S-Bahn zum Abgrund: Die wahre Geschichte des Berliner Lokführers Bodo Fall
By Bodo Fall and Lars Röper
()
About this ebook
Nach dem Erwachen aber gibt es diese Familie in seinem Kopf nicht mehr. Vierundvierzig Jahre sind ausgelöscht.
Bodo Fall
Bodo Fall: Der ehemalige Lokführer Bodo Fall erzählt hier seine wahre Leidens- und Lebensgeschichte.
Related to S-Bahn zum Abgrund
Related ebooks
Die Pyramide.: Im Zeichen des Orion. Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer grüne Fluss: Der dritte Mike Moser Krimi Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDeutsche Winterreise: Lieder und Geschichten über Menschen im Abseits Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer schwarze Regenbogen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Eroberung der Farbigen Rating: 5 out of 5 stars5/5Wer mordet schon in Köln?: 11 Krimis und 125 Freizeittipps Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Weg des Spiegels: Eine fantastische Reise in das Selbst Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAlt mit Schuss Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsEine schreckliche Nacht Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDunkles Abbild: Ein Psychothriller aus Norwegen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSekt & Lederhose Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Gestrandete Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMindfuck: Wer bin ich? Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSeptember Girl: Ein endloser Augenblick Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsFliegen lernen: Engelsgeschichten aus der Bibel Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsStrasse nach Andalusien: Jesus Romero Blues Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAdlernebel: Novelle Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsIhr letzter Sommer: Thriller Rating: 0 out of 5 stars0 ratings0711ove Stories - Lara & Tim: Episode 1 Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Schattenfrau Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsIn irrer Mission Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas Nürnberger Weihnachtsbuch Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSchnappgeschossen: Wenn ich groß bin, werde ich erwachsen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMein Leben als Sonntagskind Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsVersuchung Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsTage des Niedergangs: Band 1 der Siegel-Chroniken Rating: 0 out of 5 stars0 ratings5447 Tage Im Schatten vom Paradies: Ein nicht ganz moralisches Leben Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMarlenes Vermächtnis: Horrorthriller Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDreifuffzig die Nacht und keine Damenbesuche Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas Tal der Feuergeister Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Personal Memoirs For You
Die Welt von Gestern Rating: 4 out of 5 stars4/5Briefe an einen jungen Dichter Rating: 5 out of 5 stars5/5Verräter ihres Glaubens: Das gefährliche Leben von Muslimen, die Christen wurden Rating: 4 out of 5 stars4/5Die wichtigsten Psychologen im Porträt Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsUnterm Rad Rating: 4 out of 5 stars4/5Sternstunden der Menschheit: Historische Miniaturen. Klassiker der Weltliteratur Rating: 4 out of 5 stars4/5Apropos Gestern: Meine Geschichten hinter der Geschichte Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsStefan Zweig: Die Welt von Gestern Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsÜberrascht von Freude: Eine Autobiografie Rating: 4 out of 5 stars4/5Julia Pink im Beach Club St.Tropez Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGesammelte Werke: Romane, Kurzgeschichten, Memoiren und Humoristische Reiseerzählungen: Tom Sawyer + Huckleberry Finn + Leben auf dem Mississippi + Meine Reise um die Welt + Im Gold-und Silberland + Querkopf Wilson + Unterwegs und Daheim + Biografie von Mark Twain und viel mehr Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAbenteuer eines Westlichen Mystikers - Band 1: Suche nach dem Guru Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsEkstasen der Gegenwart: Über Entgrenzung, Subkulturen und Bewusstseinsindustrie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsKaiser Franz Josef von Österreich: Tagebücher Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWir waren keine Menschen mehr: Erinnerungen eines Wehrmachtssoldaten an die Ostfront Rating: 4 out of 5 stars4/5Die verlorene Generation: Gespräche mit den letzten Kindersoldaten des Zweiten Weltkriegs Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas Lachen der Geister: Meine Reise zu den Schamanen - Magie und Rituale am Amazonas Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSeelenvernichter: Missbrauch im Klassenzimmer Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHeavenly Man: Die atemberaubende Geschichte von Bruder Yun - Aufgeschrieben von Paul Hattaway Rating: 4 out of 5 stars4/5Über Ludwig Börne Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsKönigin der Pink Panther: Lebensbeichte aus dem Gefängnis Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsLeben zeichnen: StricheLinienKonturen – Das graphische Werk Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAlec Harris:: Die Geschichte eines großen Materialisationsmediums Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsBenjamin Franklins Leben: Die Autobiografie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHenri Nouwen - Mit Leidenschaft für das Leben: Vorwort von Anselm Grün Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMein Kriegstagebuch: 1949-1945 Mit den Gebirgsjägern bis in den hohen Norden Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsScivias - Wisse die Wege: Die Visionen der Hildegard von Bingen Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Related categories
Reviews for S-Bahn zum Abgrund
0 ratings0 reviews
Book preview
S-Bahn zum Abgrund - Bodo Fall
16
– 1 –
Ein Tritt wie von Bruce Lee. Mein stürzender Körper. Neunundzwanzig Stufen tiefer der Aufprall. Bis jemand vorsichtig seine Jacke unter meinen Kopf schob, hämmerte ich ihn auf die unterste Stufe und begann zu schreien.
„Ich muss heim zu meiner Familie!"
Nach dem Erwachen aber gibt es die in meinem Kopf nicht mehr. Vierundvierzig Jahre sind ausgelöscht. Die Frau, die sich über mein Krankenbett beugt, die mir liebevoll AC/DC, Queen und Joe Cocker ins Koma spielte, ich erkenne sie nicht. Erinnere ihre Haare, ihre Augen und auch die Stimme nicht. Es ist meine Frau Simone. Das haben sie mir gesagt. Seit sechzehn Jahren seien wir verheiratet. Ich weiß es nicht. Sie könnten mir alles sagen. Meine Vergangenheit ist ein Loch. Nein, das stimmt gar nicht. Sie ist noch weniger als ein Loch. Seit dem Aufprall existiert sie nicht mehr in mir.
„Papa, flüstert eine junge Frau. „du lebst.
Das wird meine Tochter sein. Hübsch ist sie. Gerne sehe ich sie hier am Krankenbett, auch wenn Tränen über ihr Gesicht laufen. Franziska, haben die Menschen mir gesagt, das sei ihr Name.
Ob ich glauben kann, was sie behaupten?
Habe ich eine Wahl?
„Bodo, höre ich die Stimme der Frau namens Simone einen weiteren Namen nennen. Liebevoll spricht sie ihn aus. Offenbar ist das mein Name. Bodo. „Gut
, denke ich, „der Name ist OK. Damit kann ich leben."
Ich bin Bodo. Ich lebe. Doch meine Identität ist nur noch ein Gespenst. Meine Erinnerungen wurden beim Aufprall zerstört, sagen die Ärzte und meinen jenen Moment, in dem mein Gehirn wie ein Punchingball durch meinen Schädel jagte. Nach links. Zack. Nach rechts. Zack. Nach links. Nach Hause wollen und Finsternis.
Durchsichtig fühle ich mich. Würde jemand das Fenster des Krankenzimmers öffnen, könnte ein Windzug mich ins Nichts zerstäuben. Der Gedanke lässt mich frieren. Doch eine Träne meiner Frau kullert auf meinen Körper, fällt nicht einfach durch mich hindurch. Mein Körper ist zerschlagen. Aber er ist da. Der Aufprall hat nicht alles vernichtet.
„Du bist Lokführer", sagt Simone und ich schaue meine Frau an. Ich weiß nicht, ob ich ihren Namen behalten werde. Möglich, dass sie und Franziska, mein Beruf und mein Wohnort sich in mir gleich wieder in Luft auflösen. Das ist eine schreckliche Vorstellung. Was aber könnte ich dagegen tun?
„Weißt Du noch, Bodo, sagt Simone sanft, „als Du dich Heiligabend auf den Weg zur Arbeit gemacht hast?
Ich höre, was sie sagt. Versuche zu antworten, die vier Buchstaben des Wortes Nein über meine Lippen zu bringen. Ich denke das Wort, forme es mit dem Mund. Stoße aber nichts als einen Laut aus. Irgendeinen Laut, den ich nicht wollte. Ich wollte doch das Wort. Bin ich ein Tier, ohne meine Worte und Erinnerungen? Zu schwach für Verzweiflung oder Fragen sehe ich Simone hilflos an.
Mit meiner Frau Simone und meiner Tochter Franziska.
„Alles gut, Bodo. Das wird schon", sagt sie und lächelt übermüdet. Der Aufprall hat unser beider Leben zerspringen lassen. Ein 3D-Puzzle mit tausenden, oft zerrissenen oder zerfetzten Teilen. Einige von ihnen sind farblos oder durchsichtig. Niemand weiß, ob wir unsere ehemalige Welt, unser einstiges Leben irgendwie zurückholen können.
„Heiligabend, lasse ich Simones Wort auf mich wirken. Es fühlt sich gut an. Heiligabend muss etwas Schönes gewesen sein. Bald werden wir Fotos davon anschauen, Bilder von Weihnachtskugeln, einem Tannenbaum und Geschenken. „Dein Zuhause
, zeigt Simone mir auf einem der Bilder ein Haus. Nur wenige Tage vor dem Aufprall hatten wir den Kaufvertrag unterschrieben. In dem Haus leben konnte ich noch nicht, würde es jetzt nicht einmal mehr erkennen. Weil ich an diesem Heiligabend aus dem Haus ging. Es war der 24. Dezember des Jahres 2006.
„Du hast mir zum Abschied einen Kuss gegeben, lächelt Simone. „Und nach all den Jahren bei der S-Bahn plötzlich diesen Satz gesagt. Hoffentlich, hast Du gesagt, gibt es nicht wieder eine Weihnachtsschlägerei.
Auch an diesen Satz erinnere ich mich nicht. War ich denn in eine solche Schlägerei geraten? Hatte diese den Aufprall herbeigeführt und mein Gehirn zum Punchingball werden lassen?
„Lokführer, hatte Simone gesagt. Und dann: „S-Bahn.
Schemenhaft erinnere ich die gelbroten Waggons der Berliner S-Bahn. Auch sie sind nicht mehr als Geister, die vor meinen Augen durch die Nacht fahren. Einer ihrer Lokführer bin ich gewesen, fuhr den „Berliner Ring" in der Nachtschicht vom Heiligabend bis zum Morgen des ersten Weihnachtstages. Sah die Menschen einsteigen, Geschenke unter ihren Armen oder in großen Taschen. Wie feierlich viele gekleidet waren auf dem Weg in den Heiligabend und wieder hinaus. Andere liefen rum wie immer, ließen sich in die Nacht gleiten, tranken, rauchten, keiften, schlugen sich und blockierten die Türen. Wer am Heiligabend nicht im Schoße der Familie oder Freunde aufgehoben ist, fühlt sich besonders einsam, streift durch die Nacht, trinkt, raucht, gerät mit Polizisten und Türstehern aneinander.
Eine typische Nachtschicht. Alle paar Stationen meine Durchsage machen. „Bitte die Tür freigeben. Sonst geht’s nicht weiter, Leute."
Reine Routine. Wer glaubt, das Fahren einer S-Bahn bedeute, gemütlich im Führerstand zu sitzen, Kekse zu essen, Kaffee zu trinken und an den Bahnhöfen die Türen zu öffnen, liegt falsch. Immerfort muss man raus, ab nach hinten und kontrollieren, was los ist. Woher kommt dieses Geschrei? Und warum geht die gelbe Lampe mit der Aufschrift „Tür blockiert" schon wieder nicht aus?
Was kotzt es einen an, das verdammte „Tür blockiert. Wieder raus, ab nach hinten. Was ist da los? Es kann alles sein. Ein Gegenstand in der Tür. Ein Besoffener oder fünf Nazis, die eine arme Sau gerade halb totschlagen und dazu „Stille Nacht, heilige Nacht
singen.
Mehrmals verließ ich in der Heiligen Nacht des Jahres 2006 den Führerstand, ging entlang der Waggons, betrachtete die feierlich gekleideten Menschen und schmunzelte