Die Saster Ärzte
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„Die Saster Ärzte“ – ein Werk von Eckhardt Pahlke und Antje Hinze, welches in einer Reihe mit Leo N. Tolstois „Krieg und Frieden“ und Dr. Sauerbruchs Sauerbraten stehen kann. Wenn es ein seeehr langes Regal ist.
Ein Werk, das den medizinischen Bedarf interessierter Leser erfüllt. Denn auch Lachen ist Medizin. Die beste sogar. Und in diesem Falle sogar ohne Rezept und ohne Vitamine!
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Book preview
Die Saster Ärzte - Eckhardt Pahlke
Buchrückentext
Medicopter 117B
Es war einer dieser typischen ruhigen Tage. Fluglärm von der Helikopterstaffel, Bratpfannengeklapper aus der Küche, das ewige Geplapper, von dem er schon lange nicht mehr wusste, ob es der Fernseher oder seine Frau war. Er rauchte seine Selbstgedrehte aus Zeitungspapier und irreparablen Arbeitsstrümpfen.
Da knackte sein Funkgerät. Sofort war er hellwach. Drückte seine Selbstgedrehte im Teppich aus und stopfte sie zwischen die Couchkissen.
„Bin schon dran!", rief er, noch bevor die Leitstelle mit ihrem Ruf beginnen konnte. Er liebte Krimis, fieberte immer mit dem Täter. Denn er war Sanitäter. Und so war er schon in seiner Montur, als er den Auftrag entgegennahm. Alkoholvergiftung auf der Berggipfelkirmes. Immer schnell sein. Zuschlagen, bevor der Andere überhaupt beginnt. Immer vorbereitet sein.
Dort stand er. Der rot-gelbe Hubschrauber. Sein Medicopter, mit der Nummer 4711. Nicht. Seiner stand dahinter. Medicopter 117B.
Die Anderen hatten kein zu Hause. Sie haben im Hubschrauber geschlafen. Und waren so natürlich noch eher da, als er. Der Pilot startete die Maschine. Die Notärztin, die nur zur Not Ärztin war, bis die richtige wiederkam, schob die Tür zu. „Wumm!" machte es, was man aber im Pfeifen und Dröhnen des Motors und des Rotors kaum mehr hören konnte. Auch das kurze Japsen des japanischen Lawinensuchhundes war kaum zu hören. Er hatte sich sein Schwänzchen in der Tür geklemmt. Das brauchte er jetzt sowieso nicht. Es gab heute keine Lawinen zu suchen. Die waren alle längst im Tal und machten Urlaub.
Manchmal werden die Täter erwischt. Manchmal erwischen die Täter ein Schlupfloch. Und manchmal verfehlen sie eine Tür. Wie unser Sanitäter. Fluchs noch hatte er ein Rotorblatt ergriffen und war somit bestens für einen Außeneinsatz vorbereitet.
Nach hundert, zweihundert Kilometer Flugstrecke hatte er es aufgegeben, die Runden zu zählen, die er gedreht hatte. Der Rotor machte dauernd „Flapp-Flapp, und seine Ohren machten auch „Flapp-Flapp
. Doch da sah man schon die Berggipfelgaudi. Die Kirmes, wie sie nur auf einem Berggipfel stattfinden kann. Weil sie sonst nicht Berggipfelkirmes heißen würde.
Der Medicopter setzte zur Landung an. Und als er denn wieder sicheren Boden unter den Füßen hatte, musste unser Sanitäter sich erstmal ein wenig die Beine vertreten. Nebenberuflich war er Vertreter für Holzbeine; da er das seinem Arbeitgeber aber nicht gemeldet hat, schweigen auch wir darüber.
Die Landschaft schien sich noch ein wenig zu drehen. Das kann an der in Höhenlagen besser zu bemerkenden Erdrotation liegen, oder weil ihm noch ein klein wenig schwindelig war. Alles nur ein klein wenig. Weil er ein klein wenig größer als ein klein wenig klein war. Jedenfalls für seine Größe.
Mit lautem Humptataa empfing sie die Kirmes. Es war Stimmung wie auf einem Volksfest. Vielleicht, weil es ein Volksfest war. Für die Bergbauern, die Maderln, die Rindsviecher, und den Pfarrer. Also all die guten Leute der umliegenden Höfe. Sie hatten sich das Fest verdient. Auf dem höchsten Gipfel drehte sich das Riesenrad. Nicht ganz so schnell wie ein Hubschrauberrotor, aber ganz ordentlich. An der Schießbude gab es „Gamsbockerln – live – noch, und an der Losbude gab es Nieten, die Lose kauften. Lose aus einer Schüssel, nicht gebündelt. Man johlte, wenn man einen Zettel mit „Sie haben einen Punkt
gefunden hatte, verteilte Watschen und diskutierte, was da wohl stände. Das Bierzelt war genauso gut gefüllt wie die Gäste. Manche konnten nur sehr schlecht laufen; genau wie das Zelt. Die Maß waren gut, die Wiesn-Kellnerinnen ebenso üppig wie fleißig. Hier gefiel es dem Team von Medicopter 117B. Weil sie nun schon einmal hier waren, machten sie gleich eine Hygienekontrolle. Und nahmen Maß am Maß. Sie maßen kräftig. Sie maßen genau. Nach einer Weile war es egal, dass sie keine Lederhosen trugen. Dass sie keine karierten Hemden trugen. Dass sie kein Dirndel trugen. Es war urgemütlich. Die Kirmesmasturbanten spielten auf ihren Instrumenten, und die Stimmung war steirisch. Leichtfüßig tanzten die Burschen in ihren Bergstiefeln, schwangen ihre Mädel wie Kampfsäcke im Kreis. Das Weizen floss schneller als der Weizen je von den Feldern kam. Bald jedoch ging es ihnen wie dem Zelt. Sie konnten nicht laufen. „Isssss… doch egal. Wi-hr müssen ja h-auch nich‘ laufen. – „Ah-ber fahr’n geht auch nich‘ meeeehhr.
– „Dafür sinnn wahh ja auch mittn Hilli-heli-heli-ber, Hup-hup’n …, mit dem Medicopter da. – „Gjjenau richtich!
Doch zuerst bummelten sie noch ein wenig über den leicht abschüssigen Rummelplatz hier am Steilhang. Blieben an einer Zuckerwattebude stehen, weil sie festklebten. Und kamen an eine Tanzbärenvorstellung. Wer hätte je geahnt, dass hier Tanzbären eine Vorstellung gaben. Sie hatten sich das jedenfalls nicht vorgestellt. Der Bär stieg auf einen Baumstamm. Er rollte hin, er rollte zurück. Der Bär stieg auf einen Ball. Und dann lief er auf dem Ball im Kreis. Mit Simpson-Augen beobachteten die fliegenden Ärzte das Schauspiel. In ihren alkoholträgen Gehirnen begannen sich geologische und physikalische Probleme zu wälzen. Das würde morgen für Kopfschmerzen sorgen. „Der Bär kann gar nicht runterfallen. Letztendlich dreht er ja nur die Erde unter sich fort." Eine clevere Quintessenz.
Clever war auch ihre andere Entdeckung. Sie hatten niemanden gefunden, der an einer Alkoholvergiftung litt. Der Alkohol war überall in Ordnung. Alle waren hier gleich. Demokratie der Berggipfelkirmes.
Unser Sanitäter hatte, als Retter im Rettungsdienst – quasi dienstlich – die rettende Idee. „Wir müssen doch sowieso nach Sast zum Krankenhaus. Deshalb …" Das verstanden die Anderen sofort.
„Fünf Maß!, bestellte der Pilot eine Runde. „Für mich auch!
, bestellten auch die Anderen. „Wuhuff wuff wau!", bestellte japsend der japanische Lawinensuchhund. Als es genug war, bummelten sie gemütlich zum Hubschrauber. Das Gelände inmitten eines Bergkamms war schon etwas huckelich und buckelich. Sie hatten Mühe, allen Erhebungen gekonnt auszuweichen. Doch unermüdlich wie eine Helden-Crew erreichten sie den Helikopter. Auf ihrem erstaunlich langen Rückweg plauderten sie noch über den Bären, und ob seine Leistung nun bedeutend oder wertlos sei.
Medicopter 117B startete. Die Besatzung diskutierte. Der Pilot, wegen seiner eher technischen als medizinischen Ausbildung, brachte ein paar Kurze, und gute Ideen. „Das ist doch alles Phüsick. Der Bär kann nich‘ runterfallen, weil der viel zu schnell auf dem Ball ist. Ist doch alles relativ. Und er rechnete ihnen vor, dass ein Helikopter wie der berühmte Medicopter 117B eine maximale Drehzahl von 390,7 erreichen kann. Und das der Ball nicht runterfallen würde, auch wenn kein Bär auf ihm tanzt. „Das ist doch alles relativ
, wiederholte er. „Passt auf. Es ist doch ganz egal, was sich dreht. Und nur darauf kommt es an." Das verstanden sie. Und wenn nicht, gab es keiner zu.
Daraufhin wendete der geschickte Pilot den Helikopter, der Rotor verharrte bewegungslos in der Luft, und der Körper des Hubschraubers drehte nun mit einer maximalen Drehzahl von 390,7. Hui, das war ein Spaß.
Der Bär ist nicht vom Ball gefallen. Der Hubschrauber nicht aus dem Himmel. Nur des Chemieclo ist umgekippt. Vielleicht hätten sie es doch vor drei Wochen entleeren sollen. Es regnete einige Coladosen. Aus den Falten der Krankentrage befreiten sich diverse Centmünzen und Salzbrezelstückchen. Sie saßen an der Kabinendecke, die nun ihr Boden war. Und kreiselten Sast zu. Und dem Saster Krankenhaus.
Das Saster Krankenhaus ist in ganz Sast bekannt. Nicht nur wegen der hochwertigen medizinischen Versorgung. Sondern auch wegen der unermüdlichen Forschung, die hier geleistet wird. Sensationelle Erfolge waren jüngst die Verquickung tierischer und pflanzlicher Gene. Jetzt ist Sast die erste Stadt mit einem Ananashorn.
Ein Experiment zuvor war nicht ganz so erfolgreich. Die Chimäre aus zwei Tieren. Einem Bär und einem Tiger. Allein die Farbe des Fells schien erstrebenswert.