Feuerwerk über Bielefeld beobachtet hatte. Inzwischen lebten sie getrennt und anstelle eines Feuerwerks sah er ein fiebriges Leuchten über der Stadt, wie den Widerschein der zwischen den Häusern gestauten Hitze.

    Sein Blick wanderte über die dunklen Fenster des Altbaus. Als sie näher herangingen, tauchte ein Bewegungsmelder sie in grelles Licht. Wütendes Hundegebell. Im Nachbarhaus zur Rechten ging ebenfalls Licht an.

    »Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste«, sagte Nina.

    »Schau dich um«, gab Dominik zurück. »Hier wohnen Leute, bei denen es was zu holen gibt.«

    Repräsentative Bürgerhäuser und Stadtvillen säumten die Straße. Sie gingen zu Margret Lückners Haustür und klingelten. Ein Hund bellte hinter der Tür, sonst tat sich nichts. Neben dem Klingelschild befand sich ein Tastenfeld. Die Tür war durch eine Alarmanlage gesichert. Sie klingelten noch ein paar Mal. Doch nur das Gekläff hinter der Tür wurde lauter.

    Dominik spürte, dass sie beobachtet wurden. Eine gebückte, weißhaarige Frau im Morgenmantel lehnte sich aus einem Erdgeschossfenster des Nachbarhauses. Sie hielt ein Telefon in der Hand. Dominik trat näher an die niedrige Buchsbaumhecke, die den Vorgarten des Nachbargrundstücks umgrenzte.

    Die Frau straffte sich, umklammerte das Telefon. »Suchen Sie wen?« Ihre Stimme klang schrill und zittrig zugleich.

    »Domeyer, Kripo Bielefeld.« Dominik hielt seinen Polizeiausweis in die Höhe.

    Von Weitem würde sie den Ausweis nicht lesen können, aber ihre Miene entspannte sich. Sie ließ das Telefon sinken. »Kriminalpolizei? Ja dann … warten Sie.«

    Die alte Dame verschwand vom Fenster, und eine Weile später öffnete sie ihnen die Tür. Sie stützte sich auf einen Rollator. Ihr Kopf wackelte, als würde sie ihn beständig über die Seltsamkeiten in der Welt schütteln. Ihr Gesicht, das Ähnlichkeit mit einem zu lange gelagerten Apfel hatte, verzog sich zu einem angestrengten Lächeln. »Ja bitte?«

    »Domeyer und Tschöke«, sagte Nina freundlich. »Wir suchen Herrn Hofmeister. Das ist doch Ihr Nachbar, oder?«

    »Ja. Und?« Mit ihrer altersfleckigen Hand betastete sie ihre perfekt gelegte Dauerwelle. »Möchten Sie hereinkommen? Darf ich Ihnen etwas anbieten?«

    »Nicht nötig, Frau Schuster.« Dominik hatte ihren Namen auf dem Klingelschild gelesen. »Wir haben fürs Erste nur ein paar Fragen.«

    Sie wirkte erleichtert. »Herr Hofmeister … der hat vor zwei Wochen Koffer aus dem Haus getragen. Ich habe ihn gefragt, wo er denn Urlaub macht. So ganz allein, ohne seine Frau, habe ich gedacht, komisch, aber heutzutage …«

    »Und – wohin ist er gefahren?«

    »Nirgendwohin, er macht keinen Urlaub. Mehr habe ich nicht rauskriegen können, so kurz angebunden wie der war! Und danach habe ich ihn nicht mehr gesehen.« Sie streichelte den Griff ihres Rollators und starrte ins Leere.

    »Frau Schuster, dieser Herr Hofmeister …«

    Sie blickte auf. »Der hat … hat der nicht so eine Galerie? Galerie Hofmeister in der Altstadt. Eine gute Adresse angeblich. Ich weiß aber nicht, wo. Ich komme ja kaum noch raus.«

    »Vielen Dank. Das finden wir schon. Und seine Frau, Margret Hofmei… nein, Margret Lückner …«

    »So was auch …« Frau Schuster verzog die Lippen zu einem Lächeln. »Komisch, nicht? Die Leute heiraten, und sie nimmt nicht mal seinen Namen an.« Ihr Kopf wackelte stärker. »Aber sie hat etwas von einem Blaustrumpf, wenn Sie mich fragen. Und nun ist er fort. Kein Wunder.«

    »Wann haben Sie Frau Lückner das letzte Mal gesehen?«, fragte Dominik.

    »Wieso …? Ist denn … ist was passiert?«

    »Ihre Nachbarin hatte einen tödlichen Unfall.«

    »Nein!« Ihre Augen wurden groß. »Einen tödlichen … Wo denn?«

    »Das steht morgen ausführlich in der Neuen Westfälischen«, sagte Nina.

    »Ich lese das Westfalenblatt

    »Da auch. Also … wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen?«

    »Ja … hm … gestern Abend kam sie heim, ich hörte ihr Auto …«

    »Und Margret Lückner saß am Steuer?«, fragte Dominik.

    »Wer sonst? Die hatten getrennte Autos, der Hofmeister und sie. Ich habe sie nicht in ihrem Mercedes gesehen, aber später, als ich aus dem Küchenfenster schaute. Da ging sie von der Garage ins Haus.«

    »Eine Garage, aha. War sie allein?«

    »Ja, der Mann ist ja weg. Und die Tochter …« Sie kräuselte die Lippen. »Die Tochter tourt gern in der Weltgeschichte herum. In der Ostzone.«

    »In Ostdeutschland?«

    »In Leipzig, hat Frau Lückner erzählt. Da wären die Mieten noch billig, deshalb wohnt die Friederike jetzt dort. Die bewirbt sich da an der Schauspielschule. Aber Frau Lückner ist … war nicht glücklich darüber. Schauspielerin! Da wäre ich auch nicht glücklich drüber. Unser Sohn ist Studienrat, müssen Sie wissen. Und die Enkel …«

    »Wann genau ist Frau Lückner denn nach Hause gekommen?«

    Die alte Dame umfasste ihr Kinn, als wollte sie ihren wackelnden Kopf festhalten. »Noch vor der Aktuellen Stunde, aber wie lange vorher …« Sie schürzte die Lippen. »Hm. Vielleicht so gegen sieben? Wenn Frau Lückner während des Tatorts gekommen wäre, hätte ich das genauer sagen können. Da kann man die Uhr nach stellen, wann die den raus haben.«

    »Wen?«

    »Na, den Mörder. Der dicke Kommissar Thiel …«

    »Hat noch jemand anderes Zugang zur Garage?«

    »Außer ihr und ihrem Mann? Das kann ich mir nicht denken. Die Garage ist ja elektrisch gesichert und so. Ich kenn mich da nicht aus, aber da kommt man nicht so einfach rein. Ins Haus auch nicht. Nicht mal die Putzfrau kennt die Kombination, mit der man die Alarmanlage ausschaltet. Da war Frau Lückner eigen. Kann man ja auch verstehen, heutzutage …«

    »Parkte sie ihren Wagen immer in der Garage?«

    »Doch … ja, wenn sie den Mercedes länger abstellte, schon. Ihr Mann fährt einen Opel Corsa, der stand immer draußen.«

    »Ist Ihnen in der letzten Nacht noch irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen? Hat Herr Hofmeister die Garage in letzter Zeit betreten?«

    »Den habe ich seit zwei Wochen nicht mehr gesehen und sonst …« Sie schien den Kopf zu schütteln, was in dem Gewackel nicht so einfach auszumachen war. »Nein, nichts. Aber ich muss jetzt ins Bett, wenn die Herrschaften mich entschuldigen …«

    »Nur eins noch: Wissen Sie, wie diese Putzfrau heißt?«

    Sie notierten den Namen, den die alte Dame ihnen gab, und bedankten sich. Dann gingen sie ums Haus herum. Der Bewegungsmelder erfasste sie wieder und ließ die Garage kurz in hellem Licht erstrahlen. Neben dem Tor gab es ein ähnliches Tastenfeld wie an der Haustür.

    »Interessant … Hofmeister wird die Kombination kennen«, sagte Dominik. »Der Täter muss die Garage irgendwann nach 19 Uhr betreten haben und hatte wohl bis zum Morgen Zeit, die Bremsen außer Kraft zu setzen.«

    Nina nickte. Sie gingen an der Garagenseite entlang. Ein gepflegter Garten, dessen Mitte ein Springbrunnen zierte, kam in Sicht. Ein von Leuchten gesäumter Weg führte in den hinteren Teil des Gartens zu einer Sitzgruppe. Gedämpftes Gebell drang aus dem Innern des Hauses.

    »Sag mal, Dodo, was zur Hölle ist denn ein Blaustrumpf?« Nina grinste.

    »Altjüngferlich … vergeistigt … so in der Art. Wir brauchen diesen Hofmeister noch aus einem anderen Grund. Hörst du den Hund?«

    Nina nickte. »Der verziert vermutlich gerade den Teppich mit Tretminen.«

    Die Garage grenzte auf der Rückseite fast an eine Mauer. Es gab noch einen schmalen Durchgang, auf den Nina ihre Taschenlampe richtete. Eine Wassertonne kam in Sicht, davor glitzerten Scherben auf dem Steinboden.

    »Nina, ich glaube, da ist ein Fenster auf der Rückseite.«

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