Das Kind der Madame Butterfly
By Harlan Hague
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About this ebook
Dieser Roman ist eine Art Fortsetzung von Giacomo Puccini’s Oper „Madama Butterfly“. Es ist die Geschichte des gemeinsamen Kindes des amerikanischen Marineleutnants Pinkerton und der fünfzehnjährigen Cio-Cio-San, mit der er eine ‚Ehe auf Zeit‘ führt, während er in Nagasaki stationiert ist. Tom wächst in den Vereinigten Staaten auf und erfährt erst im Alter von zwanzig Jahren von seiner japanischen Mutter. Die Nachricht erschüttert ihn und er begibt sich nach Japan, um seine japanische Seele zu suchen. Er findet seine große Liebe in Gion, einem Stadtteil von Kyoto, aber der skrupellose Geschäftsmann, der Anspruch auf die junge Maiko erhebt, fühlt sich in seiner Ehre gekränkt und verkündet, nur der Tod der beiden würde ihm Genugtuung verschaffen.
Harlan Hague
Harlan Hague, Ph.D., is a retired history professor. He has traveled around the world, visiting sixty or seventy countries and dependencies. He has published history, fiction, travel and prize-winning biography. His screenplays are making the rounds. More at http://harlanhague.us
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Book preview
Das Kind der Madame Butterfly - Harlan Hague
Vorwort
Die Geschichte von Cio-Cio-san, der jungen japanischen Unterhaltungskünstlerin und dem amerikanischen Marine-Leutnant Pinkerton, die von Giacomo Puccini in Madama Butterfly verewigt wurde, hat mich schon in jungen Jahren fasziniert. Das erste Mal sah ich sah die Oper in New York, und ihr tragisches Ende hat mich tief berührt. Ich bin mit der japanischen Geschichte und Kultur gut vertraut und es ist mir daher nachvollziehbar, dass Cio-Cio-san sterben wollte, auch wenn sie sich selbst umbringen musste.
Mit einem gewissen Widerwillen sah ich die Oper ein zweites Mal in London. Wozu sollte man sich nochmals eine Tragödie anschauen, und dazu noch in Form einer Unterhaltung? Aber meine Freundin kannte die Oper noch nicht und wollte sie unbedingt sehen. Diesen Wunsch konnte ich ihr nicht abschlagen.
Am Ende der Vorstellung war ich so niedergeschlagen, dass meine Begleitung mich fragte, ob ich krank sei. Ich verneinte es und meinte, ich sei nur etwas indisponiert, was eine alberne Antwort war. Ich entschuldigte mich bei ihr und ging vom Opernhaus direkt in mein Hotel zurück.
In der Hotellobby ließ ich mich mit einem Glas Wein alleine vor dem offenen Kamin nieder, schaute dem Feuer zu und versuchte zu verstehen, was denn da in der Oper geschehen war. Plötzlich wusste ich es. Es war, als würde sich die Tür zu einem dunklen Raum öffnen und Licht hereinlassen.
Die wahre Tragödie der Geschichte ist nicht Cio-Cio-sans Tod, sondern das Schicksal ihres Kindes. Was wurde aus ihm? Wie verlief sein Leben, ohne die Liebe seiner Mutter und wenig Anteilnahme durch seinen Vater?
In diesem Augenblick entschloss ich mich dazu, herauszufinden, was mit dem Kind passiert war. Ich hatte kurz zuvor aufgrund meiner Pensionierung die Unterrichtstätigkeit aufgegeben und mein letztes Manuskript dem Verleger übergeben. Ich dachte über ein neues Forschungsobjekt nach, hatte damit aber noch nicht begonnen. Es würde wohl noch warten müssen.
Nachforschungen bei der Personalbehörde der US-Marine ergaben, dass Pinkerton mit seiner amerikanischen Frau in Los Angeles gelebt hatte, und dort am Ende seiner Berufslaufbahn in der Marine seine Pension angetreten hatte. Ich durchsuchte öffentlich zugängliche Archive der Stadt und fand zwar die Adresse, aber nicht die Pinkertons. Die Nachbarn erzählten, dass sie vor Jahren weggezogen waren und sie keinen Kontakt zu ihnen hätten.
Einige erinnerten sich, dass sie ein Kind hatten, einen hübschen und aufgeweckten Jungen, der beliebt bei den Nachbarskindern beliebt und sensibel reagierte, wenn man ihn auf seine Herkunft ansprach. Jene, die bereitwillig Auskunft gaben, meinten, sie hätten weder ihn noch seine Eltern jemals zur Identität seiner Mutter befragt.
Ein gesprächiger Nachbar erzählte von sich aus, dass sein Sohn den Jungen vom College kannte. Sie studierten zusammen an der University of Southern California. Das war zu jener Zeit, als die Pinkertons schon weggezogen waren. Der Auskunftsdienst der USC zeigte sich zurückhaltend, wenn es um die Weitergabe von Informationen über Studenten oder Absolventen an Außenstehende ging. Mein Bekanntheitsgrad in wissenschaftlichen Kreisen half mir dabei, wenigstens einige Hinweise zu erhalten.
Die Informationen führten mich über einige Umwege zum Ziel. Ich fand eine Adresse, die auf einen Thomas Pinkerton lautete. Ich schrieb ihm, ohne eine Antwort darauf zu erhalten. Nach länger Zeit kam ich zum Entschluss, entweder den falschen Mann zu suchen, oder ich war dem richtigen auf der Spur, der jedoch keinen Kontakt zu mir wollte.
Dann kam plötzlich eine Antwort. Der kontaktierte Mann bestätigte, der Sohn von Leutnant Pinkerton zu sein und wunderte sich über mein Interesse an einem seiner Nachkommen.
Ich erzählte ihm von meiner Faszination für die Handlung der Oper, und dass mich die Tragödie über seine Herkunft verfolgte. Ich war davon besessen geworden. Ich musste einfach herausfinden, was mit ihm geschehen war. Ich wollte unbedingt die Wahrheit herausfinden.
Die Wahrheit? Sie dürfen in der Handlung in Puccinis Oper nicht nach der Wahrheit forschen, meinte er. Ich konnte die Heftigkeit seiner Worte und seinen Zorn geradezu spüren. Puccini war an der Wahrheit nicht interessiert. Er wollte nur eine nette Geschichte erzählen, zur Unterhaltung, als Attraktion. Sie sagen, sie wollen die Wahrheit wissen?
Ja, antwortete ich. Ich muss die Wahrheit wissen.
Er sagte, er wolle mich treffen.
Kapitel 1
Er öffnete seine Augen und wunderte sich, ob er denn noch träumte.
Es schien durchaus real zu sein. Er saß in einem kleinen Raum mit holzgetäfelten Wänden. Der Fußboden bestand aus etwa zweimal drei Meter großen Tatami-Matten aus fest gebundenen Flatter-Binsen und Reisstroh. Jede Matte war mit einem schwarzen Seitenband eingefasst und mit Zwirn abgebunden. Im Raum war es ruhig und still. Tom vermeinte, seinen Herzschlag zu hören.
Eine mit kleinen Schnitzereien verzierte Holztruhe stand hinter ihm an der Wand. Daneben befand sich ein kleines Tokonoma, eine kleine Wandnische. Im hinteren Bereich hing ein Rollbild mit einer filigranen Kalligrafie.
Eine kleine, schwarz lackierte Schüssel stand darunter auf dem Boden. Neben der Schüssel waren frische Zweige, Blätter und Blüten in einer unbemalten Vase arrangiert.
Tom saß mit gekreuzten Beinen auf dem Boden, vor den geöffneten Shoji-Schiebetüren aus naturbelassenem Holz und einer Bespannung aus Reispapier. Er trug einen Yukata, einen leichten Sommerkimono aus Baumwolle, der mit Kanji-Schriftzeichen verziert war. Sie sollten dem Träger ein langes, glückliches Leben verheißen. Abseits der Türen verlief ein schmaler Gang aus poliertem Hartholz über die gesamte Länge des Raumes. Daran schloss ein kleiner, hübscher Garten an, der mit einem Zaun aus verwitterten Holzlamellen eingefasst war.
Der Garten hätte sich eher auf dem Land befinden können als am Rande des Geschäftsviertels einer belebten Hafenstadt. Trotz der Lage war es hier ruhig. Einzig das Plätschern des seichten Wasserlaufes über die Kieselsteine zum Teich am unteren Ende des Gartens war zu hören. Ein Dutzend farbiger Kois bewegte sich gemächlich im klaren Wasser und schlug leichte Wellen an der ansonsten spiegelglatten Oberfläche. Der leichte Abhang vom Zaun zum Wasserlauf und hin zum Teich war sorgfältig mit Steinen und Moos ausgelegt.
Er schloss die Augen. Meditiere ich gerade oder macht sich der Schlafmangel nun doch bemerkbar? Er öffnete die Augen und schüttelte den Kopf. Unterschiedlichste Gefühle überwältigten ihn. Zorn, Verlassenheit, Hoffnungslosigkeit. Schuld. Hoffnung. Er schüttelte erneut den Kopf, schaute zum Teich, schloss seine Augen, öffnete sie und sah wieder den Garten.
Waren tatsächlich erst sechs Wochen vergangen, seit er mit dem Konsul gesprochen hatte? Es fühlte sich eher wie sechs Jahre an. Oder sechs Lebensspannen.
‚The Great Awakening‘, die Große Erweckung, nannte es sein Geschichteprofessor, eine religiöse Bewegung, die sich im frühen achtzehnten Jahrhundert über Europa und die Kolonien erstreckte. Ihre Anhänger hielten über lange Zeit ihre Augen geschlossen, um sie dann zu öffnen und dabei zu neuen Einsichten und Chancen zu gelangen. Er verließ die Klasse im Laufschritt, packte sich Bücher zusammen und zog sich eine Windjacke an. An diesen einen Tag würde er viele Jahre später zurückdenken und sich über den Zufall wundern.
Er rannte die Stufen zum Saal hoch, einigen anderen Zuspätkommenden hinterher, durch die Doppeltüren hindurch und in den Saal hinein. Der große Raum war brechend voll. Es gab 200 Sitzplätze im Saal, und alle waren besetzt. Tom gesellte sich zu den Zuhörern, die der Wand entlang standen. Er war Mitglied der japanisch-amerikanischen Gesellschaft der University of Southern California und erhielt ihre Einladungen. Vom Vortragenden der heutigen Abendveranstaltung hatte er erst an diesem Morgen gelesen.
Daniel Sharpless gehörte nicht zu den besonders namhaften Vertretern des diplomatischen Dienstes der Vereinigten Staaten, aber er hatte zwölf Jahre lang als amerikanischer Konsul in Nagasaki gedient und man erzählte sich, dass er Interessantes über das exotische Japan zu berichten wusste. Die Küstenstadt im Süden von Japan war ein Anlaufhafen für amerikanische Handels- und Kriegsschiffe, und Sharpless hatte sich bei Bedarf oft als Kontakt- und Mittelsperson für die Besucher aus Amerika angeboten.
Der Konsul war ein guter Redner und das Publikum, vorwiegend Studenten, hörte ihm aufmerksam zu. Er sprach über Japan im Allgemeinen, legte jedoch den Schwerpunkt auf Nagasaki. Er erzählte vom Leben in der Stadt und seinen Bewohnern, vor allem was die Andersartigkeit und Faszination ausmachte. Er sprach über die Beziehung zwischen den amerikanischen Besuchern und der einheimischen Bevölkerung. Sein Vortrag war geschliffen, und es war offensichtlich, dass er schon zum wiederholten Male bei ähnlichen Veranstaltungen über seine Erfahrungen berichtet hatte.
Am Ende der Präsentation drängte sich ungefähr ein Dutzend der Zuhörer zum Podium, um mit Sharpless zu sprechen und sich ein Buchexemplar zu holen. Bereitwillig schrieb er jede Widmung, die von den Lesern gewünscht wurde. Bezahlen Sie draußen im Vorraum, sagte er.
Manche gingen hinaus auf die Terrasse, wo auf Tischen Punsch, Wein und Gebäck bereitstand. Tom nahm sich ein Glas Rotwein und ging zur Balustrade. Er nippte am Glas, lehnte sich an das Geländer und beobachtete den Sonnenuntergang, der die Palmen und die Gebäude der Universität in goldenes Licht tauchte. Bald waren nur noch ihre Umrisse erkennbar.
Er füllte sein Glas nach und trank den Wein aus. Er musste mit dem Konsul sprechen. Als er sich umdrehte, stieß er beinahe mit Sharpless zusammen.
„Ist es nicht wunderschön? Auch wenn wir nicht allzu viel sehen können", sagte der Konsul.
Tom runzelte die Stirn. Dann entspannte er sich und lächelte: „Oh, der Sonnenuntergang, ja, ja, natürlich."
„Kanpai", sagte Sharpless und hob sein Glas.
„Wie bitte?"
„Zum Wohl."
„Danke, zum Wohl. Tom hob sein leeres Glas und stieß mit Sharpless an. „Ihr Vortrag hat mir sehr gut gefallen. Es ist das erste Mal seit Jahren, dass ich etwas über Nagasaki erfahre.
„Wissen Sie etwas über Nagasaki? Die meisten Menschen, mit denen ich über meine dortigen Erfahrungen als Diplomat spreche, sind der Ansicht, ich sei Konsul auf einem Planeten am äußeren Ende des Sonnensystems gewesen." Sharpless lächelte. Er blickte kurz zur Seite und sah eine junge Frau, die zu ihm herschaute. Sie zappelte herum, hielt ein Buch in ihren Händen, und eine Tasche hing von ihrer Schulter.
„Ich nicht, sagte Tom, „obwohl ich mich schon jahrelang mit niemandem mehr darüber unterhalten habe.
Sharpless drehte sich zu Tom um.
„Mein Vater diente in der Marine, sagte Tom, „und sein Schiff lief in Nagasaki ein. Er sprach nie viel darüber. Er dachte wohl, es interessiere mich nicht. Und damals war es wohl auch so.
„Es kann sein, dass ich ihn getroffen habe, falls ich zu dieser Zeit dort war. Wie hieß er?"
„Pinkerton. Leutnant Pinkerton."
Sharpless zuckte zusammen, wie vom Blitz getroffen. „Leutnant Pinkerton. ...Leutnant ... Benjamin...Franklin...Pinkerton?"
„Ja, das war mein Vater. Haben Sie ihn gekannt?"
„Wie ist Ihr Name?"
„Tom. Tom Pinkerton."
Sharpless schüttelte den Kopf. „Entschuldigen Sie, aber das ist mein drittes Glas. Eines hatte ich vor meinem Vortrag. Als Stärkung sozusagen, verstehen Sie. Wo befindet sich Ihr Vater?"
„Er ist verstorben."
„Oh, das tut mir leid. Hm. Er schaute sich um. „Tom, gehen wir...
„Entschuldigen Sie vielmals die Störung. Die junge Frau, die hinter Sharpless herumstand, kam auf ihn zu. „Ich muss leider gehen, und ich möchte Sie unbedingt fragen, ob Sie mir nicht ein Exemplar Ihres Buches signieren könnten.
Sie blickte zu Tom und lächelte. „Entschuldigen Sie."
Tom nickte.
Sharpless nahm das Buch und den Kugelschreiber, den sie bereithielt, machte das Buch auf und schaute Sie dabei an. „Sie heißen?"
„Nancy Bannon." Sie unterdrückte ein Kichern.
Sharpless kritzelte eine Notiz auf die Innenseite des Buches und signierte es. Er lächelte und gab ihr das Buch und den Kugelschreiber zurück. „Danke für Ihr Interesse. Ich hoffe, Sie haben Freude damit."
Sie nahm das Buch und den Kugelschreiber an sich, machte einen leichten Knicks und lächelte. „Vielen Dank. Und zu Tom gewandt, ebenfalls knicksend, „Entschuldigen Sie vielmals.
Sie drehte sich um und rannte die Terrasse hinunter, das Buch und die Schultertasche fest umklammernd.
„Tom, gehen wir ein paar Schritte hier entlang." Sharpless ging ans andere Ende der Terrasse, weg von den Serviertischen und der angeregten Unterhaltung der Gäste.
Sie spazierten zu einer ruhigen Ecke bis zur Balustrade. Sharpless schaute hinab auf das im Dunkeln stehenden Gebüsch. Er drehte sich zu Tom um, kein Lächeln im Gesicht. Mit ernster Miene sagte er: „Ja, ich kannte Ihren Vater. Wann starb er?"
„Vor fünf Jahren. Ich war fünfzehn."
„Und Ihre Mutter? Wo lebt sie?"
„In Santa Barbara. Nun ja, sie ist nicht meine Mutter. Sie ist meine Stiefmutter. Meine Mutter starb, als ich ein paar Monate alt war. Ich kann mich nicht an sie erinnern."
„Oh. Hm, erzählen sie mir doch von ihr."
Tom verzog sein Gesicht. Meine Mutter? Wir sprechen hier über meinen Vater. „Sie und mein Vater waren nicht verheiratet. Er lernte sie in San Diego kennen. Dort lebte er damals. Er erzählte mir, dass er sie liebte. Das hatte mir viel bedeutet."
„San Diego. Hm." Sharpless lehnte am Geländer und starrte lange in die Dunkelheit. Tom fragte sich langsam, ob Sharpless sich wohl über ihr Gespräch langweile.
Der Konsul richtete sich auf und drehte sich zu Tom um. „Da ist etwas, das Sie wissen sollten. Ich würde es Ihnen nicht sagen, wenn Ihr Vater noch leben würde. Aber Sie haben ein Recht darauf, es zu wissen."
Tom runzelte die Stirn. Sollte er darauf eingehen?
„Tom, Ihre Mutter lebte nicht in San Diego. Sie sind nicht in San Diego geboren."
„Wie meinen Sie das?"
„Hören Sie. Das klingt vielleicht seltsam für Sie, aber lassen Sie mich ausreden. Sie sind in Japan geboren. In Nagasaki. Ihre Mutter war eine junge Japanerin, erst fünfzehn Jahre alt. Sie feierten eine Art Hochzeit. Das wurde alles von einem Heiratsvermittler arrangiert.
Tom hob den Kopf. „Was sagen Sie? Was wissen Sie über mich? Wer feierte Hochzeit?"
„Ihr Vater und eine junge Geisha."
Tom verzog das Gesicht, schaute auf die Seite, dann zurück zu Sharpless. „Sind Sie sicher, dass Sie über meinen Vater sprechen?"
„Hören Sie mir bitte zu. Ihr Vater mietete ein Haus auf einer Landzunge mit Blick über die Bucht von Nagasaki. Er verbrachte seine gesamte dienstfreie Zeit dort. Er und Cio-Cio-san – so wurde sie von ihren Freunden genannt – schienen ein glückliches Paar zu sein. Zumindest hatte ich diesen Eindruck. Sie liebte ihn, das war offensichtlich. Ich dachte, er würde sie ebenfalls lieben. Er nannte sie ‚Butterfly‘, seinen Schmetterling."
„Er lud mich oft in sein Haus ein. Wir verbrachten schöne Stunden dort. Erst kurz vor seiner Abreise aus Nagasaki erfuhr ich, dass Cio-Cio-san für ihn nicht mehr als ein hübsches Spielzeug war. Für die Amerikaner, die für längere Zeit blieben, war das damals so üblich. Eine Gespielin. Sie nahmen sich eine vertraglich vereinbarte Braut auf Zeit für die Dauer ihres Aufenthaltes in Nagasaki. Ich dachte, bei Ihrem Vater wäre das anders."
„Sie hat das alles nicht verstanden. Sie dachte, sie sei für immer und ewig verheiratet. Ihr Vater verhielt sich ihr gegenüber beim Abschied herzlos. Als das Schiff planmäßig ablegen sollte, vermied er es, ihr die Wahrheit zu sagen. So erzählte er ihr, er würde für eine gewisse Zeit weggehen und später zurückkommen. Wenn das Rotkehlchen wieder sein Nest baue, sagte, würde er zurückkehren. Dumm von ihm, so etwas zu sagen, aber er meinte wohl, das würde poetisch klingen."
„Am Tag, als sein Schiff den Hafen verließ, ging ich mit ihm bis zum Pier, und er erzählte es mir so. Er wirkte dabei fröhlich und unbeschwert. Tom, ich glaube, er hatte Ihre Mutter bereits vergessen, als er