Apokalypse im Umbruch der Zeit: Von frühchristlichen Visionen bis zur neuen Deutung in der Offenbarung des Báb
By Ingo Hofmann
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Ingo Hofmann, Physiker und Hochschullehrer, will dieses Thema nicht Theologen, Philosophen, Unheilspropheten oder Fundamentalisten überlassen. Er findet, dass die Deutung apokalyptischer und endzeitlicher Bilder eines zeigt: Sie war schon immer den Nöten der jeweiligen Zeit geschuldet und auf die Abwehr unterschiedlicher 'feindlicher Mächte' ausgerichtet.
Im Mittelpunkt des vorliegenden Essays steht als Schlüsselfigur die apokalyptische Himmelsfrau des neutestamentlichen Sehers Johannes und ihre Deutung: Von der epochalen Kunst Albrecht Dürers, über Aufklärung und Evangelikale bis hin zur aktuellen Erfahrung eines Umbruchs der Zeit.
Überraschen und zugleich herausfordern dürfte die neue, entmystifizierte Deutung im Kontext der Offenbarung des Bab (1819-50), der 1844 die Bahai-Religion eröffnete: Apokalypse als Zukunftschance.
Ingo Hofmann
Ingo Hofmann ist Physiker und Hochschullehrer, in Brandenburg geboren, am bayerischen Alpenrand aufgewachsen, Vater von vier Kindern und derzeit in Potsdam wohnhaft. Sein Beruf hat ihn - auch über die aktive Phase hinaus - zu wiederholten Aufenthalten an großen Forschungsanlagen in Europa, USA und nach Fernost geführt. In den letzten Jahren engagierte er sich auch auf der politischen Ebene in Menschenrechtsfragen im Kontext der Verfolgung der Bahai im Iran.
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Book preview
Apokalypse im Umbruch der Zeit - Ingo Hofmann
Meinen Kindern Nadi, Nura, Anisa und Amin
und Enkelkindern May, Parissa, Malaika und Nayla
Inhalt
Über dieses Buch
Vorbemerkungen
Vom „Anfang und vom „Ende
Die apokalyptische Frau am Himmel
Die Himmelsfrau in der Kunst
Reformation und danach
Joachim von Fiore: Seher des „Dritten Zeitalters"
Newtons Dilemma von Endzeit und Physik
Endzeit vom 19. ins 20. Jahrhundert
Lieber ein Himmelreich auf Erden?
Szenenwechsel: Zur Endzeit in der Offenbarung des Báb
Und die weitere Zukunft?
Über den Autor
Danksagung
Bildnachweis
Über dieses Buch
Eine drohende Klima- und Ökokatastrophe und die Gefährdung des Weltfriedens: Bringt die Sorge um die Krisen der Globalisierung eine Neuauflage apokalyptischer Zukunftsängste mit sich? Liegt die Hoffnung der Menschen heute wieder mehr in der christlichen Verheißung einer Erlösung von oben oder gar eines Reichs Gottes auf Erden? Oder werden sie sich eher auf ihre irdische Vernunft mit ihren technischen und wissenschaftlichen Lösungen besinnen, um der Krisen der Globalisierung Herr zu werden?
Der vorliegende Essay durchstreift Etappen endzeitlicher Deutung: von ihrer Widerspiegelung in der Epochen-Kunst Albrecht Dürers in der frühen Renaissance über die Zeit der Aufklärung bis hin zur evangelikalen Bewegung unserer Tage. Der Autor zeigt auf, dass die Offenbarung des Báb aus dem Iran des 19. Jahrhunderts¹ – und mit ihr die Bahá’í-Religion – in ihren Bezügen zur neutestamentlichen Apokalypse des Johannes ein gänzlich neues Kapitel der Deutung eröffnet.
Überraschen - und herausfordern - dürfte die Deutung der apokalyptischen Frau am Himmel im 12. Kapitel der Offenbarung des Johannes als Allegorie auf ein Geschehen weit außerhalb des christlichen Geschichtshorizontes. Diese Sicht auf religiöse Endzeit liegt ganz im Diesseits und sie erblickt in den Stürmen der Gegenwart einen Neubeginn und kein Ende. Die Apokalypse wird entmystifiziert. Sie wird zur Allegorie für die Herausforderungen einer neuen Ära der Menschheit.
Potsdam, im Juli 2019
Ingo Hofmann
¹ [arabisch „Pforte, „Tor
], religiöser Name von Siyyid ‘Alí Muḥammad Shírází (* 1819, [hingerichtet] 1850), dem Begründer des Babismus. Die Religion des Báb ging wenige Jahre später in der Bahá’í-Religion auf.
Vorbemerkungen
Haben wir die Apokalypse² schon verpasst, kommt sie noch, oder wird sie ohnehin niemals kommen? Gibt es noch Gründe, die für ein Ende der Zeiten sprechen, oder sind solche Gründe längst hinfällig?
Da dem Menschen die Zukunft verborgen ist, hofft er seit jeher, in der Religion Antworten auf seine Fragen zu den letzten Dingen zu finden; dies auch in der Erwartung, die mit einer ungewissen Zukunft verbundenen Ängste zu überwinden und Hoffnung zu schöpfen. Eine wiederkehrende apokalyptische Neigung mit dazugehörigen Bedrohungsszenarien lässt sich über zwei Jahrtausende zurückverfolgen. Erstaunlicherweise gilt das – aller Aufklärung zum Trotz - selbst bis zum heutigen Tag. Sie zeigt sich in konservativen Endzeiterwartungen bis hin zur Rückkehr spaltender, rassistischer und antisemitischer Denkmuster, die in moderne Verschwörungstheorien über die Bedrohung unserer Zivilisation verpackt werden. Zuletzt mit deutlicher Hochkonjunktur zur Jahrtausendwende und wiederum jüngst in der Rückkehr rechtsesoterischer Bewegungen.
Zum mehr traditionellen christlichen Verständnis über Schöpfung, Sünde und Heilsgeschehen gehört auch heute noch die Vorstellung, dass die Welt in ihrer jetzigen Gestalt ein Ende haben muss. Sie soll durch eine andere, aus dem Jenseits kommende und vollendete Welt abgelöst werden, auch wenn dies kaum vereinbar sein dürfte mit einem modernen, naturwissenschaftlichen Weltbild.
Verbunden mit der Frage nach den letzten Dingen war immer auch die Sehnsucht nach einer zukünftigen Gerechtigkeit. Wird es sie jemals geben, erst im jenseitigen Reich Gottes oder doch schon auf Erden, in meinem persönlichen Dasein, für einige Auserwählte oder doch für alle Menschen?
Die Offenbarung des Johannes – das letzte Buch des Neuen Testaments - lieferte bereits vor zwei Jahrtausenden die Vorzeichen und eine Fülle erschreckender Bilder von Ereignissen kosmischer Dimension, die das erwartete Ende begleiten sollen. Bekannt sind die sieben Siegel, die vier apokalyptischen Reiter, die Naturkatastrophen, Schrecken und Tod bringen.
Doch was genau hat der neutestamentliche Seher Johannes bei seinen endzeitlichen Visionen am Himmel eigentlich gesehen? Seine Worte geben über fast zwei Jahrtausende hinweg nicht nur Theologen Rätsel auf. Zugleich wurden zahllose Künstler bis in die Gegenwart von seinen Visionen inspiriert.
Im Mittelpunkt dieses Essays steht deshalb das Bild der apokalyptischen Frau am Himmel im 12. Kapitel der Offenbarung des Johannes:
„Und es erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet, und der Mond