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Komma zum Punkt: Slamtexte aus der Hauptstadt
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Komma zum Punkt: Slamtexte aus der Hauptstadt

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About this ebook

Berlin als Großstadt und Metropole ist schon oft besungen, verdichtet und beschrieben worden. Nun zieht die Berliner Poetry-Slam-Szene nach, eine der lebendigsten Deutschlands, und widmet dem "Dicken B" eine eigene Textsammlung – passend zum 25. Jubiläum von Poetry Slam in Deutschland. 46 Bühnenliteratinnen und -literaten berichten von ihren Erkundungen der Hauptstadt. Sie verorten ihr Lebensgefühl in den Kiezen, in denen sie auch auf der Bühne stehen, sie halten die Skurrilitäten und Absonderlichkeiten des urbanen Lebens fest und sparen das Hadern mit dem Leben zwischen U-Bahn und Touristenmassen, zwischen Party, Extravaganz und ewigem Werden nicht aus. In diesem Sammelband finden sich all die Bühnentexte, in denen Berlin seine Spuren hinterlassen hat oder gar heimlicher Hauptdarsteller ist. In Berlin nahm auch die deutschsprachige Poetry-Slam-Bewegung 1994 ihren Ausgangspunkt. Ein Grund mehr für dieses Buch, das eine Liebeserklärung an Berlin ist, auch eine Abrechnung, vor allem aber eine großartige Hommage an die Stadt und ihre Insassen.
LanguageDeutsch
PublisherSatyr Verlag
Release dateJan 17, 2019
ISBN9783947106257
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    Komma zum Punkt - Rainer Holl

    Jahren.

    1.BERLIN, HALLELUJA, BERLIN!

    Komet Bernhard: »Berlin wäre die langweiligste Stadt der Welt, wenn ihr nicht alle gekommen wärt!«

    Interviewerin: »Wer sind ›ihr‹?«

    Komet Bernhard: »Alle Menschen aus aller Welt, das ist Berlin! Jeder Originalberliner weiß, wie langweilig er ist …«

    (Technolegende Komet Bernhard im YouTube-Interview mit Munchies Guide to Berlin)

    DEUTSCHLAND, DEUTSCHLAND. ÜBERALL IS' SCHEIßE

    Rainer Holl

    Das Ruhrgebiet ist hässlich. Darauf scheint man sich irgendwann in den vergangenen fünfzig Jahren mal geeinigt zu haben. Und irgendwie sind die Leute wirklich überrascht, wenn sie dann in Bochum stehen, und dann sind da gar keine rauchenden Schornsteine mehr, und dann sterben auch nicht direkt alle an Tuberkulose, nur weil sie mal zu lange das Fenster aufgelassen haben, und die Wäsche kann man auch trocknen, ohne dass sie nach zwei Minuten schwarz wird.

    Und dann finden die Leute das Ruhrgebiet immer total grün. Richtig grün ist es da. Toll. Dazu möchte ich Folgendes sagen:

    1. In Deutschland ist es überall total grün. Wir leben quasi im Wald.

    2. Das Ruhrgebiet ist trotzdem hässlich. Das macht dem gemeinen Ruhrgebietler aber nichts aus. Man hat gelernt, damit umzugehen.

    Ein Bildband über das Ruhrgebiet der 80er Jahre trug einst den Titel: »Woanders is auch scheiße!« Und recht hat er damit. Aber irgendwo muss man ja leider wohnen, und da hört es bei den meisten Deutschen dann auch schon auf mit dem Scheißefinden. Denn zu Hause ist es ja dann doch immer ganz besonders schön. Und woanders ist es dann immer ganz besonders scheiße. Denn da wohnen ja die anderen. Ekelhaft!

    Wohnt man im Norden, schimpft man auf Münchner. Die Hamburger hassen die Bremer, die Kölner hassen die Düsseldorfer und die wiederum die Kölner, wobei das ganz ehrlich zwei vollkommen identische Städte sind, in denen man ausschließlich ekelhaftes Bier zu trinken bekommt.

    Berlin wiederum finden alle ziemlich scheiße, ziehen aber trotzdem hin, um dort ihren Hass besser ausleben zu können, die Bayern hassen alle anderen und wollen am liebsten ihren eigenen Staat gründen.

    Und ich? – Komme gebürtig aus Rheinland-Pfalz. Das Bundesland ohne Eigenschaften.

    Man schätzt uns für unsere behäbige Gemütlichkeit. Rheinland-Pfalz. Was soll man daran noch gut finden? Unsere Metropolen sind Mainz und Koblenz. KOBLENZ! Gut, wir haben auch Trier. Die älteste Stadt Deutschlands. Toll! Dafür, dass sie so lange Zeit hatte, ist erstaunlich wenig daraus geworden!

    Rheinland-Pfalz ist das ZDF unter den Bundesländern. Wir sind der fucking Fernsehgarten.

    Alles ist megabunt, die Leute tragen kurzärmlige Freizeithemden von Tschibo und saufen literweise Weißwein, dann kommt Florian Silbereisen, er singt ein Lied, Playback, egal, alle klatschen falsch, auf eins und drei, gute Laune. Alle sind glücklich.

    Aber ich habe trotzdem auch nützliche Dinge in Rheinland-Pfalz gelernt. Meine Oma hat mir beigebracht: »Junge! Rauchen hilft.« Meistens hat sie sich dann ein Gläschen eiskalten Malteser eingeschüttet, das Glas hoch in die Luft gereckt und dabei gerufen: »Leber, duck dich, es kommt!«

    Derlei Weisheiten waren dann vor allem für meine spätere Zeit in Dortmund hilfreich.

    Ach, Dortmund … Die Standardfrage, die mir jahrelang gestellt wurde, wenn ich jemandem erzählte, dass ich in Dortmund wohne, lautete: Warum?

    Meistens habe ich mich dann peinlich berührt umgedreht und bin gegangen. Aber eines Tages habe ich etwas entdeckt, das das Leben in Dortmund und vielleicht sogar im ganzen Ruhrgebiet perfekt zusammenfasst. In einer kleinen Eckspelunke in der Dortmunder Nordstadt hing ein Schild im Fenster, auf dem stand: »Dienstags und donnerstags morgens zwischen 8 und 12 ist das 11. Bier umsonst.«

    Wo ist euer Gott jetzt? Es stimmt, Ruhrgebiet muss man wollen, und möglicherweise ist es hier auch relativ hässlich, aber dafür sind wir alle sehr betrunken, also fick dich!

    Aber irgendwann wird man nüchtern, und dann landet man plötzlich doch in Berlin. Und Berlin ist super. Man kann da prima leben. Nur wohnen ist schwierig. Und arbeiten. Und Freunde finden.

    Das Einzige, was man in Berlin sehr gut machen kann, ist U-Bahn-Fahren. Riiiiiichtig laaaaaange U-Bahn-Fahren. Man ist einfach immer mindestens 45 Minuten unterwegs. Auch wenn man beim Bäcker nebenan Brötchen holt.

    Und dann heißt es immer: »Weltstadt, Weltstadt, alles ist so krass!«

    Ja, megawitzig, wenn man sich eine Wohnung anschaut, und der Mitkonkurrent legt dem Vermieter einfach einen 5000-Euro-Schein in die Bewerbungsmappe. Da wird man natürlich stutzig. Ich hab auch direkt gefragt, seit wann es denn bitte 5000-Euro-Scheine gibt. Da hat der Typ mich ausgelacht und mich mit zusammengeknüllten 300-Euro-Scheinen beworfen.

    Aber es gibt ja auch Erfolgserlebnisse: »Ja, weißt du, ich habe neun Monate nach einer Wohnung in Neukölln gesucht, aber jetzt habe ich wirklich was gefunden. Und irgendwie war das auch ganz einfach. Ich brauchte nur eine unfreiwillige Selbstauskunft, Einkommensnachweise der letzten zwanzig Jahre sowie die Bürgschaften meiner Eltern, Großeltern und Urgroßeltern. Dazu noch einen offiziellen Instagram-Führerschein, eine offizielle Thermomix-Lizenz und ein Foto meiner Tupperwarenkollektion. Um die Chancen hintenraus noch ein bisschen zu optimieren, hab ich der Wohnungsbaugenossenschaft dann noch meinen Erstgeborenen überlassen und – was soll ich sagen? –: ein Zimmer, neun Quadratmeter, an einer zwölfspurigen Straße im Erdgeschoss, Träumchen! Es ist zwar ziemlich runtergekommen, aber dafür auch seeeeehr teuer. Aber weißt du, so ist das eben in einer Weltstadt, Weltstadt, Weltstadt.

    Vor meinem Fenster fahren zwar jeden Tag 90.000 Autos lang. Aber das macht mir nichts aus, aus, aus. Das ist ja nicht bloß Lärm. Das ist Weltlärm. Da liegt auch nicht einfach nur Müll auf der Straße. Das ist Weltmüll. Dann steht man im Weltstau, oder man fährt mit Weltassis in der Weltbahn zum Weltwahn.«

    Aber wisst ihr was? Ich scheiße auf die Weltstadt.

    Deutschland, Deutschland. Überall is’ scheiße.

    Deswegen kann man auch nach Leipzig ziehen. Denn wer braucht schon eine Weltstadt, wenn man in einer Stadt von Welt leben kann?

    Deutschland, Deutschland. Überall is’ scheiße. Vergesst das nicht. Aber eben auch überall ganz gut. Klar, Niedersachsen ist megalangweilig.

    Und was ist eigentlich mit Hessen los? Niemand weiß das.

    Aber letztlich sind wir alle gleich bescheuert und gleich privilegiert. Es geht uns gut, und es ist wirklich okay hier. Mehr als das. Außer im Saarland. Dort ist es wirklich, wirklich, wirklich finster und ganz und gar grauenvoll.

    Also, in diesem Sinne: Leber, duck dich. Ich komme!

    HOFFENTLICH BERLIN

    Aron Boks

    Wenn Nadelbäume sich im kalten Wind verbiegen

    Und Menschen auf den Sandsteinruinen liegen,

    All die Wernigeröder, die Blankenburger, die Halberstädter,

    Dann sagen Sonnenstrahlen: »Sohn, heute ist Wanderwetter.«

    Denn da gibt es gar keine Diskussion,

    Weil das eine ungeschriebene Regel ist:

    Hast du einen Garten, so wird im Sommer Vereinsfahne gehisst.

    Und Oma sagt: »Kindchen, dass du mir ja nicht vergisst,

    Dass du sonntags kein scheiß Vegetarier bist.«

    Und die Balken halten nicht nur die Fachwerkhäuser im Zaum.

    Nein, ich glaube wohl kaum,

    Dass diese Stadt, diese Region

    Wirklich der Lohn für Träumer ist.

    Hier, wo der Aufstieg zum Brocken

    Zur Zerreißprobe wird für frische Paare,

    Wo Kreisligafußballspiele besser besucht sind als Wahllokale,

    Wo man zur Bratwurst niemals den Senf vergisst

    Und Hasseröder Premium Pils für alles eine Lösung ist.

    Du hast die Prüfung bestanden? Hasseröder Premium Bier!

    Hier, nimm erst mal ’n Halben, denn der Grill brennt.

    Trennt sich deine Liebe von dir,

    Bleibt dir immer noch Hasseröder Premium Bier.

    Und ja, vielleicht übertreibe ich,

    Doch seit einiger Zeit wirkt der Wald hier nur noch nebelig.

    In dieser Stadt, in dieser Region,

    Warst du damals eigentlich meine Hauptattraktion.

    Und ich ruhte mich aus auf diesem Kissen der Bequemlichkeit,

    Und mit der Zeit

    Wurdest du bald

    Meine ausgehende Taschenlampe im dunklen Wald.

    Denn hinter den Bäumen,

    Hinter den frisch gestrichenen Gartenzäunen

    Höre ich etwas, und du wunderst dich,

    Aber ich höre dich nicht, ich hör nur das Quietschen der Gleise.

    Fernweh schickt ’ne Nachricht ab.

    Wann ich weiß, wie es weitergeht,

    Sag ich dir, wenn ich Pause hab,

    Doch Pause machen kann ich nicht.

    Ständig ist ’ne Verbindung schneller,

    Die mich wegfährt, weg von alledem.

    Wann wir uns wiedersehen, weiß ich nicht,

    Doch morgen ganz bestimmt.

    Wenn du mich fragst, wo ich bin,

    Sage ich: »Nicht allzu weit.«

    Doch mit der Zeit denke ich:

    Hoffentlich Berlin.

    Es wird Zeit, endlich wegzuzieh’n,

    Weg von all dem Dreck,

    Denn ich steck in dir

    So emotional,

    Das Bier neben dir schmeckt immer schal,

    Denn es zeigt den Fehler auf.

    Die beste Ausfahrt nahmen wir damals nicht, genau.

    Und jetzt stehen wir im Stau.

    Also muss ich flieh’n,

    Und der Zug spuckt mich aus: Hoffentlich in Berlin.

    Weg von Acker, Harzkäse und deinem Geruch,

    Lieber das Riechen von Tabak, Staub und Benzin.

    Und wenn ich sage: Hoffentlich Berlin,

    Dann meine ich eigentlich: Hoffentlich weg von dir.

    Das hier ist wie auf Odyssee,

    Noch bin ich der ausgehungerte Fahrer

    Auf der gierigen See.

    Du die Sirene, die mich hält.

    Also muss ich weg.

    Mittel zum Zweck

    Ist flieh’n.

    Hoffentlich Berlin.

    Also ziehe ich die Wanderstiefel aus,

    Nehme den nächsten Weg,

    Wir sind hier im Harz, also geht er garantiert bergauf,

    Zieh ein Ticket, und fang an zu flieh’n.

    Und wenn mich jemand sucht,

    Dann hoffentlich nicht in Berlin.

    BERLIN, DAS RHEINLAND UND DIE DINGE DAZWISCHEN

    Anselm Neft

    Wie läuft’s denn so in Berlin, werde ich von Kölnern und Bonnern gefragt, nachdem ich aus dem Rheinland nach Berlin gezogen bin. In den Augen der Fragenden scheint etwas zu blitzen, etwas wie Häme oder Neid oder eine Mischung aus beidem. Die Neidischen denken vielleicht, ich wohne da äußerst günstig in einem Biotop von Nichtsnutzen, trinke Latte Macchiato und studiere ganztägig schrullige Untergrundliteratur, bevor ich abends auf bestens besuchten Lesebühnen den Clown gebe, um schließlich umschwärmt von aufgeschlossenen Ostmädchen durch die coolsten Clubs der Bundesrepublik zu ziehen. Die Hämischen hingegen sehen mich in einem abgeranzten Sozialbau mit Ofenheizung, rachitisch auf mein Ende zuschreibend, umgeben von unzähligen Menschen, die viel mehr auf der Pfanne haben als ich, damit aber auch keinen Blumentopf gewinnen. Aufgrund der Kälte sind die Ostberlinerinnen so eingepackt, dass ich sie mit meinen eingefrorenen und ohnehin beidseitig linken Händen nie ausgepackt bekomme, bevor die Lust rum ist. Da sitze ich dann in preußischer Finsternis, fernab von Freunden und rheinischem Frohsinn, dafür inmitten von übellaunigen Boulettenschmieden und unsäglich hippen Schwaben, die glauben, am Prenzlauer Berg spiele noch die Musik.

    Nimmt man die Vorstellungen der Hämischen und der Neidischen zusammen und multipliziert diese mit den jeweiligen Gegenteilen, kommt man der Sache wohl am nächsten: Ich wohne in einem nicht übermäßig günstigen, leicht abgeranzten Altbau mit einer Heizung, die gluckert, als sei sie voll Latte Macchiato. Dazu vermumme ich mich mit nach Soljanka riechenden Daunenjacken zum Schutz vor der Kälte. Draußen ist Friedrichshain, das angeblich seit Jahren kommt, in meinen Augen aber nur herunter. Mehr kann ich über Berlin nicht sagen, weil ich bisher kaum vor die Tür gekommen bin. Es fing nach dem Umzug im Januar an. Aufgrund der Kälte blieben mein Freund Hauke und ich einige Tage in der Wohnung liegen. Wir hatten zwei große Matratzen, Schnaps und sechzehn John-Sinclair-Hörspiele. Es gab wirklich keinen Grund, vor die Tür zu treten. Dabei ist es im Großen und Ganzen geblieben. Meine Wohnung ist schön, meine Wohnung ist warm, ich erreiche jeden Punkt der Wohnung innerhalb einer Minute. Es gibt eine gute Küche und ein Internet und niemanden, der nervt. Damit kann das Berlin vor der Tür nicht konkurrieren. Wenn ich Menschen sehen will, was etwa alle ein bis zwei Wochen vorkommt, dann fahre ich einfach ins Rheinland. Viel weiter als bis nach Spandau oder in den Wedding ist das eigentlich nicht. Mittlerweile bin ich so oft aus privaten oder beruflichen Gründen nach Bonn oder Köln gefahren, dass ich die Autobahn und ihre Raststätten schon viel besser kenne als Berlin, aber danach fragt ja niemand. Ich fahre tatsächlich in so kurzen Abständen von Berlin nach Bonn und von Bonn nach Berlin, dass ich neulich auf der Gegenfahrbahn einen blassgrünen Mazda gesehen habe, in dem ein halbwegs junger, leicht türkisch anmutender Mann mit plattem Hinterkopf saß, der obendrein auch noch den gleichen, vielleicht sogar denselben Tatort-Pullover trug wie ich.

    Was aber schreibt man den Daheimgebliebenen, wenn man seit Monaten in einer Stadt wohnt, über die man nichts weiß? Da ich ja beinahe körperlich fühlen kann, wie sich meine Mutter um mich sorgt und sich mein im Heimatdorf lebender Bruder in Schadenfreude ergeht, habe ich im Mai ein Schriftstück aufgesetzt:

    Liebe Mutter, lieber Bruder, lieber Neffe, geschätzte Schwägerin,

    es ist an der Zeit, euch ein erstes Resümee meiner großen Berlinfahrt mitzuteilen. Zunächst: Berlin ist in seiner Gesamtheit in drei Teile geteilt; einen bewohnen die Ostmenschen, den anderen die Touristen, den dritten aber die, die in ihrer eigenen Sprache Spannburger, in unserer aber Westmenschen heißen.

    Diese alle sind nach Sprache, Einrichtungen und Gesetzen untereinander verschieden. Die Spannburger trennt von den Touristen die Spree, von den Ostmenschen oder Kreuzhainern eine Mauer, die zwar größtenteils abgerissen, auf gespenstische Weise aber noch wirksam ist.

    Von diesen allen sind die Kreuzhainer die wildesten, deswegen, weil sie von der gesitteten Lebensart und Bildung des Rheinlandes am weitesten entfernt sind und am nächsten benachbart sind zu den Ostvölkern, mit denen sie beständig Krieg um Arbeitsplätze und Frauen führen. Zudem herrschte in jenem Teil jahrzehntelang eine Drei-Felder-Planwirtschaft, und jene Produktschwemme, die zur Verweichlichung der Gemüter führt, wurde bei ihnen erst spät und zögerlich eingeführt.

    So wird es euch nicht wundern, dass ich mich in genau jenem Part angesiedelt habe, um meine Mission zu beginnen. Dabei musste ich rasch feststellen, dass der Ostmensch das Leben nicht als Hänneschentheater begreift, wie es uns Rheinländern eigen ist. Das Leben ist ihm eine Last, und jener Frohsinn, jene Leichtigkeit, mit der man in der trauten Heimat überall sofort Freunde gewinnt, ist dem oft gebeugten Menschen der östlichen Marken fremd. Entsprechend musste ich bald lernen, von launigen Kommentaren, Kalauern, humoristischen Darbietungen und gelungenen Parodien der hiesigen Dialekte Abstand zu nehmen. Lediglich Slapstick-Einlagen entlocken dem kindisch-dumpfen Gemüt des Ostmenschen gelegentlich eine Regung, die Heiterkeit zu nennen ich mich nicht recht traue.

    Vielleicht ist es die dunkle Vergangenheit der Stadt, die auf ihren Bewohnern lastet. Schließlich gründet sich ganz Berlin auf einem Verbrechen. Als Bonn und Köln längst römische Städte von Format waren,

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