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Ihre Namen bleiben: Charakterbilder einer Familie
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Ihre Namen bleiben: Charakterbilder einer Familie

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About this ebook

Achim Kupke wurde im Februar 1945 im Raum Berlin geboren, inmitten des Kriegsgeschehens am Ende des Zweiten Weltkrieges.
Er hat den größten Teil seiner väterlichen Familie nie bewusst kennengelernt. Die große Medizinerfamilie war durch Kriegseinwirkungen oder Krankheiten bereits Mitte der 1950er Jahre verstorben.
Ihm verblieb nur ein Koffer, voll mit Hunderten von Dokumenten.

Intensive genealogische Nachforschungen eröffneten ein Bild seiner Herkunft, zu der er die meisten Familienmitglieder nie befragen konnte.
Aus den vielen Briefen, Fotografien, Urkunden und Dokumenten zeichnet er Charakterbilder einzelner Personen dieser väterlichen Familie nach.
Die Lebenswege dieser Personen ergeben oft ein filigranes Bild der Zeitgeschichte.

Wie lebt im 19. Jahrhundert eine Frau mit unehelichen Kindern?
Wie lebt und forscht ein berühmter Anatomie-Professor?
Wie gehen Väter in den Ersten Weltkrieg?
Wie erleben Jugendliche den Zweiten Weltkrieg?
Wie erträgt man das Kriegsende 1945?
Wie schafft man den Neuanfang in Berlin zur Zeit der Blockade und in den frühen 1950er Jahren?
Wie unterschiedlich verläuft dagegen ein Lebenslauf in den letzten Jahrzehnten?

Respekt, historische Einordnung, liebevolles Betrachten und auch die Akzeptanz, nicht leichtfertig urteilen zu dürfen, prägen seine zum Teil erschütternden Darstellungen.
LanguageDeutsch
Release dateAug 15, 2019
ISBN9783748196662
Ihre Namen bleiben: Charakterbilder einer Familie
Author

Achim Kupke

Achim Kupke wurde im Februar 1945 im väterlichen Haus in Beelitz geboren. Seine Mutter floh mit ihm kurz vor Kriegende nach Schleswig-Holstein. Er wuchs in Neumünster bei den Großeltern auf und absolvierte nach dem Schulabschluss der Mittleren Reife eine Lehre zum Chemielaboranten in Leverkusen. Nach dem Wehrpflichtdienst als Sanitäter im Lazarett Glückstadt arbeitete er noch einige Jahre in der Forschung in Leverkusen. Nach seiner Eheschließung ging er nach Neumünster zurück. Dort erreichte er durch die sog. Begabtensonderprüfung den Hochschulzugang und begann ein Studium an der pädagogischen Hochschule in Kiel. Er bestand 1980 das Zweite Staatsexamen zum Realschullehrer. Er unterrichtete Chemie, Physik und Mathematik an Realschulen in Bad Oldesloe, Norderstedt und Neumünster. In Neumünster wirkte er bis zu seiner Pensionierung 2008 als Realschulkonrektor. Achim Kupke erforschte einige Jahre lang die Geschichte seiner väterlichen Familie und veröffentlichte 2019 diese Ergebnisse in dem Buch "Ihre Namen bleiben". Es ist ein zweiter Band in Planung, der sich mit dem mütterlichen Familienteil befasst. Achim Kupke ist musikalisch vielseitig interessiert, u.a. sang er fast 20 Jahre lang im Bachchor Neumünster. Er betrieb immer aktiv Sport, heute allerdings nur noch als Golfspieler. Achim Kupke lebt heute mit seiner Lebenspartnerin in Bad Oldesloe.

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    Ihre Namen bleiben - Achim Kupke

    Friedrich Wilhelm Theodor Kopsch

    Kapitel 1

    Die Entwicklung des braunen Grasfrosches

    1952 erschien im Georg Thieme Verlag (Stuttgart) das wissenschaftliche Werk: „Die Entwicklung des braunen Grasfrosches" von Prof. Dr. Friedrich Kopsch. Es ist das letzte Werk von Friedrich Kopsch, der drei Jahre später, am 24.1.1955 im Alter von 86 Jahren verstarb.

    ABB.1 HANDEXEMPLAR

    Das Handexemplar des Buches ist im Innendeckel beklebt mit 16 Ausschnitten aus verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften mit Hinweisen und Rezensionen. Fachblätter u.a. aus Italien, Brasilien, Japan, USA und der Schweiz berichten über eine bemerkenswerte Forschungsarbeit aus dem Bereich der Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere.

    ABB. 2 INNENSEITE MIT BUCHREZENSIONEN

    In dem Handexemplar befindet sich weiterhin ein fachwissenschaftlicher Schriftwechsel zwischen Friedrich Kopsch und Wolfgang Eilers. Der Briefwechsel begann im Dezember 1953 und endete im Oktober 1954, also kurz vor dem Tod von Friedrich Kopsch.

    Wolfgang Eilers war „cand. rer. nat. am Zoologischen Institut der Technischen Hochschule Stuttgart, also Doktorand der Naturwissenschaften; während Friedrich Kopsch „Ordentlicher Professor der Anatomie (i.R.), weiland II. Direktor des anatomischen Instituts der Humboldt-Universität zu Berlin war.

    Dieser Standesunterschied zeigt sich in den formalen Aspekten der Briefe. Über das Jahr hin beginnt Eilers seine neun Briefe immer mit: „ Hochverehrter Herr Professor und endet immer : „ ...mit vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebener... . Friedrich Kopsch antwortet immer schnell innerhalb von höchstens zwei Tagen: „ Sehr geehrter Herr Eilers und endet anfangs grußlos mit „Fr. Kopsch, später mit „ Hochachtungsvoll, Fr. Kopsch in den letzten Briefen schon deutlich persönlicher durch „ mit besten Grüßen, Fr. Kopsch .

    Beide schreiben ihre Briefe mit der Maschine. Kopsch macht sich in den Briefen von Eilers handschriftliche Notizen.

    Inhaltlich ist dieser Briefwechsel von gegenseitigem Respekt und wechselseitigem Interesse geprägt, trägt nie belehrende, sondern immer neugierige Züge. Einige interessante Details sollen den Alltag in Berlin 1954, sowie die Entwicklung der naturwissenschaftlichen Forschung beschreiben: Eilers schreibt am 5.12.1953:

    „[...] Ich möchte Ihnen, sehr verehrter Herr Professor hiermit zum Ausdruck bringen, wie sehr ich von Ihrem hervorragenden Werk beeindruckt bin und welch großen Nutzen es mir gebracht hat, [...]. Zu großem Dank wäre ich Ihnen verpflichtet, wenn Sie bei Ihrer reichhaltigen Erfahrung die Güte hätten, mir ergänzend zu Ihren bisherigen Veröffentlichungen und meinen bescheidenen Erfahrungen einiges persönlich mitzuteilen. [...]"

    ABB. 3 AUSSCHNITT BRIEF 1 EILERS AN KOPSCH

    Kopsch antwortet am 22.12.1953:

    „[...] Ihren Brief vom 5. Dezember erhielt ich soeben. [...] den Abdruck eines Datumstempels und zwar vom 10. Dezember. Entweder hat die Sekretärin des Instituts sich so lange Zeit gelassen, mir den Brief zuzusenden oder die Ostpost ist so langweilig gewesen. Jedenfalls besteht die Tatsache, dass Ihr Brief beinahe drei Wochen gebraucht hat, um mich zu erreichen. Ich sende meine ganze Post, die in die Westzone geht, durch Luftpost und empfehle Ihnen auch diesen Weg, wenn Sie mir schreiben. Man vermeidet dadurch die Post der Ostzone und damit größere Verzögerungen. Ich vermute, dass häufig die Westkorrespondenz geöffnet wird und dadurch eine Verzögerung erleidet. [...]"

    Eilers, 15.1.1954:

    „[...] Haben Sie eventuell Beziehungen nach den USA wegen der Beschaffung von Rana pipiens? Der Transport kommt ja nur mit Luftpost in Frage und ist relativ erschwinglich. Dagegen verlangen hiesige Herpetologen für einen von USA besorgten Frosch den horrenden Preis von DM 12 bis 15.- , obwohl Rana pipiens meines Wissens ebenso häufig ist wie unsere einheimischen Frösche. [...]"

    Kopsch, 18.1.1954:

    „[...] Beziehungen zu USA, die ich für den Bezug dieser Frösche benutzen könnte, habe ich nicht mehr. Ich bin aber überzeugt davon, dass Herr Rugh Ihnen Tiere schicken wird, wenn Sie ihm schreiben. R. Rugh, Ph. D. Associate Professor of Radiology (Biology) Department of Radiology, Columbia University. [...] Ich selber habe fast ausschließlich frisch gefangene Tiere verwendet. Zwischen 1892 bis 1900 kostete ein Froschpärchen in Berlin etwa 25 Pfennige. Im vergangenen Jahr musste ich 2,00 DM je Pärchen bezahlen, bei Abnahme von 10 Pärchen. [...]"

    ABB. 4 AUSSCHNITT BRIEF 6 KOPSCH AN EILERS

    Eilers, 22.1.1954:

    „[...] Ein besonderes Problem innerhalb meiner Arbeit war die Blutentnahme bei Kaulquappen, besonders bei niederen Stufen. Die Methode der Herzpunktion gelingt mittels einer Glaskapillare nur bei älteren Stadien [...]. [...] bei erwachsenen Fröschen gewinne ich Blut aus der Zunge. [...]"

    Kopsch, 24.1.1954:

    „[...] Für die Blutentnahme nehmen Sie vielleicht besser eine Stahlnadel. Es gibt deren sehr feine zur subcutanen Injektion beim Menschen. Wenn Sie mit einer binokularen Lupe sich bewaffnen, könnte es Ihnen gelingen in die große Schwanzvene zu kommen. [...]"

    ~

    Friedrich Kopsch wurde am 24. März 1868 in Saarbrücken geboren. Ab 1888 studierte er Medizin an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, die seit 1949 den heutigen Namen Humboldt-Universität Berlin trägt.

    ABB. 5 IMMATRIKULATIONSURKUNDE 1888

    ABB. 6 VEREIDIGUNGSURKUNDE 1888

    Er war Schüler von Wilhelm Waldeyer und Hans Virchow, bei dem er 1892 promovierte. Die Dissertation mit dem Titel „Iris und corpus ciliare des Reptilienauges nebst Bemerkungen über einige andere Augentheile" schloss er mit „Summa cum Laude".

    Er wurde Assistent beim Direktor des 2. Anatomischen Instituts Oskar Hertwig, wechselte an das 1. Anatomische Institut zu Wilhelm Waldeyer, habilitierte sich 1898 dort für Anatomie und wurde Privatdozent. 1908 wurde er Titularprofessor und blieb der Berliner Anatomie zunächst als zweiter und erster Prosektor, dann als außerordentlicher Professor über alle Jahre treu. 1935 wurde er zum Ordentlichen Professor für Histologie, Embryologie und Anatomie berufen. Er wurde 1936 emeritiert, war aber weiterhin in der Forschung und als Autor tätig. Nach dem Tod von Friedrich Kopsch am 24.1.1955 erscheint in einem Sonderdruck der Deutschen Medizinischen Wochenschrift ein Nachruf von H. Becher:

    „ [...] In seinem großen Wirkungskreis hat Friedrich Kopsch mehr als 30 000 Studierende mit dem Bau des menschlichen Körpers vertraut gemacht. [...] Diese Zahl wird ungleich größer, wenn man diejenigen Studierenden an den deutschen und außerdeutschen Universitäten hinzuzählt, die durch die Benutzung seines Lehrbuches und Atlas der Anatomie des Menschen zu seinen Schülern geworden sind. Friedrich Kopsch hatte nach dem Tode von August Rauber (1917) die 7. Auflage dieses weit verbreiteten Lehrbuchs übernommen, völlig umgearbeitet und neu herausgegeben.

    Von Auflage zu Auflage hat Friedrich Kopsch an der Vervollkommnung des Buches, seiner Abbildungen und des Textes unermüdlich gearbeitet, [...]. Friedrich Kopsch ist durch das Werk „Lehrbuch und Atlas der Anatomie des Menschen unter den Medizinern geradezu weltbekannt geworden, und wenn gelegentlich sein Name in Kreisen fiel, die ihn persönlich nicht kannten, erfolgte die beziehungsuchende Frage: ist das der „Rauber-Kopsch? So sehr war ihm die Autorengemeinschaft zum Zwillingsnamen geworden." ¹

    Kurz vor seinem Tod konnte die 18. Auflage dieses Standardwerks der Anatomie im Thieme-Verlag erscheinen.

    ABB. 7 RAUBER-KOPSCH, 18. AUFLAGE

    ABB. 8 INNENSEITE MIT KORREKTUR-NOTIZEN

    Hinter seiner Bedeutung als Lehrbuchverfasser tritt seine wissenschaftliche Tätigkeit zu Unrecht etwas in den Hintergrund. Die meisten Forschungsarbeiten befassten sich mit der experimentellen Entwicklungsmechanik der verschiedensten Tierarten.

    FRIEDRICH KOPSCH: UNTERSUCHUNGEN ÜBER GASTRULATION AND EMBRYOBILDUNG BEI DEN CHORDATEN. GEORG THIEME VERLAG, 1904

    FRIEDRICH KOPSCH: DIE DARSTELLUNG DES BINNENNETZES IN SPINALEN GANGLIENZELLEN UND ANDEREN KÖRPERZELLEN MITTELS OSMIUMSÄURE. 1902

    FRIEDRICH KOPSCH: DIE THROMBOCYTEN (BLUTPLÄTTCHEN) DES MENSCHENBLUTES UND IHRE VERÄNDERUNGEN BEI DER BLUTGERINNUNG. 1901

    FRIEDRICH KOPSCH: ART, ORT UND ZEIT DER ENTSTEHUNG DES DOTTERSACHENTOBLASTS BEI VERSCHIEDENEN KNOCHENFISCHARTEN. 1902

    FRIEDRICH KOPSCH: DIE NOMINA ANATOMICA DES JAHRES 1895. GEORG THIEME VERLAG, 1941

    FRIEDRICH KOPSCH: DIE ENTSTEHUNG VON GRANULATIONSGESCHWÜLSTEN UND ADENOMEN, KARZINOM, UND SARKOM DURCH DIE LARVE DER NEMATODE RHABDITIS PELLIO: EIN BEITRAG ZU DEN BEDINGUNGEN DER ENTSTEHUNG ECHTER GESCHWÜLSTE. GEORG THIEME VERLAG, 1919

    Arbeiten wie diese brachten Friedrich Kopsch internationale Anerkennung und Ehrungen. So war er u.a. Mitglied der Kaiserlich Deutschen Akademie der Naturforscher in Halle, Ehrenmitglied der Anatomischen Gesellschaft und ausländisches korrespondierendes Mitglied der medizinischen Gesellschaft für Chirurgie von Bologna.

    ABB. 9 BERUFUNG IN DIE MEDIZINISCHE GESELLSCHAFT FÜR CHIRURGIE AN DER UNIVERSITÄT BOLOGNA

    ABB. 10 ERNENNUNG ZUM MITGLIED DER AKADEMIE DER NATURFORSCHER IN HALLE

    1929 wurde ihm für seine Arbeit über grundlegende entwicklungsmechanische Versuche und Untersuchungen an Eiern von Forellenarten, Haifischen und Haushühnern die Wilhelm-Roux-Medaille verliehen.

    Wilhelm Roux war u.a. Professor in Halle, dabei Mitbegründer und wesentlicher Vertreter der Entwicklungsmechanik. Er gab 1895 das „Archiv für Entwicklungsmechanik" heraus. Hier sollten nicht nur rationale Beschreibungen, sondern auch die experimentellen Überprüfungen von Forschungen dargestellt werden.

    ABB. 11 PROF. KOPSCH AM HÄUSLICHEN ARBEITSPLATZ

    „[...] Verehrer, Freunde und Nachkommen gaben auf Wunsch von Roux eine Schaumünze mit seinem Profil heraus, die durch die Wilhelm-Roux-Stiftung als Preis verliehen werden sollte. Die Münze sollte als Auszeichnung für bedeutende Forschungen auf dem Gebiet der Entwicklungsmechanik dienen. Sie trägt auf der einen Seite das Bild Roux’ von 1897. Die Rückseite erhält eingraviert den Namen und in kurzer Fassung das Hauptverdienst des Beliehenen. Der erste Kandidat war Prof. Fr. Kopsch aus Berlin. Die Medaille wurde gemeinsam mit einer Verleihungsurkunde übereicht. Die Urkunde, unterschrieben von den Fakultätsmitgliedern, erhielt Kopsch, der sich für die überraschende Ehre am 30. Juni 1929 bei dem halleschen Dekan Fritz Goebel (1888-1950) bedankte und die Verleihung als großen Ansporn für weitere umfassende Forschungen auf und für das Gebiet der Entwicklungsmechanik sah. [...]" ²

    ABB. 12 VERLEIHUNGSURKUNDE ROUX MEDAILLE

    ABB. 13 VORDERSEITE ROUX MEDAILLE RÜCKSEITE

    ~

    Friedrich Kopsch heiratete Elsbeth Gaedke, sie wohnten lange in Charlottenburg und dort wurde am 10. Okt 1897 ihr einziger Sohn geboren, Friedrich August Emil, genannt Friedel. Ich werde hier kurz die Vita von Friedel einfügen und dazu die mir vorliegenden Briefe seiner Eltern kommentierend verwenden.

    Das Ende von Friedels Schulzeit fiel in die Zeit des Ersten Weltkrieges und bereits als Schüler wurde er zum Heeresdienst eingezogen. Am 2.5.1916 begann er seinen Dienst beim Ersatz-Bataillon des Reserve Infanterie Regiments 35, schon am 31.10.1916 ging es „ins Feld" und er nahm an den Stellungskämpfen um den Narocz-See (heute Weißrussland, Naratschsee) teil. Im Winter 1916/17 kämpfte er bei der Winterschlacht an der Aa (heute Lettland), und den anschließenden Stellungskämpfen um Riga. Im März 1917 wurde er zum Gefreiten ernannt. Mit dem Reserve Infanterie Regiment 13 nahm er an der Schlacht um Verdun teil. Ende November 1917 erhielt er Heimaturlaub, um im Dezember das Abitur zu machen. Er erhielt ein handschriftliches Notreifezeugnis mit Bezug auf einen Erlass des Preußischen Kultusministers August von Trott zu Solz vom 1. August 1914. Dieser Erlass war dem Zeugnis beigefügt:

    „[...] Um den Schülern der Prima einer höheren Lehranstalt, welche infolge der angeordneten Mobilmachung der Armee in diese eintreten wollen oder müssen, die Möglichkeit zu gewähren, vorher noch die Reifeprüfung abzulegen, beauftrage ich das Königliche Provinzialschulkollegium, angesichts dieses die Direktoren der Gymnasien, Realgymnasien und Oberrealschulen anzuweisen, mit den Schülern, welche der Prima mindestens im dritten Halbjahr angehören und sich entweder über ihre Verpflichtung zum Eintritt in die Armee durch die betreffenden Militärpapiere ausweisen oder die Zustimmung ihrer Väter oder Vormünder zu ihrem freiwilligen Eintritt beibringen und für militärtauglich befunden worden sind, sogleich die Reifeprüfung abzuhalten. [...]."

    ABB. 14 NOTREIFEZEUGNIS KRIEGSTEILNEHMERPRÜFUNG (AUSSCHNITTE)

    ABB. 15 FRIEDEL KOPSCH CA. 1916

    Nach Erhalt seines Reifezeugnisses ist Friedel Kopsch dann wieder an die Westfront kommandiert worden, wo er im April 1918 zum Unteroffizier befördert wurde. Bereits vier Wochen später erfolgte die nächste Beförderung zum Vizefeldwebel. Im Stellungskrieg in Flandern wurde Friedel Kopsch dann im Juli 1918 verwundet und erhielt das Verwundeten-Abzeichen. Aus dem Heeresdienst entlassen wurde er am 21.12.1918.

    Es ist höchst erschreckend und heute kaum vorstellbar, dass ein 18jähriger wohl freiwillig, zumindest mit Zustimmung der Eltern, in einen grauenvollen Krieg zieht, dort an mehreren Fronten kämpft und innerhalb einiger Monate vom Rekruten zum Vizefeldwebel befördert wird, vermutlich um die Lücken zu schließen, die der Tod täglich riss! Dann macht er mal eben zwischendurch ein Notabitur, vom Staat so gewünscht, und letztlich wird er noch verwundet und mit Orden ausgezeichnet.

    ABB. 16 BESITZZEUGNIS VERWUNDETENABZEICHEN

    Am 25.11.1918 nahm er sein Studium der Medizin an der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin auf. Natürlich belegte er auch Vorlesungen bei seinem Vater.

    ABB. 17 STUDIENBUCH FRIEDEL

    In dem Zusammenhang sind die Eintragungen in den Studienbüchern über Studiengebühren interessant. Für ein Semester sind Zahlungsvermerke für 12 Mark quittiert mit der Bemerkung: „sonst frei als Prof.-Sohn".

    Bereits 1920 bestand er die ärztliche Vorprüfung, 1922 das ärztliche Staatsexamen und war für das praktische Jahr am Kreiskrankenhaus Lichterfelde und im Lazarus-Krankenhaus Berlin tätig. Die Approbation als Arzt erhielt er im August 1923. Die handschriftliche Approbationsurkunde wurde kurz vor Einführung der Rentenmark ausgestellt und enthält Stempelmarken im Wert von 7500 Mark. Die Verwaltungsgebühr betrug 120 000 Mark!

    ABB. 18 APPROBATIONSURKUNDE FRIEDEL

    Friedel Kopsch war dann vom 1.9.1923 bis 31.3. 1927 als Assistent an der Hautklinik der Charité tätig. Dort machte er seinen Facharzt und promovierte am 31.5.1927 mit dem Thema „Über das Vorkommen und die Bedeutung der eosinophilen Zellen bei der Gonorrhoea acuta anterior und Gonorrhoea acuta posterior."

    ABB. 19 PROMOTIONSURKUNDE FRIEDEL

    Vier Monate später heiratet er Charlotte Wilhelmine Maria Margaretha Kupke in Beelitz. Charlotte ist die älteste Schwester meines Vaters Hans-Heinz Kupke, also meine Tante.

    Aus der Ehe gehen zwei Kinder hervor. Am 9.8.1928 wird Friedrich Wilhelm Alexander in Potsdam geboren. In dieser Familie mit Großvater Friedrich, Vater Friedrich (Friedel) wird der Enkel Friedrich nun ausschließlich Fritz genannt. Am 29.4.1932 wird ein zweiter Sohn Wolf-Dietrich Johannes, genannt Wolf, in Bielefeld geboren.

    Seit 1.1.1929 hat die Familie ihre Wohnung in Detmold, Pallaisstr. 44. Im Hause hat Friedel seine Praxis als niedergelassener Hautarzt. Schon am 1.6.1929 übernimmt Friedel die Leitung der Fachabteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten am Landeskrankenhaus Detmold.

    In diesen wenigen Friedensjahren, wo sich Friedel seiner medizinischen Karriere widmet, schreibt Friedrich Kopsch häufig an seinen Sohn und zeigt sich dabei auch spendabel. So finanziert er den Ankauf eines gebrauchten Konzertflügels. Lotte hatte vor ihrer Heirat eine Ausbildung als Pianistin gemacht und bis dahin kein eigenes Klavier gehabt.

    ABB. 20 PROF. AN FRIEDEL 31.1.1931

    Zur Geburt des zweiten Enkels schenkt er Lotte einen Brillantring, wobei er die Familie über die Kosten nicht im Unklaren lässt.

    ABB. 21 PROF. AN FRIEDEL 1.6.1932 (AUSSCHNITT)

    Als der zweite Enkel von Friedrich Kopsch schon sehr früh Zähnchen zeigt, hat er natürlich wissenschaftlich fundierten Rat! Am 21.5.1932 schreibt Friedrich Kopsch an seinen Sohn Friedel:

    ABB. 22 PROF. AN FRIEDEL 21.5.1932 (AUSSCHNITT)

    Andererseits scheint sich Friedrich Kopsch wohl häufig zu sehr um die junge Familie gekümmert zu haben. Am 9.11.35 schreibt Friedel an Lotte wegen des bevorstehenden Umzugs von Detmold nach Leipzig. Dabei wird seine verärgerte Haltung zu den Eltern deutlich:

    „[...] Also nun mal zu den Eltern. Vater hat in Berlin einen großen Berater und der heißt von Marenholz. Von dem bekommt Vater alles Mögliche und Unmögliche zu hören. So z.B., wie hoch mein Gehalt ist, wie hoch die Umzugskostenbeihilfe ist, daß in Leipzig die Dermatologen unheimlich zu tun haben und ich sicher sehr bald eine Riesenpraxis haben werde, etc. Du siehst also woher der Wind weht. Vater nimmt alles gläubig in sich auf. Und da ist denn bei Mutter der Wunsch der Vater des Gedankens. Ich habe es nun auch bald satt, immer nur bevormundet zu werden. Aber Du weißt ja, tue was dagegen, noch ist Vater immer der, der uns aus der Klemme geholfen hat. Daß Mutter zum Einrichten herkommt, darüber brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen. [...]"

    Im Oktober 1933 verkündete Hitler den Austritt aus dem Völkerbund und machte für seine Vorstellung damit den Weg frei für die massive Aufrüstung und Aufstellung eines zunächst 300 000 Mann Heeres. Die Beschränkungen des Versailler Vertrages wurden ignoriert und zum Oktober 1935 die allgemeine Wehrpflicht verkündet.

    Mit Urkunde vom 28.September 1934 wird Friedel Kopsch das Ehrenkreuz für Frontkämpfer verliehen. Dieses Ehrenkreuz wurde zwar in großen Mengen an verwundete Kämpfer des Ersten Weltkrieges verliehen, musste allerdings in der Regel von den Eltern gefallener oder verwundeter Soldaten beantragt werden.

    Hat Prof. Kopsch das also beantragt? Es liegen dazu keine Dokumente vor.

    ABB. 23 VERLEIHUNGSURKUNDE EHRENKREUZ

    Ab dem 28.11.34 nimmt Friedel an einer 4-wöchigen Übung als Ergänzungsführer (Unterarzt) bei der Sanitätsstaffel Detmold teil. Sein Vater muss zu dieser Zeit seine Beziehungen zu leitenden Medizinern genutzt haben, um Friedel den frühen Weg in das Reichsheer zu ebnen. Am 9.12.34 schreibt Friedel an den Wehrkreisarzt eine Bewerbung für seinen Eintritt in das Reichsheer. Er beginnt:

    „[…] Unter Bezugnahme auf eine Unterredung zwischen Herrn Generaloberstabsarzt Dr. Waldmann und meinem Vater Prof. Dr. Kopsch, Berlin, anatomisches Institut der Universität Berlin, am 4. Dezember 1934 in Berlin bitte ich als Arzt in das Reichsheer eingestellt zu werden. (Aktive Sanitäts-Offiziers-Laufbahn). [...]"

    Aus weiteren Schreiben geht hervor, welche Bewerbungsunterlagen zusätzlich eingereicht werden mussten. Es waren: Nachweis arischer Abstammung beider Ehepartner, Nachweis der Schuldenfreiheit, Führungszeugnis, Erklärung, kein Freimaurer zu sein und keine Bindungen zu Logen zu haben. Offensichtlich wurden diese Papiere innerhalb kürzester Zeit bereitgestellt, denn bereits im März 1935 erfolgt die Einstellung als Unterarzt in die Sanitätsstaffel Berlin. Das war wohl doch etwas plötzlich, denn Friedel schreibt eine sofortige Antwort an den Standortarzt Berlin:

    „Euer Hochwohlgeboren!

    Euer Hochwohlgeboren bitte ich ganz gehorsamst, mich erst am Montag, dem 11. März 1935, in Berlin melden zu dürfen, da ich erst meine Praxis auflösen und meine Patienten an andere Ärzte zur weiteren Behandlung überweisen muß. [...]

    Mit vorzüglicher Hochachtung

    Heil Hitler!"

    Ab diesem Zeitpunkt geht alles immer schnell mit steiler Karriere:

    1.5.1935 Ernennung zum Assistenzarzt bei San.-Abteilung Magdeburg, Staffel Berlin

    10.10.1935 Versetzung nach Leipzig

    1.11.1935 Beförderung zum Oberarzt und Stabsarzt der San.-Abtlg. 14, Leipzig

    23.9.1936 Empfang des Dienstpferdes „Loki"

    1.10.1936 Verpflichtungsschein für unbegrenzte Zeit in der Wehrmacht

    2.10.1936 Verleihung der Dienstauszeichnung IV. Klasse, wegen vierjähriger treuer Dienste in der Wehrmacht! (Dabei wurde die Dienstzeit des 1. Weltkrieges mitgerechnet)

    28.11.1939 Eisernes Kreuz 2. Klasse, dort schon Oberstabsarzt! II. Artillerie-Reg 50

    18.12.1939 Medaille zur Erinnerung an den 1.10.38 (Sudetenland-Medaille) ³

    1.6.1942 Ernennung zum Oberfeldarzt

    Gefallen ist Friedel am 8.7.42 in Saprudnoje bei Shisdra (Russland). Dort wurde er auf dem Soldatenfriedhof in Bukan beerdigt.

    ABB.24 OHNE WORTE

    ~

    Von seinem Vater Friedrich Kopsch sind zu den Kriegseinsätzen des Sohnes keine Briefe, Dokumente oder Aufzeichnungen bekannt. Auch zu Friedels Tod sind Briefe an Lotte nicht überliefert. Das ist umso erstaunlicher, da von ihm ansonsten sehr viele Briefe erhalten sind, aber immer nur zu zivilen Angelegenheiten. Regelmäßig hat er alle Familienereignisse gerne und detailliert kommentiert.

    Im Sommer 1940 begann der erste Luftangriff auf Berlin, doch erst ab August 1943 begann die British Air Force mit den verheerenden Großangriffen auf die Hauptstadt. Erst jetzt sind in den Briefen von Friedrich Kopsch auch seine Erlebnisse und Kommentierungen zum Kriegsgeschehen enthalten:

    Am 11.8.1943 sendet Friedrich Kopsch an seine Schwiegertochter Lotte in einem versiegelten Umschlag eine Abschrift seines Testaments mit genauen Anweisungen zum Verfahren im Falle seines Todes:

    „[...] denn, wenn das Testament nicht vorhanden ist, erben Deine Söhne und Du gehst des Niesbrauchs verlustig, den Du nach meinem Willen am Gesamterbe haben sollst solange Du lebst und im Witwenstande verharrst.[...]" .

    Weiter schreibt er:

    „[...] Seit Anfang vergangener Woche schleppe ich täglich etwa 20 Pfund meiner Apparate und Instrumente und Präparate von der Anatomie nach Dahlem, denn die Anatomie ist doch wohl noch mehr gefährdet, wie unser Haus in Dahlem, das allerdings durch die Nähe der Flack und der

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