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Hammer + Veilchen Nr. 20: Flugschriften für neue Kurzprosa
Hammer + Veilchen Nr. 20: Flugschriften für neue Kurzprosa
Hammer + Veilchen Nr. 20: Flugschriften für neue Kurzprosa
Ebook53 pages29 minutes

Hammer + Veilchen Nr. 20: Flugschriften für neue Kurzprosa

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About this ebook

Beiträge von Wolfgang Denkel · Andreas Greve · Katharina Körting · Maria Soulas · Jörn Birkholz · Mona Ullrich · Ronald Glomb · Orla Wolf · Thomas Glatz
LanguageDeutsch
Release dateMay 20, 2019
ISBN9783948371517
Hammer + Veilchen Nr. 20: Flugschriften für neue Kurzprosa

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    Hammer + Veilchen Nr. 20 - Günther Emig

    Hammer + Veilchen

    Flugschriften für neue Kurzprosa

    Herausgegeben von Günther Emig und Peter Engel

    Ausgabe 20 · 2019

    Mit Beiträgen von Wolfgang Denkel · Andreas Greve · Katharina Körting · Maria Soulas · Jörn Birkholz · 

    Mona Ullrich · Ronald Glomb · Orla Wolf · Thomas Glatz

    hammer_veilchen_50

    Inhaltsverzeichnis

    Wolfgang Denkel

    Wie der Kopf einer Schlange

    Andreas Greve

    Entleerte Illusionen

    Katharina Körting

    Existenzen

    Maria Soulas

    Tante Augustes Garten

    Blaue Ansichten

    Schnappschuß

    Jörn Birkholz

    Autor Normalverbraucher

    Mona Ullrich

    Novembernacht

    Ronald Glomb

    unverhofft

    Ein Wunsch

    Orla Wolf

    2.72 Uhr

    Thomas Glatz

    Am Fischteich

    Die Autoren

    Impressum

    Wolfgang Denkel

    Wie der Kopf einer Schlange

    Da steh ich nun im offenen Mantel

    und laß die Welt mir durch ein Sieb

    des Nichtbegreifens in die Augen fließen

    Joseph Brodsky

    Seit sie denken konnte, hatte sie Angst gehabt vor Wörtern. In ihrer frühesten Erinnerung klingelte ein Verwandter der Familie an der Tür, und als die Mutter öffnete, sprach er nur eine einzige Silbe. Die Mutter fiel daraufhin zu Boden und wurde nie wieder ganz gesund. Im Kindergarten rief die Kindergärtnerin ein ihr unbekanntes Wort, und alle Kinder liefen nach draußen. Sie wurde umgestoßen, man trat ihr auf die Finger, und ein umkippender Stuhl verletzte ihr Ohr. Sie begann zu zittern, wenn ein Mensch einem anderen etwas zuflüsterte, denn dann geschahen die unverständlichsten Dinge.

    Sie hatte nicht den geringsten Zweifel, daß ein Wort ihre Todesursache sein würde. Sie wußte nicht, ob sie an den Tod überhaupt glauben sollte, vor allem an ihren eigenen, doch sie war sicher, wenn es ihn gäbe, würde er ausgelöst durch ein Wort.

    In der Schule war die Luft voller Wörter, beinahe als seien sie bedeutungslos. Doch sie ließ sich davon nicht täuschen. Es war ein Trick. Durch ihre Unmenge wiegten die Wörter einen in Sicherheit, sie taten, als seien sie ein folgenloses Klingen, und plötzlich stieß eins nach vorn wie der Kopf einer Schlange und entlud sein Gift. Mitunter war man anfangs nur leicht betäubt und der Schmerz wuchs erst allmählich auf seine eigentliche Höhe. Oder aber er begann jäh und verteilte sich im Innern, schien sogar nachzulassen, und lähmte dabei nur allen Grund zur Freude.

    Sie liebte Musik, fühlte sich durch sie beschützt. Solange nur niemand sang. Der menschlichen Stimme ähnelnde Instrumente ängstigen sie nicht; im Gegenteil hatten sie es ihr angetan. Vor allem eines, dessen Namen sie nicht kannte.

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