Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Roter Sessel, schwarze Katze
Roter Sessel, schwarze Katze
Roter Sessel, schwarze Katze
Ebook430 pages6 hours

Roter Sessel, schwarze Katze

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

Eine kleine, schwarze, streunende Katze sucht sich ein zu Hause.
In Laura und Sebastian findet sie die Menschen, mit denen sie
ihr Leben verbringen möchte, und wird Laila getauft.
Sie lebt sich schnell ein, und lernt die Tiere der Nachbarschaft kennen. Eine große,rote Bordeauxdogge wird ihr bester Freund
und eigentlich könnte alles gut sein ...

Doch eine Bande teurer Edelkater möchte das Revier von Laila
und ihren Freunden erobern. Laila und ihre Freunde fürchten sich in ihrem eigenen Revier zu Tode. Warum?

Als Laila eine grausam entstellte Katzenleiche findet, spitzt sich
die Situation zu. Und das ist erst der Anfang...
Laila begibt sich mit ihren Freunden auf Spurensuche.
Mit Schlagfertigkeit, Witz und scharfen Krallen gelingt es ihr
fast immer, aus gefährlichen Situationen zu entkommen.
Fast immer!
LanguageDeutsch
PublisherTWENTYSIX
Release dateSep 23, 2019
ISBN9783740796006
Roter Sessel, schwarze Katze
Author

Elvy Jansen

Die Autorin Elvy Jansen wurde in Dudweiler geboren. Sie war beruflich viele Jahre in Europa unterwegs. Zwischenzeitlich wohnte sie zehn Jahre lang in Barelona. Seit sie beruflich nicht mehr so viel unterwegs ist, hat sie sich ganz dem Schreiben von Büchern gewidmet. www.elvy-jansen.de

Read more from Elvy Jansen

Related to Roter Sessel, schwarze Katze

Titles in the series (4)

View More

Related ebooks

Humor & Satire For You

View More

Related articles

Reviews for Roter Sessel, schwarze Katze

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Roter Sessel, schwarze Katze - Elvy Jansen

    Meinen Eltern und meinem Sohn gewidmet.

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

    Der Winter war vorbei, es war angenehm mild und die Sonne wärmte mein Fell. Den Winter verbrachte ich bei verschiedenen Familien, nichts Nennenswertes. Entweder durfte ich das Wohnzimmer nicht betreten oder das Kinderzimmer war tabu, dann wieder war das ganze Haus verboten und mein Katzenfutter stand tiefgefroren draußen auf der Treppe. Als hätten wir Katzen eine ansteckende Krankheit. Bevor ich die Menschen richtig kennen lernte, waren Verbote das einzige, was sie mir beibrachten. »Du darfst das nicht«, »du sollst das nicht« und »du kannst das nicht« und so weiter und so weiter. Nix für mich. Dann war da noch eine dunkle Erinnerung an einen Sturz ins Nichts, verbunden mit Schmerzen, aber kein klares Bild wollte sich einstellen. Vielleicht gut so.

    Auf meiner Wanderung war ich in einer netten kleinen Stadt gelandet. Mein Streifzug durch die Straßen wirkte ein wenig verloren, nach meinen letzten Erfahrungen wollte ich jetzt vorsichtiger sein. Der Hunger spielte wohl auch eine Rolle, also in Zukunft besser Bauch aus- und Kopf und Instinkt einschalten. Eine erfahrene Katzendame sagte einmal zu mir, es gäbe Menschen mit einem Katzengen. Die Katzendame brachte mir bei, meinen Instinkt richtig einzusetzen, um besagte Menschen kennenzulernen. Sollte es soweit kommen, dass so ein Prachtexemplar vor mir stand, würde ich gnadenlos und unbarmherzig zuschlagen!

    Meine Pfoten lenkten mich in eine wenig befahrene Seitenstraße. Ein schönes großes Haus, großer Garten, wenig Autos. Die Optik stimmte schon mal.

    »Also los geht’s, dann schaffen wir das.« Mein Blick ging nach links und nach rechts. »Du musst das gerade und ziemlich hoch halten, sonst kommen wir mit dem Sofa nie durch die Tür.« Ach so. Ich war interessiert und schaute ihnen beim Arbeiten zu. Allerdings war der weibliche Teil der beiden gebaut wie eine Heuschrecke, könnte eng damit werden, Sofas durch die Gegend zu tragen. Dieselbe Stimme, die eben noch gepoltert hatte, meinte jetzt ganz sanft: »Wo kommst du denn her, meine Schöne, darf ich dich streicheln?« Mein Schnurrapparat wollte gerade warmlaufen, das Katzengen, aber so was von.

    »Mit dem Sofa, das schaff ich nicht«, meinte die weibliche Stimme. Natürlich, war zu erwarten. »Die Kleine ist wirklich süß, aber pass auf, dass sie nicht kratzt.« Da standen zwei menschliche Exemplare zwischen dreißig und fünfunddreißig Jahren. Das Katzengen hatten beide, ich konnte mein Glück kaum fassen. Er blond, blauäugig, schlaksig und groß, sie hatte braune Locken, riesengroße braune Augen, eine zierliche Statur. Also von meiner Seite war die Suche nach einem zu Hause beendet.

    »Das war jetzt keine coole Nummer«, sagte er. »Du hast recht, gefährlich sieht anders aus. Was meinst du, wie weit kommen wir heute mit dem Umzug?«

    Jetzt erst sah ich die ganzen Möbel auf dem Gehsteig herumstehen. »Wenn mein Freund kommt, könnten die Möbel zumindest in einem Tag in der Wohnung sein.«

    »Das wäre wirklich klasse, du siehst, bei schweren Sachen bin keine große Hilfe … Wenn man vom Teufel spricht, da kommt Holger!« Holger stieg aus seinem Uralttransporter aus, der auch noch voll mit Möbeln war.

    »An so einem schönen Frühlingstag muss es klappen, hoffentlich habt ihr genügend Proviant dabei«, polterte der leicht übergewichtige Holger los. »Ohne Mampf kein Kampf.« Laura zeigte auf einen großen Proviantkorb, randvoll gefüllt mit guten Sachen. Holgers Spruch war eine interessante Ansichtssache, es beinhaltete alles, was man zum Leben braucht. Da sah ich ein Möbelstück, das mein Herz erwärmte. Ein riesengroßer feuerroter Ohrensessel. Ich dachte, so etwas passiert dir nur einmal im Leben, ein wie-für-dich-gemacht-Sessel. Er war alt und roch nach Geschichten, die erzählt werden wollten. Außerdem lud er mich zum Kuscheln ein, das fand ich nett von dem Sessel. Wenn man Katze ist, dann weiß man das.

    »Sebastian, du hast wirklich Mut, dieses scheußliche rote Ding da anzuschleppen.«

    »Aber Laura, der Sessel ist das einzige Erinnerungsstück von meiner Oma. Wie du gerade siehst, hat ihn schon jemand in Besitz genommen.« Demonstrativ vergrößerte ich mich um das doppelte, haute meine Krallen in das Polster und schnurrte wie ein Riesentiger.

    Laura schaute mich groß an: »Okay, kleine Katzendame, mach dir einen schönen Nachmittag, aber heute Abend musst du wieder nach Hause gehen.« Man musste ihr nur noch beibringen, dass ich schon zu Hause war. Das Haus war wie gemacht für mich. Laura und Sebastian waren wie gemacht für mich. Besonders Sebastian kam, sah und siegte, und der rote Sessel erst!

    So plätscherten die Stunden dahin. Die drei schufteten, was das Zeug hielt. Der rote Sessel wurde einschließlich mir, denn keine zehn Pferde hätten mich da wieder weggekriegt, ins Wohnzimmer getragen. Die andere Ecke im Wohnzimmer gefiel mir aber besser, wegen der Aussicht in den Garten. Also setzte ich mich in besagte Ecke und maunzte sofort los, aber richtig laut. Laura fragte mich, ob ich Schmerzen hätte, Holger meinte, mein Magen würde sich melden.

    Mein Sebastian meinte genau das Richtige: »Alles Quatsch, Madame möchte den Sessel in diese Ecke haben.« Gesagt, getan, mein Maunzen war schlagartig beendet. Aber Holgers Idee mit dem leeren Magen fand ich auch nicht schlecht. Mein Magen führte schon Selbstgespräche. Auf meine unnachahmliche Weise manipulierte ich Holger, mit mir sein Schinkenwurstbrot zu teilen, mir gehörte die Schinkenwurst, Holger der Rest. Nach dieser tollen Mahlzeit ein bisschen ruhen, dann das Haus und den Garten ansehen. Wenn bloß das nervige Rumgerenne aufhören würde, morgen ist schließlich auch noch ein Tag. Zugegeben, die kleine Laura hats voll drauf. Das Riesenhaus wird immer gemütlicher. Den schönen Fensterplatz musste ich mehrmals mit vollem Körpereinsatz verteidigen, mit Knurren und Fauchen, das ganze Programm. Laura meinte allen Ernstes, ihre alberne Yuccapalme wäre im Wohnzimmer ein Blickfang.

    Das war natürlich Unsinn. Roter Sessel mit schwarzer Katze, mit eleganter, stromlinienförmiger, bildschönen schwarzen Katze, das nannte ich einen Blickfang. Dagegen konnte keine Yuccapalme anstinken.

    »Ich mache Milchkaffee, mit schönem Milchschaum«, rief Laura aus der Küche, »Sebastian, Holger, ihr auch einen?« Vom Sessel stromerte ich in direkter Linie in die Küche und maunzte, Milchschaum war auch was für mich. Laura stellte mir ein Schälchen mit Wasser hin. Es war zum Verzweifeln, so kam ich auch nicht weiter. Jetzt wartete ich, bis jeder seinen eigenen Milchkaffee vor sich hatte. Dann sprang ich auf den Tisch, haute mit meiner Pfote voll in Sebastians Tasse und leckte dann genüsslich den Milchschaum ab. Herrlich. Die drei schüttelten sich vor Lachen. Laura wischte sich die Lachtränen aus den Augen und meinte, mir könne geholfen werden. Sie verschwand in der Küche und kam mit einer kleinen Puppentasse voll mit herrlich geschlagenem Milchschaum.

    »Kindheitserinnerungen«, sagte Laura. »In meiner Kindheit habe ich daraus immer meinen Kakao getrunken. Jetzt bekommt sie wieder eine sinnvolle Funktion« Mein Herz lief über, ich musste sie immer wieder anschauen und vor lauter Schnurren habe ich mich an meinem Milchschaum verschluckt. Für den ersten Tag hatte ich viel erreicht, einen eigenen Sessel und eigenes Geschirr, was wollte ich mehr?

    »Trotzdem sollten wir uns erkundigen, ob jemand die kleine Katze vermisst. Ich werde ein paar Zettel aufhängen.« Laura ist schrecklich pragmatisch und unglaublich rechtschaffen. »In den nächsten Tagen könnte man auch beim Tierarzt vorbeischauen.« Meine Alarmsignale leuchteten rot. Wieder diese dunkle Erinnerung, ein schlechtes Gefühl, aber keine Bilder in meinem Kopf. Es bestand dringender Handlungsbedarf. Aber nicht am ersten Abend. Sollte sie doch ihre sinnlosen Zettelchen aufhängen … Käme ich nicht mehr nach Hause, die zwei würden nichts unversucht lassen, mich zu wiederzufinden. Ein gutes Gefühl.

    Abends wurden noch Pizzen bestellt. Mein Abendessen bestand aus Thunfisch von allen dreien. Mein Bauch war rund, satt und zufrieden. »Ausnahmsweise«, sagte Laura. »Morgen gehen wir ordentlich einkaufen«, meinte Sebastian »auch Katzenessen, halbe Schweine und so.« Wir grinsten. Noch eine Zeit lang mit Holger schmusen, sein Bäuchlein ist dafür genau richtig. Dann wollte Holger nach Hause. Schade. Ich inspizierte den Garten. Zu meiner Freude begleitete Laura mich. »Siehst du den Fischteich, kleine Katze? Die Fische darin sind noch von meiner Oma, genau wie das Haus.« Der Fischteich interessierte mich. Langsam kamen goldene Rücken zum Vorschein. In meinen Augen brannte pure Mordlust.

    »Sie haben alle Namen«, plapperte Laura munter los, »der hier ist Sparrow, der mit der angenagten Flosse ist Morgan, mit dem schwarzen Fleck unter dem Kinn ist Blackbeard und der mit dem schwarzen Auge ist Störtebecker, alles meine Kapitäne.«

    Störtebecker war der dickste. Meine Mordgier paarte sich mit meinen Mordphantasien. Auf denen lag Störtebecker auf einem weißen Teller, ein Schuss kaltgepresstes Olivenöl und einen Hauch Knoblauch, als Krönung ein Bündel Petersilie.

    »In Störtebeckers Magen«, sinnierte Laura, »sieht es aus wie im Magen eines weißen Hais. Wespen, Hornissen, Autoschilder, Bauschrott, Kronkorken, Schrauben und dergleichen. Er frisst einfach alles.« Meine Wenigkeit hätte ihn gerne obduziert, aber ich weiß nicht, ob der Vorschlag gut angekommen wäre. »Freundet euch schon mal an.« Riesenidee Laura. Nur zum Vergleich, dachte ich, du gibst einem Vampir eine Blutwurst und sagst, die darfst du nur als Puppe benutzen, kuscheln und liebhaben soll er die Blutwurst auch noch. Er wäre überfordert, ich an seiner Stelle wäre es. Ich drehte mich noch einmal um und sagte voller Boshaftigkeit »Man sieht sich.«

    Hatte Störtebecker mir gerade zugezwinkert?

    Der Garten war wunderhübsch, grüne Wiese, zwei blühende Kirschbäume. Tulpen und Narzissen wetteiferten darum, wer am schönsten blühte. Bei den Narzissen war ein geeigneter Platz für meine dringenden Geschäfte, alles musste seine Ordnung haben. Es gab mindestens zehn Plätze, die zum träumen und dösen einluden. Ein Paradies. Singvögel, die leider viel zu hoch in den Bäumen saßen, unerreichbar. Na ja, man kann nicht alles haben, aber ich war wachsam und hatte viel Geduld. Für diesen Abend reichte es, ich gehe mit Laura überglücklich ins Haus zurück, platziere mich in meinem Sessel und warte, dass der Fernseher eingeschaltet wird.

    Die Singvögel zwitscherten den neuen Tag ein, es wurde gerade hell. Im Haus war es noch ruhig, aber das ließ sich ja ändern. Lautstark begehrte ich Einlass ins Schlafzimmer. Laura öffnete mir schlaftrunken die Tür. Mit zwei Sätzen war ich bei Sebastian im Bett, Laura schlurfte nach und schlief umgehend wieder ein. Sebastian musste ich mir zuerst noch zurecht kneten, dann stimmte alles. Zusammen geringelt lag ich an seinem Bauch und schlief zufrieden ein.

    Disharmonische, unmelodiöse Töne weckten uns alle auf. »Frau Becker lässt ihre neue Bordeaux Dogge in den Garten«, stellte Laura fest.

    »Ist es denn schon Tag?«, maulte Sebastian ins Kissen. Dem konnte ich nur zustimmen, aber meine Neugier war größer. Im Schnellgang stürmte ich die Treppe hinunter und hinten durch die Terrasse in den Garten. Was ich sah, verschlug mir den Atem. Eine Mischung zwischen einem roten, wirklich sehr großen Briefkasten und einen Lachsack. Ein Riesending von der Größe eines Ponys, noch nicht ganz erwachsen, ein Teenager sozusagen. Neugierig ging ich ihn auf ihn zu. Das seltsame, unmelodiöse Husten nannte man Bellen. Sein Kopf war so groß, dass ich mich locker in seiner Schnauze bei Regen unterstellen könnte. Wirkte nicht unsympathisch. Jetzt kam es darauf an positiv rüberzukommen, erinnerte mich an die Gebärdensprache, wenn die Hunde sich auf der Straße begrüßten. Ganz langsam betrat ich sein Gelände. Das war jetzt ein heißes Eisen. Ein Fehler von mir und der Schuss ging nach hinten los. Ein Stück vor mir setzte er sich hin und wir sahen uns an. Sein Frauchen erschien auf ihrer Terrasse. »Na Sam, hast du schon Freundschaft geschlossen?« Also Sam hieß er. »Vielleicht gehört die kleine Katzendame zur Nachbarschaft, dann könnt ihr euch öfter sehen.«

    Laura kam in den Garten geschlendert: »Guten Morgen, Frau Becker. Fühlt Sam sich schon wohl bei Ihnen? Wenn ich das so sehe, beherrscht er höfliche Konversation schon gut.«

    »Guten Morgen Laura, er ist jetzt eine Woche bei uns, wir glauben, dass er ein guter Hund ist. Gehört die kleine Katze zu euch? Wenn ich das richtig beobachte, hat Sam die Katze schon ins Herz geschlossen. Mein Mann und ich sind sehr froh, dass Sebastian und du in das Haus deiner Oma gezogen seid. Das freut uns aufrichtig.«

    »Ob es unsere Katze ist«, sagte Laura, »muss sich erst noch herausstellen. Sie kann irgendwo weggelaufen sein.« Dann erzählte Laura Frau Becker die Geschichte mit dem roten Sessel, ohne etwas wegzulassen. Frau Becker antwortete: »Die Zettelchen kannst du meinetwegen aufhängen. Aber mach dir keine Hoffnung, wie ich das sehe hat sie euch adoptiert, da habt ihr sowieso verloren.«

    »Sebastian würde sie ohnehin nicht mehr hergeben«, meinte Laura, »die kleine Madame hier gehört jetzt schon zu uns. Schönen Tag noch Frau Becker.« Sam und ich sahen uns noch ein paar Augenblicke an, dann ging ich zurück in meinen Garten.

    Fürs Erste ein voller Erfolg. Sam blickte mir nach und schickte dieses seltsame Husten hinterher. Das sollte wohl heißen, wann kommst du wieder? Lass mich erst mal frühstücken, dachte ich dann sehen wir weiter.

    Sebastian hatte den Tisch gedeckt. Toll. Das sah richtig gemütlich aus, sogar einen kleinen Teller für mich konnte ich entdecken. Sebastian ist noch verrückter als ich dachte. In Ermangelung richtigen Katzenfutters durfte ich mir vom Frühstück aussuchen, was ich natürlich schamlos ausnutzte. Käse, Butter, Schinkenwurst, alles auf meinem kleinen Teller. Die Portion war maßlos, aber ich beschloss, dass mir erst hinterher schlecht sein sollte, und genoss das Frühstück einfach nur.

    Nach dem Frühstück beschlossen Laura und Sebastian einkaufen zu gehen. »Hör mal zu, kleine Schwarze«, meinte Sebastian, »wir müssen einkaufen, du bist dann eine Zeit lang alleine, kommst du klar damit?« Keine Ahnung, was er meinte, aber auf alleine sein hatte ich gerade keine Lust.

    »Wir müssen nämlich die Terrassentür schließen und du bist dann ca. zwei Stunden allein in der Wohnung.« Gnädig entließ ich sie, schaute ihnen zu, wie sie in ihr Auto einstiegen und wegfuhren. Was meinte Sebastian mit zwei Stunden? Wie lange sind zwei Stunden? Keine Ahnung. Wenn man Zeit hat, sollte man sie positiv nutzen, eine Hausinspektion war jetzt genau das Richtige. Waren jetzt zwei Stunden um? Sam bellte, tolle Abwechslung. Meine Idee war, Sam zu besuchen, um ihm von meinem tollen Frühstück zu erzählen. Die Terrassentür war verschlossen? Geradewegs die Gardinen hoch, ich musste mir erst von oben einen Überblick verschaffen. Nirgendwo war ein offener Ausgang. Die Gardine schaukelte bedenklich hin und her, wie kam ich da bloß wieder runter?

    Waren jetzt zwei Stunden um? Langsam rutschte ich an der Gardine runter. Es entstanden ganz neue Muster. Laura hing hoffentlich nicht allzu sehr daran. Das blöde Glasding auf der Fensterbank behinderte mich beim Landen. Es knallte auf den Boden. Interessante Glasmuster entstanden, aber Lauras Sichtweise war bestimmt eine andere. Waren jetzt zwei Stunden um? Planlos rannte ich durch die Wohnung, fand mich in der Gästetoilette wieder und ließ meine Wut an der Papierrolle aus. Eigentlich wollte ich mir nur ein Stück mitnehmen, aber das Ding schien unendlich zu sein. Nach einer kompletten Runde durch die Wohnung und zweimal um den Esstisch war dann Feierabend. Waren jetzt zwei Stunden um?

    Jetzt stand noch ein Toilettengang bevor, was machte ich bloß? Die Yuccapalme wurde kurzerhand zur Toilette umfunktioniert. Es entstand kein Schaden, den man nicht mit Kehrschaufel und Besen lösen könnte. Waren jetzt zwei Stunden um?

    Mein Weg führte mich in die Küche, ich leckte alle Teller ab und hatte aus Wut mein Wasserschälchen umgeworfen. Das blöde Klopapier um den Esstisch hinderte mich daran, in einem Satz auf den Esstisch zu springen. Überflüssigerweise rutschte auch noch die Tischdecke runter, langsam wurde es richtig ungemütlich. Waren jetzt zwei Stunden um? Nicht einmal der Sessel machte mir noch Spaß, ich setzte mich unter den Sessel und fühlte hilflose Panik in mir aufsteigen. Waren jetzt zwei Stunden um? Die Haustür ging auf. In mir machte sich ein wahnsinniges Glücksgefühl, aber auch das Gegenteil bemerkbar. Vielleicht machten sie zuerst die Terrassentür auf, dann konnte ich für ganz lange Zeit verschwinden. Dann würde ich einfach solange wegbleiben, dass sie sich Sorgen um mich machten. Laura und Sebastian standen im Wohnzimmer und sahen sich alles an. Unter dem Sessel war ich hoffentlich unsichtbar.

    »War wohl ein Fehler die Terrassentür zu schließen,« meinte Sebastian.

    »Schau mal Sebastian, dieses schreckliche Glasungeheuer hat sich von selbst erledigt. Jetzt kann ich es ganz offiziell entsorgen.«

    »Und ich wollte schon immer wissen, wie lang eine Klopapierrolle ist, Laura, wo ist das kleine Monster überhaupt?« Sebastian kam mit Kehrschaufel und Besen. »Erstmal alles wegkehren, wegen der Verletzungsgefahr, das war eine gute Lektion, Laura. Wir lassen eine richtige Katzenklappe einsetzen.« Keine Ahnung, was eine Katzenklappe war, ich hörte nur, dass sie nicht richtig böse auf mich waren.

    Eine Zeit lang waren die beiden mit Aufräumen beschäftigt. Unter meinem Sessel konnte ich sie beobachten und die Stimmung ausloten. Laura öffnete die Terrassentür, ich war schon auf dem Sprung nach draußen. »Jetzt mache ich uns erst mal einen schönen Milchkaffee mit einem ordentlichen Turm aus Milchschaum.« Das war jetzt echt fies von Laura. Sollten sie mich doch ausschimpfen. Rausrennen und stundenlang schmollen ging mit einer ordentlichen Portion Milchschaum viel besser. Zaghaft und ganz zart piepste ich unter dem Sessel hervor.

    »Schau mal an«, meinte Sebastian, »man soll es nicht für möglich halten, was eine zweieinhalb Kilo leichte Katze für Erdbewegungen machen kann.« Er nahm mich auf den Arm, ich schnurrte wie ein Weltmeister und versicherte ihnen, dass ich die Yuccapalme ganz toll fand. Dann saßen wir alle am Tisch und jeder hatte seine Tasse vor sich.

    »Ich rufe meinen Onkel an«, meint Sebastian, »er hat eine eigene Glaserei und hat für seine Katze auch schon eine Katzenklappe eingebaut. Dann ist das Problem gelöst.«

    »Das ist eine gute Idee.« Laura räumte die Tassen weg, aber erst nachdem ich mich zum hundertsten Male davon überzeugt, dass sie auch wirklich leer waren. »Sie sollte einen Namen haben, meinst du nicht auch Sebastian?«

    »Klar.«

    »Was hältst du von Laila?«

    »Schöner Name, aber wie bringst du ihn ihr bei?«

    »Immer in Verbindung mit gutem Essen.« Die Situation war wieder gerettet, jetzt spurtete ich durch die Terrassentür in den Garten. Dort saß Sam und begrüßte mich erwartungsvoll. Nachdem ich Sam die ganze Geschichte erzählt hatte, schaute er mich verständnisvoll an und legte seinen riesengroßen Kopf schief. Wir pflegten ein bisschen Konversation, dann verabschiedete ich mich und ging zurück in unseren Garten, in Richtung Fischteich. Harmlos am Rande des Teiches sitzend ließ ich ab und zu ein paar leichte Schläge aufs Wasser donnern. Für mich persönlich hieß das Spiel Fische ärgern. Zu Laura und Sebastian sagte ich natürlich, dass es Fitnesstraining sei. So ein Überlebenstraining stärkte das Selbstbewusstsein der Fische … und besonders mein eigenes.

    Wir bekamen Besuch. Sebastians Onkel Friedrich kam mit einem großen Werkzeugkasten. »Schau mal Laila«, meinte Laura, »das machen wir extra für dich.« Ich überlegte noch, was sie mit Laila meinte, da streckte Onkel Friedrich seine riesengroßen Pranken aus, um mich zu streicheln. In seinen Händen hatte ich komplett Platz, außerdem roch er sehr gut, nach Holz und Leder. Onkel Friedrich fand ich klasse.

    »Na ja, besonders groß muss die Klappe nicht sein, in ein paar Stunden ist das erledigt«, sagte er mir ins Ohr. Mein Schnurren sollte Interesse zeigen, auch wenn ich keine Ahnung hatte, worum es geht. Aber der Werkzeugkasten, der war interessant, lauter schöne, runde glänzende Dinge. Ein Paar dieser runden Dinger rauszuklauen, war ein Erfolgserlebnis.

    »Wenn du groß bist, wirst du wohl Handwerker«, meinte Onkel Friedrich. »Willst du noch ein paar Schrauben?« Klar wollte ich und schlug mit den Pfoten die Schrauben durch die komplette Wohnung.

    Nach einiger Zeit, in der gehämmert, geklopft und gesägt wurde, entstand neben der Terrassentür so ein komisches Türding. Das dauerte mindestens zwei Stunden, genau wie das einkaufen. »Siehst du Laila«, jetzt fing Sebastian auch mit dem Lailawort an, »jetzt hast du deinen eigenen Eingang nur für dich.« Ich für meinen Teil bestand auf meiner Terrassentür, bis auf das einkaufen hatte sie funktioniert. »Schau mal, Laila, Mittagessen.« Was oder wer Laila war verstand ich immer noch nicht, aber Mittagessen, das hörte sich gut an. Laura stellte mir ein schönes Schälchen mit Katzenfutter hin. War das lecker. Danach mindestens eine halbe Stunde putzen. Dann hörte ich Sam rufen, hundertprozentig über mich, über wen sollte er sonst rufen. Da hatten wir den Salat, Terrassentür zu und mein flehentliches Rufen blieb ungehört, mit dem Hinweis, ich hätte einen eigenen Eingang. Sams Bellen wurde ungeduldiger, meine Neugier wurde immer größer, dann schoss ich durch die kleine Tür nach draußen. Das war eine Ausnahme, eine Notsituation sozusagen, freut euch nicht zu früh.

    »Hallo Sam, was ist los, gibt es was Neues?«

    Ihre Präsenz spürte ich sofort. Überaus kluge, sehr grüne Augen musterten mich. Sam hatte nicht nur mit mir gesprochen. In mir machte sich ein komisches, mir vollkommen unbekanntes Gefühl breit, und genau so reagierte ich auch. Sam bekam von mir nur den Rücken zu sehen. Sam legte den Kopf schief und wartete erst mal ab.

    »Du bist eifersüchtig«, die grünen Augen gehörten zu einer unglaublich attraktiven getigerten Katzendame und ihre Stimme war weich wie Samt.

    »Ich bin nicht eiersüffig, was ist das überhaupt?«, motzte ich zurück.

    »Du hast Angst, dass Sam nichts mehr von dir wissen will. Dabei hat Sam dich gerufen, um uns miteinander bekannt zu machen.« Zustimmendes Grunzen in meine Richtung. Die Geräuschkulisse dieses riesengroßen, roten Ungeheuers war wirklich seltsam.

    »Also gut«, meinte ich unsicher, »dann stell uns mal vor.« Sam sprang zwischen uns hin und her und begrüßte uns ziemlich lautstark. »Wie heißt du?«, wollte ich wissen.

    »Ich habe keinen Namen und werde auch nie einen bekommen. Du heißt Laila, das hab ich schon mitbekommen.« Aha. Das war das also mit dem Lailawort. Es war ein Name. Woher weiß sie das?

    »Na ja, ich bin ein bisschen älter als du.« Gedanken lesen konnte sie also auch noch.

    »Warum hast du keinen Namen, warum habe ich einen?«, fragte ich voller Neugier.

    »Ich habe mich den Menschen nicht fest angeschlossen.«

    »Magst du keine Menschen«, fragte ich.

    »Doch, sehr sogar«, antwortete sie,»ich mag sie sehr gern, aber ich möchte nicht fest in einer Familie leben. Du trägst einen Namen, weil du in dieser Familie leben möchtest.«

    Sam schaute zwischen uns hin und her. Er ist ein guter Zuhörer.

    »Ja das stimmt, ich mag die beiden sehr«, hörte ich mich sagen, »ich würde dich gerne vorstellen. Laura macht unglaublich guten Milchschaum, den musst du probieren.«

    »Wie ich sehe, hast du eine gute Wahl getroffen«, meinte sie, »sogar einen eigenen Eingang. Diese Menschen sind dir wirklich zugetan.«

    »Die Terrassentür war mir lieber«, entgegnete ich schnippisch.

    »Das mag sein«, schnurrte sie, »aber der kleine Eingang bedeutet, du kannst kommen und gehen, wann immer du willst, Tag und Nacht. Die Menschen geben dir das Vertrauen selbst zu entscheiden. Das ist ein ganz besonderes Geschenk, behandle sie gut.« Ich wusste doch, dass meine Wahl die richtige war, und vor Stolz fühlte ich mich riesengroß. Sam saß zufrieden mit seinem Kauknochen zwischen uns und machte die abenteuerlichsten Schlurf und Schmatzgeräusche. Da kamen Laura und Sebastian auf die Terrasse.

    »Hallo Laila, willst du uns deine schöne Freundin nicht vorstellen?«, fragte Sebastian. Formvollendet wie eine Königin ging die Namenlose auf meine beiden zu.

    »Es freut mich sehr euch kennen zu lernen, von eurer Sorte gibt es viel zu wenig.« Laura und Sebastian streichelten sie abwechselnd. Da war es wieder, dieses seltsame Gefühl, Eiersucht oder Eifersucht, weiß der Geier, wie das Wort heißt. Ich mochte dieses Gefühl nicht, weil die Namenlose wirklich sehr nett war.

    »Für heute reicht es, ich komme morgen wieder vorbei«, sagte sie.

    »Auf einen Milchschaum?«, frage ich.

    »Auf einen Milchschaum«, verabschiedet sich die Namenlose, »bis morgen Sam.« Laura und Sebastian schauten ihr nach, bis sie um die Ecke war.

    »Sie hat kein zu Hause«, meinte Laura, »immer unterwegs, wenn es irgendwann zu viel wird, ist sie bei uns herzlich willkommen.« Das musste ich der Namenlosen unbedingt erzählen. Noch eine kleine Runde zum Fischteich, zählen, ob alle da sind und prüfen, ob mein Störtebecker gut im Futter stand. Mir kam ein super Gedanke, wenn Laura morgen die Fische füttert, werde ich zuschauen. Dann konnte ich Hypnose ausprobieren, bei Störtebecker natürlich, nicht bei Laura. Dermaßen beschwingt von meiner neuen Idee, freute ich mich jetzt auf ein gemütliches Abendessen mit hinterher stundenlangem Fernsehen.

    Irgendwann in der Nacht wachte ich auf. Sebastians Bauch hob und senkte sich, sein Herzschlag berührte mich, als wäre es nie anders gewesen. Trotzdem musste ich aufstehen und nachsehen, was los war. Runter ins Wohnzimmer. Mein Sessel war überflutet von Mondlicht. Er lud mich zum Träumen ein und war gemütlich wie immer. Mein Blick ging raus in den Garten, alles sah aus wie verzaubert, selbst die Blumen leuchteten. Da wusste ich Bescheid, die Nacht und ihr Zauber riefen nach mir. Nur noch eine gehörige Portion Mut einatmen und nachsehen, ob das kleine Türding wirklich aufgeht. Donnerwetter, die Namenlose hatte wirklich Recht. Ein kleiner Druck, die Klappe ging nach hinten auf, ich war wirklich im Garten. Ein seltsames Gefühl von zu Hause sein und Freiheit. Einen Moment ließ ich das Mondlicht auf mich wirken. Ein eigenartiges Prickeln ging durch meinen Körper, ich hatte das Gefühl, das Mondlicht streichelte mein Fell. Ein phantastisches Gefühl.

    Da, ein Geräusch! Auf ganz leisen Pfoten schlich ich von der Terrasse in den Garten. In den Ästen der Kirschbäume herrschte munteres Leben. Seltsame Viecher, lederartige Flügel mit kleinen Köpfen und großen Ohren schwirrten munter drauflos. Wenn die Lederdinger sich ausruhten, krallten sie sich an den Ästen fest und hingen dabei mit dem Kopf nach unten. Warum wurde ihnen dann nicht übel? Wenn sie sich nicht ausruhten, gaben die Lederdinger waghalsige Flugmanöver zum Besten und fingen dabei ihr Abendessen, Motten, Insekten, was sich halt so anbot. Wahnsinnig beeindruckt von so viel Können, erwachte auch mein Jagdinstinkt. Zuerst versuchte ich es mit einer Motte, meine Schläge gingen daneben. Ein bisschen Schattenboxen, ein bisschen üben, dann klappte es, die nächste Motte war meine. Berauscht zerriss ich die Motte, bis nichts mehr übrig blieb. Die Lederdinger waren auch noch unterwegs. Sie inspirierten mich. Hörte ich da ein Wispern? Mach dein Testament, die gnadenlose, unerbittliche, blutrünstige Vollstreckerin war unterwegs!

    Lautlos näherte ich mich dem Wispern, bemühte mich, keine Geräusche und im Mondlicht keine Schatten zu werfen. Zu dem Wispern kamen noch Kratzgeräusche dazu. Ein angenehmer Duft nach Frischfleisch stieg mir in die Nase.

    Eine dicke, fette Maus saß vor mir genau in meinem Blickwinkel. Meine Arbeit hatte ich anscheinend richtig gemacht, die Maus ging weiter ihrer Tätigkeit nach. Die Maus war eine Katzenlänge von mir entfernt, alle meine Sinne waren auf höchster Stufe. Im Moment gab es nichts auf der Welt außer der Maus und mir. Es war soweit. Jetzt! Ein Schlag ins Genick meiner Beute, ein Biss in den Hals, ein kurzes Fiepen, dann war Ruhe.

    Die Lederdinger jagten weiterhin, als wäre nichts passiert. Am liebsten wäre ich nach oben ins Schlafzimmer gerannt und hätte Laura und Sebastian brühwarm erzählt, was passiert war. Aber der Augenblick war einfach zu kostbar, um ihn einfach verstreichen zu lassen. Also nahm ich meine Maus, frisch schmecken sie nun mal am besten, und begann sie ganz gemütlich auseinander zu nehmen. Die Maus schmeckte hervorragend, besonders die Leber. Einen Teil der Maus, dachte ich mir, wird ein Geschenk für Sebastian, geteilte Freude ist doppelte Freude. Bei den Narzissen machte ich noch mein Geschäft, anschließend Toilette machen, Ordnung muss sein. Plötzlich eine Bewegung ohne Geräusch. Wie funktionierte das? Die Lederdinger waren mit einem Schlag verschwunden. Wer oder was hatte so eine Macht? Ein riesengroßer Vogel saß im Kirschbaum. Seltsame große Augen, denen nichts zu entgehen schien, außerdem hatte er kleine spitze Ohren. Erinnerte mich irgendwie an eine Katze. Er beobachtete mich mit seinen faszinierenden Augen, fast schon hypnotisch. Dann richtete er den Blick auf die halbe Maus. Hypnotisch hin, hypnotisch her, die halbe Maus war leider schon versprochen.

    »Tut mir echt leid für dich, aber die ist für Sebastian und Laura, weißt du, die können das ganze Essen nicht alleine finanzieren. Aber hier im Garten sind noch genug davon.« Der intensive Blick dieses Vogels hinterließ ein mulmiges Gefühl, ich konnte seine Macht spüren. Er beobachtete mich noch eine Weile, dann flog er so geräuschlos weg, wie er gekommen war. Die Lederdinger kamen auch nicht wieder, die Restmaus nahm ich in die Schnauze und das ganze Programm rückwärts. Einmal tief Luft holen, durch das Türding, anschließend grenzenlose Erleichterung, weil es wirklich funktionierte. Oben im Schlafzimmer kam die Maus auf Sebastians Nachttisch direkt neben seine Uhr. Mit meiner Arbeit voll zufrieden, rollte ich mich an seinem Bauch zusammen und erlebte im Traum mein Jagdglück noch einmal.

    »Schau dir das an, Laura«, Sebastian hielt die halbe Maus mit zwei Fingerspitzen in die Höhe.

    »Das ist ja schauderhaft«, meinte Laura und schüttelte sich. Die Freude über mein Geschenk ließ zu wünschen übrig.

    »Aber Laura, weißt du, was das heißt? Laila teilt ihre Jagdbeute mit mir. Jetzt weiß ich, dass sie hier zu Hause ist. Vielen Dank für den netten Sonntagsbraten, finde ich ganz toll, dass du an mich«, er warf einen Seitenblick auf Laura, »an uns gedacht hast.« Na also, geht doch, ich kuschelte mich zwischen die zwei und erzählte ihnen schnurrend die ganze Geschichte. Laura hatte sich so geschüttelt. Abgehangenes Mausfleisch war dann nichts für sie. Das nächste Mal wäre eine lebende Maus vielleicht angebracht. Die hält länger und die können sie essen, wann sie wollen.

    Beim gemütlichen Wurst-Käse-Butter-alles auf meinem kleinen Teller-Frühstück erzählten Laura und Sebastian, dass sie am nächsten Tag, den sie Montag nannten, früh raus mussten. Sie nannten es zur Arbeit fahren. Am Nachmittag wären sie dann wieder da. Das war bestimmt wieder so ein zwei Stunden Ding. Menschen mussten immer irgendwo hingehen, um ihr Leben zu regeln. Wenn die Namenlose kommt, konnte man das Problem bei einem netten Milchschaum mal erörtern.

    Laura und Sebastian waren ziemlich aufgeregt. Lauras Papa und seine Lebenspartnerin hatten sich angekündigt, um das Haus zu besichtigen. Laura erzählte, dass ihre Mama vor ein paar Jahren gestorben war. Über das Internet, keine Ahnung was das für ein Haus war, fand Papa seine neue Lebenspartnerin. Muss ein ziemlich großes Haus sein, dieses Internet. Sebastian erzählte, dass sein Auto aus dem Internet ist, und Laura meinte, Klamotten und Schuhe hätte sie auch schon im Internet bestellt. Das musste man sich wohl so vorstellen, oben in dem Internet wohnen die Menschen, dazwischen Klamotten und Schuhe und ganz unten wohnen die Autos, weil die keine Treppen steigen können. Ganz schön praktisch.

    Nach dem Frühstück ging Laura in den Garten, in der Hand eine Dose mit Fischfutter. Das wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Laura klopfte mit der Dose auf den Rand des Teiches und rief jeden einzelnen mit seinem Namen. »Sparrow, Blackbeard, Morgan, Störtebecker, es gibt Frühstück.« Da waren sie alle, diese »Möchtegern Haie«, stellten sich an, als wären sie ausgehungert. Laura streute Futterflocken aufs Wasser. Gnadenlos jagten sie das Futter, der schlimmste und brutalste war natürlich Störtebecker. Er war ganz groß im Kollegen wegboxen, um an die besten Flocken zu kommen. Nicht mal ansatzweise bekam ich Blickkontakt. Die Nummer mit der Hypnose konnte ich vergessen. Die vier hatten einfach unmögliche Tischmanieren. Aber das Futter musste gut sein, ich wollte auch ein paar Flocken. Laura

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1