Neujahrsansprachen: Hamburg-Hoheluft, 1998-2010
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Die Ansprachen hatten jeweils einen thematischen Schwerpunkt, der mit Vorgängen im alten bzw. neuen Jahr zu tun hatte und Bezüge zum Stadtteil und der Kirchengemeinde herstellte. Allgemein Menschliches, gesellschaftlich Relevantes, Gemeinde- und Kirchenpolitisches sowie grundlegend Theologisches sollten dabei so zur Sprache kommen, dass es auch für Kirchenferne nachvollziehbar sein würde. Die Neujahrsansprachen waren quasi weltliche Predigten.
Der Autor war von 1980 bis 2010 Pastor an der evangelisch-lutherischen Kirche St. Markus in Hamburg-Hoheluft.
Wolfgang Nein
Der Autor war in den siebziger Jahren Pastor in Cuxhaven. Von 1980 bis 2010 war er an der Markuskirche in Hamburg-Hoheluft tätig. Eines seiner Lebensthemen ist die Förderung interkultureller Begegnungen. In den siebziger Jahren sorgte er für die Beschulung von Gastarbeiterkindern in Cuxhaven. Dreißig Jahre lang leitete er ein von ihm gegründetes deutsch-argentinisches Jugendaustauschprogramm. Der Autor lebt als Ruheständler in Hamburg.
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Book preview
Neujahrsansprachen - Wolfgang Nein
Inhalt
Vorwort
Dank und Wunsch nach bleibender Verbindung
15. Januar 1998
Wir brauchen beides: Kirche und Wirtschaft
14. Januar 1999
Menschliche Beziehungen im Stadtteil
13. Januar 2000
Miteinander von Stadtteil und Gemeinde
18. Januar 2001
Heimat im Stadtteil
17. Januar 2002
Vertrauen und „Kein Krieg gegen den Irak!"
16. Januar 2003
Sparen?
15. Januar 2004
Die Ambivalenz des Lebens
13. Januar 2005
Fußball und Religion
12. Januar 2006
Die Gemeinde zukunftsfähig halten
18. Januar 2007
Politik und Kirche im Dienst am Menschen
13. Januar 2008
Träume zu haben, ist vernünftig
15. Januar 2009
Kochen und Theologie – Himmel und Erde
14. Januar 2010
Vorwort
Das Miteinander von Kirchengemeinde und Stadtteil zu pflegen und zu fördern, war ein wesentlicher Grund für die alljährliche Einladung zum Neujahrsempfang im Gemeindehaus St. Markus. Die Neujahrsempfänge sollten außerdem eine Gelegenheit zum Danken sein. Insbesondere wollten wir den Geschäftsleuten in Hoheluft für ihre Sachspenden danken, die sie für den Gemeindebasar im November als Tombolagewinne zur Verfügung stellten, und für ihre Bereitschaft, in der Adventszeit in den Schaufensterauslagen Weihnachtskrippen auszustellen.
Eingeladen waren Menschen, die in unterschiedlichen Funktionen der Gemeinde verbunden und für die Gemeindearbeit von Bedeutung waren. Neben den Geschäftsleuten zählten dazu Vertreter der Bezirksverwaltung und der kirchlichen Verwaltung, der politischen Parteien, der Bildungsund Kultureinrichtungen, der sozialen Einrichtungen, der Polizei, Handwerker, die im abgelaufenen Jahr für die Gemeinde gearbeitet hatten, Ärzte sowie Nutzer der Gemeinderäume. Eingeladen waren natürlich auch alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Kirchengemeinde, die Angehörigen des Kirchenvorstands sowie Vertreter der verschiedenen Gemeindeaktivitäten, die als kompetente Ansprechpartner für Interna der Gemeinde dienen konnten. Die Auswahl der Einzuladenden war kein ganz einfaches Unterfangen. Für die zahlreichen Ehrenamtlichen der Gemeinde gab es stets einen besonderen Gottesdienst im weiteren Verlauf des Jahres.
Kofferspende von Lederwaren Alligator für den Basar als Tobolagewinn
Kleine Snacks für die Gäste
Von den ca. 200 Eingeladenen erschienen im Durchschnitt ca. 150 zum Neujahrsempfang.
Der Ablauf des Neujahrsempfangs war immer gleich: Eintreffen der Gäste im großen Saal des Gemeindehauses, Musik,
Die Blumen für den Altar- und Kirchenschmuck wurden allwöchentlich vom türkischen Blumenhändler an der Ecke Hoheluftchaussee/Bismarckstraße gespendet.
Saaldekoration 2009
Ansprache, freie Gespräche. Für die Zeit während der Gespräche hatten Ehrenamtliche jeweils eine kleine Beköstigung vorbereitet. Ehrenamtliche hatten den Saal stets aufwändig dekoriert und sich dabei jeweils ein Thema überlegt.
Die Ansprachen hatten ebenfalls einen thematischen Schwerpunkt, der mit Vorgängen im alten bzw. neuen Jahr zu tun hatte und Bezüge zum Stadtteil und der Kirchengemeinde herstellte. Allgemein Menschliches, gesellschaftlich Relevantes, Gemeinde- und Kirchenpolitisches sowie grundlegend Theologisches sollten dabei so zur Sprache kommen, dass es auch für Kirchenferne nachvollziehbar sein würde. Die Neujahrsansprachen waren quasi weltliche Predigten.
In diesem Buch sind die Ansprachen dokumentiert, die ich seit dem ersten Neujahrsempfang 1998 bis zu meinem Eintritt in den Ruhestand 2010 gehalten habe.
Viel Freude beim Lesen!
Wolfgang Nein, März 2019
Krippenausstellung in den Schaufensterauslagen von Geschäften
an der Hoheluftchaussee
ElectronicPartner Röglin, unten: Buchhaus Hoheluft
Dank und Wunsch nach bleibender Verbindung
15. Januar 1998
Wenn ich mit meiner Frau bzw. meine Frau mit mir – wenn wir auf der Hoheluftchaussee spazieren gehen, dann muss ich doch immer mal wieder fragen: „War dieses Geschäft eigentlich schon immer hier – oder ist das neu?"
Zum einen hängt diese Frage mit meiner mangelnden Aufmerksamkeit zusammen. Aber es ist doch tatsächlich so: Da ist immer mal wieder ein neues Geschäft. Eines wird geschlossen, dann eine Neueröffnung, dann wieder eine Schließung. Ich gestehe Ihnen, dass mich das persönlich innerlich durchaus berührt.
Sich selbstständig zu machen, ist ein echtes Abenteuer, zum einen im positiven Sinne gewiss eine tolle Herausforderung: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt." Manche lassen sich heute, scheint mir, auf dieses Abenteuer aber mehr oder weniger aus Verzweiflung ein, um sich aus der Arbeitslosigkeit heraus doch noch etwas Eigenes zu erarbeiten, sozusagen ein letzter Versuch. Das finde ich enorm ehrenwert.
Die gegenwärtige wirtschaftliche Situation strapaziert den Einzelnen, sie strapaziert auch unser menschliches Miteinander, sie strapaziert unsere ganze gesellschaftliche Situation. Das Konkurrieren gehört wesensmäßig zu unserem wirtschaftlichen System dazu. Das hat etwas Positives, etwas Anregendes. Das hat aber auch eine zerstörerische Seite.
Und mit dieser Seite, finde ich, können wir uns ja nicht einfach abfinden. Natürlich kann ich Ihnen kein Rezept anbieten für mehr Harmonie im Wirtschaftsleben. Das kann wohl keiner. Aber – und das sage ich nicht zuletzt aus kirchlicher und gemeindlicher Verantwortung heraus – es wäre ein wichtiges und schönes Ziel, bei allem unvermeidlichen Gegeneinander möglichst viel Menschlich-Verbindendes zu retten. Das soziale Klima wird härter. Das betrifft nicht nur die Erwachsenen, sondern auch die Jugendlichen, auch die Kinder. Das, finde ich, können wir nicht einfach achselzuckend hinnehmen.
Die Kirche ist von den wirtschaftlichen Problemen nicht ausgenommen, unsere Gemeinde auch nicht. Dass eine Gemeinde, die heute noch da ist, auch morgen noch existiert, ist keine Selbstverständlichkeit mehr.
Das wäre doch ein Jammer, wenn eines Tages ein Ehepaar auf dem Eppendorfer Weg spazieren geht und sich der Ehemann etwas verunsichert an seine Frau wendet: „Da war doch mal eine Kirche – oder?"
„St. Markus steht auf einem Spielplatz."
Im Augenblick ist es zum Glück noch eher umgekehrt. Es gibt Menschen, die schon längere Zeit in dieser Gegend wohnen, die im Eppendorfer Weg spazieren gehen, und plötzlich erstaunt feststellen: „Ach, da steht ja ’ne Kirche."
Das hab’ ich schon des Öfteren erlebt, dass Menschen aus dieser Gegend mich fragten: „Sie sind von der Markuskirche – wo ist die denn?" Da konnte ich immerhin sagen:
„Ja, die gibt’s – gleich um die Ecke nebenan."
Dass wir leicht übersehen werden, hat durchaus auch seinen positiven Grund. Die Kirche liegt etwas zurück, hinter Bäumen versteckt. Das ist hier ja ein etwas verstecktes Gelände, eine kleine Oase, finde ich, fast wie das Dorf in der Großstadt: Kirche, Gemeindehaus, Kindertagesheim, davor ein Platz mit Baum und Bänken, hier hinten ein Spielgelände,
das „Kleine Paradies", und um die Kirche herum ein Spielplatz. Unsere Kirche ist wohl die einzige in Hamburg, die auf einem Spielplatz steht.
Also man kann schon sagen, hier ist was, um so mehr noch, wenn man mal nachzählt, wie viele Menschen wöchentlich durch unsere Räume gehen. Das sind etwa tausend verschiedene Menschen, wenn man die diversen Chöre rechnet, die Seniorenkreise, die Konfirmanden und Jugendlichen, die Kinder des Kindertagesheims, der Spielgruppen und der Krabbelgruppen, bei den kleinen Kindern jeweils auch noch wenigstens ein Elternteil, die Gottesdienstbesucher, dann die zahlreichen Raumnutzer. Da kommen schon tausend verschiedene Menschen wöchentlich zusammen.
Und die sind nur ein Bruchteil unserer immer noch fast 6.000 Gemeindeglieder, die wiederum allerdings auch nur ein Bruchteil der Wohnbevölkerung unseres Gemeindebezirks sind.
Innerhalb unserer Gemeindegrenzen wohnen immerhin ca. 18.000 Menschen. Ein Drittel davon sind als Mitglieder unserer Gemeinde registriert. Als ich 1980 hierher kam, hatten wir übrigens noch 10.000 Gemeindeglieder. Das waren damals 50 % der Wohnbevölkerung. Man könnte sich fragen: „Was haben wir falsch gemacht?"