Mami 1957 – Familienroman: Peter, der Stolz seines Vaters
By Gitta Holm
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Das ist also das Ende, dachte Linda Sternberg und lehnte die heiße Stirn gegen die Terrassentür, die zum Innenhof des Atriumhauses führte. Da glaubt man, es handelt sich um einen kleinen Seitensprung wie in den Jahren davor – und in Wahrheit entpuppt sich sein neuester Flirt als die große Liebe seines Lebens. Hinter ihrem Rücken hörte sie Roland wie einen gefangenen Tiger hin und her laufen. Der dicke Teppichboden dämpfte fast jeden Laut. Dennoch empfand sie die ruhelosen Schritte ihres Mannes wie schmerzhafte Schläge. "Glaub mir, es ist stärker als ich, Linda", hörte sie ihn mit gedämpfter Stimme sagen. "Ich habe versucht, mich gegen diese Liebe zu wehren. Umsonst. Ich wollte dir in einigen Tagen offen gestehen, was mit mir passiert ist. Du solltest nicht durch einen dummen Zufall hinter mein Geheimnis kommen." "Ich weiß seit Monaten von diesem Mädchen", sagte Linda, ohne sich nach ihm umzudrehen. "Der dumme Zufall, daß sich unter den Belegen auf deinem Schreibtisch ein Brief von deiner neuesten Eroberung befand, war nicht ausschlaggebend." "Aber wieso – seit wann?" hörte sie ihn fragend durch die Zähne pressen. "Dein jüngstes Spiel mit dem Feuer begann im April." Linda wandte sich ruckartig um und sagte mit zuckendem Mund: "Wir wollten uns in der Stadt beim Italiener treffen. Ich war früher als erwartet da und ging in die Hauptpost, um mir Briefmarken zu besorgen. Da sah ich dich und das rothaarige Mädchen an einem Schalter stehen.
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Mami 1957 – Familienroman - Gitta Holm
Mami
– 1957–
Peter, der Stolz seines Vaters
… doch seine Mutter liebt ihn nicht weniger
Gitta Holm
Das ist also das Ende, dachte Linda Sternberg und lehnte die heiße Stirn gegen die Terrassentür, die zum Innenhof des Atriumhauses führte. Da glaubt man, es handelt sich um einen kleinen Seitensprung wie in den Jahren davor – und in Wahrheit entpuppt sich sein neuester Flirt als die große Liebe seines Lebens.
Hinter ihrem Rücken hörte sie Roland wie einen gefangenen Tiger hin und her laufen. Der dicke Teppichboden dämpfte fast jeden Laut. Dennoch empfand sie die ruhelosen Schritte ihres Mannes wie schmerzhafte Schläge.
»Glaub mir, es ist stärker als ich, Linda«, hörte sie ihn mit gedämpfter Stimme sagen. »Ich habe versucht, mich gegen diese Liebe zu wehren. Umsonst. Ich wollte dir in einigen Tagen offen gestehen, was mit mir passiert ist. Du solltest nicht durch einen dummen Zufall hinter mein Geheimnis kommen.«
»Ich weiß seit Monaten von diesem Mädchen«, sagte Linda, ohne sich nach ihm umzudrehen. »Der dumme Zufall, daß sich unter den Belegen auf deinem Schreibtisch ein Brief von deiner neuesten Eroberung befand, war nicht ausschlaggebend.«
»Aber wieso – seit wann?« hörte sie ihn fragend durch die Zähne pressen.
»Dein jüngstes Spiel mit dem Feuer begann im April.« Linda wandte sich ruckartig um und sagte mit zuckendem Mund: »Wir wollten uns in der Stadt beim Italiener treffen. Ich war früher als erwartet da und ging in die Hauptpost, um mir Briefmarken zu besorgen. Da sah ich dich und das rothaarige Mädchen an einem Schalter stehen. Sie himmelte dich mit schwärmerischen Augen an. Dein Mienenspiel verriet mir alles. Du hattest eine neue Eroberung gemacht. Ich habe kein Wort darüber verloren. Ich gehöre zu den Frauen, die es in fast zehnjähriger Ehe gelernt haben zu resignieren. Ich wußte, daß ich einen Menschen liebe, der sich niemals hätte binden dürfen. Außerdem glaube ich, es handelt sich um eine flüchtige Episode wie all die anderen zuvor.«
Sie sprach wie in Trance. Warum schrie und tobte sie nicht? Warum rief sie nicht ihre drei kleinen Söhne, die ahnungslos im Planschbecken des Innenhofs spielten, herein? Warum benutzte sie den achtjährigen Peter und die sechsjährigen Zwillinge Kai und Knut nicht, um Roland an seine Vaterpflichten zu erinnern? Statt dessen fragte sie kurz und sachlich:
»Wie heißt sie, und wie alt ist sie?«
»Sie heißt Brigitte Warsitz und ist zwanzig.« Erschrocken fügte er hinzu: »Willst du ihr etwa eine Szene machen?«
Linda schüttelte den Kopf. Nun schossen ihr doch die Tränen heiß in die Augen. Sie faßte sich, bevor Roland ihre Verstörtheit wahrnehmen konnte.
»Was hätte das für einen Sinn? Du würdest dich schützend vor sie stellen und aus mir das Bild einer keifenden, hysterischen Ehefrau machen. Dazu bin ich mir zu schade. Als du mich vor sieben Jahren das erste Mal betrogst, wollte ich sterben. Aber da hatte ich bereits unsere drei Kinder. Und außerdem suchte ich naiverweise die Schuld bei mir. Ich dachte, vielleicht habe ich mich zu stark in die Mutterrolle eingelebt und dich darüber vernachlässigt. Bestimmt ist es nicht sonderlich amüsant für einen Mann, der von der Arbeit abgeschlafft nach Hause kommt, sich die Sorgen und Nöte anzuhören, die eine dreifache Mutter und Hausfrau plagen. Deshalb habe ich auch nichts gesagt, als deine Geschäftsreisen häufiger wurden oder du im Büro Überstunden machen mußtest, die dich zwangen, erst spät in der Nacht nach Hause zu kommen.«
Roland Sternberg warf sich in einen Sessel. Ihm plagte das schlechte Gewissen. Lindas Art, mit ihm zu sprechen, belastete ihn.
Wie konnte er sich gegen die wappnen, wenn sie ihm nicht den leisesten Anlaß bot, sein Schuldbewußtsein in einem handfesten Streit zu beschwichtigen? Ja, ein richtiger Ehekrach, in dem man sich gegenseitig Schimpfwörter an den Kopf warf, käme ihm jetzt sehr gelegen. Er bot die Gelegenheit, den Beleidigten zu spielen und sich anschließend einen großen Abgang zu verschaffen. Damit war es nichts. Seine Frau verdarb ihm das bewährte Konzept. Mit leiser Stimme hörte er sie sagen:
»Du kehrtest stets zu mir zurück. Du warst bemüht, deine Eskapaden vor mir zu verbergen. Ich bildete mir ein, du wolltest mir nicht weh tun, wolltest mich nicht verlieren. In Wirklichkeit hattest du Angst um deinen häuslichen Frieden – um deine Bequemlichkeit.«
Sie wandte sich wieder von ihm ab und starrte blinden Auges durch die gläserne Terrassentür.
Roland Sternberg blickte auf den schmalen Rücken seiner Frau. Trotz ihrer vierunddreißig Jahre war sie noch immer mädchenhaft schlank und anmutig. Niemand sah ihr an, daß sie bereits dreifache Mutter von drei kerngesunden Buben war. Ihr schönes kastienbraunes Haar hatte noch die gleichen Goldreflexe wie am Tag ihrer Hochzeit. Linda verdankte er es, daß sein Onkel ihm die Leitung seiner Im- und Exportfirma übertragen hatte. Bei einer solchen Frau bist du und die Firma in den allerbesten Händen, mein Junge, hatte der Onkel zu ihm gesagt.
Der gute alte Mann! Sein Tod vor anderthalb Jahren bewahrte ihn davor, zu erfahren, was sich augenblicklich in seinen vier Wänden abspielte.
»Was geschieht jetzt weiter mit uns?« drang die Stimme seiner Frau wie aus weiter Ferne an sein Ohr.
»Ich plädiere für eine einvernehmliche Scheidung, wenn du einverstanden bist«, schlug ihr Mann nach einem kurzen Schweigen vor. »Du behältst das Haus, und ich zahle dir Unterhalt. Anfangs wirst du dich vielleicht ein wenig einschränken müssen. Momentan herrscht geschäftlich eine kleine Flaute. Und wenn ich Biggi heirate, sorge ich sozusagen für zwei Familien.«
Linda wandte ihm wieder das Gesicht zu. Um ihren Mund kerbten sich zwei strenge Linien.
Fast verächtlich stieß sie heraus:
»Mich und meine drei Söhne brauchst du künftig nicht mehr als Familie zu betrachten. Und was den Unterhalt anbelangt, so finde ich sicher eine Möglichkeit, dich finanziell zu entlasten.«
Roland Sternberg spürte die Eiseskälte, die ihm unvermittelt entgegenschlug. Teufel auch, da hatte er sich was Schönes eingebrockt! Aber da er den ersten Schritt getan hatte, mußte er notgedrungen den nächsten folgen lassen.
»Peter nehme ich mit!« erklärte er mit belegter Stimme. Peter, der ihm wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich sah, war sein Lieblingssohn. Der Junge hing mit geradezu fanatischer Liebe an ihm. Niemals würde er sich von ihm trennen.
Aber er war auch Lindas Sohn. Sie würde den Buben nie in die Hände einer anderen geben. Schon gar nicht in die Hände einer Zwanzigjährigen, die keine Ahnung hatte, was auf sie zukam. Dafür kannte er seine Frau zu genau.
Lindas veilchenblaue Augen verdunkelten sich.