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Gedankenklang: Gesammelte Texte von 2002 bis 2018
Gedankenklang: Gesammelte Texte von 2002 bis 2018
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Ebook400 pages3 hours

Gedankenklang: Gesammelte Texte von 2002 bis 2018

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About this ebook

In den letzten sechzehn Jahren sind, vom Autor beinahe unbemerkt, eine große Anzahl an Gedichten, Erzählungen, Schauspielen und Reiseberichten entstanden, dazu über zweitausend Seiten Tagebuchnotizen und musikalische Einfälle.
Sie waren ursprünglich gar nicht für eine Veröffentlichung vorgesehen, doch der Verleger Walo C. Ilg ermutigte den Autor, eine Auswahl zu treffen und zu einem Buch zusammenzustellen.
LanguageDeutsch
Release dateOct 1, 2019
ISBN9783749403035
Gedankenklang: Gesammelte Texte von 2002 bis 2018
Author

Sven Hinz

Sven Hinz, geboren 1979 in Bad Arolsen (Nordhessen), besuchte von 1995 bis 1999 die traditionsreiche Landesschule Pforta in Sachsen-Anhalt. Er studierte ab dem Jahr 2000 in Freiburg im Breisgau Schulmusik, Musikwissenschaft, Sprachwissenschaft und Germanistik an der Musikhochschule und an der Albert-Ludwigs-Universität. 2012 schloss er sein Studium als Magister Artium ab. Seitdem lebt er in Freiburg als freischaffender Komponist, Chorleiter und Phonetiklehrer. Von 2006 bis 2012 war er Mitarbeiter im Projekt conTimbre, einer Klang-datenbank für Neue Musik, die vom Freiburger Komponisten Thomas Hummel initiiert wurde (www.contimbre.com). 2007 erhielt er von Karlheinz Stockhausen einen Preis für eine musikwissenschaftliche Arbeit über Stockhausens Werk KLANG. 2011 gründete er den Freiburger Oberton- und Experimentalchor, den er bis 2017 leitete. Im gleichen Jahr nahm er seine Tätigkeit als Phonetiklehrer an der Medizinischen Akademie für Logopädie auf. Von 2013 bis 2014 arbeitete er als Phonetiker beim Institut für Deutsche Sprache in Mannheim (IDS). Seit 2015 ist er als Lektor und Hörbuchsprecher im Schweizer AbisZett-Verlag tätig, außerdem produzierte er mehrere Sendungen für den Bayerischen Rundfunk. Bisher komponierte Sven Hinz etwa siebzig Werke, darunter vier Musicals, ein Passionsoratorium und eine Messe, außerdem mehrere Liederzyklen für Sopran und Orchester, elektronische Musik sowie Chor- und Orgelwerke. Mehr über Sven Hinz und seine Projekte erfahren Sie unter www.klangsignale.com

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    Book preview

    Gedankenklang - Sven Hinz

    Wovon man nicht sprechen kann,

    davon muss man singen.

    Fundstück vom 18. Jan. 2008

    Für

    W. C. I.

    Über den Autor

    Sven Hinz, geboren 1979 in Bad Arolsen (Nordhessen), besuchte von 1995 bis 1999 die traditionsreiche Landesschule Pforta in Sachsen-Anhalt. Er studierte ab dem Jahr 2000 in Freiburg im Breisgau Schulmusik, Musikwissenschaft, Sprachwissenschaft und Germanistik an der Musikhochschule und an der Albert-Ludwigs-Universität. 2012 schloss er sein Studium als Magister Artium ab. Seitdem lebt er in Freiburg als freischaffender Komponist, Chorleiter und Phonetiklehrer.

    Von 2006 bis 2012 war er Mitarbeiter im Projekt conTimbre, einer Klangdatenbank für Neue Musik, die vom Freiburger Komponisten Thomas Hummel initiiert wurde (www.contimbre.com).

    2007 erhielt er von Karlheinz Stockhausen den „Hazel-Clark-Preis für eine musikwissenschaftliche Arbeit über Stockhausens Werk „KLANG – Die 24 Stunden des Tages (3. Stunde). 2011 gründete er den Freiburger Oberton- und Experimentalchor, den er bis 2017 leitete. Im gleichen Jahr nahm er seine Tätigkeit als Phonetiklehrer an der Medizinischen Akademie für Logopädie auf.

    Von 2013 bis 2014 arbeitete er als Phonetiker beim Institut für Deutsche Sprache in Mannheim (IDS). Seit 2015 ist er als Lektor und Hörbuchsprecher im Schweizer AbisZett-Verlag tätig, außerdem produzierte er mehrere Sendungen für den Bayerischen Rundfunk.

    Bisher komponierte Sven Hinz etwa siebzig Werke, darunter vier Musicals, ein Passionsoratorium und eine Messe, außerdem mehrere Liederzyklen für Sopran und Orchester, elektronische Musik sowie Chor- und Orgelwerke.

    Mehr über Sven Hinz und seine Projekte erfahren Sie unter

    www.klangsignale.com

    Über dieses Buch

    „Gedankenklänge lautete der Titel einer kleinen Aphorismensammlung, die ich im Jahre 2005 für einen Freund, Wolfgang Langner, zusammengestellt hatte. Er lebte in Köln, und ich war neugierig, wie meine „Gedankenklänge wohl von ihm, einem siebzigjährigen ehemaligen Lehrer, aufgenommen worden seien. Ich hatte vor, ihn mit meinem Besuch zu überraschen. So kam ich unangemeldet nach Köln, klingelte an seiner Tür – und ein Mensch, den ich nicht kannte, öffnete sie. Wie sich herausstellte, war mein Freund Wolfgang Langner kurz zuvor überraschend und viel zu früh an Blutkrebs verstorben.

    Obwohl nur wenige Texte aus dieser Sammlung in das vorliegende Buch aufgenommen wurden, war es mir ein Bedürfnis, zumindest in Anklängen den Titel zu übernehmen. Zum einen, weil darin eine Erinnerung an einen lieben Menschen mitschwingt, und weil die Wortzusammensetzung „Gedankenklang" auf die Verbindung von Wort und Musik verweist.

    Was haben Sprache und Musik gemeinsam? Ihrer inneren und äußeren Verwandtschaft nachzuspüren galt schon immer mein Interesse und ist eine starke Motivation für vieles, was ich tue, ob als Chorleiter, Phonetiklehrer, Komponist oder Autor.

    Die Texte dieses Buches umfassen fünf Bereiche: Gedichte, Erzählungen, Reisebeschreibungen, Theaterstücke und Tagebucheinträge. Nicht enthalten sind musikwissenschaftliche Aufsätze, Radiobeiträge oder Konzerteinführungen – diese sind jedoch größtenteils auf meiner Homepage www.klangsignale.com zugänglich.

    Da ich das Schreiben nicht als meine Haupttätigkeit betrachte – das Komponieren liegt mir näher – habe ich mich nur wenig um die Herausbildung eines eigenen Stils bemüht. Hinter vielen Texten mag man zuweilen ein deutliches Echo anderer Autoren vernehmen, das oftmals durchaus beabsichtigt ist: bei den Gedichten tönen vor allem Christian Morgenstern und einmal sehr deutlich Eichendorff hindurch. Bei einigen Kurztexten stand, speziell bei den „Sechs Tiergeschichten, Franz Kafka Pate – unter anderem war dessen Parabel von der Maus ein bewusstes Vorbild. Die fantasievollen Namen und Wortschöpfungen in der Nachdichtung „Der Elefantenfluch hingegen sind von Walter Moers inspiriert.

    Eine prägende Rolle in meinem Leben spielte seit dem Jahr 2000 der Ulysses von James Joyce. Der Einfluss und die absorbierende Kraft dieses Buches waren dermaßen groß, dass ich zweimal nach Dublin gereist bin, um mit anderen „Joyceanern den sogenannten „Bloomsday zu zelebrieren, der jährlich am 16. Juni gefeiert wird. Entsprechend sind die Reiseberichte gespickt mit Anspielungen und Zitaten aus dem Ulysses.

    Unübersehbar ist der Einfluss Becketts auf meine Theaterstücke. Anders als bei diesem bedeutenden Vorbild ist mir jedoch die Einbeziehung der Schauspieler bei der Erarbeitung eines Stückes wichtig. Welche Figur welchen Text spricht, ist oft nicht festgelegt, sondern wird durch Spiegelstriche angezeigt. Auch die Reihenfolge der Szenen ist in manchen Stücken, insbesondere bei „Zusammen oder getrennt?" variabel, so dass durch unterschiedliche Anordnungen der Szenen ganz verschiedene Geschichten erzählt werden können.

    Das abschließende Kapitel „Aus meinem Tagebuch" ist ein Sammelsurium musikalischer Ideen, Wortspiele, Aphorismen und Ansichten zu verschiedensten Themen. Während der Jahre 2002 bis 2018 – mit einer Unterbrechung von einigen Jahren zwischen 2012 und 2016 – sind insgesamt neun Tagebücher und ein musikalisches Arbeitstagebuch entstanden. Aus über zweitausend Seiten habe ich eine kleine Auswahl von etwa sechzig Einträgen getroffen, von denen ich das Gefühl habe, dass sie möglicherweise geeignet sein könnten, den Bereich des Privaten zu verlassen, um etwas auszulösen in der Imagination der Leserinnen und Leser.

    An dieser Stelle möchte ich besonders meinem langjährigen Freund und Förderer Walo C. Ilg danken, der unermüdlich an mich glaubt und mich ermutigt hat, meine Texte zu veröffentlichen. Ohne seine Unterstützung wäre dieses Buch nicht erschienen.

    Dir, lieber Walo, ist dieser „Gedankenklang" gewidmet.

    Freiburg, im November 2018

    Inhalt

    I. Gedichte

    Julia und Romeo

    Was ich dir wünsche

    Es war, als hätt’ der Himmel

    Der Liegestuhl

    Der Lügestuhl

    Rosalie, die Himmelskuh

    Ein stiller Gruß

    In Venedig

    Worum es geht

    Gehst durchs Herbstlaub

    Die Ansprache des Herrn Baron von Maître-Luftzug

    Ein Engel spricht

    Abendlied

    II. Kurztexte und Erzählungen

    Weit draußen

    Wie der fliegende Teppich erfunden wurde

    Sechs Tiergeschichten

    Geschichte vom Bär

    geschichte vom hund und der katze

    geschichte vom wolf und der ziege

    Geschichte von der Klapperschlange

    geschichte von der maus

    geschichte vom schwein und dem schwan

    Der Elefantenfluch

    Die erste Reise des Marco Solo

    Blatt und Baum

    Laudatio auf eine Pionierin…

    Von den Silben

    Die Welt als Auffahrunfall und Vorstellung

    Wie der Teufel gewann

    Nachtrag zu Buridans Esel

    III. Unterwegs

    „Turning Darkness Into Light"

    Lebendige, atmende Stadt

    Zeitauslöschende Musik

    Der See in der Nacht

    Stilübung in Lübeck

    Geschichten aus Ecuador

    Im Tal der Toten Hamster

    Jäger des Verlorenen Kaffees

    Das Leben sagt, du sollst jetzt Panflöte spielen

    Der Flug des Kondors

    In Bernados Haus

    IV. Schauspiele

    Zusammen oder getrennt?

    Ich sterbe gerade

    Familienbeschimpfung

    Nach dem Erwachen

    V. Fundstücke aus meinem Tagebuch

    Ideen und Visionen zur Musik

    Frohe Botschaft

    Paradox

    Land und Meer

    Luna apparuit (Der Mond ist aufgegangen)

    Gut versorgt

    Zu spät

    Früh und spät

    Am siebenten Tag

    Am jüngsten Tag

    Am Baum der Erkenntnis

    Zehn Arten, einen Fluss zu überqueren

    Summa theologica

    Überholvorgang

    Beim Schreiben einer Hausarbeit

    Sternschnuppen

    Zusammen oder getrennt?

    Idee im Traum

    Limerick

    Wie manche Komponisten heißen

    Fast überall

    Endlich erwachsen

    Kluger Spruch

    Bedenklich

    Grenzen der Sprache

    Vorherbestimmt

    Meerklänge

    Über Bruckner

    Januskopf

    Trinität

    Apokalyptisches

    Eine Bitte

    Chanson für meinen Kühlschrank

    Innen und außen

    In Besitz genommen

    Tag der Offenen Tür

    tanzen

    Das Ende der Welt

    Was wissen schon die Sterne

    Geht von selbst

    Vierfacher Wortsinn

    Verwandlung für Deutschland

    E.T. ahnt etwas

    Langsam

    Du und ich

    Nur eine Stimme sein

    Über dem Ärmelkanal

    Kleiner Trost

    Weg und Ziel

    Ende

    WEITERE WERKE VON SVEN HINZ

    Texte

    Radiosendungen

    Aufsätze, Vorträge und Konzerteinführungen

    Bücher

    Kompositionen

    Musicals

    Hörspiele und Filmmusiken

    Oratorien und Bühnenmusik

    Vokalmusik

    Instrumentalmusik

    Klanginstallationen und Aktionen

    Elektronische Musik

    I. Gedichte

    Julia und Romeo

    Die Julia sprach zum Romeo:

    „Och, bleib doch noch e bissle do!"

    Der Romeo zum Aufbruch rät,

    weil draußen schon die Lerche kräht.

    Die Julia lacht: „Isch mir egal,

    des war beschdimmd e Nachdigall!"

    So hüpfen sie nochmal ins Bett

    und komponieren ein Duett.

    (2018)

    Was ich dir wünsche

    Von den Hunden: die niedlichen,

    Von den Demos: die friedlichen.

    Von den Geldbeträgen: die erheblichen,

    Von den Kümmernissen: die erträglichen.

    Von den Unterrichtsstunden: die gelungenen,

    Von den Tortenstücken: die verschlungenen.

    Von den Schülern: die dankbaren,

    Von den Schönheitsäpfeln: die zankbaren.

    Von den Sommerabenden: die südlichen,

    Von den Wintertagen: die gemütlichen.

    Von den Kollegen: die vernünftigen,

    Von den Glücksmomenten: die künftigen.

    (2003)

    Es war, als hätt’ der Himmel…

    Es war, als hätt‘ der Himmel

    die Erde still geküsst.

    Doch sie hat sich geweigert,

    weil sie so spröde ist.

    (2006)

    Der Liegestuhl

    Ein Liegestuhl steht auf dem Land,

    er schaut und fühlt sich sehr entspannt.

    Bis einer kommt und ihn besitzt

    und ihm die schöne Sicht stibitzt.

    Der Lügestuhl

    Der Lügestuhl im Stillen grollte:

    „Noch jeder, der mich je besessen,

    weil er die Wahrheit finden wollte,

    ist einer Lüge aufgesessen."

    (2017)

    Rosalie, die Himmelskuh

    Steigt vom Blau des Himmels nieder

    Rosalie, die Himmelskuh.

    Käut das Blau des Himmels wieder,

    schmatzt und legt sich dann zur Ruh.

    Morgens rupft sie frische Kräuter,

    schmatzt und freut sich ihres Seins.

    Kratzt genussvoll sich das Euter

    an den Kanten eines Steins.

    Rosalie, die Himmelsmuhme,

    liebt im Stillen Nachbars Pferd.

    Rupft sich eine Butterblume,

    die sie fressend ihm verehrt.

    Rosalie liebt diese Erde

    ziemlich, doch beim Kuhgebimmel

    ihrer heißgeliebten Herde

    denkt sie öfters an den Himmel.

    Nachts betrachtet sie die Sterne,

    schaut dem Großen Ochsen zu,

    seufzt und muht: „Ach, wär ich gerne

    wieder eine Himmelskuh!"

    (2017)

    Ein stiller Gruß

    Die Katze tut auf leisen Pfoten,

    was ihr strengstens ist verboten:

    nämlich in die Ecke koten.

    (2016)

    In Venedig

    Für Daniel

    Im Geiste hast du mich

    Durch die verwunschnen Gassen begleitet

    Durch die schlafenden Haare einer ertrunkenen Frau

    Die schlangengleich dem, der sich nähert

    Seele und Sinne bestricken…

    Erst wenn du aufhörst, sie zu begehren

    Lässt sie dich los.

    Doch nachts noch

    Erscheint sie dir, umwindet und zieht dich

    Unwiderstehlich mit sich hinab

    In ihr feuchtwarmes fauliges Nest.

    Lieder singt sie, und weiß nicht

    Dass sie es tut. Nichts

    Weiß sie, nichts will sie wissen

    Kennt nur ihr trunkenes, in sich gewundenes Selbst

    Narzisstisch berückt und verzaubert von ihrem nie

    Endenden Fall. Stirbt sie nicht schon

    Lange dahin, hat sie nicht tausendmal schon

    ihren letzten Seufzer getan?

    Abbild der Welt. Wo, wenn nicht dort

    Kostet ein Milchkaffee fünfzehn Euronen

    Dauert das Warten vorm Dome San Marco länger

    Als ein Besuch beim

    Damenfrisör? (Und das will was heißen.)

    Genug denn, genug, du siehst, sie lässt mich nicht!

    Eitel und unbewusst hat sie mich hypnotisiert.

    Ihr nur verfallen bin ich auf ewig

    (oder zumindest noch

    Anderthalb Wochen).

    (2012)

    Worum es geht

    Es geht um Macht

    nicht um Angst

    Es geht um Liebe

    nicht um Macht

    Es geht um Erkenntnis

    nicht um Liebe

    Es geht um Sein

    nicht um Erkenntnis

    Es geht um Gott

    nicht um Sein

    Es geht um dich

    (2017)

    Gehst durchs Herbstlaub…

    Gehst durchs Herbstlaub

    träumst das Rascheln

    schwimmst im Wasser

    träumst das Nass

    träumst das Schlafen

    träumst das Wachen

    liest selbst träumend diesen Satz.

    (2016)

    Die Ansprache des Herrn Baron von Maître-Luftzug…

    …als dieser mit seiner ganz neuen Erfindung,

    einem durchsichtigen Heliumballon, in den Himmel stieg

    „Werte Herren, edle Damen

    mit den hocherlauchten Namen,

    es ist mir eine große Ehre,

    dass ich endlich alles Schwere,

    was ich trage,

    froh der Erde übergebe,

    auf dass ich schwebe.

    Vergnügte Tage."

    Sprach’s und löste vom Ballong

    alle Fesseln, stieg empor und fuhr davong.

    Und weil der Heliumballon nun einmal durchsichtig war, konnte man natürlich nichts weiter sehen als einen jauchzenden Herrn mit Stock und Zylinder, welcher in einem Weidenkorb über den Himmel fuhr. Die Leute glaubten darum nicht so recht an die Existenz der neuen Erfindung und hielten dies alles – wieder einmal – für einen geschickten Trick.

    (2010)

    Ein Engel spricht

    Wünscht euch keine Flügel –

    sondern breitet sie aus.

    (2017)

    Abendlied

    Der Mond ist ausgegangen,

    die goldnen Sternlein bangen

    um Hambachs alten Forst.

    Der Forst steht schwarz und wartet,

    bis man die Bagger startet

    bei RWE, dem dummen Horst.

    (2018)

    II. Kurztexte und Erzählungen

    Weit draußen, jenseits aller Ideen

    von richtig und falsch, liegt ein

    Feld – dort will ich dich treffen.

    Rumi

    Weit draußen...

    Meine Radiostation steht unter Palmen auf einer winzigen Insel im Südpazifik. Die Insel ist so klein, dass man sie an einem Tag umrunden kann; man denke an den Planeten des Kleinen Prinzen. Am Morgen läuft man los, es ist angenehm kühl, die Sonne blendet noch nicht auf dem ziemlich glatten Ozean. Links liegen die Mangroven, und rechts schäumen friedfertige Brecher heran. Es wird ein schwülheißer Tag werden, also besser den Strohhut mitnehmen und mehrere Literflaschen mit kühlem Quellwasser.

    Die Sendungen meiner Radiostation können überall auf der Welt in gleichbleibend hoher Qualität jederzeit empfangen werden. Die Signale sind absolut störungsfrei. Von außen sieht mein Sender aus wie eine gewöhnliche Strohhütte, aber sie ist aus Stahlbeton, mit einer riesigen Fensterfront nach Süden, aufs Meer. Beton und fugenlos schließende Türen, falls eine Flutwelle über die Insel hereinbrechen sollte. Ich muss mich nicht darum kümmern, in einem solchen Fall die Türen rechtzeitig zu verschließen. Die Automatik der Türen und Fenster ist an Seismographen gekoppelt, die in einem Ring von dreihundert Kilometern im Radius um die Insel herum angeordnet sind.

    Ich weiß nicht, wer mein Programm empfängt, aber es werden einige Menschen in allen Ländern dieser Erde sein, denn ich bekomme häufig von ihnen eMails. Mein Computer sortiert sie automatisch nach Kategorien wie Freude, Lob, Dankbarkeit, Überraschung und deren Gegenteil. Ich lese sie fast alle, und einige beantworte ich.

    Ich weiß, dass mein Programm überall verstanden wird, denn mein Computer übersetzt fast zeitgleich meine Moderationen korrekt in jede beliebige Sprache, und zwar genau mit der Klangfarbe und dem Ausdruck meiner Stimme.

    Ich sende nicht jeden Tag, und es gibt kein Programmschema. Es kann vorkommen, dass von meiner Insel monatelang keine Funkwellen ausgehen. Dann wieder bin ich vierundzwanzig Stunden on air, kündige Sendungen an, die auch eingehalten werden, denke mir neue Formate und Konzepte aus. Mein Sender muss sich nicht um Einschaltquoten und Hörerzahlen kümmern, es gibt keine Werbung und keine Nachrichten.

    Zu den Sprachen, in denen gesendet wird, zählt auch Latein. Es gibt bestimmt Menschen, die das schätzen.

    Manchmal lese ich etwas vor, gelegentlich singe ich was, aber meistens spiele ich Musik. Mittels drahtlosem Internet habe ich Zugriff auf jedes jemals gespielte Musikstück, ich kann nach beliebigen Kriterien suchen und auswählen. Wenn Menschen so freundlich sind, mir ihre selbstgemachte Musik zu schicken, dann sende ich sie auch. Manchmal sofort, manchmal erst nach Jahren.

    Nicht nur Musik, sondern auch Geräusche. Es kann sein, dass ich tagelang nichts als Kieselsteinklänge sende, entweder selbsterzeugte oder von irgendwo auf der Welt.

    (Aufgezeichnet während eines Praktikums

    im Saarländischen Rundfunk, 2007)

    Wie der fliegende Teppich erfunden wurde

    Eine wahre Legende

    Ein Yogi reiste einst in eine ferne Stadt und erstand dort eine kostbare Yogamatte. Auf der Heimreise überkam ihn Angst, man möge ihm die Matte stehlen, und so beschloss er, sie über Nacht in einem Hotelsafe einzuschließen. Doch der Safe war viel zu klein, und wie sehr der Meister auch drückte und schob, es wollte die Matte sich nicht hineinzwängen lassen. Da endlich wurde der Druck zu groß, und die biegsame Matte schoss aus dem Safe hervor, flog zum offenen Fenster hinaus, und der Yogi, der sich an seinen Besitz klammerte, hinterdrein.

    Dies geschah an einem Mittwochnachmittag vor undenklicher Zeit, als Ottoman der Schwerfällige letzter Kaiser von Thrappadozien war.

    (2016)

    Sechs Tiergeschichten

    (2007-13)

    Geschichte vom Bär

    Es war mal ein Bär, der führte ein Leben.

    Eines Morgens wachte er auf in einem Glas. Komisch. Ob das was mit mir zu tun hat, fragte er sich. Oder passiert das jedem mal? Und er setzte sich hin und guckte, ob es was zu gucken gab. Ein bisschen Glas, ein bisschen Gras, ein bisschen was. Immerhin! Hätte auch Beton gewesen sein können. Er wusste, dass es so was gab.

    Dann sagte er sich: Es gibt nichts anderes zu gucken außer Glas und Gras. Und es gibt auch mich zu gucken. Und wenn es was zu gucken gibt, dann kanns auch einen geben, der das anguckt, was es da zu gucken gibt. Ob wohl gerade einer guckt? Und er hob eine steife Tatze und winkte ein bisschen für den, der da guckte – vielleicht. So. Und noch mal in die andere Richtung. Sicherheitshalber.

    Als er fertig war mit Winken, dachte er darüber nach, was er jetzt tun wollte. Ihm fiel nichts ein außer Brummen. Also setzte er sich hin und brummte ein bisschen. Hmm-hm-hm-brm. Brm… brm. Das klang ganz anders als sonst, wegen dem Glas um ihn herum: Brmmbrm.

    Er machte die Augen zu und hörte dem zu, der da brummte. So eine schöne Stimme! Er hielt sich die

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