So sehr gewünscht – so sehr geliebt: Mami 1962 – Familienroman
By Lisa Simon
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Mit kritischem Blick überprüfte Filialleiter Friedrich Bock die Stapel ordentlich zusammengelegter Mohairpullover im Regal seines Bekleidungsgeschäftes. Unsaubere Arbeit fiel ihm sofort ins Auge und wurde umgehend mit einer entsprechenden Rüge bestraft. Doch diesmal schien er zufrieden zu sein und die beiden Verkäuferinnen Daniela Sievers und Nadine Hagen atmeten erleichtert auf. »Der Chef ist heute mal wieder besonders genau«, raunte Nadine der Kollegin zu, die auch gleichzeitig eine gute Freundin war. »Heute kommt doch Herr Waldheim persönlich vorbei.« Danielas Herz begann unwillkürlich schneller zu schlagen. Ihr war schon öfters aufgefallen, daß Olaf Waldheim, der Besitzer der Ladenkette, ihr bewundernde Blicke zuwarf. Der Mann war ungefähr zwanzig Jahre älter als Daniela, sah jedoch umwerfend gut aus und hatte eine athletische, gut durchtrainierte Figur. Insgeheim schwärmte Daniela für Olaf Waldheim, träumte davon, daß er eines Tages vor ihr auf die Knie fallen und ihr seine heimliche Liebe gestehen würde. Immerhin war Daniela mit ihren zwanzig Jahren noch nie in ihrem Leben richtig verliebt gewesen. Nadine stieß ihren Ellenbogen unsanft in Danielas Seite und zischte: »Sag' mal, wo bist du gerade mit deinen Gedanken? Herr Bock hat eben zu uns gesagt, daß wir morgen mit der Inventur beginnen sollen – und du grinst ihn auch noch dankbar an!« »Entschuldige«, murmelte Daniela verlegen und wurde prompt rot. »Ich war tatsächlich mit meinen Gedanken ganz woanders. Hat der Chef wirklich gesagt, wir sollen schon morgen mit der Inventur anfangen?« Nadine nickte heftig. »Und zwar nach Feierabend – und dabei wollte ich morgen endlich mal wieder ins Fitneßcenter gehen…« Eine gutgekleidete Dame hatte die kleine, jedoch exklusive Boutique betreten und blickte sich suchend um.
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So sehr gewünscht – so sehr geliebt - Lisa Simon
Leseprobe:
Geheimnisse
LeseprobeGreta van de Jong verließ das Seniorenheim und trat auf die Straße. Es war ein sonniger Septembernachmittag, im nahen Park spielten Kinder. Das Laub der Linden, die am Ufer des Ententeichs wuchsen, färbte sich allmählich bunt. Ein vertrockneter Samenstand segelte wie eine verirrte Erinnerung an den Sommer an ihr vorbei und landete lautlos im Rinnstein. Lichtreflexe sprenkelten das Teichwasser golden. Eine junge Frau saß auf einer Bank und las. Erbeerrosa funkelte das Licht in einem ihrer Ohrringe. »Erbeereis«, murmelte Greta. Noch immer lieferten sich die Gedanken in ihrem Kopf eine Schlacht und wirbelten wild durcheinander. Was war nur los mit der Realität eines ganz normalen Dienstags im September? Eben noch war ihre Welt im Einklang gewesen, sozusagen rund gelaufen wie der Motor eines gut gepflegten Oldtimers. Und jetzt hatte sie das absonderliche Gefühl, von einem übelgelaunten Magier in einen riesigen Staubsauger gezogen worden zu sein, wo alles und jeder in einem irren Kreisel aus Verwirrung und Verrücktheit herumgewirbelt wurde, sozusagen eine Endlosschleife des Wahnsinns. Per war nicht Per. Es gab keine Henni, die er im Heim besucht hatte. Mit wem aber hatte sie, Greta, die letzten Nachmittage im Heim verbracht, mit Einbildungen, Illusionen, Spiegelbildern ihrer Phantasie? Sie lehnte es ab, das auch nur in Erwägung zu ziehen. Sie war so klar im Kopf wie immer und die Bürofrau im Heim eine Lügnerin. Nur so ergab das Ganze ein Bild, auch wenn es scheinbar sinnlos war. Doch wie hatte ihr literarischer Lieblingsdetektiv Sherlock Holmes es immer ausgedrückt?
Mami
– 1962 –
So sehr gewünscht – so sehr geliebt
Leid bleibt Daniela dennoch nicht erspart
Lisa Simon
Mit kritischem Blick überprüfte Filialleiter Friedrich Bock die Stapel ordentlich zusammengelegter Mohairpullover im Regal seines Bekleidungsgeschäftes. Unsaubere Arbeit fiel ihm sofort ins Auge und wurde umgehend mit einer entsprechenden Rüge bestraft. Doch diesmal schien er zufrieden zu sein und die beiden Verkäuferinnen Daniela Sievers und Nadine Hagen atmeten erleichtert auf.
»Der Chef ist heute mal wieder besonders genau«, raunte Nadine der Kollegin zu, die auch gleichzeitig eine gute Freundin war. »Heute kommt doch Herr Waldheim persönlich vorbei.«
Danielas Herz begann unwillkürlich schneller zu schlagen. Ihr war schon öfters aufgefallen, daß Olaf Waldheim, der Besitzer der Ladenkette, ihr bewundernde Blicke zuwarf. Der Mann war ungefähr zwanzig Jahre älter als Daniela, sah jedoch umwerfend gut aus und hatte eine athletische, gut durchtrainierte Figur.
Insgeheim schwärmte Daniela für Olaf Waldheim, träumte davon, daß er eines Tages vor ihr auf die Knie fallen und ihr seine heimliche Liebe gestehen würde. Immerhin war Daniela mit ihren zwanzig Jahren noch nie in ihrem Leben richtig verliebt gewesen.
Nadine stieß ihren Ellenbogen unsanft in Danielas Seite und zischte: »Sag’ mal, wo bist du gerade mit deinen Gedanken? Herr Bock hat eben zu uns gesagt, daß wir morgen mit der Inventur beginnen sollen – und du grinst ihn auch noch dankbar an!«
»Entschuldige«, murmelte Daniela verlegen und wurde prompt rot. »Ich war tatsächlich mit meinen Gedanken ganz woanders. Hat der Chef wirklich gesagt, wir sollen schon morgen mit der Inventur anfangen?«
Nadine nickte heftig. »Und zwar nach Feierabend – und dabei wollte ich morgen endlich mal wieder ins Fitneßcenter gehen…«
Eine gutgekleidete Dame hatte die kleine, jedoch exklusive Boutique betreten und blickte sich suchend um. Sofort machte der Filialleiter eine unauffällige Kopfbewegung zu seinen beiden Verkäuferinnen.
»Ich werde die Kundin bedienen«, sagte Nadine. »Und du kannst dich derweil schon mal im Lager umsehen und unsere Bestände sortieren. Dann geht es morgen schneller mit dem Zählen.«
»In Ordnung – und viel Spaß mit der Kundin. Sie sieht aus, als wäre sie sehr wählerisch.« Daniela zwinkerte der Freundin zu und verschwand durch den roten Samtvorhang in den hinteren Teil des Geschäftes.
Während sie Kartons und Kisten mit Ware öffnete, blickte sie immer wieder zur Uhr. Sie wollte unbedingt fertig sein, wenn Olaf Waldheim der Filiale einen Besuch abstattete, um wenigstens einen Blick auf ihn werfen zu können.
Eine halbe Stunde später hatte Daniela den Bestand sortiert, so daß es am nächsten Tag zügig mit dem Zählen vorangehen konnte. Dank Herrn Bocks akribischer Genauigkeit gab es auch im Lagerraum der Boutique keine Unordnung.
Als Daniela zurück in den Verkaufsraum trat, war Nadine noch immer mit der Kundin beschäftigt. Auf einem der Verkaufstische hatte Nadine bereits einen Stapel Seidenblusen in den verschiedensten Farben ausgebreitet; doch die elegante Dame schien noch immer nicht das gefunden zu haben, wonach sie suchte.
»Frau Sievers, übernehmen Sie doch bitte«, sagte der Filialleiter leise. »Frau Hagen scheint Probleme mit der Kundin zu haben.«
Daniela konnte nur mühselig ihre Wut ausdrücken. Nadine traf keine Schuld, wenn einige Frauen so wählerisch waren und nicht das Richtige fanden.
Dankbar lächelte Nadine der Freundin zu. »Die Dame sucht eine Bluse, die eine schlanke Figur macht und zu ihrem Kaffeeservice paßt.«
Erstaunt blickte Daniela zu der etwas molligen Frau. »Ja, wie sieht denn Ihr Service aus?«
Diskret machte sich Nadine aus dem Staub, froh darüber, sich nicht mehr mit der unzufriedenen Kundin herumärgern zu müssen.
»Es ist weiß mit blauen Fresien«, erwiderte die Frau von oben herab. »Doch wie ich sehe, gibt es in diesem Geschäft nicht das Passende für mich…«
Erschrocken blickte sich Daniela um. Friedrich Block haßte nichts mehr als Kunden, die die Boutique verließen, ohne etwas gekauft zu haben – und ließ seinen Ärger darüber oft genug an den beiden Verkäuferinnen aus.
»Wie wäre es mit diesem Stück?« Daniela nahm vorsichtig eine weitere Bluse vom Bügel. »Es handelt sich um ein außergewöhnliches Einzelstück.«
Die Kundin blickte skeptisch. »Aber die ist doch viel zu bunt, Fräulein!«
»Überhaupt nicht. Sehen Sie dieses Blau? Es ist genau die Farbe von Fresien – und wenn Sie die Bluse zur Kaffeetafel tragen wollen und einen bunten Frühlingsstrauß auf den Tisch stellen, werden Sie feststellen, daß all diese Blumen auch in der Bluse vorhanden sind.«
Das schien die Frau zu überzeugen, und zog sich mit dem Kleidungsstück in eine der Umkleidekabinen zurück.
»Eine Bluse passend zum Kaffeegeschirr«, flüsterte Nadine leise. »Auf solche Ideen können aber auch nur Leute mit viel Geld kommen.«
Daniela hob die Schultern. »Hauptsache, wir werden den Ladenhüter vom letzten Jahr los.«
Die beiden jungen Frauen warfen sich einen verschwörerischen Blick zu, als die Kundin mit hochzufriedenem Blick aus der Kabine kam. »Ich danke Ihnen für die Beratung. Sie haben vollkommen recht, mit diesem Stück werde ich bei meinen Freundinnen Eindruck machen.«
Erleichtert nahm Daniela die Bluse und trug sie zur Kasse, wo Friedrich Bock schon wartete. Die Kundin zahlte den Preis von zweihundert Mark ohne mit der Wimper zu zucken und dankte mit einem Nicken zu Daniela für die fachmännische Beratung.
Herr Bock geizte zwar nie mit Kritik, jedoch häufig mit Lob. Doch diesmal sagte er: »Beeindruckend, wie Sie die letzte Bluse aus der alten Kollektion losgeworden sind.«
Bevor Daniela antworten konnte, ging erneut die Ladenglocke, und Olaf Waldheim betrat sein Geschäft. Sofort stürzte Friedrich Bock auf ihn zu und verbeugte sich leicht vor seinem Arbeitgeber.
»Guten Tag, Herr Waldheim. Möchten Sie gleich die Bücher sehen?«
Olaf Waldheim blickte sich suchend um und entdeckte Daniela, die schnell zu Nadine hinübergeeilt war, um ihr beim Aufräumen der Seidenblusen zu helfen. Dabei tat sie, als würde sie die Blicke des Mannes gar nicht bemerken.
»Nicht so hastig, Herr Bock«, erwiderte Waldheim lachend. »Erst einmal möchte ich einen Blick auf die