Angst machte sie stumm: Sophienlust 290 – Familienroman
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Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Der Mann richtete sich keuchend auf und fluchte wütend vor sich hin, denn dieser eine Ski versank immer tiefer in dem schweren Nassschnee. Nun waren schon über fünf Minuten vergangen, seit seine rechte Bindung aufgegangen war, und er hatte es noch immer nicht geschafft, den Ski wieder anzuschnallen. Durch eine kleine Unachtsamkeit war die Bindung aufgesprungen, der Ski hatte sich vom Schuh gelöst und war sofort im Schnee versunken. Inzwischen lag er noch viel tiefer vergraben im Schnee als zuvor. Otto Ecker war nahe daran, die Nerven zu verlieren. Die Dämmerung sank schon herab. In kurzer Zeit würde es stockfinster sein, und die verlassene Almhütte war noch ein gutes Stück entfernt von hier. Welch eine Ironie des Schicksals wäre es, wenn er sich tatsächlich im Dunkeln verirren und im Wald erfrieren würde. Nein, das durfte nicht geschehen. Schließlich war er ein geübter und erfahrener Skiläufer. Er durfte sich nur nicht aus der Ruhe bringen lassen. Otto Ecker nahm beide Stöcke in die linke Hand, rutschte mit dem linken Ski seitlich ab, legte sich in den Schnee und grub den zweiten Ski aus. Dann rutschte er weiter, bis er zu einigen dicht nebeneinanderstehenden Bäumen kam. Dort fand er Halt. Es gelang ihm, in den rechten Ski zu steigen, die Bindung klickte ein. Das war geschafft! Otto Ecker atmete auf. Er grinste hämisch. Jetzt würde nichts mehr den Erfolg seines bis ins Detail ausgetüftelten Planes vereiteln. Den Weg zur Hütte konnte er, solange es noch halbwegs hell war, nicht verfehlen.
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Angst machte sie stumm - Elisabeth Swoboda
Leseprobe:
Neuanfang
LeseprobeAuf dem kleinen Flugplatz herrschte emsiges Treiben. Viele Hobbypiloten waren gekommen, um das Wochenende und das schöne Wetter für ein paar Flugstunden zu nutzen oder um die Maschinen zu pflegen und durchzuchecken. Soeben wurde ein motorloser Segelflieger von einem Schleppflugzeug in die Höhe gezogen. Wenke Hellström beobachtete fasziniert, wie sich die Fahrwerke der beiden Flugzeuge von der Startpiste lösten und ihren Flug nach oben aufnahmen; der leichte Segler durch ein Schleppseil mit seinem größeren, motorisierten Bruder verbunden. Irgendwann würde er sich von ihm trennen und in ein hinreißendes Wechselspiel aus elegantem Gleitflug und dem Steigen im Aufwind eintauchen. Als begeisterte Seglerin wusste Wenke einen guten Wind zu schätzen und liebte das Spiel mit ihm – allerdings auf dem Wasser und nicht in der Luft. Schon als kleines Kind war das Segelboot ihr zweites Zuhause gewesen. Diese Leidenschaft hatte sie nie verloren, auch wenn man das nach den jüngsten Ereignissen vermuten dürfte. Es waren fast zwei Wochen vergangen, seit sie zusammen mit Lars bei einem schweren Unwetter in Seenot geraten war. Während es ihm gelang, am gekenterten Boot zu bleiben, wurde sie abgetrieben und galt vier endlos lange Tage als vermisst. Seit etwas mehr als einer Woche war Wenke nun zurück. Lars, ihr Lars hatte sie gerettet! Aus den Händen des merkwürdigen Karl Aresson, der Strandgut sammelte und sie nicht von seinem Hof hatte fortlassen wollen. Nein, verständlicherweise hatte Wenke bislang noch keinen großen Drang verspürt, wieder eine Segeltour zu unternehmen. Seit sie wieder in Lündbjorg war, fühlte sie sich wie in einem Kokon eingesponnen, aus dem sie nicht richtig herauskam. Obwohl sie sich bemühte, es niemanden merken zu lassen. Die Ereignisse auf der abgelegenen Landzunge auf dem Hof von Karl Aresson hatte sie tief in sich verschlossen. Etwas in ihr weigerte sich, darüber zu sprechen. Selbst mit Lars konnte sie darüber nicht reden. Ihr Wiedersehen mit ihm war unaussprechlich und innig gewesen.
Sophienlust
– 290 –
Angst machte sie stumm
Was ist der kleinen Mimi zugestoßen?
Elisabeth Swoboda
Der Mann richtete sich keuchend auf und fluchte wütend vor sich hin, denn dieser eine Ski versank immer tiefer in dem schweren Nassschnee. Nun waren schon über fünf Minuten vergangen, seit seine rechte Bindung aufgegangen war, und er hatte es noch immer nicht geschafft, den Ski wieder anzuschnallen.
Durch eine kleine Unachtsamkeit war die Bindung aufgesprungen, der Ski hatte sich vom Schuh gelöst und war sofort im Schnee versunken. Inzwischen lag er noch viel tiefer vergraben im Schnee als zuvor.
Otto Ecker war nahe daran, die Nerven zu verlieren. Die Dämmerung sank schon herab. In kurzer Zeit würde es stockfinster sein, und die verlassene Almhütte war noch ein gutes Stück entfernt von hier. Welch eine Ironie des Schicksals wäre es, wenn er sich tatsächlich im Dunkeln verirren und im Wald erfrieren würde. Nein, das durfte nicht geschehen. Schließlich war er ein geübter und erfahrener Skiläufer. Er durfte sich nur nicht aus der Ruhe bringen lassen.
Otto Ecker nahm beide Stöcke in die linke Hand, rutschte mit dem linken Ski seitlich ab, legte sich in den Schnee und grub den zweiten Ski aus. Dann rutschte er weiter, bis er zu einigen dicht nebeneinanderstehenden Bäumen kam. Dort fand er Halt. Es gelang ihm, in den rechten Ski zu steigen, die Bindung klickte ein. Das war geschafft!
Otto Ecker atmete auf. Er grinste hämisch. Jetzt würde nichts mehr den Erfolg seines bis ins Detail ausgetüftelten Planes vereiteln. Den Weg zur Hütte konnte er, solange es noch halbwegs hell war, nicht verfehlen. Erst vor zwei Tagen war er dort gewesen und hatte sich davon überzeugt, dass die Hütte seit dem letzten Winter nicht abgerissen worden war.
Nach einer viertelstündigen Skiwanderung durch den stillen einsamen Wald erreichte Otto Ecker das kleine, aus dicken Stämmen fest zusammengefügte Häuschen. Er drückte die Türklinke herab, denn er wusste, die Tür war unversperrt. Von einem Wandsims neben der Tür nahm er eine dicke weiße Kerze. Auch Streichhölzer waren, wie er wusste, vorhanden. Er brauchte nicht einmal sein Feuerzeug benützen. Im Schein der Kerze sah er sich um und nickte befriedigt. Alles war noch so wie vor zwei Tagen. Neben dem alten eisernen Ofen lagen Holzscheite und ein Stoß alter Zeitungen, säuberlich zusammengefaltete Decken waren auf einer rohen Holzpritsche aufgestapelt.
Offensichtlich diente diese Hütte einem Wildhüter gelegentlich zum Übernachten. Otto Ecker hatte sie durch einen Zufall vor ein paar Jahren entdeckt, aber danach bald wieder vergessen und niemandem davon erzählt. Dies erwies sich jetzt als ein unschätzbarer Vorteil. Morgen früh konnte er angeben, dass er die Hütte erst an diesem Tag gefunden und dass sie ihm das Leben gerettet habe, nachdem er stundenlang im Wald umhergeirrt und bereits halb erfroren gewesen sei.
Otto Ecker entledigte sich seines Anoraks, nahm aus der Brusttasche eine Tafel Schokolade und zwei Orangen und legte diesen Proviant neben die Pritsche. Er hätte den beiden Orangen einen tüchtigen Schluck Whisky vorgezogen, aber er hatte beim Aufbruch bewusst darauf verzichtet, die flache Touristenflasche zu sich zu stecken. Er durfte nichts riskieren. Eine Alkoholfahne am Morgen konnte er nicht brauchen. Sie würde, wenn schon nicht Misstrauen, so doch Abneigung hervorrufen. Er aber wollte Sympathie und Mitleid erwecken. Zu einem verzweifelten Vater, der sich anklagte, durch eigene Schuld sein einziges, innig geliebtes Kind verloren zu haben, passte Whiskydunst einfach nicht.
Otto Ecker krempelte sich die Ärmel auf und heizte ein. Bald flackerte ein lustiges Feuer in dem Eisenofen. Die Fichtenscheite knisterten und verbreiteten einen angenehmen Geruch sowie eine wohlige Wärme. Otto rieb sich zufrieden die Hände. Dann öffnete er die Haustür einen Spalt und sah hinaus.
Draußen war es inzwischen finster geworden. Im Lichtschein, der durch die Tür ins Freie fiel, sah Otto, dass es zu schneien begonnen hatte. Der Schnee fiel in dichten großen Flocken vom Himmel.
Morgen bin ich eingeschneit, dachte Otto Ecker. Da ich meine Ski habe, schadet es nichts. Im Gegenteil, der Neuschnee verwischt meine Spur. Niemand wird beweisen können, dass ich nicht stundenlang herumgeirrt bin, bevor ich die Hütte gefunden habe. Ich hatte eben unwahrscheinliches Glück, während Monika, das arme hilflose Kind, leider Pech hatte, keinen Unterschlupf fand und in der kalten Winternacht erfrieren musste. Ob es schon so weit war? Ob sich das Mädchen, von Müdigkeit überwältigt, in den Schnee gekauert hatte und eingeschlafen war? Oder stolperte es noch immer umher und schrie nach seinem Vater?
Ein plötzlicher Windstoß wirbelte Otto Ecker einige nasskalte Schneeflocken ins Gesicht, ein Schauer lief über seinen Rücken. Hastig schlug er die Tür zu und legte Holz nach, bis das lange schwarze Ofenrohr zu glühen begann. Mit Gewalt unterdrückte er die aufkeimenden Regungen seines Gewissens und damit die letzten Reste seines besseren Ichs. Jetzt war es sowieso schon zu spät. Es hatte keinen Sinn, in den Schneesturm hinaufzulaufen und nach Monika zu suchen. Er musste an sich selbst, an sein eigenes Überleben denken. Der Abstieg morgen früh ins Tal würde schwierig genug sein. Er würde aufpassen müssen, dass er nicht in unwegsames Gelände geriet und in einer Felsenschlucht landete. Er kannte sich zwar hier in Südtirol aus, aber trotzdem war Vorsicht geboten. Selbst eine verhältnismäßige Kleinigkeit wie ein gebrochener Fuß konnte ihm hier das Leben kosten. Und dieses Leben sollte erst ab morgen so richtig beginnen. Natürlich würde er sich anfangs zurückhalten und den leidgeprüften Vater spielen müssen, schon Herta zu Gefallen und um keinen Argwohn zu erregen.
Otto Ecker schnitt eine Grimasse. Eigentlich war Herta, seine Frau, an allem schuld. Sie hatte ihn dazu gebracht, dass er nur noch Hass gegenüber Monika empfunden und die Gegenwart des Kindes kaum mehr hatte ertragen können.
Otto Ecker schüttelte nun jeglichen Gedanken an das Kind ab, dem er hier im Urlaub auf einer abgelegenen unmarkierten Tiefschneerinne in einer waghalsigen Schussfahrt davongefahren war. Er dachte jetzt an seine Frau. Warum hatte sich Herta zu einem Geizkragen entwickelt und ihm keinen Cent vom Vermögen ihrer Schwester gegönnt? Aber nein, sie hatte sich nicht von der fixen Idee abbringen lassen, dass alles Monika gehöre und für sie aufgehoben werden müsse. Und dabei war sie selbst doch die rechtmäßige Erbin. Aber sie wollte nichts davon hören, dass er sich das Leben mit dem Geld leichter machen könnte. Er sollte sich weiter als Angestellter abrackern, statt eine eigene Firma zu gründen. Eine Reise in die Südsee hatte Herta als verwerfliche Verschwendung bezeichnet, ein neuer, größerer Wagen war für sie nicht infrage gekommen. Alles sollte im alten Trott weitergehen. Das Geld sollte nicht angerührt werden. Was für ein Narr war er doch gewesen, dass er das Kind, das nicht sein eigenes war, fast sechs Jahre hindurch ernährt und gekleidet hatte. Damit war nun endgültig Schluss.
Otto Ecker breitete eine Decke über die Pritsche, streckte sich darauf aus und verzehrte genüsslich die Schokolade und die beiden Orangen. Bald danach lag er in einem tiefen traumlosen Schlaf.
*
Fabian Schöller gähnte herzhaft, dann tätschelte er seiner Dogge Anglos freundschaftlich den Kopf. Daraufhin stupste der Hund sein jugendliches Herrchen auffordernd mit der Schnauze an und winselte leise. Das kluge Tier wusste, dass lautes Gebell zu einer so frühen Stunde unerwünscht war. In dem alten weiträumigen Herrenhaus, das das