Der Meisterdieb im Museum: Ein Fall für Jaromir
By Heinz Janisch and Ute Krause
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Book preview
Der Meisterdieb im Museum - Heinz Janisch
Erstes Kapitel
in dem ein berühmtes Bild verschwindet,
ein anderes auftaucht und ein Kellner
ein ungewöhnliches Ei serviert
„Hören Sie sich das an!, sagte Lord Huber und beugte sich über die Zeitung. „Berühmtes Gemälde aus einem Wiener Museum gestohlen. Wie konnte das teure Bild verschwinden? Alarm wurde nicht ausgelöst. Die Polizei steht vor einem Rätsel.
„Sounds interesting. Klingt nach einem spannenden Fall!, sagte Herr Jaromir. Er lag unter dem Tisch und trank genüsslich vom kühlen Wasser, das ihm ein freundlicher Kellner gebracht hatte. Er schob sein „Englisch für Anfänger
-Übungsbuch zur Seite.
„Wir wissen doch schon seit Tagen von dem Diebstahl, sagte Lord Huber. „Unsere Freunde von Scotland Yard haben uns davon berichtet. Seltsam, dass der Fall erst jetzt in der Zeitung steht.
„Das Museum wollte wahrscheinlich ganz sicher sein, dass das Bild nicht mehr auftaucht. Es ist wohl keine gute Werbung für ein Museum, wenn ein Bild verschwindet", überlegte Herr Jaromir.
„Im Gegenteil!, rief Lord Huber. „Ganz im Gegenteil! Ein verschwundenes Bild ist für ein Museum mehr wert als jedes Gemälde, das noch an der Wand hängt. Alle Leute werden hingehen, um zu sehen, was nicht mehr zu sehen ist. Die Leute lieben Rätsel! Das, was nicht mehr da ist, ist für viele spannender als alles, was sonst im Museum zu sehen ist.
„Die Leute kommen, um einen leeren Platz an der Wand anzusehen?", fragte Herr Jaromir erstaunt.
„Sie kommen, um das Geheimnis zu sehen, das Rätsel, das Verbrechen! Sie wollen mit eigenen Augen sehen, was nicht mehr da ist! Was für eine Aufregung! Was für ein schöner Schauer!"
„Die Menschen können einen immer wieder überraschen", sagte Herr Jaromir. „That’s very strange, isn’t it?"
„Oh yes, my friend", antwortete Lord Huber, „it is!"
„Und welches Bild können die Leute jetzt nicht mehr im Museum sehen?", fragte Herr Jaromir.
„Ich werde es Ihnen zeigen", sagte Lord Huber.
„Wir werden uns eine Abbildung davon besorgen. Es ist ein berühmtes Bild. Es zeigt alte Kinderspiele. Man sieht viele Kinder darauf. Die einen spielen mit einem Reifen oder mit Stelzen, die anderen mit einem Stein oder mit Kugeln. Das wertvolle Bild stammt von einem alten holländischen Meister."
„Verstehe, sagte Herr Jaromir. „Das Bild ist kostbar. Aber es wird wohl schwer zu verkaufen sein, wenn es so bekannt ist.
„Es wird nicht verkauft werden, sagte Lord Huber. „Es wird eines Tages zurückgegeben, da bin ich mir sicher. Es wird wieder auftauchen.
Herr Jaromir war verwirrt. „Aber wozu wird es gestohlen, wenn es doch wieder auftaucht?"
„Der Dieb scheint den Nervenkitzel zu lieben. Und das Gefühl, dass ihm für eine Zeit etwas ganz allein gehört. Dann bringt er es wieder zurück und holt sich ein neues Bild."
Lord Huber klang so, als hätte er das Bild selbst gestohlen und wüsste ganz genau Bescheid.
„Wie … wie kommen Sie zu diesen Schlussfolgerungen?", fragte Herr Jaromir irritiert.
„Weil ein anderes gestohlenes Bild auch wieder aufgetaucht ist. Es wurde vor einiger Zeit in London gestohlen und später in einem Museum in Paris entdeckt. Ich bin mir sicher, dass auch unsere spielenden Kinder wieder auftauchen werden."
Herr Jaromir sah Lord Huber skeptisch an. „Woher wissen Sie, dass das Bild wieder aufgetaucht ist?"
„Es stand in der Zeitung, sagte Lord Huber. „Es war nur eine kleine Notiz am Rande. Die Leute lieben den Diebstahl und die Sensation, das ist eine Schlagzeile wert. Wenn ein Bild wieder auftaucht – dann ist das fast langweilig. Man berichtet kurz darüber, man wundert sich – und der Fall ist erledigt.
„Nicht für uns!, rief Herr Jaromir. „Es ist doch vollkommen klar, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem verschwundenen Gemälde und dem zurückgegebenen Bild!
„Sie sagen es, mein Freund!", sagte Lord Huber.
„London, Paris, Wien – da ist ein Meisterdieb am Werk, der Bilder nicht nur unbemerkt stiehlt. Er bringt sie auch unbehelligt zurück! Und ein Bild heimlich in ein Museum zu schmuggeln – das ist mindestens genauso schwierig, wie es zu stehlen!"
„Wir haben es also mit einem wahren Meister seines Fachs zu tun", sagte Herr Jaromir nachdenklich.
Lord Huber hob die Hand. „Davon bin ich überzeugt. Er winkte dem Kellner. „Herr Robert, ich warte noch auf mein Ei!
, rief er laut.
Der Kellner deutete kurz eine Verbeugung an, dann verschwand er in der Küche.
Lord Huber und Herr Jaromir waren nun schon seit zwei Tagen in Wien. Sie saßen im Café Drechsler, einem alten gemütlichen Kaffeehaus, und ließen sich das Frühstück gut schmecken. Das Café lag unmittelbar neben dem Wiener Naschmarkt, einem lang gestreckten, belebten Markt mit Gemüse und Obstständen, mit zahlreichen Restaurants und kleinen Lokalen. Lord Huber und Herr Jaromir liebten es, über den Markt zu schlendern und da und dort etwas einzukaufen. Zum Lesen der Zeitungen, zum Nachdenken und Plaudern zogen sie sich dann wieder ins Kaffeehaus zurück.
Der rätselhafte Diebstahl im Museum hatte sie nach Wien geführt. Weil die örtliche Polizei nicht mehr weiter wusste, hatte man den erfahrenen Detektiv Lord Huber und seinen Assistenten, Herrn Jaromir, um Rat gefragt. Lord Huber, als Detektiv seit Jahren offiziell im Ruhestand, liebte ungewöhnliche Fälle, die seine Gehirnzellen wieder in Gang brachten. Am liebsten löste er seine Fälle durch genaues Beobachten und ruhiges Nachdenken. Mit seiner altmodischen Kleidung, seinem Schnurrbart und seinem Gehstock, den er immer bei sich trug, sah er wie ein harmloser älterer Herr aus, der stets ein wenig abwesend wirkte.
Man hätte nicht vermutet, dass Lord Huber einen schwarzen Gürtel in Karate besaß und dass sein Stock nicht nur als Funkgerät, Telefon, Fotoapparat und Mikrofon taugte, sondern auch noch einige andere Überraschungen bereithielt.
„Ihr Frühstücksei", sagte Herr Robert, der Kellner, und stellte mit einer schwungvollen Handbewegung einen alten silbernen Eierbecher mit einem weißen Ei auf den Tisch.
Lord Huber griff nach dem Ei. Er hob einen Teil der Schale ab und zog – zur Überraschung von Herrn Jaromir – einen kleinen weißen Zettel aus dem Ei, den er sofort einsteckte. Dann bestrich Lord Huber seelenruhig seinen Toast mit Butter und aß genüsslich weiter.
Herr Jaromir wurde unruhig. „What’s going on?", fragte er neugierig.
„Ach, unser Freund Ferdinand liebt solche Späße, sagte Lord Huber. „Seit seiner Zeit bei Scotland Yard liebt er Verkleidungen und geheime Botschaften. Er ist hier irgendwo in Wien und hält uns auf dem Laufenden. Herr Robert ist ein Freund von ihm. Er ist unser Verbindungsmann.
Lord Huber zog ein riesiges weißes Taschentuch aus der Hosentasche und schnäuzte laut und kräftig hinein. Dann betrachtete er zufrieden das Ergebnis und steckte das Taschentuch wieder ein. Herr Jaromir wartete geduldig. Er hatte gesehen, dass Lord Huber den kleinen weißen Zettel ins Taschentuch geschoben und ihn aufmerksam studiert hatte.
Lord Huber räusperte sich. „Ferdinand hat uns Karten hinterlegt. Es wird Zeit, dass wir uns im Museum umschauen. Ich will sehen, was nicht mehr da ist. Und – was noch alles da ist."
Er zwinkerte Herrn Jaromir vergnügt