Wann wird Hochzeit sein?: Die Klinik am See 41 – Arztroman
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Britta Winckler ist eine erfahrene Romanschriftstellerin, die in verschiedenen Genres aktiv ist und über hundert Romane veröffentlichte. Die Serie "Die Klinik am See" ist ihr Meisterwerk. Es gelingt der Autorin, mit dieser großen Arztserie die Idee umzusetzen, die ihr gesamtes Schriftstellerleben begleitete.
Neuhausen, eine knapp Tausend-Seelen-Gemeinde, war nicht groß. Es hatte auch nichts Besonderes zu bieten. Jedenfalls nichts, was Touristen und Erlebnishungrige angelockt hätte. Zwischen den in alpenländischen Stil erbauten Häusern war wenig von Leben und Betriebsamkeit zu merken. Der ganze Ort, eingebettet zwischen den Schlierseer Bergen, strömte eine geradezu himmlische Ruhe aus. Einen Touristenboom, wie er an vielen anderen zwischen und an den Bergen dieses Teils von Bayern gang und gäbe war, gab es hier nicht. Wahrscheinlich war es auch diese Ruhe, die eine Ruhe von gut betuchten, aber auch gestreßten Geschäftsleuten aus der Großstadt dazu inspiriert hatte, sich in diesem etwas abseits von den verkehrsreichen Straßen liegendem Ort niederzulassen, um irgendwann einmal den Lebensabend in dieser idyllischen Abgeschiedenheit zu verbringen. Das war auch bei Katharina Seelinger der Grund gewesen, in Neuhausen seßhaft zu werden. Ihr Haus, von den Einheimischen Villa Seelinger genannt, war eine gutgelungene Mischung von Bungalow und alpenländischem Fachwerkbau. Es stand an einem sanften Hang oberhalb des Ortes und war von einer fast mannshohen Hecke umgeben. Von den Fenstern der oberen Etage konnte man ganz Neuhausen überblicken, bis hinüber zur Ostseite des Wallberges. Vor Jahren, als ihr Mann noch lebte, war Katharina Seelinger ganz zufällig in diese Gegend gekommen und hatte sich gerade in dieses Haus verliebt. Ihr Mann hatte es dann noch kurz vor seinem Tode gekauft, und sie war kurzentschlossen in dieses Haus eingezogen, während ihr Mann noch die letzten paar Monate bis zu seinem Tode in der Stadtwohnung in München verbracht hatte, die sein Sohn aus erster Ehe nun bewohnte. An diesem, ihrem Stiefsohn, hatte sie bisher keine große Freude gehabt. Lothar Seelinger war ihr zu haltlos. Sein Lebenswandel gefiel ihr nicht. Er war jetzt fast dreißig Jahre alt, hatte es immer noch nicht zu etwas gebracht und lebte eigentlich nur von dem Geld, das sie ihm laut einer testamentarischen Verfügung ihres verstorbenen Mannes jeden Monat zukommen ließ. Wenig war das nicht gerade. Dafür mußten andere in seinem Alter schwer oder zumindest angestrengt arbeiten. Dennoch war er stets knapp bei Kasse, besonders in dem letzten halben Jahr, seit er eine Barsängerin als Freundin hatte, die er als seine Verlobte ausgab.
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Wann wird Hochzeit sein? - Britta Winckler
Die Klinik am See
– 41–
Wann wird Hochzeit sein?
Gemeinsame Sorte führte sie zusammen
Britta Winckler
Neuhausen, eine knapp Tausend-Seelen-Gemeinde, war nicht groß. Es hatte auch nichts Besonderes zu bieten. Jedenfalls nichts, was Touristen und Erlebnishungrige angelockt hätte. Zwischen den in alpenländischen Stil erbauten Häusern war wenig von Leben und Betriebsamkeit zu merken. Der ganze Ort, eingebettet zwischen den Schlierseer Bergen, strömte eine geradezu himmlische Ruhe aus. Einen Touristenboom, wie er an vielen anderen zwischen und an den Bergen dieses Teils von Bayern gang und gäbe war, gab es hier nicht. Wahrscheinlich war es auch diese Ruhe, die eine Ruhe von gut betuchten, aber auch gestreßten Geschäftsleuten aus der Großstadt dazu inspiriert hatte, sich in diesem etwas abseits von den verkehrsreichen Straßen liegendem Ort niederzulassen, um irgendwann einmal den Lebensabend in dieser idyllischen Abgeschiedenheit zu verbringen.
Das war auch bei Katharina Seelinger der Grund gewesen, in Neuhausen seßhaft zu werden. Ihr Haus, von den Einheimischen Villa Seelinger genannt, war eine gutgelungene Mischung von Bungalow und alpenländischem Fachwerkbau. Es stand an einem sanften Hang oberhalb des Ortes und war von einer fast mannshohen Hecke umgeben. Von den Fenstern der oberen Etage konnte man ganz Neuhausen überblicken, bis hinüber zur Ostseite des Wallberges.
Vor Jahren, als ihr Mann noch lebte, war Katharina Seelinger ganz zufällig in diese Gegend gekommen und hatte sich gerade in dieses Haus verliebt. Ihr Mann hatte es dann noch kurz vor seinem Tode gekauft, und sie war kurzentschlossen in dieses Haus eingezogen, während ihr Mann noch die letzten paar Monate bis zu seinem Tode in der Stadtwohnung in München verbracht hatte, die sein Sohn aus erster Ehe nun bewohnte.
An diesem, ihrem Stiefsohn, hatte sie bisher keine große Freude gehabt. Lothar Seelinger war ihr zu haltlos. Sein Lebenswandel gefiel ihr nicht. Er war jetzt fast dreißig Jahre alt, hatte es immer noch nicht zu etwas gebracht und lebte eigentlich nur von dem Geld, das sie ihm laut einer testamentarischen Verfügung ihres verstorbenen Mannes jeden Monat zukommen ließ. Wenig war das nicht gerade. Dafür mußten andere in seinem Alter schwer oder zumindest angestrengt arbeiten. Dennoch war er stets knapp bei Kasse, besonders in dem letzten halben Jahr, seit er eine Barsängerin als Freundin hatte, die er als seine Verlobte ausgab. Ihr gegenüber tat er das jedenfalls. War er früher nach dem Tode seines Vaters alle zwei bis drei Monate einmal zu ihr auf Besuch gekommen – meistens dann, wenn Ebbe in seiner Brieftasche war – so erschien er nun seit ein paar Monaten mindestens jede zweite Woche. Immer in Begleitung seiner angeblichen Verlobten. Für diese junge Frau konnte Katharina Seelinger beim besten Willen keine Sympathien aufbringen. Diese Rita Gassner, wie ihr Name lautete, war ihr zu keß, zu aufdringlich, obwohl sie bei den Besuchen stets versuchte, die Freundlichkeit in Person zu sein – ebenso wie Lothar. Katharina Seelinger war aber inzwischen dahinter gekommen, jedenfalls fühlte sie es, daß die beiden nur auf ihr Geld aus waren. In den vergangenen Wochen hatte es manche Diskussionen darüber gegeben, weil Lothar gar zu gern Vollmachten über das Vermögen gehabt hätte, die ihm nach seiner Meinung als dem Sohn des Verstorbenen zustünden.
Daß derartige Gespräche, Diskussionen und Debatten für Katharina Seelingers Herzleiden nicht gerade heilsam waren, ihren Zustand nur verschlimmerten und sie in gefährliche Erregung versetzten, lag auf der Hand.
Darüber war sich auch Beate Rutloff im klaren und machte sich die größten Sorgen um die Gesundheit der ihrer Betreuung anvertrauten Katharina Seelinger. Beate hatte nicht nur einmal solcherart Herzanfälle erlebt. Nicht nur bei Katharina Seelinger, sondern schon früher, als sie noch als Krankenschwester in der Klinik am See tätig gewesen war. Damals hatte sie auch Katharina Seelinger als Patientin der Klinik auf der inneren Station betreut, die wegen ihres Herzleidens und einer unangenehmen Blasenentzündung fast vier Wochen dort gelegen hatte.
In jenen vier Wochen hatte sich zwischen ihr und der alten Dame eine fast freundschaftliche Beziehung entwickelt, die soweit ging, daß Katharina Seelinger sie auch nach der Entlassung aus der Klinik nicht mehr entbehren wollte. Den Vorschlag, besser gesagt, die Bitte der liebenswerten Industriellenwitwe, die damalige Schwester Beate als ständige private Betreuerin mit in ihre Villa zu nehmen, hatte Beate nicht abschlagen können, denn sie mochte diese Frau, die sie irgendwie an ihre eigene verstorbene Mutter erinnerte. Daß sie Katharina Seelingers Bitte entsprach, hatte allerdings noch zwei andere Gründe. Zum einen war es die finanzielle Seite, denn das Gehaltsangebot Katharina Seelingers war fast doppelt so hoch wie das, was sie als Krankenschwester in der Klinik bekam. Ausschlaggebend aber für ihre Entscheidung, private Betreuerin bei Katharina Seelinger zu werden, war wahrscheinlich etwas anderes – nämlich ihre unglückliche Liebe zu einem Forstassistenten aus Auefelden. Eine Liebe, der die Erfüllung versagt blieb, weil der Mann verheiratet war und Familie hatte.
Beate hatte eingesehen, daß es sinnlos war, auf etwas zu hoffen und zu warten, was sich niemals erfüllen würde. Es hatte geschmerzt, diese Erkenntnis. So gesehen kam Beate das Angebot Katharina Seelingers gerade recht, um ihr seelisches Tief überwinden zu können und nicht mehr in unmittelbarer Nähe des Mannes zu sein, den sie doch nicht haben konnte.
Vor nunmehr einem halben Jahr war das gewesen. Beate hatte ihre Entscheidung nie bereut. In der Villa Seelinger in Neuhausen hatte sie sich in den vergangenen Monaten so eingelebt, als hätte es für sie nie etwas anderes vorher gegeben. Sie fühlte sich hier wie zu Hause. Das lag nicht etwa an dem wirklich hübschen und behaglich eingerichteten Haus – sie selbst bewohnte ein großes Zimmer mit eigenem Bad und Toilette in der ersten Etage – sondern mehr daran, daß sie von Katharina Seelinger nicht als bezahlte Angestellte angesehen und behandelt wurde. In den vergangenen Monaten hatte sich zwischen ihr und ihrer Arbeitgeberin eine Beziehung entwickelt, die fast als Mutter-Tochter-Beziehung anzusehen war. Sie war nicht mehr die Schwester Beate, sondern einfach nur Beate.
»Ich hätte mir eine Tochter gewünscht, die so ist wie Sie, Beate.«
Solche und ähnliche Worte hatte Katharina Seelinger des öfteren gesagt. »Es ist schön, daß es Sie gibt und daß Sie bei mir sind.«
Erst vor wenigen Tagen hatte Katharina Seelinger beim Nachmittagstee, den sie beide immer gemeinsam einnahmen – ebenso gemeinsam wie das Essen – so gesprochen und Beate war das nahegegangen.
»Ich werde immer für Sie da sein, Frau Seelinger«, war ihre Erwiderung gewesen, und das war ehrlich gemeint. Sie hatte Katharina Seelinger wirklich sehr gern. Sie war für sie wie eine Ersatzmutter, von der sie auch ins Vertrauen gezogen wurde. Ja, sie war zur Vertrauten Katharina Seelingers aufgestiegen, die mit ihr alles besprach. In vielen und oft langen Gesprächen hatte Beate inzwischen fast die gesamte Lebensgeschichte ihrer Arbeitgeberin erfahren. Beate wußte auch, daß es außer dem Stiefsohn Lothar, der nach Katharina Seelingers Meinung ein Tunichtgut war, ein Erbschleicher, der es gemeinsam mit seiner angeblichen Verlobten Rita auf das Seelinger-Vermögen abgesehen hatte, noch einen Sohn gab. Einen leiblichen Sohn der alten Dame, der aber seit Monaten irgendwo in Übersee verschollen war.
»Ich kann nicht glauben, daß Robert tot ist, und ich hoffe immer noch, da er eines Tages wieder zurückkehrt.« An diese Hoffnung klammerte sich Katharina Seelinger immer wieder. Besonders dann, wenn ihr Stiefsohn Lothar wieder einmal mit seiner Rita dagewesen war.
Lothar Seelinger wußte natürlich, daß er einen Stiefbruder hatte. Ihm war auch bekannt, daß dieser ein uneheliches Kind seiner Stiefmutter war, das sie mit in die Ehe mit seinem Vater gebracht hatte. Diesem aber konnte er bis heute noch nicht verzeihen, daß er Robert akzeptiert und sogar auch adoptiert hatte. Natürlich war er ganz froh darüber, daß dieser Robert nicht mehr am Leben war, wie es das deutsche Konsulat in Uganda seinerzeit auf Anfragen mitgeteilt hatte. Er brauchte das Erbe, das Seelinger-Vermögen mit niemandem zu teilen. Bei jedem seiner Besuche versuchte er erneut, seiner Stiefmutter die Hoffnung auf eine Rückkehr Roberts zu zerstören. Bewußt versetzte er dabei die Frau seines verstorbenen Vaters in Erregung, hoffend und geradezu darauf wartend, daß dadurch das kranke Herz der Stiefmutter streiken würde und er schneller an ihr Geld käme. Seine Verpflichtungen, besser gesagt, seine Schulden wuchsen ihm mehr und mehr über den Kopf.
All das war nicht nur Katharina Seelinger bekannt, sondern zu einem großen Teil auch Beate. Was sie nicht genau wußte, das ahnte sie aber. Das Verhalten Lothar Seelingers und seiner Freundin Rita gegenüber Katharina Seelinger ließen kaum Zweifel an ihren wahren