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Footfall - Die Landung
Footfall - Die Landung
Footfall - Die Landung
Ebook956 pages18 hours

Footfall - Die Landung

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About this ebook

Wir sind nicht allein

Als eines Tages Astronomen seltsame Gebilde in der Nähe des Saturns entdecken, sind nur wenige auf der Erde beunruhigt. Doch die scheinbar harmlosen Himmelskörper stellen sich bald als Vorboten einer grausamen Invasion von Außerirdischen heraus, Aliens wie sie bizarrer kaum sein könnten. Diese absonderlichen Wesen haben nur ein Ziel: den Planeten Erde zu erobern, doch sie haben nicht mit dem erbitterten Widerstand der Menschheit gerechnet…

Mit "Footfall" aus dem Jahre 1985 schufen Larry Niven und Jerry Pournelle einen Klassiker der Sci-Fi-Literatur. Der Roman verbirgt gesellschaftskritische Seitenhiebe, bietet aber auch einen einmaligen Einblick in die westliche Weltsicht der 1980er Jahre.
LanguageDeutsch
Release dateAug 19, 2019
ISBN9783961880928
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    Book preview

    Footfall - Die Landung - Larry Niven

    umarmte.

    TEIL I

    Die Einzelgänger

    – 1 –

    ENTDECKUNG

    »Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das, was übrig bleibt, so unwahrscheinlich es auch ist, die Wahrheit sein.«

    – Sherlock Holmes in Das Zeichen der Vier

    COUNTDOWN: H MINUS SECHS WOCHEN

    Der üppige tropische Bewuchs der Kana-Küste endete abrupt. Plötzlich verschwanden die Ranken der Passionsblumen und Palmen, und Jenny fuhr durch karge Lavafelder. »Sieht aus wie die Rückseite des Mondes«, sagte sie.

    Ihr Begleiter nickte und deutete auf die Abhänge zu ihrer Rechten. »Mauna Loa. Man sagt, es bringt Unglück, wenn man etwas von der Lava mit nach Hause nimmt.«

    »Wer sagt das?«

    »Die Alten Hawaiianer, natürlich. Aber auch überraschend viele Touristen. Sie nehmen das Zeug mit heim und schicken es später per Post zurück.« Er zuckte die Achseln. »Unglück oder nicht, soweit man weiß, hat sie – für die Alten war Mauna Loa immer eine sie –, hat sie noch niemanden umgebracht.«

    Geübt schaltete Captain Jeanette Crichton den geliehenen TR-7 herunter, als die Straße ihren steilen Aufstieg begann. Das Gelände war trügerisch. Vom Strand aus wirkten die Berge wie sanfte Anhöhen, bis man versuchte, sie hinaufzusteigen. Dann erst bemerkte man, wie hoch die Zwillingsvulkane eigentlich waren. Mauna Kea erhob sich fast 14.000 Fuß über den Meeresspiegel – und tauchte 20.000 Fuß tief bis zum Meeresgrund, sodass der Berg insgesamt größer war als der Everest.

    »An der nächsten echten Straße biegst du links ab«, sagte Richard Owen. »Da ist ein Weg. Was dagegen, wenn ich etwas döse? Ist gestern Nacht spät geworden.«

    »Von mir aus«, sagte sie. Sie fuhr weiter.

    Nicht sehr schmeichelhaft, dachte sie. Holt mich in Kona ab, bringt mich dazu, ihn den Vulkan raufzufahren, und schläft ein. Romantisch …

    Sie strich mit den Fingern durch ihr schulterlanges Haar. Es war dunkelbraun mit rötlichen Spuren und konnte im Moment nicht sehr anziehend sein, denn es war immer noch feucht, seit sie heute Morgen schwimmen gegangen war. Sie war auch nicht sehr braun geworden. Manchmal liefen ihre Sommersprossen zusammen und gaben den Anschein von Sonnenbräune, aber dafür war es noch zu früh im Frühling. Feuchte Haare, keine Bräune. Nicht wirklich das gängige Bild eines Mädchens aus Kalifornien.

    Ihr Figur war ganz passabel, wenn auch etwas athletisch: Die Army ermutigte ihre Offiziere, vier Meilen pro Tag zu laufen, und das tat sie auch, obwohl sie das Erfordernis ignorieren konnte, wenn sie wollte. Der mittellange Rock und das T-Shirt brachten sie ziemlich gut zur Geltung. Trotzdem konnte es nicht ihr Aussehen sein, was sie für diesen Astronomen so attraktiv machte, nicht so sehr, wie sie von seinem Erscheinungsbild überwältigt war. Ganz gleich, vorhin hatte es schon gefunkt. Jetzt war das Gefühl fast weg.

    Er war die ganze Nacht auf, dachte sie. Und heute Nacht wieder. Lass ihn schlafen. Damit sollte er in Schwung kommen. Weiß Gott, wie es bei mir wäre, wenn ich einen Zeitplan wie ein Vampir hätte.

    Sie fuhren durch die sich abwechselnden Streifen aus Grasland und Lavafeldern. In unregelmäßigen Abständen hatte jemand grobe Haufen aus Lavagestein aufgeschichtet. Drei oder vier aufgestapelte Steine, jeder kleiner als der darunter, wobei der unterste vielleicht zwei Fuß durchmaß: Man hatte ihr gesagt, dies seien religiöse Gaben durch die Alten Hawaiianer. Wenn ja, dann konnten sie nicht sehr alt sein. Der Mauna Loa brach recht häufig aus, und im Verlauf des zwanzigsten Jahrhunderts war dieses Feld bestimmt mehrfach überflutet worden.

    An der Kreuzung bog sie nach links ab, und der Weg wurde noch steiler. Der TR-7 hatte alle Mühe beim Aufstieg. Hier gab es weniger frische Lavafelder. Jetzt fuhren sie an der Seite des Mauna Kea entlang. »Sie« sollte eigentlich durchgehend inaktiv sein.

    Sie fuhren über endlose Meilen Viehzuchtgelände, das König Kamehameha einem britischen Seemann geschenkt hatte, der zum Freund des Königs geworden war.

    Richard Owen wachte auf, als sie gerade die »vorläufige« astronomische Basisstation aus Holz erreichten. »Wir machen hier eine Pause«, sagte er. »Essen was zu Mittag.«

    Viel gab es dort nicht. Eine lange, einstöckige Holzkaserne in einem Meer aus Lava und Matsch, dazu ein paar wuchernde Bäume, die versuchten, im Lavafeld zu überleben. Sie parkte neben mehreren GMC-Jimmy-Allradfahrzeugen.

    »Wir könnten weiter rauffahren«, sagte sie. »Ich brauch wirklich kein Mittagessen …«

    »Vorschriften. Akklimatisierung. Ganz oben sind es fast 14.000 Fuß. Ziemlich dünne Luft. Dünn genug hier auf zehntausend. Ist nicht einfach, irgendetwas zu tun, einschließlich gehen, bis man sich daran gewöhnt.«

    Als sie die Kaserne aus Holzschindeln erreichten, war sie bereit, ihm zuzustimmen.

    Auf dem Rand des Vulkans standen mehr als ein Dutzend Observatorien. Richard parkte den Jimmy vor dem NASA-Gebäude. Es sah aus wie ein Observatorium aus einem Bugs-Bunny-Trickfilm: ein quadratischer Betonbau unter einer glänzenden Metallkuppel.

    »Kann ich durch das Teleskop schauen?«, fragte sie.

    Er lachte nicht. Er hatte diese Frage womöglich schon zu oft beantwortet. »Niemand schaut mehr durch Teleskope. Wir machen einfach nur Bilder.« Er führte sie hinein, durch Korridore mit nackten Wänden und eine Eisentreppe hinunter in einen Aufenthaltsraum, der mit Bürotischen und -stühlen aus verchromten Stahl ausgestattet war.

    Eine Frau war im Aufenthaltsraum. Sie war ungefähr in Jeanettes Alter, und sie wäre hübsch, wenn sie ihr Gesicht waschen und etwas Lippenstift auftragen würde. Sie runzelte stark die Stirn, während sie Kaffee trank.

    »Mary Alice«, sagte Owen, »das hier ist Jeanette Crichton. Captain Crichton, Army Intelligence. Keine Spionin, sie sammelt Fotos und dergleichen. Dr. Mary Alice Mouton. Sie ist Spezialistin für Asteroiden.«

    »Hi!«, sagte Mary Alice. Sie runzelte weiter die Stirn.

    »Problem?«, fragte Owen.

    »Irgendwie.« Sie schien Jeanette überhaupt nicht zu bemerken. »Rick, ich möchte, dass du dir das hier mal ansiehst …«

    »Sicher.«

    Dr. Mouton ging vor, und Rick Owen folgte ihr. Jeanette schüttelte den Kopf und schloss sich ihnen an; sie gingen durch einen weiteren Korridor und eine Treppe hinauf, vorbei an einem unaufgeräumten Computerraum.

    Alle irre, dachte sie. Aber was hab ich denn erwartet?

    Sie hatte überhaupt nicht gewusst, was sie erwarten sollte. Dies war ihre erste Reise nach Hawaii, und die verdankte sie der Versammlung einer Technikervereinigung, von der sie eingeladen worden war, einen Vortrag über Satellitenbeobachtung zu halten. Diese Konferenz war vorbei, und sie nahm sich ein paar Tage frei, schwamm über die Riffe von Big Island und genoss die Sonne. Sie kannte niemanden auf Hawaii, und es war ziemlich öde gewesen. Jeanette überlegte, Linda und Edmund zu besuchen, bevor sie nach Fort Bragg zurückkehrte.

    Dann hatte Richard Owen sie beim Riff getroffen. Nach dem Schwimmen hatten sie gefrühstückt, und er hatte sie eingeladen, mit nach oben zum Observatorium zu kommen. Sie hatte einen Schlafsack mitgebracht; sie wusste nicht, ob Owen erwartete, ihn mit ihr zu teilen, aber nach den Kleinigkeiten, die er beim Mittagessen und nach dem Mittagessen auf der Fahrt nach oben gesagt hatte, war sie ziemlich sicher, dass er das Angebot machen würde. Sie versuchte die ganze Zeit zu entscheiden, was sie tun sollte, wenn er es anbot.

    Jetzt war es so, als wäre sie überhaupt nicht da.

    Sie folgte ihnen in einen kleinen, unaufgeräumten Raum. In einer Ecke stand ein großer Beobachtungsbildschirm. Dr. Mouton machte etwas an der Bedienung, und ein Sternenfeld blinkte auf und verschwand wieder; währenddessen schien ein Stern hin- und herzuspringen.

    »Neuer Asteroid?«, fragte Owen.

    »Das dachte ich auch«, sagte Dr. Mouton. »Außer … Sieh dir das an, Rick. Und mach dir Gedanken darüber, was du siehst.«

    Er starrte auf den Bildschirm. Jeanette ging näher heran. Sie konnte nichts Ungewöhnliches erkennen. Man nimmt in zwei unterschiedlichen Nächten ein Bild auf und macht einen Blinkvergleich. Die normalen Sterne bewegen sich nur unmerklich, aber alles, was sich vor dem Hintergrund der »festen Sterne«, wie ein Planet oder ein Asteroid, bewegt, befindet sich auf zwei verschiedenen Fotos an zwei verschiedenen Stellen. Hin- und herwechseln zwischen den beiden Platten: Es würde so aussehen, als würde der »bewegliche« Himmelskörper hin- und herspringen. So hatte Clyde Tombaugh den Pluto entdeckt.

    Es war außerdem die übliche Fotoerkundungstechnik, um zu prüfen, was sich im Intervall zwischen zwei Satellitenaufnahmen verändert hatte.

    »Wo ist das Problem?«, fragte Owen.

    »Es bewegt sich zu schnell während der Intervalle.«

    »Es ist nahe dran …«

    »Nicht so nahe«, sagte sie. »Ich habe die Platten von vor ein paar Wochen. Rick, ich musste es fast Nacht für Nacht nachverfolgen, verdammt, so schnell, wie es sich bewegt! Es befindet sich in einem hyperbolischen Orbit.«

    »Komm schon, das kann nicht sein!«

    »Ist es aber«, sagte Dr. Mouton.

    »Entschuldigung«, sagte Jeanette. Beide drehten sich zu ihr um. Sie hatten offensichtlich vergessen, dass sie da war. »Was ist ein hyperbolischer Orbit?«

    »Schnell«, antwortete Owen. »Bewegt sich zu schnell für die Anziehungskraft der Sonne. Objekte in einem hyperbolischen Orbit können auch ganz aus dem Sonnensystem hinausfliegen.«

    Sie runzelte die Stirn. »Wie kann sich etwas so schnell bewegen?«

    »Große Planeten können dafür sorgen«, sagte Richard. »Die Umlaufbahn stören …«

    »Es wird angetrieben«, sagte Mary Alice Mouton.

    »Ach, hört doch auf!«

    »Ich weiß, dass es dämlich klingt, aber es ist die einzige Erklärung, die ich mir vorstellen kann. Rick, ich habe das Ding wochenlang zurückverfolgt, und für den Großteil der Strecke hat es entschleunigt

    »Aber …«

    »Jupiter kann das nicht. Nichts kann das.«

    »Nein, natürlich hat es … Mary Alice?«

    »Die Computeraufzeichnung passt perfekt, wenn man von einem angetriebenen Raumfahrzeug ausgeht.« Dr. Moutons Stimme hatte einen flachen, trockenen Tonfall angenommen. »Und alles andere ergibt keinen Sinn.«

    Eine Stunde später. Zwei weitere Astronomen waren hereingekommen, hatten sich die Platten angesehen und waren kopfschüttelnd wieder gegangen. Einer hatte darauf bestanden, dass die frühen Platten, was sie auch sonst noch fanden, authentisch waren: Er hatte sie selber aufgenommen. Der andere hatte nicht einmal zugegeben, dass er irgendetwas gesehen hatte.

    Owen rief über das Telefon in Arizona an. »Laura? Rick Owen. Wir haben hier etwas Komisches entdeckt. Haben Ihre Leute in den letzten Wochen zufällig Bilder gemacht, die den Bereich südlich vom Löwen zeigen?« Er las eine Reihe von Koordinaten vor und wartete einige Augenblicke.

    »Gut! Schon angesehen? Könnten Sie sie sich bitte ansehen? Ja, jetzt. Ich weiß, dass es gerade nicht passt, aber glauben Sie mir, es ist wichtig.«

    »Sie glauben doch nicht wirklich, dass das ein angetriebenes Schiff ist, oder?«, fragte Jeanette.

    Mary Alice betrachtete sie mit einem gehetzten Blick. »Ich habe alles andere durchprobiert, und nichts anderes passt zu den Daten. Und ja, ich denke auch an Pulsare!«, was Jeanette gar nichts sagte.

    Sie tranken Kaffee, während Owen redete. Schließlich stellte er das Telefon hin. Er sah bestürzt aus. »Kitt Peak hat es gesehen«, verkündete er. »Ein Bursche namens Tom Duff, ein Computerbastler, hat es bemerkt. Sie konnten es nicht glauben. Es ist genau da, wo wir es gesehen haben. Mary Alice, kann sein, dass du keine Lorbeeren für die Entdeckung erntest.«

    »Pfeif auf die Lorbeeren: Was ist es?«, wollte Dr. Mouton wissen. »Rick, es ist groß, und es wird angetrieben und kommt auf uns zu

    In Kalifornien wäre es jetzt drei Uhr morgens. Jeanette hörte das Telefon dreimal klingeln, dann die verschlafene Stimme. »Ja?«

    »Linda, hier ist Jenny.«

    »Jenny? Aber … Nun, hallo, ist was vorgefallen?«

    »Schon irgendwie, Schwesterchen. Ich muss mit deinem Mann sprechen. Schnell.«

    »Was?« Eine Pause folgte. »Na gut.«

    »Und mach ihm Kaffee«, sagte Jenny. »Den wird er brauchen.«

    Kurz darauf hörte sie die Stimme des gerade geweckten Major General Edmund Gillespie. »Jenny? Was ist los?«

    »General, ich muss etwas Merkwürdiges melden …«

    »General. Wirst du jetzt offiziell?«

    »Nun … formell. Ja, Sir. Ich habe bereits meinen vorgesetzten Colonel angerufen, und er meinte auch, dass es eine gute Idee wäre, dich anzurufen.«

    »Eine Sekunde, Jenny. Linda, wo ist der Kaffee? Ah. Danke. Okay, leg los.«

    »Ja, Sir.« Während sie sprach, versuchte sie, sich die Szene vorzustellen. General Gillespie, der auf dem Rand des Bettes saß und immer wacher wurde. Sein Haar sah vermutlich so aus, als würde ihm gleich der Kopf explodieren. Linda lief auf und ab und fragte sich, was in aller Welt vor sich ging. Joel war vielleicht auch aufgewacht. Nun, da konnte man nichts machen. Eine Menge Leute würden bald nicht mehr viel Schlaf bekommen.

    »Jenny, willst du ernsthaft andeuten, dass es ein … außerirdisches Schiff ist? Marsmenschen und all das?«

    »Sir, wir beide wissen, dass es auf dem Mars keine Menschen geben kann. Oder sonst irgendwo im Sonnensystem. Aber es ist ein großes Objekt, es bewegt sich schneller als irgendetwas, was innerhalb des Sonnensystems bleiben könnte, seit Wochen entschleunigt es, und es sieht aus, als würde es auf uns zukommen. Das sind die Fakten, bestätigt durch drei verschiedene Observatorien.«

    Sie kicherte plötzlich. »Ed, du bist Astronaut. Was glaubst du denn, was es ist?«

    »Ich will verdammt sein, wenn ich das wüsste«, sagte Gillespie. »Russisch?«

    »Nein«, sagte Jeanette.

    Am anderen Ende folgte langes Schweigen. »Sie müsste es ja wissen, oder? Aber bist du dir so sicher?«

    »Ja, Sir. Ich bin so sicher. Es ist kein Sowjetschiff. Es ist mein Job, so etwas zu wissen. Ich beobachte das sowjetische Weltraumprogramm seit zehn Jahren, und so etwas können sie dort nicht bauen. Wir auch nicht …«

    »Jenn… Captain, wenn das ein Scherz ist, dann kriegen wir alle Ärger.«

    »Um Gottes willen! General, warum sollte ich darüber scherzen?«, wollte sie wissen. »Ich hab dir gesagt, ich habe bereits meinen Colonel aus dem Bett geklingelt! Er durchläuft die Kanäle, aber du kannst dir vorstellen, was mit einem UFO-Bericht passiert …«

    »Ich weiß, welche Leute ich anrufen soll«, sagte Gillespie. »Ich habe nur Schwierigkeiten, es zu glauben.«

    »Ja, Sir«, sagte Jenny trocken.

    »Klar, ich weiß, du auch«, sagte Ed Gillespie. »Aber ich verstehe, was du meinst. Wenn es ein außerirdisches Schiff ist, müssen wir Vorbereitungen treffen. Jenny, wer ist dein vorgesetzter Offizier?«

    »Colonel Robert Hartley, G-2 Strategic Army Command, Fort Bragg. Ich gebe dir seine Nummer.«

    Linda sah zu, wie ihr Ehemann das Telefon auflegte. Er wirkte besorgt. »Was hat meine kleine Schwester jetzt wieder angestellt?«

    »Hat sich vielleicht gerade einen Orden verdient«, sagte Edmund. Er nahm den Hörer ab und wählte.

    »Wen rufst du jetzt an?«, fragte Linda. »Das ist Irrsinn …«

    »Hallo, Colonel Hartley? General Ed Gillespie hier. Captain Crichton sagte, Sie würden meinen Anruf erwarten. … Ja. Stimmt, sie war schon immer sehr vernünftig. Ja, Genau, ich glaube ihr auch. Okay, also was unternehmen wir deswegen?«

    Das ist Irrsinn, dachte Linda. Absoluter Irrsinn. Meine kleine Schwester entdeckt fliegende Untertassen. Ich glaube das nicht. Ich kann es nicht glauben. Nur … Nur dass Jenny in ihrem ganzen Leben noch keinen Streich gespielt hat. Sie trinkt nicht, sie nimmt keine Drogen und …

    Außerirdische? Ein außerirdisches Schiff, das sich der Erde nähert?

    Sie bemerkte, dass Edmund aufgelegt hatte. »Also, was jetzt?«, fragte sie.

    »Keine Ahnung. Denken fällt schwer. Muss Leute informieren. Muss den Präsidenten informieren. Bin nicht sicher, wie ich das anstellen soll.«

    »Wes Dawson könnte es tun«, sagte Linda.

    »Lieber Gott!« Er sah auf seine Uhr. »In Washington ist es nach sechs. Wes könnte auf sein. Ich wecke ihn auf. Hast du seine Privatnummer da?«

    David Coffey hatte sich selbst immer als Nachtmensch gesehen, aber das war jetzt nicht mehr möglich. Der Präsident der Vereinigten Staaten konnte nicht lange ausschlafen. Es ging einfach nicht.

    Er konnte nicht einmal darauf bestehen, dass man ihn beim Frühstück alleine ließ, obwohl er es versucht hatte. Als er sich auf die Terrasse setzte, um einen herrlichen Frühlingstag in Washington zu genießen, sagte der Stabschef: »Wes Dawson. Kalifornien …«

    »Ich weiß, wer er ist.«

    »Er besteht darauf, Ihnen beim Frühstück Gesellschaft zu leisten.«

    »Er besteht darauf?«

    »Das hat er so nicht gesagt, aber ja. Sagte, er würde seine Gefallen einfordern, die man ihm schuldet. Äußerst wichtig, meinte er.«

    David Coffey seufzte. Er spürte, wie sein Gürtel drückte. Um elf war eine Kabinettssitzung anberaumt, und er hatte gehofft, davor noch eine halbe Stunde schwimmen gehen zu können. Den Bauch ein wenig schmaler kriegen. »Sagen Sie dem Kongressabgeordneten Dawson, dass ich mich geschmeichelt fühle«, sagte er. »Und bitten Sie die Haushälterin, ein weiteres Gedeck aufzutragen.«

    Fliegende Untertassen. Raumschiffe. Blödsinn!, dachte der Präsident. Das Zeug, das immer die Zeitungen im mittleren Westen brachten, wenn es nichts anderes zu berichten gab. Eine Fälschung. Oder Wahnsinn. Nur war Wes Dawson nicht verrückt, war niemals verrückt gewesen, und auch wenn er sich manisch benahm, war er gerade jetzt nicht verrückt.

    »Nur dass ich das richtig verstehe, Wes«, sagte Coffey. »Die Astronomen haben beobachtet, wie sich ein Raumschiff der Erde nähert. Nächsten Monat wird es hier sein. Sie wollen ihm entgegenkommen.«

    »Richtig, Mr. President.«

    »Wes, wissen Sie … vergessen Sie’s. Natürlich wissen Sie, wie albern sich das anhört. Na schön, mal angenommen, all das ist wahr. Warum Sie?«

    »Jemand muss es tun«, antwortete Dawson. »Und die Tatsache, dass ich alle meine Gefallen aufgebraucht habe, um der Erste zu sein, der es Ihnen erzählt, sollte Ihnen zeigen, dass ich daran interessiert bin.«

    »Klar, das streite ich nicht ab.«

    »Ich sitze im Ausschuss fürs All als auch für Auswärtige Beziehungen. Sie sollten jemanden aus dem Kongress dabeihaben, wenn wir rausfliegen, um denen entgegenzukommen.«

    »Warum überhaupt da rausfliegen, um sie zu treffen?«

    »Weil … es standesgemäßer ist, Sir«, sagte Dawson. »Überlegen Sie, Mr. President: Sie kommen von weit her. Von einem anderen Stern …«

    »Sind Sie da sicher?«, fragte der Stabschef. »Warum nicht von einem anderen Planeten?«

    »Weil wir alle möglichen Planeten aus der Nähe gesehen haben, und für eine Zivilisation ist da kein Platz«, antwortete Dawson geduldig. »Wie auch immer. Mr. President, die haben einen langen Weg hinter sich. Trotzdem werden sie verstehen, dass der erste Schritt schwierig ist. Wir wollen sie im Orbit treffen, nicht darauf warten, dass sie hierherkommen. Lassen Sie es mich ins rechte Licht rücken«, sagte er. »Wäre die Geschichte der Pazifikinseln eine andere, wenn die Polynesier bereits in hochseetüchtigen Booten auf dem Meer unterwegs gewesen wären, als die Europäer das erste Mal Hawaiianern begegneten? Hätten diese sie nicht mit mehr Respekt behandelt?«

    »Verstehe«, sagte der Präsident. »Wissen Sie, Wes, da könnten Sie recht haben. Mal angenommen, dass da etwas dran ist.«

    »Wenn ja, kann ich mich auf den Weg machen?«, fragte Dawson.

    David Coffey lachte. »Wir werden sehen«, sagte er. Er wandte sich an den Stabschef. »Jim, holen Sie General Gillespie ans Telefon. Setzen Sie ihn in einen Flieger nach Washington. Und den Army-Captain, der das Ding entdeckt hat.« Er seufzte. »Und setzten Sie es für die heutige Kabinettssitzung auf die Tagesordnung. Sehen wir mal, was der Außenminister dazu sagt, dass wir Marsmenschen willkommen heißen …«

    Wes Dawson ging vom Weißen Haus zu Fuß zurück zu seinem Büro im Rayburn-Gebäude. Er hatte nicht wirklich Zeit dafür, aber der Morgen war schön, und der Spaziergang würde ihm guttun, außerdem war er ohnehin zu aufgeregt, um zu arbeiten. Der Präsident hatte nicht Nein gesagt! Wes ging zügig durch das Federal Triangle und die Independence Avenue entlang. Er war oft dort entlanggegangen, glotzte aber immer noch auf die großen Bundesgebäude, die auf dem Weg lagen. Alles war da. Regierungsgranit, herrliche Gebäude im klassischen Stil, die für die Ewigkeit gebaut wurden, als es in Amerika noch Handwerker gab, die sich mit den großartigen Baumeistern des antiken Griechenland und Roms messen konnten.

    Und mehr noch: die Archive, in denen die Originale der Verfassung und der Unabhängigkeitserklärung lagen. Bei ihrem Anblick bekam man feuchte Augen, schwieg unwillkürlich und wurde daran erinnert, dass sie etwas geschafft hatten, wozu nicht einmal die alten Römer imstande gewesen waren Sie hatten eine stabile Regierung freier Bürger geschaffen. Dahinter lag das Smithsonian, die alte Burg mit neuen Erweiterungen.

    Der Präsident hat nicht Nein gesagt! Ich fliege ins All! Aber … Aber würde Präsident Coffey daran denken? Es ist kein felsenfestes Versprechen gewesen. Niemand hat es gehört außer Jim Frantz. Wenn der Präsident es vergisst, dann auch der Stabschef, weil Coffey vielleicht einen Grund hat, es zu vergessen. Oder …

    Der Morgen ist zu schön, um darüber nachzugrübeln. Coffey hat nicht Nein gesagt! Ich könnte wirklich ins All fliegen!

    Vor ihm lag das Raumfahrtmuseum, wo immer Betrieb herrschte, das einzige Gebäude, das auch während Schneestürmen am Wochenende großen Zulauf hatte. Wes wollte hineinschauen. Nur für einen Augenblick. Es gab Arbeit, und Carlotta würde im Büro darauf warten zu hören, wie das Treffen mit dem Präsidenten gelaufen war, und er sollte sich beeilen, aber verdammt noch mal …

    Gegenüber vom Museum lag die NASA selbst.

    Wes grinste von einem Ohr zum anderen und überraschte die Passanten, die es nicht gewohnt waren, dass Leute glücklich aussahen. Zwei Jogger liefen vorbei und erwiderten das Grinsen, obwohl sie nicht wissen konnten, was ihn derart glücklich machte.

    »Ich kenne ein Geheimnis«, sagte er laut, während er zum Eckbüro des siebten Stocks der Behörde hinaufblickte. Haben sie es ihm schon mitgeteilt? Vielleicht nimmt er sogar an der Kabinettssitzung teil. Aber ich bin der Einzige, der es dem Präsidenten erzählt hat, und ich habe schon Ansprüche angemeldet … Und ich bin der Richtige. Ich habe mein ganzes Leben lang auf diesen Tag gewartet. Ich bin gut in Form … nun, einigermaßen gut. Bald werde ich in besserer sein. Ich gehe jeden Tag laufen …

    Er lief ein paar Stufen nach oben, bemerkte, dass es nicht praktisch für einen Mann war, der einen gestreiften Dreiteiler trug, und grinste erneut. Ich fange heute Nachmittag an, dachte er. Und zum Training gehe ich nach Houston. Echtes Training. Ich war ja schon da. Gute Sache, im Ausschuss für Raumfahrt zu sitzen …

    Außerirdische! Er spürte die volle Wucht, als er das Kapitol erreichte, das sich im Becken widerspiegelte. Sie sind wirklich hier. Außerirdische. Hier bricht die Geschichte der Menschheit entzwei. Die Suche nach außerirdischer Intelligenz ist vorbei, die Außerirdischen kommen … Nimm das, Bill Proxmire!

    Er ging den Hügel zum Rayburn-Gebäude hinauf und zwischen den beiden monströsen Statuen hinauf, die zu beiden Seiten der Granittreppe einander zugewandt waren. Sie waren die hässlichsten Statuen in Washington, grobe Versuche, die Herrlichkeit und Barmherzigkeit des Rechts im klassisch griechischem Stil abzubilden, aber von einem sehr schlechten Bildhauer geschaffen, der nicht verstanden hatte, was die Griechen da versuchten – und der auch keine Ahnung von menschlicher Anatomie gehabt hatte. Wes grinste, als er an ihnen vorbeiging. Es war offensichtlich, was vorgefallen war. Jemand hatte auf Statuen bestanden, und irgendein vergessener Kongressabgeordneter hatte gesagt: »Al, meine Cousine Cidy Lou hat einen Kerl geheiratet, der Statuen baut …«

    Seine Assistenten kamen ihm entgegen, als er die Bürosuite betrat. Wes wusste, dass er spät dran war, aber verdammt noch mal! Jetzt kam Larry mit einer Handvoll Nachrichten an. Wes machte eine Geste, er solle zur Seite gehen, ging an der Rezeptionistin vorbei und in sein Büro, wobei er schwungvoll die Tür öffnete, um Carlotta zu sagen …

    Sie saß in seinem Stuhl. Ein Dutzend Pfadfinder aus seinem Bezirk saßen auf den übrigen Stühlen und Sofas.

    Oh, verdammt!, dachte Wes und setzte sein bestes Lächeln auf.

    Carlotta bemerkte das feste Politikergrinsen auf dem Gesicht ihres Ehemanns, aber sie konnte dahinter den glühenden Enthusiasmus in Wes’ Augen sehen. Er musste nichts sagen. Schließlich lebten sie bereits seit fünfundzwanzig Jahren zusammen und waren zweiundzwanzig Jahre verheiratet. Sie wusste, was los war.

    Wes hatte eine Chance. Eine Chance, zum Botschafter der Menschheit zu werden. Nein, eher Konsul oder wie auch immer der Stellvertreter einer Botschaft genannt wurde. Die Russen würden sicher einen Botschafter stellen. Gott sei Dank hatte sie Wes dazu gebracht, etwas Russisch zu lernen. Ihr Bett wäre jetzt leer, und das wäre nicht so gut, aber er sah auf jeden Fall glücklich aus. Konnte es nicht abwarten, ihr davon zu erzählen.

    Aber die Pfadfinder waren da. Schlechtes Timing, doch der Termin war vor zwei Wochen festgelegt worden. Wer hätte denn ahnen können, dass der Kongressabgeordnete Dawson sein Frühstück im Weißen Haus einnehmen würde?

    Die Jungs drängten sich um Wes. Er wirkte einigermaßen freundlich. Nicht zu freundlich. Bei diesem Besuch sprang politisch nichts für ihn heraus. Warum konnten die verdammten Blagen nicht einfach verschwinden?

    Das war nicht wirklich fair. Sie selbst hatte sie ermutigt herzukommen. Carlotta mochte Jungs. Alle Kongressabgeordneten begrüßten die Pfadfinder, die zu einem Besuch kamen, aber Wes und Carlotta waren froher als die meisten, wenn sie nach Washington kamen. Nicht nur die Pfadfinder. Alle Jungs.

    Wenn Simon überlebt hätte …, dachte Carlotta. Aber das hatte er nicht. Simon Dawson, drei Monate alt, gestorben an dem, was auch immer Babys in ihrem ersten Jahr tötete: der schleichende Killer, Krippentod.

    Die Ärzte hatten ihr gesagt, sie könnte keine weiteren Kinder bekommen. Sie ließ es trotzdem darauf ankommen und starb beinahe bei der Geburt. Es dauerte einen Monat, bis sie ihre Tochter in den Armen halten konnte, und einen weiteren, bis sie sich erholt hatte, und es war offensichtlich, das Sharon das einzige Kind der Familie Dawson bleiben würde, die einzige Erbin zweier langer und anständiger Blutlinien. Das war fast zwanzig Jahre her. Sharon war inzwischen in Redcliffe eingeschrieben und dachte nicht viel über die Karriere ihres Vaters nach. Carlotta hatte den Grund dafür nie ganz verstanden.

    Ist doch egal. In allen Colleges bringen sie einem Unsinn bei. Sie wird da rauswachsen. Carlotta stand auf und ging zu Wes hinüber. Er wollte es ihr unbedingt sagen, hatte sein Gesicht aber jetzt unter Kontrolle. »Hi!«, sagte sie. »Das ist der Trupp 112. Johnny Brasicku ist der Senior Patrol Leader. Johnny, das hier ist mein Ehemann, der Kongressabgeordnete Dawson.«

    Es waren nette Jungs, und sie stammten aus seinem Bezirk. Wes schüttelte jedem einzelnen die Hand. Als er damit durch war, warf er Carlotta ein reumütiges Grinsen zu. Sie zwinkerte ihm zu.

    Die wichtigsten Neuigkeiten, die wir jemals gehört haben, dachte sie. Wahrscheinlich die wichtigsten, die jemals irgendwer gehört hat. Und hier plaudern wir mit den Pfadfindern, während der Stab entscheidet, was wir denken sollen und wie Wes wählen soll, und es gibt nichts, was wir dagegen tun können. Wenn die Kongressabgeordneten ihre Zeit damit verbringen würden, Kongressabgeordnete zu sein, und über ihre Arbeit nachdenken würden, dann hätten sie den Job nicht. Eine merkwürdige Art, ein Land zu regieren.

    – 2 –

    BEKANNTMACHUNGEN

    Misstrauen ist der Begleiter kleinlicher Seelen und der Fluch jeder guten Gesellschaft.

    – Thomas Paine, Common Sense

    COUNTDOWN: H MINUS SECHS WOCHEN

    Ich glaube wirklich nicht, dass du das tun solltest«, sagte Jeanette Crichton.

    Richard Owen blieb mit der Hand über dem Telefon hängen und schnaubte dann. »Da kannst du nichts machen. Die Army hat keine Befehlsgewalt über mich.«

    »Das habe ich nie gesagt«, sagte Jeanette. »Und warum so paranoid? Du solltest darüber nachdenken.«

    »Das habe ich schon«, erwiderte Owen. »Die Sowjets müssen es wissen. Vielleicht sind sie schon im Bilde, und in dem Fall ist es besser, dass sie wissen, was wir wissen. Und du bist nett und freundlich, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass ein echter Spion auftauchen könnte, wenn ich zu lange warte.« Er hob den Hörer ab und wählte.

    Und was jetzt?, dachte Jeanette. Er hat recht: Die Army hat keine Befehlsgewalt, und die Russen wissen ohnehin schon über alles Bescheid. Wenn nicht jetzt, dann finden sie’s bald heraus. Sie haben viel mehr All für sich als wir, mit ihren großen bemannten Stationen.

    »Akademik Pawel Bondarew«, sagte Owen. »Da. Bondarew.« Er trommelte mit den Fingern auf dem Schreibtisch. »Pawel? Richard Owen in Hawaii. Äh … ja, natürlich, ich warte.« Er legte die Hand über den Hörer. »Die haben da eine Vorschrift«, erklärte er Jeanette. »Sie dürfen erst mit einem Amerikaner sprechen, wenn drei gleichzeitig anwesend sind. Sogar jemand Hohes wie Bondarew. Wenn wir schon bei Paranoia sind, diese Jungs haben sie gepachtet … Ah. Akademik Bondarew? Sind Ihre Kollegen da? Ausgezeichnet. Hier spricht Professor Richard Owen, Universität von Hawaii. Wir sind auf etwas Interessantes gestoßen, von dem ich glaube, dass sie es wissen sollten …«

    Pawel Alexandrowitsch Bondarew legte den Telefonhörer auf und blickte gedankenverloren zur Decke.

    »Ist es echt?« Boris Ogarkows flaches Bauerngesicht war von einem fragenden Stirnrunzeln verzerrt, das ihn sehr unwirsch wirken ließ.

    »Ja«, antwortete Bondarew abwesend. Boris war der Parteisekretär des Instituts. Er war nicht sonderlich gebildet. Boris entstammte der Arbeiterklasse. Fantasielose, aber unermüdliche Parteiaktivitäten hatten die Aufmerksamkeit der Obrigkeit auf ihn gezogen. Er war einer derjenigen, die in eine Machtposition gehoben wurden, die wussten, dass Treue gegenüber dem System die einzige Möglichkeit war, mehr als nur ein Handlanger zu sein. Er besaß genügend Grips, um zu wissen, dass das Institut für die Sowjetunion wichtig war, und sich daher nicht in dessen Arbeit einzumischen. Stattdessen war er damit beschäftigt zu prüfen, ob ein Porträt in jedem Büro hing, und dass alle – Wissenschaftler, Sekretär, Sachbearbeiter oder Hausmeister – bei jeder Wahl ihre Stimme abgaben. »Ich kenne diesen Amerikaner gut«, fuhr Bondarew fort. »Wir haben gemeinsam zwei Abhandlungen veröffentlicht und haben zusammengearbeitet, als ich in den Vereinigten Staaten war. Er würde mich nicht wegen eines Schwindels anrufen.«

    »Also kein Schwindel«, sagte Andrej Pjatigorski. »Aber könnte er sich denn nicht irren? Wir haben keinen Nachweis dafür gesehen.«

    »Vielleicht doch«, sagte Bondarew. »Und vielleicht nicht. Tun Sie mir bitte einen Gefallen, Andrej, und rufen Dr. Nosow vom Observatorium an und bitten ihn, dass seine Leute alle Fotografien prüfen, die möglicherweise wichtig sind?«

    »Sicher.«

    »Danke. Ich muss nicht erwähnen, dass Nosow mit niemandem darüber sprechen darf. Ganz gleich, was er findet.«

    »Ich kann den Parteisekretär im Observatorium anrufen«, sagte Boris Ogarkow. »Er wird dabei helfen, das Geheimnis zu wahren.«

    Bondarew nickte zustimmend.

    »Aber, Pawel Alexandrowitsch, glauben Sie diese Geschichte? Ein außerirdisches Raumschiff, das sich der Erde nähert?« Pjatigorski gestikulierte ratlos. »Wie kann man so etwas glauben?«

    Bondarew zuckte die Achseln. »Wenn Sie bestimmen, dass sie nicht lügen, dann haben wir keine andere Wahl, als es zu glauben. Die Amerikaner verfügen über ausgezeichnete Gerätschaften, und zwar davon genug, dass jedes Observatorium mit Komparatoren und Computern ausgestattet ist. Wie Sie wohl wissen …«

    »Wenn wir halb so viel hätten …«, sagte Pjatigorski. Die Hälfte der Zeit musste er seine eigenen Geräte bauen, weil das Institut nicht die Devisenkredite bekam, um elektronische und optische Instrumente aus dem Westen zu kaufen, und wenn sie nicht gerade fürs Militär gebaut wurde, funktionierte die russische Laborausrüstung nicht besonders gut.

    Bondarew zuckte erneut die Achseln. »Sicher doch. Aber es gibt viele Gründe, aus denen die Amerikaner es zuerst entdecken würden.«

    »Vielleicht ist es von der Kosmograd aus gesehen worden«, sagte Boris Ogarkow.

    Pjatigorski nickte zustimmend. »Die Teleskope dort sind viel besser als unsere hier.«

    »Ich werde nachfragen«, sagte Bondarew. Und vielleicht eine Antwort erhalten, vielleicht nicht. Berichte sowjetischer Raumstationen wurden streng überwacht. Häufig dauerte es Monate, bis Bondarew sie bekam.

    »Wir sollten uns ihre Fotografien ansehen«, sagte Pjatigorski. »Sofort, wenn sie reinkommen. Und Sie sollten Rogatschew anrufen und ihm sagen, worauf er seine Instrumente richten soll.«

    »Vielleicht«, erwiderte Bondarew. Er blickte seinen Untergebenen bedeutungsvoll an. Andrej Pjatigorski war ein ausgezeichneter Entwicklungsforscher, aber seiner Karriere wäre nicht damit geholfen, wenn er in Anwesenheit von Boris Ogarkow die Politik kritisierte. Boris würde es vermutlich nicht melden, aber er würde sich daran erinnern …

    »Es ist äußerst wichtig«, fuhr Andrej fort. Er klang stur. »Wenn Außerirdische herkommen, dann müssen wir Vorbereitungen treffen.«

    »Ist es nicht wahrscheinlich, dass man es in Moskau schon weiß?«, fragte Ogarkow. »Vielleicht hat man Nachricht von der Kosmograd erhalten und weiß bereits Bescheid.«

    »Ich glaube nicht«, sagte Bondarew ruhig. »Es ist natürlich möglich. In Moskau weiß man vieles. Ich glaube aber, wie hätten es bereits gehört, wenn schon nicht, was man dort weiß, dann zumindest, dass man dort irgendetwas Wichtiges erfahren hat. Bis dahin ist es wichtig, dass wir uns unsere eigenen Fotografien ansehen. Wenn dieses Objekt darauf auftaucht, dann wissen wir, dass es kein Schwindel ist.« Er sah nachdenklich aus. »Allenfalls kein gewöhnlicher Schwindel.«

    »Das wäre das«, sagte Richard Owen. »Sie hätten es nicht gesehen.« Er ging hinüber zum Fenster, das auf die Straße den Mauna Kea hinauf hinausging.

    »Oder sie sagen, sie hätten es nicht gesehen«, sagte Jeanette.

    »Ja, das stimmt.« Er sah auf seine Uhr. »Als Nächstes kommt eine Pressekonferenz.«

    Er sah sie trotzig an.

    Sie schüttelte den Kopf. »Richard, es gibt nichts, wodurch ich dich aufhalten könnte. Ich glaube aber, dass du unrecht hast.«

    »Haben die Leute denn kein Recht darauf, es zu erfahren?«

    »Schätze schon«, antwortete sie. »Denkst du, dass die Russen dir glauben?«

    »Warum denn nicht?«, wollte Owen wissen.

    »Sie glauben oft nicht, was wir sagen. Sie sehen überall Verschwörungen«, sagte Jeanette.

    »Nicht Bondarew«, hielt Owen dagegen. »Ich kenne ihn schon lange. Er wird mir glauben.«

    »Schon. Aber werden seine Vorgesetzten auch ihm glauben? Ist sowieso nicht mein Problem.«

    »Bist du sicher?«

    »Wie?«

    »Da kommen eine Menge Autos die Straße rauf«, sagte Owen. »State Police und ein Stabsfahrzeug der Army. So etwas habe ich hier oben noch nie gesehen …«

    Lieutenant Hal Brassfield war nervös. Er konnte nicht älter als zwanzig Jahre alt sein, und er war nicht sicher, wer Jeanette war.

    Wundert mich nicht, dachte Jeanette.

    »Captain«, sagte er, »mehr weiß ich wirklich nicht. Die Befehle lauten, Sie mit der ersten verfügbaren Transportmöglichkeit nach Washington zu bringen, höchste Priorität, und dafür haben wir gesorgt. Ein Helikopter erwartet uns auf fünftausend Fuß Höhe. Er bringt Sie nach Pearl. Dort steht ein Navy-Jet bereit.«

    Jeanette runzelte die Stirn. »Ist das nicht ein bisschen ungewöhnlich?«

    »Darauf können Sie Ihren süßen … Ja, Ma’am, es ist ungewöhnlich. Wenigstens habe ich so etwas noch nicht gemacht.«

    Sie betrachtete das Blatt mit den Befehlen. Sie waren hastig nach Telefondiktat getippt worden und sahen nicht wie Standardbefehle des Militärs aus. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Was das betraf, dachte sie, hatten das auch nicht viele Offiziere. Unten stand: »Auf Anordnung des Präsidenten der Vereinigten Staaten«, und darunter: »In Vertretung des Präsidenten, James F. Frantz, Stabschef.«

    »Die kamen vor ungefähr einer Stunde rein«, sagte der Lieutenant. »Und das ist alles, was ich weiß. Wir sind ein Ausbildungstrupp, Captain.«

    »Na schön, Lieutenant, aber jemand muss zu meinem Hotel fahren. Ich habe da ein paar Sachen liegen, und die Rechnung muss bezahlt werden.«

    »Jawohl, Ma’am, Major Johnston sagte, ich soll mich darum kümmern. Ich werde ihr Gepäck an Sie weiterleiten, nur weiß ich nicht, wohin ich es schicken soll.« Er kicherte. »Ich würde nicht glauben, dass das Weiße Haus die richtige Anschrift für einen Captain ist. Aber das ist die einzige Adresse auf diesen Befehlen.«

    Jeanette nickte, mehr zu sich selbst als zu dem Lieutenant. Wenn sie mal in Washington war, dann blieb sie bei ihrer Tante und ihrem Onkel in Flintridge, das war also kein Problem. Nur war es wahrscheinlich eine Situation nach dem Motto »beeilen und abwarten«. Im Weißen Haus brauchte man sie nicht. Nicht so dringend und vermutlich überhaupt nicht. Der Präsident brauchte eine Bestätigung der Sichtung, aber bevor sie nach Washington kommen konnte, würden ihm noch ein Dutzend anderer etwas erzählen über dieses mysteriöse … was? Sie kicherte.

    »Darf ich fragen, was du gerade denkst?«, meinte Richard Owen.

    »Wir nennen wir es?«, fragte sie. »UFO? Aber es fliegt nicht.«

    Lieutenant Brassfield wirkte verdutzt. »UFO? All das wegen einer fliegenden Untertasse

    »Genau«, sagte Jeanette.

    »He, jetzt machen Sie mal halblang …«

    »Stimmt alles«, sagte Richard Owen. »Wir haben ein außerirdisches Raumschiff entdeckt. Es ist auf dem Weg zur Erde. Captain Crichton hat die Army angerufen.«

    »Ist vielleicht besser, wenn ich nicht mehr weiß«, sagte Brassfield.

    Jeanette dachte an Richards bevorstehende Pressekonferenz und lachte. »Es wird nicht schaden. Lieutenant, haben Sie jemanden in Kona? Oder jemanden, der schnell dorthin fahren kann?«

    »Ja, Ma’am.«

    »Gut. Sagen Sie ihm, er soll ins Hotel Kamehameha fahren und meine Taschen holen. Er soll vorsichtig sein mit meiner Uniform, sie aber einpacken lassen. Meine ganzen Sachen. Dann soll er auf Teufel komm raus dahin fahren, wo der Helikopter uns abholt. Wenn ich schon das Weiße Haus besuche, dann will ich verdammt sein, wenn ich es mit nackten Beinen tue!«

    Das Hauptquartier des KGB lag auf der anderen Seite des Paradeplatzes gegenüber dem Institut. Es war ein trister Ziegelbau und stand im Gegensatz zu den Säulen und der Marmorfassade des Instituts. Pawel Bondarew marschierte rasch über den Platz. Es war ein angenehmer Tag, warm genug, dass er keinen Mantel anziehen musste.

    Am Empfangsschreibtisch des KGB-Hauptquartiers saß ein Neuer. Er sah sehr jung aus. Pawel Bondarew zog eine Grimasse und zuckte dann mit den Schultern. Augen zu und durch. Er hatte Geduld gelernt, und er zwang sich, still zu sein, obwohl er wegen der Neuigkeiten fast platzte.

    Eine lange Schlange aus Bürgern wartete vor dem Empfang. Männer in schlecht sitzenden Anzügen, Frauen in fleckigen Röcken und Schals, Bauern, Arbeiter, niedere Betriebsbeamte – sie alle hatten Formulare in der Hand, die unterschrieben werden mussten, Genehmigungszettel der einen oder anderen Sorte. Heute waren nicht so viele Bauern da; im Herbst würden Hunderte darauf warten, das Gemüse aus ihren kleinen, privaten Beeten zu verkaufen.

    Bondarew schüttelte den Kopf. Absurd, dachte er. Sie sollten arbeiten, nicht hier anstehen. Aber das ist typisch russisch, und wenn sie hier nicht anstünden, würden sie sowieso nicht arbeiten. Sie würden sich einfach besaufen.

    Wenn es keine Wohnsitzregulierung gäbe, würde jeder in Moskau leben. Als er einmal auf Besuch in Washington gewesen war, hatte er auf einer amerikanischen Feier ein Lied gehört: »How you going to keep them down on the farm?« Es war offensichtlich genauso ein Problem für die Amerikaner wie für die Russen.

    Er ging an der Schlange vorbei. Ein Mann am Kopf der Reihe, der ein rundes Gesicht hatte wie Boris Ogarkow, starrte ihn mürrisch an, sagte aber nichts. Bondarew stand am Schreibtisch. An einem anderen Tisch in der Nähe befanden sich zwei Männer. Er glaubte, den einen zu erkennen, der gerade auf einer abgenutzten Schreibmaschine aus deutscher Herstellung einen Bericht tippte.

    Bondarew überlegte müßig, ob die Schreibmaschine von der Wehrmacht nach Russland gebracht worden war. Sie war jedenfalls alt genug. Provinzniederlassungen – sogar der KGB – bekamen nicht oft neue Ausstattungen.

    Der Empfangsbeamte ignorierte ihn so lange wie möglich und blickte dann unverschämt auf. »Ja?«

    So wollen Sie es also haben, ja?, dachte Bondarew. Von mir aus. Bondarew sprach ruhig, aber laut genug, um sicherzugehen, dass die Männer am Nachbartisch ihn hören konnten. »Mein Name ist Bondarew. Ich möchte den Diensthabenden sprechen.«

    Der Schalterbeamte runzelte die Stirn.

    »Was genau ist Ihr Anliegen?«

    »Wenn ich gewollt hätte, dass Sie es wissen, hätte ich es Ihnen gesagt«, erwiderte Bondarew. »Informieren Sie jetzt bitte den anwesenden leitenden Beamten, dass Akademik Bondarew, Direktor des Lenin-Instituts für Astrophysik und Geographie, ihn zu sprechen wünscht und die Angelegenheit dringend ist.«

    Die Runzeln auf der Stirn des Empfangsbeamten vertieften sich, aber die Unverschämtheit verschwand von seinem Gesicht. Ein vollwertiger Akademik hätte mächtige Freunde, und das Institut war ein wichtiger Faktor in ihrer Provinzstadt. Der Beamte, der auf der Schreibmaschine getippt hatte, stand von seinem Schreibtisch auf und kam herüber. »Sicher, Genosse Akademik«, sagte er. »Ich werde zu Genosse Orlow gehen und ihm sofort Bescheid geben.« Er warf dem Empfangsbeamten von oben einen Seitenblick zu und ging.

    »Man verlangt von mir, dass ich nachfrage«, sagte der Empfangsbeamte. Seine Stimme klang mürrisch.

    Er steht noch nicht lange im Dienst als KGB-Beamter, dachte Bondarew. Und er mag es, wenn sich alle respektvoll, sogar verängstigt verhalten. Er hat nicht erwartet, jemandem zu begegnen, den er fürchten muss.

    »Hier entlang, Genosse Akademik.« Der andere Agent deutete auf einen Durchgang.

    Während Bondarew durchging, sagte der Empfangsbeamte: »Woher sollte ich denn wissen, dass er ein Akademik ist? Er hat nichts gesagt.«

    Bondarew lächelte.

    Das Büro war nicht groß. Der Schreibtisch war überfüllt. Bondarew erkannte den Beamten hinter dem Schreibtisch nicht, war aber sicher, dass er ihn schon einmal gesehen hatte.

    »Ja, Genosse Akademik?«

    »Ich muss Ihr Zerhacker-Telefon benutzen, um in Moskau anzurufen, Genosse Orlow. Den Dritten Parteisekretär Narowtschatow im Kreml. Es ist dringend. Niemand darf mithören. Es geht um die Staatssicherheit.«

    »Wenn es um die Staatssicherheit geht, müssen wir aufzeichnen, was …«

    »Ja, aber nicht mithören«, sagte Bondarew. »Genosse, glauben Sie mir: Sie wollen dieses Gespräch nicht mithören.«

    Es dauerte beinahe eine Stunde, bevor der Anruf beendet war. Schließlich erklang die Stimme von General Narowtschatow in der Leitung. »Pawel Alexandrowitsch! Schön, von Ihnen zu hören.« Die herzliche, raue Stimme veränderte sich. »Ist alles in Ordnung?«

    »Da, Genosse General. Marina geht es gut, Ihren Enkeln ebenfalls.«

    »Ah, noch ein Jahr, Pawel. Noch ein Jahr, dann können Sie nach Moskau zurückkommen. Doch so schwer es auch fällt, Sie müssen erst einmal dortbleiben. Ihre Arbeit wird gebraucht.«

    »Ich weiß«, sagte Bondarew. »Marina wird dankbar sein, dass es nur noch ein Jahr ist. Das ist aber nicht der Grund, aus dem ich anrufe.«

    »Welcher dann?«

    »Ich rufe von einem Zerhacker-Telefon aus der KGB-Stelle an. Der diensthabende Beamte achtet darauf, dass niemand mithört. Es handelt sich um eine Sache von großer Wichtigkeit, Nikolai Nikolajewitsch. Von größter Wichtigkeit.«

    General Nikolai Nikolajewitsch Narowtschatow legte den Hörer auf und beendete sorgfältig seine Notizen in dem ledergebundenen Buch, das auf dem Schreibtisch lag. Als er einmal in Paris gewesen war, hatte ihm eine wohlhabende Dame zwanzig dieser ledernen Bücher voller leerer Seiten von ausgezeichneter Qualität geschenkt. Das war vor langer Zeit gewesen, lange genug, dass man bei seiner Rückkehr sein Gepäck durchsucht hatte, und die Grenzwachen hatten sich gefragt, welche unheilvollen Botschaften auf dem leeren Papier stehen mochten, bis den Vorgesetzten, mit denen er reiste, der Geduldsfaden gerissen war und die Wachen ihn wortlos hatten passieren lassen. Jedes Buch hielt gut ein Jahr, und inzwischen waren nur noch zwei übrig.

    Er starrte auf seine Notizen. Außerirdische. Ein außerirdisches Raumschiff flog auf die Erde zu. Unsinn!

    Aber es ist kein Unsinn, dachte er. Pawel Bondarew ist nicht meine Idealvorstellung von einem Schwiegersohn. Ich hätte es vorgezogen, wenn Marina einen Diplomaten geheiratet hätte. Trotzdem ist der Akademik ein intelligenter Mann. Intelligent und umsichtig. Er hätte nicht angerufen, wenn er nicht sicher wäre. Die Amerikaner haben dieses Objekt gesichtet …

    Die Amerikaner behaupten, sie hätten dieses Objekt gesichtet. Ein amerikanischer Wissenschaftler ruft einen sowjetischen Wissenschaftler an. Eine freundliche Geste von einem Forscher zum anderen.

    Konnte das stimmen? Narowtschatow blickte auf sein Notizbuch, als wenn das, was er aufgeschrieben hatte, ihm etwas sagen könnte, was er nicht wusste. Pawel Bondarew war intelligent, er kannte diesen Amerikaner und glaubte, dass dies hier echt war. Aber natürlich würde er das glauben. Die CIA war schlau. Beinahe so schlau wie der KGB.

    Und was noch wichtiger war: Der KGB würde den Amerikanern nicht glauben. Er dachte über die Schwierigkeit nach, die ein KGB-Beamter aus der Provinz dabei haben würde, Moskau über eine Entwicklung wie diese in Kenntnis zu setzen, und nickte zufrieden. Es würde Stunden dauern, bis ein leitender Beamter des KGB darüber Bescheid bekäme.

    Die Amerikaner haben etwas entdeckt oder behaupten es zumindest. Wichtiger noch: Da sie jetzt wissen, wo sie suchen müssen, haben die russischen Astronomen des Ural-Observatoriums es auch gesehen.

    Kein Unsinn. Es ist echt. Da draußen ist irgendetwas. Könnten die Amerikaner so etwas getan haben? Es scheint unwahrscheinlich zu sein, aber die Amerikaner haben uns schon vorher überrascht.

    Ich muss etwas tun. Ich weiß nur nicht, was.

    Narowtschatows mit Schnitzereien verzierter Schreibtisch stand am Ende eines langen Raumes mit hoher Decke. Das unabdingbare Porträt von Lenin dominierte eine Wand, während auf den anderen hingegen Wandteppiche aus der Mongolei hingen. Perserteppiche bedeckten den Fußboden. Das Zimmer war gemütlich, voll ruhiger Eleganz, geschmackvoll und erholsam, ein Zimmer, in dem er arbeiten konnte. Es war aber auch ein Zimmer, in dem er sich entspannen konnte, was inzwischen immer häufiger nötig war.

    Zuerst hatte er diesen Raum als sehr junger Soldat zu Beginn des Großen Vaterländischen Kriegs betreten. Seine Sonderbrigade war zum Wachdienst im Kreml abgestellt worden, kurz bevor man die Deutschen vertrieb. Es war kein langer Einsatz. Kurz danach wurde die OMSBON ausgesandt, um die Deutschen zur Strecke zu bringen.

    Es war lange genug her, und er hatte genug gesehen. Nikolai Nikolajewitsch Narowtschatow kehrte niemals nach Kirow zurück, wo sein Vater im Hammerwerk arbeitete. Der Kommunismus war recht gut zu Nikolai Narowtschatow gewesen. Er hatte ihn aus den Dörfern von Kirow und dem stumpfsinnigen Bauernelend des russischen Winters in die verhältnismäßige Wärme der Stadt und des industriellen Lebens getragen. Er hatte seinen Kindern das Lesen und Schreiben beigebracht. Mehr hatte Nikolai nie gewollt, aber sein Sohn schon. Wenn dieses Amt dem Kommunismus entsprang, dann war der Kommunismus es wert, dass man ihn studierte.

    Es kostete ihn dreißig Jahre, doch zweifelte er nie daran, dass er dort hingelangen würde. Parteiarbeit in der Armee, dann an die Moskauer Universität, wo er Ingenieurswissenschaft studierte und immer ausgezeichnete Noten in den politischen Fächern erhielt. Er hätte bessere Ergebnisse in seinen akademischen Fächern haben können, wollte aber seine Freunde nicht bloßstellen, denn er suchte sich immer die Verwandten von hohen Parteibeamten aus. Wenn man Macht haben will, ist es am besten, wenn man Freunde an höchster Stelle hat; und wenn man niemanden an höchster Stelle kennt, dann lernt man eben deren Kinder kennen.

    Der große Stalin starb, und Chruschtschow begann seinen allmählichen Aufstieg zur Macht. Dies waren keine einfachen Jahre, denn man konnte nur schwerlich sagen, wer den unausweichlichen Kampf gewinnen würde. Beria war gestürzt und mit ihm der NKWD, der in die zivile Miliz und den KGB aufgespalten wurde … Nikolai Narowtschatow wählte seine Freunde sorgfältig aus. Irgendwann heiratete er die Tochter des Parteisekretärs der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik, der größten der fünfzehn Republiken, die gemeinsam die UdSSR bildeten. Kurz darauf fiel Chruschtschow, und die Parteigänger gewannen immer mehr die Oberhand.

    Von da an stieg er rasch auf. Er wurde zu einem »politischen General«. Er hatte kaum mehr als Verachtung für diese Gruppe übrig, aber der Titel war nützlich. Der Posten war gut bezahlt und verschaffte ihm Verbindungen zur Armee und den Raketenstreitkräften – und im Gegensatz zu vielen politischen Generälen hatte er im Großen Vaterländischen Krieg und auch anderswo mitgekämpft. Er hatte sich seine Orden verdient.

    Genauso, wie ich meine Stelle verdient habe, dachte er. Parteiarbeit, Arschküssen, ja, davon genug, aber ich habe auch Fabriken gebaut, in denen tatsächlich Güter hergestellt werden. Ich habe dabei geholfen, dass die Deutschen wehrlos bleiben; können die Amerikaner nicht begreifen, warum wir das tun müssen? Ich habe korrupte Beamte entlassen, wo ich konnte, und die Bedrohung durch diejenigen minimiert, ohne die ich nicht auskam. Ich war ein guter Vorgesetzter und habe meine Stelle verdient. Eine gute Stelle, wobei mein Sohn sicher im Handelsministerium untergebracht ist und meine Tochter gut verheiratet ist, ein Enkelkind im Moskauer Institut für Internationale Beziehungen …

    Und jetzt das.

    Wenigstens werde ich zuerst den Vorsitzenden informieren. »Marina, Marina, ich habe der Wahl deines Gatten nicht zugestimmt, aber ich verstehe, dass ich falschlag. Es war ein guter Tag, an dem du Pawel Alexandrowitsch Bondarew kennengelernt hast. Ein sehr guter Tag.«

    Er schob den Stuhl zurück, stand auf und ging mit einem Gefühl starker Erschöpfung den verzierten Korridor entlang zum Büro des Vorsitzenden.

    Die größte Begebenheit in der Geschichte, und David Coffey war Präsident, als es passierte. Außerirdische, und sie kamen hierher!

    Er saß mittig an dem großen Tisch des Kabinettzimmers. Die anderen waren aufgestanden, als er eintrat, und nahmen erst ihre Plätze ein, als er sich hingesetzt hatte. Das verstörte David, aber er würde sich daran gewöhnen. Für David Coffey standen sie nicht auf, wohl aber für den Präsidenten der Vereinigten Staaten.

    Coffey war sich bewusst, dass wenigstens die Hälfte der Anwesenden im Raum dachten, sie könnten den Job besser erledigen als er, und ein oder zwei konnten recht haben. Die Chance würden sie niemals kriegen. Nicht einmal Henry Morton. Die politischen Schreiber reden alle gerne darüber, dass Henry »nur einen Herzschlag von der Präsidentschaft« entfernt ist, aber ich habe mich in meinem Leben nie besser gefühlt. Die Partei wollte Morton als Vizepräsidenten, aber diesen Posten würde er nicht kriegen.

    David bewunderte den Außenminister ein wenig. Dr. Arthur Hart hatte einen Bestseller über Diplomatie geschrieben, ein Vermögen mit dem Handel mit Rohstoffen nach Übersee verdient und war ein beliebter Gast in Fernseh-Talkshows. Harts Gesicht war den Durchschnittsbürgern wahrscheinlich besser bekannt als das des Präsidenten.

    Aber hier wird er auch nie sitzen. Ihm fehlt das Feuer. Er möchte gerne Präsident sein, hat aber nicht den Killerinstinkt, den es braucht, ein hohes Wahlamt zu bekleiden.

    David blickte rund um den Tisch zu den anderen. Hart war ohne Zweifel der distinguierteste Mann im Raum. Es war kein überwältigend distinguiertes Kabinett.

    »Ich glaube, ich habe nicht das Zeug dazu, ein großartiger Präsident zu sein«, hatte David an dem Abend, an dem er gewählt wurde, zu seiner Frau gesagt. Als Jeanne protestierte, schüttelte David den Kopf. »Aber ich glaube auch nicht, dass das Land gerade jetzt einen großartigen Präsidenten will. Die Nation hat die Nase voll von großartig dies und großartig das. Ich kann kein großartiger Präsident sein, also begnüge ich mich damit, ein verdammt guter zu sein – und das schaffe ich.«

    Und bisher habe ich es geschafft. Es ist kein großartiges Kabinett, aber ein verdammt gutes.

    »Meine Herren. Und Damen«, fügte er zugunsten der Handelsministerin und der Ministerin des Inlands hinzu. »Anstatt der regulären Tagesordnung gibt es einen recht dringenden Punkt, den der Stabschef Ihnen erklären wird. Jim, wenn Sie so freundlich wären …«

    »Das ist schlichtweg verrückt, verdammt!«, sagte Peter McCleve. »Mr. President, das kann ich nicht glauben.« Er wandte sich an den Präsidenten, der seinen Platz mittig am Konferenztisch hatte. »Ich glaube es einfach nicht.«

    »Glauben Sie es ruhig«, sagte Ted Griffin. Der Verteidigungsminister sprach den Justizminister direkt an, sprach aber meistens zugunsten des Präsidenten. »Peter, ich habe es gerade gehört, als Sie hergekommen sind.«

    »Sicher, von den Leuten, die es Dawson gesagt haben«, sagte McCleve.

    »Wie es aussieht, haben sie es gründlich geprüft.« Ted Griffin war ein großer Mann, hochgewachsen und bullig und gebaut wie der Footballspieler, der er gewesen war. Er sah aus, als würde er viel herumbrüllen, aber das tat er wirklich nur selten.

    »Dann akzeptieren Sie die Geschichte also?«, fragte der Außenminister.

    »Ja.«

    »Verstehe.« Arthur Hart legte die Finger in einer Geste zusammen, die ihn bei Meet the Press berühmt gemacht hatte.

    Gemäß der Verfassung war der Außenminister der leitende Kabinettsbeamte. Tatsächlich war er der viertmächtigste Mann im Raum, wenn man den Präsidenten an der Spitze mitrechnete. Nummer zwei und drei (die Reihenfolge war unklar) bildeten Hap Aylesworth, Sonderassistent des Präsidenten für Politische Angelegenheiten, und Admiral Thorwald Carrell.

    »Nehmen wir an, dass es stimmt«, fuhr Hart fort. »Ich ja. Die wichtige Frage lautet also: Was unternehmen wir jetzt?«

    »Ich nehme an, dass Sie es den Russen mitteilen wollen«, sagte Alan Rosenthal.

    Arthur musterte den Finanzminister amüsiert. Rosenthal konnte seine Abneigung gegenüber den Russen nicht immer verbergen. »Ich glaube, jemand muss es tun«, erwiderte Hart.

    »Jemand hat es getan«, gab Griffin bekannt. Als ihn alle anblickten, nickte er betonend. »Ich habe die Nachricht kurz vor meiner Ankunft hier erhalten. Dieser eine Astronom in Hawaii hat jemanden angerufen …« Er schaute auf den Zettel, der vor ihm auf dem Tisch lag. »Einen Pawel Bondarew am Institut für Astrophysik nahe Swerdlowsk. Tja, nun, wer hätte ihn daran hindern sollen? Direkte Durchwahl.«

    »Was glauben Sie, wie lange wird es dauern, bis so eine Geschichte von Swerdlowsk bis zum Kreml gelangt?«, fragte der Justizminister.

    »Könnte eine Weile dauern«, antwortet Arthur Hart. »Ich dachte, der Präsident könnte vielleicht den Vorsitzenden anrufen …«

    »Moskau weiß es schon«, sagte Admiral Carrell. Seine raue Stimme ließ das belanglose Gerede im Raum verstummen. »Pawel Bondarew ist der Schwiegersohn von General Narowtschatow. Narowtschatow arbeitet seit zwanzig Jahren mit dem Vorsitzenden Petrowski zusammen.«

    »Hm.«

    Alle drehten sich zum Stabschef um. Bei Kabinettssitzungen sagte Jim Frantz so gut wie nie etwas.

    »Wie kam es dazu, Jim?«, fragte Arthur Hart.

    Frantz lächelte leicht. »Soweit wir es gehört haben, war es diese Captain Crichton, die es herausgefunden hat, General Gillespies Schwägerin. Seine Frau hat Carlotta Dawson im College kennengelernt, und Kongressabgeordneter Dawson war zum Frühstück hier.«

    »Ich frage mich oft, ob irgendein Land auf der Welt funktionieren würde, wenn alle Nachrichten über die ordentlichen Kanäle gingen«, sagte Ted Griffin. »Also. Die Russen wissen es, und sobald wir diese Sitzung schließen, wird es das Land wissen.« Er lächelte über die überraschten Blicke, die darauf folgten. »Ja, Captain Crichton sagte, dieser Astronom würde eine Pressekonferenz einberufen.«

    »Wir müssen also beschließen, was wir der Öffentlichkeit sagen wollen.« Hap Aylesworth war klein und fleischig und hatte immer mit Gewichtsproblemen zu kämpfen. Seine Krawatte war immer lose und sein Kragen aufgeknöpft. Er tauchte selten auf Fotos auf: Wenn die Kameras herausgeholt wurden, schob Aylesworth meistens jemand anderen nach vorne. Als Sonderassistent war er der politische Ratgeber des Präsidenten, doch während der vergangenen neun Jahre hatte er David Coffey politische Ratschläge erteilt. Die Washington Post nannte ihn den »Königsmacher«.

    »Es könnte ein dringendes Problem geben«, sagte Admiral Carrell.

    Aylesworth hob eine buschige Braue.

    »Die Russen. Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee wäre, dass der Präsident den Vorsitzenden Petrowski anruft, aber ich halte es für besser, wenn ich General Narowtschatow ans Rohr bekomme.«

    »Wieso?«, fragte Ted Griffin.

    »Ist das nicht offensichtlich?«, sagte Carrell. Er schob den grauen, nadelgestreiften Ärmel hoch und schaute auf seine Uhr. »Zunächst einmal werden sie mobilmachen, sobald sie sicher sind. Militär, Zivilverteidigung, was Sie sollen. Ted, mir würde es nicht gefallen, Ihre Militärs in Aufruhr zu versetzen …«

    »Sind Sie da sicher?«, fragte David Coffey.

    »Ja, Sir«, antwortete Admiral Carrell. »So sicher, wie ich nur sein kann, Mr. President.«

    »Warum sollten sie annehmen, dass dieses …« Justizminister McCleve brachte die Worte kaum heraus. »… dieses außerirdische Raumschiff feindlich gesinnt ist?«

    »Weil sie glauben, dass jeder feindlich gesinnt ist«, sagte Carrell.

    »Ich fürchte, er hat recht, Pete«, sagte Arthur Hart. Der Außenminister schüttelte traurig den Kopf. »Ich wünschte, es wäre anders, aber so wird es laufen. Und sie werden sehr bald eine offizielle Erklärung verlangen, warum einer unserer Wissenschaftler einen der ihren angerufen hat, anstatt diese wichtige Nachrichten über die offiziellen Kanäle weiterzuleiten, wie es sein sollte.«

    »Das ist verrückt«, sagte Peter McCleve. »Einfach nur verrückt!«

    »Möglich«, sagte Minister Hart. »Aber so wird es passieren.«

    »Fassen wir also zusammen«, sagte David Coffey. »Die Sowjets werden uns bald nach unserer offiziellen Stellungnahme fragen, und sie werden mit der Mobilmachung beginnen, ganz egal, wie unsere Einstellung aussieht.«

    Admiral Carrell nickte zustimmend. »Ganz genau, Mr. President.«

    »Was sollen wir also tun?«, fragte Hap Aylesworth. »Wir können nicht einfach zulassen, dass die Russen mobilmachen, während wir nichts tun. Der Bevölkerung wird das nicht gefallen.«

    »Ich kann mir ein paar Senatoren vorstellen, die begeistert wären«, sagte Coffey.

    »In beiden Flügeln«, sagte Aylesworth. »Tauben, die sagen werden, dass es nie etwas zu befürchten gab, und Resolutionen einbringen werden, um Ihnen zu Ihren starken Nerven zu gratulieren – und Habichte, die Sie absetzen wollen, weil Sie das Land verkaufen.«

    »Admiral?«, fragte David Coffey. Admiral Carrell war ein weiterer Berater, vor dem der Präsident Ehrfurcht empfand. Sie kannten sich bereits mehr als zwölf Jahre, seit dem Tag, an dem Vizeadmiral Carrell in das Büro eines frischgebackenen Kongressabgeordneten marschiert war und geduldig und mit brutaler Ehrlichkeit erklärt hatte, wie die Navy Geld auf eine Schiffswerft verschwendete, die zufällig einer der größten Arbeitgeber in Davids Bezirk war. Seitdem war Carrell zum Stellvertretenden Direktor der National Security Agency und dann zum Direktor der CIA geworden. David Coffeys erste offiziell bekannt gemachte Einsetzung war, dass Dr. Arthur Hart zum Außenmister berufen wurde, er aber beschlossen hatte, Thorwald Carrell vor seiner eigenen Ernennung als Berater für Nationale Sicherheit einzusetzen, und die Bekanntmachung erfolgte einen Tag nach Harts Ernennung.

    »Ich denke an eine Teilmobilmachung«, sagte Admiral Carrell. »Wir müssen den nationalen Notstand erklären.«

    »Das ist Unsinn.« Handelsministerin Connie Fuller hatte eine überraschend tiefe Stimme für eine so kleine Dame. »Wenn wir wirklich annehmen, dass es sich um ein außerirdisches Schiff handelt – und ich glaube, das müssen wir –, dann ist dies der großartigste Tag in der Geschichte der Menschheit! Wir sitzen hier und sprechen über Krieg und Mobilmachung, wenn … wenn sich alles ändern wird!«

    »Ich stimme zu«, sagte Arthur Hart. »Aber die Sowjets werden mit der Mobilmachung beginnen …«

    »Sollen sie«, erwiderte Fuller. Ihre braunen Augen blitzten. »Sollen sie doch mobilmachen und verdammt sein. Wenigstens werden sich die Vertreter einer Supermacht benehmen wie … wie verantwortungsvolle und intelligente Wesen! Wollen wir denn, dass diese Außerirdischen …? Mr. President, denken Sie an die Macht, die sie haben! Dass sie von einem anderen Stern gekommen sind! Wir möchten sie begrüßen, nicht feindlich auftreten.«

    »Das ist das, was Wes Dawson denkt«, sagte Präsident Coffey. »Tatsächlich will er sie im Orbit treffen. Er dachte, das könnte sie ein bisschen beeindrucken.«

    »Ein ausgezeichneter Vorschlag«, sagte Minister Hart.

    »Könnte nicht schaden«, stimmte Ted Griffin zu.

    »Nur dass wir keine Raumstation haben«, sagte Admiral Carrell.

    »Die Sowjets schon«, sagte Connie Fuller. »Wenn wir sie vielleicht fragen …«

    »Genau das hatte ich vor«, warf David Coffey ein. »In der Zwischenzeit müssen wir eine Entscheidung treffen. Was unternehmen wir jetzt?«

    »Versetzen Sie die Streitkräfte in Alarmbereitschaft«, beharrte Admiral Carrell. »Aktivieren Sie die A-Teams.«

    »Das klappt«, sagte Aylesworth. »Wir können die Kongressführung einberufen, bevor wir irgendetwas anderes unternehmen.«

    »Die Schuld aufteilen«, murmelte Admiral Carrell.

    »So ungefähr«, stimmte David Coffey zu. »Ich rufe vom Oval Office aus die Alarmbereitschaft aus.« Er stand auf, und einen Augenblick später taten ihm die anderen nach. »Mr. Griffin, ich glaube, es würde nicht schaden, sich unsere zivilen Verteidigungspläne anzusehen.«

    »Ja, Sir, aber damit hat das Verteidigungsministerium nichts zu tun.«

    Coffey runzelte die Stirn.

    »Die Bundesbehörde für Katastrophenschutz ist eine unabhängige Behörde, Mr. President.«

    »Na schön, um Gottes willen«, sagte Coffey. Er wandte sich an Jim Frantz. »Gesetzlich?«

    »Nein, Sir. Durch Präsidentenverfügung.«

    »Dann machen Sie eine Verfügung fertig, damit das verdammte Ding dem Nationalen Sicherheitsrat unterstellt wird. Ted, ich möchte, dass Sie die Sache im Auge behalten. In einer Stunde geht die Nachricht raus. Weiß Gott, was die Leute tun werden. Ich bin sicher, dass einige in Panik geraten werden.«

    »Bitte rufen Sie alle in Ihren Ämtern an«, sagte Coffey. »Es hat keinen Zweck, irgendetwas zu leugnen. Ich denke, die offizielle Richtlinie ist, dass wir tatsächlich glauben, dass ein außerirdisches Raumschiff hierherkommt und wir herauszufinden versuchen, was wir unternehmen sollen.«

    »Mr. President!« Hap Aylesworth war geschockt.

    David lächelte. »Hap, ich weiß, Sie würde die Öffentlichkeit gerne glauben lassen, dass ich unfehlbar bin, aber so funktioniert das nicht. Das Pentagon vergibt Unfehlbarkeit mit dem dritten Stern, und der Vatikan übergibt sie auf seine Weise dem Papst, aber sie ist nicht Teil der Arbeit des Präsidenten. Ich glaube, die Leute wissen das, aber wenn nicht, wird es Zeit, dass sie es erfahren. Wir sagen schlicht die Wahrheit.«

    »Ja, Sir.«

    »Bis dahin würde ich sagen, dass wir uns in zwei Stunden wieder zusammensetzen.« Coffey wandte sich an den Stabschef. »Jim, Sie aktivieren besser das Krisenzentrum. Heute wird wohl ein langer Tag.«

    – 3 –

    FLINTRIDGE

    Entlang der Parabel fliegt das Schicksal des Menschen wie eine Rakete, Hauptsächlich im Dunkeln, dann und wann auf einem Regenbogen.

    – Andrei Wosnessenski, Parabolische Ballade

    COUNTDOWN: H MINUS SECHS WOCHEN

    Das bewegliche Band kam in Schwung. Gepäck wurde aus dem Inneren des Dulles International Airport ausgespien.

    Jenny griff nach ihrem Koffer, doch bevor sie ihn nehmen konnte, schob eine fette Frau in einem gelb geblümten Kleid sie zur Seite, um ihren eigenen Koffer zu holen. »Entschuldigen Sie«, sagte die fette Frau.

    Warum sollte ich?, dachte Jenny. Ich soll also eine Fettbacke wie dich verteidigen? Warum? Sie versuchte, an der Frau vorbeizukommen, aber das war unmöglich.

    Es war ein langer Flug gewesen. Jennys Haare hingen hin Strähnen herunter, und sie fühlte sich klebrig. Sie atmete ein, um etwas zu sagen, besann sich aber eines Besseren. Zwecklos, sagte sie zu sich. Sie hatte sich schon damit abgefunden, das Gepäck noch eine Runde drehen zu lassen, als sie Ed Gillespie erkannte. Er griff neben der fetten Frau zu und erwischte den Koffer, bevor er davonkam. Er war groß und schwer, doch Ed hob ihn mühelos hoch.

    »Guten Morgen!«, sagte er. »Noch was an Gepäck?«

    »Nein, Sir«, antwortete Jenny. Er trug einen blauen Blazer und graue Flanellhosen und wirkte überhaupt nicht militärisch. Sie kicherte. »Ich bekomme nicht oft einen General als Gepäckträger. Und noch dazu einen Astronauten …«

    Gillespie sagte nichts, aber der Ausdruck auf dem Gesicht der fetten Frau, als sie »Astronaut« sagte, war schon Gold wert. »Ich habe dich nicht erwartet.«

    »Bin vor gut einer Stunde aus Kalifornien gekommen. Hab Rhonda angerufen und herausgefunden, welchen Flug du nimmst. Schien vernünftig, auf dich zu warten.«

    Jenny öffnete ihre große Handtasche und fischte das durchsichtige Plastikband für den Koffer heraus. Gillespie ließ es einschnappen und führte sie aus dem Gepäckbereich hinaus, die Rampe hinauf und zu den Taxiständen.

    Der Koffer folgte wie ein Hund an der Leine, was auch das war, was Jenny immer darüber dachte. Soweit es Jenny betraf, hatten Gepäckräder mehr für die Befreiung der Frauen getan als die meisten Organisationen.

    Sie hatte nichts dagegen, einem starken Alphamännchen ihren Koffer zu überlassen. Sie

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