Das Wrack
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Friedrich Gerstäcker
Friedrich Gerstäcker (geb. 1816 in Hamburg, gest. 1872 in Braunschweig) war ein deutscher Schriftsteller, der vor allem durch seine Reiseerzählungen aus Nord- und Südamerika, Australien und der Inselwelt des indischen Ozeans bekannt war. Zu seinen bekanntesten Werken zählen „Die Regulatoren von Arkansas“ (1846) und „Die Flußpiraten des Mississippi“ (1847). Daneben veröffentlichte er eine Vielzahl von spannenden Abenteuerromanen und -erzählungen, aber auch Dorfgeschichten aus der deutschen Heimat. In seinen Erzählungen verstand er es die Landschaften und kulturelle Verhältnisse anschaulich darzustellen, so dass noch heute ein überwiegend jugendliches Publikum seine bekannten Romane liest. Seine Erzählungen und Romane regten im Nachgang zahlreiche Nachahmer an, zu denen auch Karl May zählte. Er profitierte sehr stark von den Schilderungen Gerstäckers, da er weniger in der Welt herumgekommen war und aus eigenen Erlebnissen zu berichten hatte. Insgesamt hinterließ Friedrich Gerstäcker ein monumentales 44-bändiges Gesamtwerk. (Amazon)
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Das Wrack - Friedrich Gerstäcker
Gerstäcker
1. Die Windstille
Es war im September des Jahres 184–, als eine englische Brigg, nach Singapur bestimmt und von Sidney kommend, gegen einen leichten Nord an der australischen Küste aufkreuzte, um in die nördlich vom australischen Festland liegende Torresstraße einzulaufen und dadurch den weiten Weg um Neuholland herum abzuschneiden.
In dieser Jahreszeit war die Straße auch noch am leichtesten zu passieren, jedoch gehörte immer große Umsicht des Kapitäns dazu, da diese so genannten barrier reefs nur eine Reihe bis zur Oberfläche der See emporragender Korallenfelsen sind und wenig tiefe Eingänge haben. Ein Fahrzeug, das, mit diesen Klippen in Lee, von einem Oststurm überrascht wird, darf deshalb kaum hoffen zu entkommen.
Zahlreiche Schiffe sind auch schon an diesen barrier reefs gescheitert, an denen weder Bake noch Leuchtturm den Seemann vor der drohenden Gefahr warnt, aber der Zeitgewinn ist zu groß, den ein Segelschiff durch die Straße macht, und jährlich wagen deshalb eine Menge Kapitäne den Versuch.
Erst einmal innerhalb der Riffe angelangt, ist auch in der Tat die größte Gefahr überstanden; denn sollte sich dann wirklich noch ein Sturm erheben, so schützen diese Klippen, die es draußen bedrohten, das Schiff vor einer hohen See, und die Koralle bietet dabei fast überall von fünf zu zehn Faden guten und festen Ankergrund.
Die Torresstrait liegt außerdem an der Grenze der Sturmregion, denn zwischen 10 Grad nördlicher oder südlicher Breite, also bis zum 10. Grad vom Äquator, erhebt sich der Wind nur höchst selten zu einem wirklichen Sturm. Jener Strich heißt deshalb auch die Zone der Windstillen, da solche hier viel mehr vorherrschend sind als heftige Winde.
Die Betsy Ann von Liverpool kreuzte deshalb, wie schon gesagt, mit allen Bramsegeln auf, um so viel als möglich Fortgang zu machen, nach Norden, und der Kapitän ging, als gegen Mittag der Wind völlig einzuschlafen drohte, mit auf den Rücken gelegten Händen auf seinem Verdeck auf und ab und pfiff leise vor sich hin.
Seeleute pfeifen ja immer bei Windstille, weil sie dadurch den Wind herbeizurufen glauben.
Um zwölf Uhr schlief die leise Brise jedoch vollständig ein, und als Kapitän und Steuermann an dem fast wolkenleeren Himmel ihre Observation genommen, lag die See funkelnd im Sonnenlicht in Spiegelglätte um sie her.
Windstille – es gibt nichts Schrecklicheres, Monotoneres in der Welt für ein Segelschiff als eine Windstille. Ja für den Dampfer ist es gerade die beste Zeit, denn so viel wirksamer arbeitet die Maschine und keine entgegenprallende Woge hemmt den Gang des Bootes. Aber schwerfällig träumend, rollend und schaukelnd schwankt das auf seine Segel und den Wind angewiesene Fahrzeug auf der metallblinkenden Fläche.
Reepschläger prügelt sich mit dem Segelmacher, sagen die Matrosen, wenn die schlaffen Taue gegen die Segel und diese wieder ihrerseits schwerfällig gegen die Masten schlagen. Herüber und hinüber schwankt das Schiff, und wenn dann noch manchmal ein leichter Regen oder ein starker Tau während der Nacht fällt, so peitschen sich die Segel so ab, dass man die weißen Flocken herumfliegen sehen kann. Drei Tage Windstille ruinieren auch in der Tat die Segel mehr, als vierzehn Tage scharfes Segeln, und beschlagen kann man sie trotzdem nicht, denn jeden Augenblick mag sich eine leichte Brise erheben, die dann unbenutzt vorübergehen würde – und das Schiff macht ohnedies keinen Fortgang.
Alles Pfeifen half nichts; der Wind blieb aus, und zwar so vollständig, dass der Mann am Steuer, der trotzdem seine Wache halten musste, ebenfalls einschlief, und nur dann und wann emporfuhr, wenn das durch eine Woge zur Seite gedrängte Ruder einen Ruck tat und die Griffspeichen ihn trafen.
Und es wurde Nacht – aber wie prachtvoll funkelte das Meer, das nicht allein die tausend Sterne widerspiegelte, sondern auch in Millionen Phosphorlichtern seinen eigenen Glanz entfaltete. Und wie geheimnisvoll sich das regte in der dunkeln Tiefe, wie blitzesschnell einzelne feurige Strahlen darin herüber- und hinüberschossen, wo ein größerer Fisch die Flut durchschnitt und in dem erregten Wasser einen Glutenstrom zurückließ. Und was für ein wunderbares, grün schillerndes Licht die weichen, eklen Quallen warfen, die wie atmende Blasen bald auftauchten, bald wieder langsam in die Tiefe sanken.
Weiter hinaus, wo die innere Bewegung nicht sichtbar war, blieb das Meer dunkel, aber plötzlich loderte es ordentlich empor, wie in einem lichten Feuerschein, als ein Walfisch oder Cajelot vielleicht sich aus der Tiefe emporschnellte und wieder zurückfallend auf das Wasser schlug, dass es wie Garbenlichter bei einem Feuerwerk auf- und auseinander spritzte.
Fast alle Mann an Bord lehnten an der Schanzkleidung und blickten auf das wunderbare Schauspiel hinaus; denn wenn sie das Leuchten des Meeres auch schon oft gesehen hatten, geschieht es doch nur sehr selten und unter besonders günstigen Verhältnissen, dass es sich in solcher Pracht dem Auge zeigt.
Aber