Der Mann, der sie nie vergaß: Die Klinik am See 40 – Arztroman
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Britta Winckler ist eine erfahrene Romanschriftstellerin, die in verschiedenen Genres aktiv ist und über hundert Romane veröffentlichte. Die Serie "Die Klinik am See" ist ihr Meisterwerk. Es gelingt der Autorin, mit dieser großen Arztserie die Idee umzusetzen, die ihr gesamtes Schriftstellerleben begleitete.
Sonja Melles stand in der kleinen Küche ihres Appartements und kochte, eine Tätigkeit, der sie sich schon lange nicht mehr hingegeben hatte. Sie hatte sich für ein chinesisches Gericht entschieden. Ihr Blick fiel auf die Uhr, Julian mußte gleich da sein. Er aß gern gut, und sie hatte sich wirklich alle Mühe gegeben. Sie beugte sich über den Topf, kostete und schnitt eine Grimasse. Sie hatte es nie nötig gehabt, in der Küche zu stehen. Vielleicht war es dumm von ihr, sich gerade heute auf dieses Experiment eingelassen zu haben. Sonja seufzte. Sie probierte den Reis, stellte erleichtert fest, daß er körnig war, dann band sie sich die Schürze ab. Julian war es nicht gewohnt, von Frauen empfangen zu werden, die Küchendüfte vor sich hertrugen. Mit raschem Blick überzeugte sie sich davon, daß nichts anbrennen konnte, dann eilte sie hinüber ins Bad. Sonja, die ihren Lebensunterhalt als Fotomodell und Mannequin verdiente, war es gewohnt, sich rasch zurechtzumachen. Als sie wenig später hörte, daß ein Schlüssel im Schloß umgedreht wurde, lächelte sie ihrem Spiegelbild zu. Julian Zirner betrat das Appartement. Seit über einem Jahr lebte er mit Sonja Melles zusammen, wenn man das überhaupt zusammenleben nennen konnte. Er war Filmregisseur und meistens unterwegs. Auch Sonja jettete durch die Welt, fast noch mehr als er. Modeaufnahmen in Paris oder New York standen auf der Tagesordnung. Obwohl sie bereits ihren vierzigsten Geburtstag gefeiert hatte, konnte sie über Arbeitsmangel nicht klagen. Im Herzen von Schwabing hatte sie sich ein Appartement gemietet, so oft es ging trafen sie sich daher hier in München.
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Der Mann, der sie nie vergaß - Britta Winckler
Die Klinik am See
– 40–
Der Mann, der sie nie vergaß
Als Sonja ihre Jugendliebe wiedersah
Britta Winckler
Sonja Melles stand in der kleinen Küche ihres Appartements und kochte, eine Tätigkeit, der sie sich schon lange nicht mehr hingegeben hatte. Sie hatte sich für ein chinesisches Gericht entschieden. Ihr Blick fiel auf die Uhr, Julian mußte gleich da sein. Er aß gern gut, und sie hatte sich wirklich alle Mühe gegeben. Sie beugte sich über den Topf, kostete und schnitt eine Grimasse. Sie hatte es nie nötig gehabt, in der Küche zu stehen. Vielleicht war es dumm von ihr, sich gerade heute auf dieses Experiment eingelassen zu haben.
Sonja seufzte. Sie probierte den Reis, stellte erleichtert fest, daß er körnig war, dann band sie sich die Schürze ab. Julian war es nicht gewohnt, von Frauen empfangen zu werden, die Küchendüfte vor sich hertrugen. Mit raschem Blick überzeugte sie sich davon, daß nichts anbrennen konnte, dann eilte sie hinüber ins Bad. Sonja, die ihren Lebensunterhalt als Fotomodell und Mannequin verdiente, war es gewohnt, sich rasch zurechtzumachen.
Als sie wenig später hörte, daß ein Schlüssel im Schloß umgedreht wurde, lächelte sie ihrem Spiegelbild zu.
Julian Zirner betrat das Appartement. Seit über einem Jahr lebte er mit Sonja Melles zusammen, wenn man das überhaupt zusammenleben nennen konnte. Er war Filmregisseur und meistens unterwegs. Auch Sonja jettete durch die Welt, fast noch mehr als er. Modeaufnahmen in Paris oder New York standen auf der Tagesordnung.
Obwohl sie bereits ihren vierzigsten Geburtstag gefeiert hatte, konnte sie über Arbeitsmangel nicht klagen. Im Herzen von Schwabing hatte sie sich ein Appartement gemietet, so oft es ging trafen sie sich daher hier in München.
Der Filmregisseur hob schnuppernd die Nase. »Hallo! Wo steckst du?« rief er. »Du hast also wirklich gekocht?«
»Habe ich!« Sonja trat aus dem Badezimmer. »Chinesisch«, setzte sie hinzu. »Ich hoffe, daß du nicht enttäuscht sein wirst.«
Julian ging auf sie zu, küßte sie flüchtig, dann meinte er: »Übermorgen muß ich wieder in Rom sein. Da muß ich die erste Maschine nehmen. Es geht um einen neuen Film.«
Sonja lächelte. »Dann haben wir ja einen ganzen Tag Zeit.« Sie schlang ihm die Arme um den Nacken, und diesmal fiel der Kuß leidenschaftlicher aus.
Er umschlang sie fester. »Ich werde nicht lange in Rom bleiben. Wenn ich in diesem Film Regie führe, bedeutet das, daß ich Vorschläge in bezug auf die Besetzung machen kann.« Erwartungsvoll sah er sie an. »Ich werde die Regie nur übernehmen, wenn du die Hauptdarstellerin wirst.«
Verwirrt sah Sonja ihn an.
»Wir haben darüber gesprochen, erinnerst du dich nicht mehr?« fragte Julian.
»Natürlich!« Die Begeisterung erfaßte Sonja. Sie hatte nur nicht mehr daran gedacht. Sie war zu sehr mit einem anderen Problem beschäftigt gewesen.
Julian Zirner umspannte ihre Schultern fester. »Die Entscheidung fällt übermorgen, daher muß ich noch einmal nach Rom. Zwar wird mit den Filmaufnahmen frühestens in drei Monaten begonnen, aber wir wären dann wenigstens einige Zeit zusammen. Ich habe das Drehbuch dabei, du kannst es dir anschauen.«
Sonja entwand sich seinen Armen, dabei lächelte sie jedoch glücklich. »Wenn du von dem Stoff angetan bist, dann ist schon alles in Ordnung. Ich weiß, daß ich mich auf dich verlassen kann. Du hast ein Gespür für gute Filme. In den letzten Jahren hast du keinen Flop mehr gehabt. Die Frage ist nur, ob ich deinen Ansprüchen genüge. Du weißt, ich habe bereits einige Werbefilme gemacht, aber sonst…« Skeptisch zuckte sie die Achseln.
»Ich habe mir all diese Werbefilme angesehen, und in jedem warst du phantastisch. Du bist eben ein Naturtalent!«
»Wenn du das sagst!« Sie schmiegte sich erneut an ihn. Lange hatte sie allein gelebt, ihr Beruf hatte ihr keine Zeit für eine feste Bindung gelassen. Jetzt genoß sie es, deshalb hatte sie sich dieses Appartement gemietet, um endlich ein Zuhause zu haben.
»Das Essen!« Rasch löste sich Sonja von ihrem Freund. »Ich habe mir solche Mühe damit gegeben. Nicht, daß es zuletzt doch noch verschmort.« Sie eilte in die Küche, Julian folgte ihr.
»Riechen tut es jedenfalls gut«, stellte er fest. »Mir ist nur nicht klar, warum du dir diese Mühe gemacht hast. Wir hätten doch essen gehen können.«
»Ich wollte mit dir allein sein.« Sonja senkte den Blick.
»Hört sich gut an!« Julian streckte die Hände nach ihr aus, doch sie trat schnell zur Seite.
»Nein, nein…« Ihre Wangen färbten sich. »Ich möchte mit dir etwas besprechen, und das in aller Ruhe. Ich kümmere mich um das Essen, und du holst eine Flasche Wein. Eine Flasche Weißwein habe ich bereits in den Kühlschrank gestellt, er dürfte jetzt die richtige Temperatur haben.«
Julian wunderte sich, er hatte sie bisher nicht für ein Hausmütterchen gehalten. Doch er konnte sich nicht mehr dazu äußern, denn sie hatte sich abgewandt und klapperte bereits mit dem Geschirr.
Sonja spielte auch weiterhin die fleißige Hausfrau. Sorgfältig deckte sie den Tisch, schickte ihn dann aus der Küche, als er ihr beim Auftragen helfen wollte. Sogar eine Warmhalteplatte stellte sie auf den Tisch, damit die Speisen auch einige Zeit warm blieben. Sie legte dann zuerst ihm vor, bevor sie selbst zugriff. Nach einigen Bissen hob sie den Kopf und sah ihn erwartungsvoll an.
»Nicht schlecht«, mußte er zugeben. »Ich hatte keine Ahnung, daß du kochen kannst.«
»Ich habe es auch schon lange nicht mehr getan.« Lächelnd schob Sonja sich ein Stückchen Hähnchenfleisch in den Mund.
Julian ließ die Gabel sinken. Eingehend betrachtete er Sonja. Sie sah wie immer aus, apart und gepflegt. Trotzdem fragte er mißtrauisch: »Willst du in Zukunft öfter das Hausmütterchen spielen?«
»Hättest du etwas dagegen?« Sonja erwiderte seinen Blick.
Diese Frage ließ Julian die Stirn runzeln. »Es würde nicht zu dir passen«, stellte er nach kurzem Überlegen fest. »Du und ein Heimchen am Herd? Nein, das paßt einfach nicht zu dir. Du bist eine wunderbare Frau! Mit dir kann man überallhin gehen, du findest dich überall zurecht.«
»Glaubst du nicht, daß Hausfrauen dies auch können?«
»Aber du bist nun mal keine Hausfrau!« Fassungslos starrte er sie an.
»Da hast du recht!« Sonja lachte. »Ich kann mir auch nicht vorstellen, zu Hause zu sitzen und darauf zu warten, daß du zum Essen kommst.«
»Dazu wird es nie kommen, obwohl es ausgezeichnet schmeckt.« Mit Genuß schob Julian erneut einen Bissen in den Mund.
»Nicht, daß du auf den Geschmack kommst! Das Gericht ist mir zwar geglückt, aber ich muß zugeben, daß es so ziemlich das einzige ist, was ich beherrsche.«
»Wir kennen uns nun schon über ein Jahr, und du hast noch nie gekocht.« Er griff nach dem Glas.
»Ich wollte den Abend heute einfach nicht in irgendeinem Lokal verbringen. Ich hoffe, du hast nichts dagegen?«
»Durchaus nicht!« Er hob das Glas und trank ihr zu. »Wir sind so selten wirklich allein.«
Sonja nickte, dann nippte sie an ihrem Glas. »Man kann sich so viel besser unterhalten als in einem Restaurant. Auch wenn wir dort einen Tisch für uns allein hätten, der Kellner würde doch immer wieder kommen und uns stören.«
Julian stellte das Glas ab, er griff über den Tisch und drückte ihre Hand. Erstaunt sah er hoch, denn Sonja entzog ihm diese.
»Nanu?«
»Entschuldige, ich bin etwas nervös.«
»Sonja, so kenne ich dich gar nicht!«
»Da hast du recht! Ich war auch noch nie in so einer Situation.« Sie wollte lächeln, aber das Lächeln mißlang.
Nun verging Julian der Appetit wirklich. Er schob seinen Teller zur Seite. »Sonja, wenn ich dir helfen kann? Du weißt, daß ich alles für dich tun würde.«
»Mein Gott!« Sonja konnte nicht anders, sie mußte lachen. »Ich wollte diplomatisch vorgehen. Bei einem guten Essen, einem Glas Wein wollte ich mit dir sprechen. Und nun benehme ich mich wie ein Teenager. Tja, ich war vergangene Woche beim Arzt, beim Frauenarzt.« Sie sah ihren Freund an, befeuchtete sich mit der Zungenspitze ihre Unterlippe. »Es steht fest, daß ich schwanger bin.«
Julian, der gerade einen Schluck Wein genommen hatte, hätte sich beinahe verschluckt. »Ein Kind? Damit habe ich wirklich nicht gerechnet.«
»Ich auch nicht«, entgegnete Sonja trocken. »Wenn dies vor zehn oder fünfzehn Jahren passiert wäre.« Nachdenklich legte sie die Handflächen gegeneinander. »So habe ich nie an ein Kind gedacht. Ich hatte einen Beruf, der mich ganz ausfüllte. Mutter sein, nein, das wäre nichts für mich gewesen.«
»Ich habe auch nie daran gedacht, eine Familie zu gründen.« Julian verbesserte sich: »Ich meine, ich dachte daran zu heiraten, aber erst, seit ich dich kenne, kam mir so ein