Goldwäsche: Die schmutzigen Geheimnisse des Goldhandels
Von Mark Pieth
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Über dieses E-Book
Die Schweiz ist nicht nur eine Großmacht im Finanzbereich und im Rohstoffhandel, dessen skandalöse Funktionsweisen das "Rohstoff"-Buch der Erklärung von Bern (EvB, heute Public Eye) bei Salis offenlegte. Auch im globalen Goldhandel ist die Schweiz führend. Doch während etwa die EU bestehende OECD-Richtlinien jüngst in verbindliches Recht überführt hat, setzt die Schweiz weiterhin auf freiwillige Selbstregulierung
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Buchvorschau
Goldwäsche - Mark Pieth
MARK PIETH
GOLDWÄSCHE
DIE SCHMUTZIGEN GEHEIMNISSE DES GOLDHANDELS
INHALT 
Weshalb dieses Buch?
ZWEI SEITEN DER MEDAILLE
La Rinconada: der dreckigste Ort der Welt
Glanz und Gloria
Eine fatale Attraktion
DIE GESCHICHTE DES GOLDES
Im alten Ägypten
Das Römische Reich und das Mittelalter
Das Zeitalter der Entdeckungen
Die spanische Eroberung Lateinamerikas
Die Reaktion der konkurrierenden europäischen Nationen
Die Auswirkungen der Goldlawine auf die Wirtschaft
Goldrausch
Der Goldstandard
Großbritannien
USA
Finanzierung der Nazi-Kriegsanstrengungen
Unterstützung des Apartheidregimes
Vorgeschichte
Rekrutierung der nötigen Arbeitskräfte
Gehilfen des Apartheidregimes
DIE LIEFERKETTE
Die Dimensionen des Goldhandels
Wo kommt das Gold her?
Industrieller Goldabbau
Exploration und Erwerb der Abbaurechte
Tagebau
Untertagebau
Tiefseeabbau
Verarbeitung am Minenstandort
Artisanaler Goldabbau
Dimensionen
Oberflächenabbau
Artisanale Untertageminen
Ausbaggern von Wasserläufen
Zwischenhändler
Recycling
Grandfathered Stock
Raffinerien
Was tun Goldraffinerien eigentlich?
Der Raffinierungsprozess
Ankunft, wägen, analysieren
Schmelzen und gießen
Blockchain
Der Goldhandel
Die Konsumenten
Die sich wandelnde Rolle der Zentralbanken
Investoren
Juweliere und Uhrmacher
PROBLEMGOLD
Umweltprobleme
Organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei und Schmuggel
Das Beispiel Kolumbien
Von Drogen zu Gold
Geldwäscherei
Zwangsarbeit, Kinderarbeit und Menschenhandel
Zwangsarbeit
Sexuelle Ausbeutung
Kinderarbeit
Enteignung und Vertreibung
Konfliktgold
Die Demokratische Republik Kongo
Die Kongokriege
Plünderung und Völkermord
Händler und Raffinerien
Die Probleme des Kongo sind nicht vorüber
Sudan
Goldwäsche
EINE VERANTWORTLICHE LIEFERKETTE SCHAFFEN
Konzernverantwortlichkeit für Menschrechtsverletzungen?
OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen
Internationale Regeln gegen Wirtschaftskriminalität
UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte
Regulierung der Mineralienlieferkette
Unmittelbare Reaktion auf den Genozid im Kongo
OECD Due Diligence Guidance
Das OECD Supplement on Gold
Regionale und nationale Regeln
Dodd-Frank Act 2010
Die EU-Verordnung
Chinesische Sorgfaltsrichtlinien
Initiativen privater Wirtschaftsverbände
London Bullion Market Association
Responsible Jewellery Council
World Gold Council
Dubai Multi Commodities Centre
Die Reputationskatastrophe
Evaluation der neuen DMCC-Regeln
Was bewirken Industriestandards in der Praxis?
Multi-Stakeholder-Initiativen zur Formalisierung und Zertifizierung von artisanalen Minen
Zertifizierung
Der Fairmined-Standard
Der Fairtrade-Standard
Die Better Gold Initiative
Entwicklungszusammenarbeit
Welche Vorzüge und welche Schwächen haben die Multi-Stakeholder-Initiativen?
Zusammenfassung: Verantwortliche Herkunft?
WAS FUNKTIONIERT, WAS NICHT?
Die Attraktivität der freiwilligen Standards
Nehmen die Unternehmen ihre Risiken ernst?
Sind Raffinerien so sauber, wie sie behaupten?
Wie gehen sie mit Kritik um?
Argor-Heraeus
Probleme mit Gold aus dem Kongo
Aktuelle Situation
Metalor
Probleme in Peru
Probleme in Kolumbien?
Probleme in Eritrea?
Probleme in Ghana?
MKS PAMP
Valcambi
Probleme in Peru
Probleme in Burkina Faso?
Probleme mit Dubai?
Kaloti
Rand Refinery
Woran fehlt es bei den Sorgfaltsstandards?
Schritt 1: Nachhaltiges Managementsystem einrichten
Schritt 2: Identifizieren und evaluieren der Risiken in der Lieferkette
Schritt 3: Strategie im Umgang mit den identifizierten Risiken entwickeln und umsetzen
Schritt 4: Sorgfaltspflichtpraxis der Raffinerie einem unabhängigen Audit unterwerfen
Schritt 5: Berichterstattung über die Sorgfalt in der Lieferkette
Sorgfaltsstandard für Downstream-Unternehmen
Weshalb die Umsetzungslücken?
WIE WEITER IN DER GOLDINDUSTRIE?
Der Rohstofffluch
Der Nachholbedarf im Goldsektor
Minen
Industrielle Minen
Artisanale Minen
Händler
Raffinerien
Überwachung der Lieferkette
Zusätzliche Aufmerksamkeit
Auditing und Reporting
Downstream-Unternehmen
Unrechtmäßige Finanzflüsse
Selbstregulierung oder verbindliches Recht?
Industrieregulierung
Zwingendes Recht
Die künftige Rolle der OECD
DIE SCHWEIZ, WELTZENTRUM DER GOLDRAFFINERIEN
Was ist so speziell an der Schweiz?
Hohes Risiko, schwache Regulierung
Edelmetallkontrolle
Zollregulierung
Geldwäschereiabwehr
Strafrecht
Strafbarkeit des Unternehmens
Zivilrechtliche Haftung: Der Kampf um die Konzernverantwortungsinitiative
Ist die Konzernverantwortungsinitiative so exotisch?
Wozu ist die offizielle Schweiz bereit?
Wie weiter?
Korrespondenzen
Endnoten
Literatur
Materialien
Bilder
Grafiken
Abkürzungen
Stichwörter
WESHALB DIESES BUCH?
Ich habe mich im Laufe der letzten 25 Jahre sowohl theoretisch als auch praktisch mit der Regulierung zur Eindämmung von internationaler Korruption und Geldwäscherei beschäftigt. Als Schweizer Strafrechtsprofessor konnte ich nicht übersehen, dass mein Herkunftsland nicht nur im Finanzsektor, sondern auch im Rohstoffhandel und speziell im Bereich des Handels mit und der Verarbeitung von Gold eine weltweit einzigartige Rolle einnimmt: Nach wie vor werden Jahr für Jahr circa 3000 Tonnen Gold in die Schweiz importiert, und nahezu dieselbe Menge wird wieder exportiert. Es soll sich um 50–70 Prozent der weltweiten Goldproduktion handeln. Angesichts der enormen Problembelastung der Goldgewinnung – von Menschenrechtsverletzungen bis zu schwerer Umweltzerstörung – kommt die Schweiz nicht umhin, sich mit der Risikoexposition von bei ihr ansässigen Unternehmen und mit dem Rufrisiko für das Land auseinanderzusetzen. Die mit der Schweizer Rolle im Goldhandel verbundenen Risiken replizieren und verstärken ähnliche Risiken, mit denen sich die Schweiz gegenwärtig beschäftigen muss, insbesondere im Finanzsektor (Geldwäscherei, Potentatengelder, Steuerhinterziehung usw.), im Rohmaterialhandel (Korruption und Spekulation), beim Waffenexport in Krisengebiete, angesichts der Organisationsmängel hier ansässiger Sportdachverbände und vieler Expositionen mehr.
Motivation zu diesem Buch, das uns sowohl zur glitzernden Welt der Goldverarbeitung als auch zu den übelsten Minenregionen der Welt geführt hat, war das fehlende Bewusstsein der Schweizer Öffentlichkeit und der Regierungsstellen für die Rolle unseres Landes in einer der heikelsten Lieferketten. Natürlich steht die Schweiz nicht alleine in der Pflicht. Problematisch ist aber ihre Bereitschaft, die Augen zu verschließen.
Mein Anliegen ist es, die internationalen Bemühungen zur Regulierung der Goldlieferkette, einschließlich der nicht verbindlichen Instrumente (»Soft Law«) und der Selbstregulierung der Branche, kritisch zu beleuchten. Wie dieses Buch zeigen wird, ist es uns bis heute noch nicht gelungen, die Menschenrechte in diesem Bereich auf glaubwürdige Weise zu schützen.
ZWEI SEITEN DER MEDAILLE 
01
LA RINCONADA: DER DRECKIGSTE ORT DER WELT
Bis zu 70 Prozent der Goldproduktion der Welt werden von Schweizer Unternehmen vermarktet, ein Großteil davon wird in Schweizer Raffinerien physisch verarbeitet¹. Die Schweiz ist auch der größte Abnehmer von Gold aus Peru, das inzwischen zum fünftgrößten Goldexportland der Welt avanciert ist².
Wo kommt das peruanische Gold her? Zum einen aus großen Minen wie Yanacocha (Newmont Mining) oder Pierina (Barrick Gold), zum anderen aus kleinen, sogenannten artisanalen (handwerklichen) Minen. Im Hinterland des Amazonas, in Madre de Dios, geht der Goldabbau mit großflächigem illegalem Abholzen des Regenwaldes einher und wird von kriminellen Organisationen kontrolliert. In der südlichen Andenregion Puno finden sich weitere Abbauorte auf großen Höhen. Das Gold dieser Kleinminen wird von Kollektoren (»collectors«) gesammelt. Es gelangt dann über lokale Zwischenhändler und Exporteure fast ausschließlich in Schweizer Goldraffinerien³.
Da La Rinconada keine funktionierende Infrastruktur hat, stapelt sich der Müll kilometerweit.
Die Minenstadt La Rinconada liegt im Grenzland von Südperu und Bolivien, unweit des Titicacasees, und gilt als der »dreckigste Ort der Welt«⁴. Wie kommt sie zu diesem Ruf? Innerhalb weniger Jahre ist die Population dieses Minencamps auf über 60 000 Personen angewachsen. Es liegt zwischen 5000 (Lunar de Oro) und 5500 Metern über Meer an den höchsten Stellen (La Rinconada). Im Winter fallen die Temperaturen bis auf minus 25 Grad Celsius. Man muss sich den Ort wie eine Favela von Rio de Janeiro im Hochgebirge vorstellen: Das Trinkwasser wird aus einem nahe gelegenen Gletscher bezogen und ist – wie die Luft – schwer quecksilberbelastet. Die Stadt verfügt weder über eine Abwasser- noch über eine Abfallentsorgung. Kilometerweise türmen sich entlang der Anfahrtsstraße die Abfallberge. Die Plastiksäcke werden von Geiern und anderen Tieren zerfetzt. Der Ort stinkt im wahrsten Sinne zum Himmel.
Der Weg zum Eingang der Mine führt über gefrorenen Schlamm, Eis und Felsen.
Die Arbeitsbedingungen der Mineure sind hoch problematisch. Zwar gibt es auch professionell eingerichtete Minen – wie die der Corporación Minera Ananea –, die meisten Stollen sind aber sehr improvisiert, entsprechend groß ist die Einsturzgefahr. Das Besoldungssystem ist ebenso archaisch. Die Mineure erhalten keinen Lohn und sind weder gegen Krankheit noch gegen Unfall versichert. Sie arbeiten nach dem uralten, »cachorreo« genannten System 28 Tage für die Mine und erhalten dann zwei Tage für sich, an denen sie so viel Material aus der Mine mitnehmen dürfen, wie sie tragen können⁵. Was sich wie die Sklavenarbeit zur Zeit der Inkas und später der Spanier anhört, wird erstaunlicherweise von den Mineuren auch heute noch akzeptiert. Sie haben sich sogar gegen die Einführung eines Sozialversicherungsobligatoriums zur Wehr gesetzt, weil sie befürchten, etwas vom unsicheren Verdienst abgeben zu müssen, ohne vom Staat eine reale Gegenleistung zu erhalten. Sie ziehen offensichtlich das »Kasinoleben« der Glücksritter einem geordneten Arbeitsverhältnis vor⁶.
Während die organisierten Minen das ausgebrochene Gestein in großen Mühlen pulverisieren, verarbeiten die einzelnen Mineure das im »cachorreo« gewonnene Material in sogenannten »quimbaletes«: In einem Steinbecken wird der Ausbruch durch einen größeren Stein zerkleinert, auf dem die Mineure stehen und hin- und herwippen. Dann gießen sie Quecksilber, das sie in Tassen an einer Bude gekauft haben, in die »quimbalete«. Anschließend rühren sie den zermalmten Sand und das Quecksilber mit bloßen Händen in einer Pfanne, bis sich die ausgebrochenen Goldkörnchen mit dem Quecksilber amalgamieren. Die so entstandenen Klumpen werden danach zu improvisierten Werkstätten (»entables«) gebracht, wo Frauen das Quecksilber mit Lötbrennern abdampfen. Es entweicht durch einen Schornstein, der außen am Haus auf der Höhe des zweiten Stockwerks endet. Diese Werkstätten stehen in einer langen Reihe Haus an Haus. Die Luft davor ist quecksilbergeschwängert. Wenn es regnet oder schneit, fällt das Quecksilber am Boden und in den offenen Abwasserläufen auf der Straße aus. Die Mineure können gegen Entgelt statt der »quimbaletes« auch eine Art Waschmaschine verwenden, in der das ausgebrochene Gestein mithilfe von Stahlkugeln weiter zerkleinert und dann, abermals mittels zugesetzten Quecksilbers, das Gold durch Amalgamation aus dem Gesteinspulver gelöst wird. Es gibt richtige »Waschsalons« mit 20 bis 30 solcher Zentrifugen.
La Rinconada ist nicht nur von den Arbeitsbedingungen her gefährlich. Beamte, die – als Polizisten oder Lehrer – hierhin entsandt werden, verwandeln sich quasi über Nacht in Minenarbeiter: Zu attraktiv ist der Traum vom großen Goldfund angesichts des Hungerlohnes, der sie als Beamte erwartet. Die Folge ist, dass in La Rinconada auf 60 000 Bewohner maximal 10 Polizisten kommen. Es ist offensichtlich, dass sie keine Sicherheit gewährleisten können. Das ist besonders problematisch, da das Gewaltpotenzial in La Rinconada enorm ist. Das horrende Klima, die Höhe, der Erfolgsdruck und das hohe Maß an Frustration tragen dazu bei, dass die Mineure in dieser Männergesellschaft schwer trinken und häufig aggressiv reagieren. In der Folge bewaffnen sich die Stadtbewohner. Schusswaffen sind mit oder ohne Lizenz in der nahe gelegenen Stadt Juliaca problemlos zu erhalten. Die Mordrate in La Rinconada ist erschreckend hoch, und die Bewohner üben immer wieder Lynchjustiz. Fotos von an Laternenpfählen aufgeknüpften Mineuren zeugen davon⁷.
Ein Besuch in La Rinconada durch Außenstehende ist denn auch nicht unproblematisch. Die Mineure haben kein Interesse an zusätzlicher Medienaufmerksamkeit. Sie befürchten staatliche Intervention. Wohl zu Recht werden Touristen oder Forscher vor einem Besuch gewarnt. Wie also kommt man als Fremder nach La Rinconada? In unserem Fall war die katholische Kirche unser Sicherheitsdispositiv: Auf dem Altiplano unweit des Titicacasees lebt Priester Markus Degen (Padre Marcos), der 1968 aus dem schweizerischen Oberwil ausgewandert ist. Er hat die wohl heikelsten Zeiten Perus – die Auseinandersetzung mit der Terrorgruppe Sendero Luminoso (»Leuchtender Pfad«) – am Ort des Geschehens miterlebt, um im Anschluss daran Gefängnisgeistlicher im Hochsicherheitsgefängnis für Terroristen in Puno zu werden. Später hat er ein Priesterseminar geleitet, bevor er sich in Arapa als Gemeindepriester niedergelassen hat. Er hat den Goldrausch in seiner Umgebung von der problematischsten Seite miterlebt. Immer wieder musste er im Laufe der letzten 20 Jahre Mineure beerdigen, die Opfer von Grubenunfällen oder gewaltsamen Auseinandersetzungen geworden sind. Padre Marcos, der die Dorfbewohner zur Errichtung einer Forellenzucht und zum Anbau sowie zur Verarbeitung von Heilkräutern ermuntert hat, verfügt durch seine früheren Tätigkeiten über ein umfassendes Netzwerk an Kontakten. Er hat seinen Freund Padre Pio in Putina, einem Ort, der bereits wesentlich näher bei La Rinconada liegt, gebeten, uns einen »Geleitschutz« zu vermitteln. Die Männer von Putina arbeiten in der Regel in den Minen. Die katholische Kirche befindet sich in einer ambivalenten Situation zur Goldthematik: Dass die Bevölkerung, die sie betreut, vom Goldabbau lebt, ist eine Tatsache, an der sie nicht vorbeikommt. Die Kirche steht den Familien, besonders den Hinterbliebenen verunfallter Minenarbeiter, bei. Umgekehrt sind glückliche Mineure auch bereit, die Kirche mit Spenden zu unterstützen. Padre Pio hat Willy Cruz, einen in La Rinconada als »Ingenieur« tätigen Freund und ehemaligen Mitarbeiter, als unseren Begleiter aufgeboten. Er ist bei der Mine eine jener Personen, die den Minenarbeitern sagen, wie das goldhaltige Gestein verläuft und wo abzubauen ist. Mit seinem Anzug ist seine Funktion für jedermann erkennbar. Er erwies sich als der sicherste »Fremdenführer« in wenig freundlichem Terrain.
Bergleute zerkleinern goldhaltiges Gestein mit primitiven Steinmühlen (»quimbalete«).
Verkaufsladen für Quecksilber in La Rinconada, betrieben von Frauen ohne Handschuhe und Masken
»Goldwaschmaschinen«
Werkstätten zum Abdampfen von Quecksilber in La Rinconada
Gold für Waffen, eine gefährliche Kombination
»Pallaqueras« auf der Suche nach Spuren von Gold im Minenabraum
Ein Thema war besonders problematisch: die Stellung der Frauen in La Rinconada. Bereits die Anthropologin Eugenia Robles Mengoa hatte deutlich gemacht, dass hier eine extreme Männergesellschaft herrscht⁸. Frauen dürfen aus Aberglauben die Minen nicht betreten, da sie sonst die Eifersucht der »Mutter Erde« wecken würden. Sie dürfen als sogenannte »pallaqueras« die Abraumhalden nach Verwertbarem durchpflügen⁹. In den Quecksilberabdampfschuppen werden sie auch geduldet. Im Übrigen sind Frauen vor allem als Ladenpersonal und in Bars tätig. La Rinconada gilt nach Angaben des Obersten Staatsanwalts von Peru – neben Madre de Dios – als eines der Zentren der Zwangsprostitution. Frauen, insbesondere aus armen ländlichen Gegenden Boliviens und Perus, werden unter falschen Versprechungen in die Minencamps gelockt, wo ihnen die Ausweise abgenommen werden und sie sich unter Zwang prostituieren müssen¹⁰. Studien gehen davon aus, dass allein von den 60 000 Bewohnern von La Rinconada bis 4000 Zwangsprostituierte sind¹¹. Über 50 Prozent dieser Mädchen sollen minderjährig sein, einzelne gar nur 12 Jahre alt¹². Sie sind extrem exponiert und werden oftmals zu Opfern von Gewalttaten.
Laut lokalen Bewohnern und Priestern angrenzender Gemeinden kommt es in La Rinconada zudem noch immer zu Menschenopfern, um die Berggottheit günstig zu stimmen¹³.
Leiche von Susy Delgado Quispe, ermordet in La Rinconada
GLANZ UND GLORIA
Weltweit werden 50 Prozent der Goldproduktion zu Uhren und Schmuck verarbeitet. Bis vor Kurzem war die Uhren- und Schmuckmesse Baselworld der Ort, an dem sich die Branche alljährlich traf. Die Großen der Industrie, wie zum Beispiel Swatch, gaben für ihre Marken bis zu 50 Mio. Schweizer Franken pro Ausstellung aus. Auch kleinere Aussteller ließen sich die Veranstaltung locker 1 Mio. Franken kosten. Die Gäste wurden teuer verköstigt. Hotelpreise verdoppelten sich über Nacht. Die Baselworld war der ultimative Ausdruck von Luxus. Woher das Gold stammte, war bislang kein Thema¹⁴. Während bis vor einem Jahr 1500 Firmen aus 40 Ländern zu den Ausstellern zählten, ist die Teilnehmerzahl aktuell stark eingebrochen. Es scheint, dass mit dem »Bazar der Eitelkeiten« übertrieben worden ist: zu teuer, zu elegant und zu arrogant¹⁵?
Die Uhren- und Schmuckmesse Baselworld
Hostessen auf der Baselworld 2016
Allerdings nutzen gewisse Juweliere den Tempel des Luxus auch für ein politisches Statement: Chopard etwa lud auf der Baselworld 2018 zu einer Pressekonferenz. Die Ko-Präsidenten, die Geschwister Scheufele, gaben bekannt, dass die Firma fortan ausschließlich fair gewonnenes Gold verarbeiten wolle¹⁶. Juliane Kippenberg von Human Rights Watch (HRW) reagierte aber zurückhaltend: Während sie die Fairmined-zertifizierten Bezugsquellen anerkannte, gab sie sich enttäuscht, dass nicht die gesamte Lieferkette offengelegt wird¹⁷. Der Hinweis auf das Zertifikat des Responsible Jewellery Council (RJC) lässt viel Deutungsspielraum. Das Zertifikat ist, wie wir sehen werden, weit davon entfernt zu überzeugen
KAP. 5
.
EINE FATALE ATTRAKTION
Seit 6000 Jahren sind wir von Gold fasziniert. Gold ist Statussymbol und Schmuck der Mächtigen und Reichen. Doch was macht dieses glänzende Metall so unwiderstehlich? Es scheint von geringem praktischem Nutzen, wenn man von neusten industriellen Verwendungen mal absieht (im Medizinalbereich, als Halbleiter in elektrischen Apparaten usw.).
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass dem Gold ein Wert beigemessen wird, der den Gebrauchswert weit übersteigt
KAP. 2
. Die Gier nach Gold befeuerte die Kolonisierung Lateinamerikas und Kriege zwischen europäischen Staaten. Wo immer Gold entdeckt wurde, entbrannte ein Goldrausch (etwa in Kalifornien um 1848, in Amerika um 1852, in Südafrika um 1886 oder in Australien um 1851). Gold wurde zur Basis der Weltwährungen (Goldstandard). Noch heute spielt der Goldhandel eine bedeutende Rolle im Bankgeschäft
KAP. 3
.
Bei aller Anziehungskraft hat die Gewinnung von Gold über Jahrtausende hinweg der Menschheit unbeschreibliches Leid beschert. Von den alten Ägyptern über die Inkas und die Spanier bis zum aktuellen Ostafrika wurden und werden Menschen zur Zwangsarbeit in den Minen gezwungen. Hunderttausende von schwarzen Minenarbeitern arbeiteten zu Hungerlöhnen in den südafrikanischen Minen der Apartheidzeit. Mit der Goldgewinnung gehen Umweltschädigungen, Landenteignung, organisiertes Verbrechen, Kinderarbeit und Bürgerkriege einher
KAP. 4
.
Es ist schwer nachzuvollziehen, dass die Risiken von der Industrie nicht erkannt werden. Noch immer streiten Nichtregierungsorganisationen und Raffinerien um die Größenordnung der Probleme. Zwar bemühen sich internationale Organisationen (wie die OECD) und Branchenverbände (LBMA, RJC, WGC, DMCC) um eine Regulierung der Lieferkette
KAP. 5
, doch drängt sich die Frage