Bomba im Berg der Feuerhöhlen
By Roy Rockwood
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Zur Reihe siehe Band 1.
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Bomba im Berg der Feuerhöhlen - Roy Rockwood
Versprechen
1 Das Zischen der Schlange
Als Bomba den Gipfel des Hügels erklommen hatte, blieb er am Fuße eines knorrigen Baumriesen stehen. Er beschattete die Augen mit der Hand und hielt vorsichtig Umschau. Vor ihm wogte der Dschungel wie ein grünes Meer — mit den Wolkenkämmen kleiner Hügel und mit Lichtungen, die wie helle Schaumspritzer zwischen den grünen Wellen aufleuchteten.
Die Landschaft senkte sich nach Norden zu, so dass Bomba eine der näheren Lichtungen deutlich sehen konnte. Dort quirlte Rauch auf. In der Einsamkeit des Urwaldes konnte Rauch immer Gefahr bedeuten. Für Cody Casson und Bomba war es besonders wichtig, eine Gefahr rechtzeitig zu erkennen.
Ohne zu zögern, begann Bomba den Doladobaum zu erklettern, der die Kuppe des Hügels mit seiner Krone weit überragte. Dieser alte Riese war voll spitzer Dornen, aber der Junge verstand es so geschickt, jede Unebenheit und jeden Riss im Stamm als Halt für Hände und Füße zu gebrauchen, dass er schnell vorankam.
Von seinen vierbeinigen Urwaldfreunden, den Affen Tatuc und Doto, hatte er gelernt, ohne Hilfe der Knie, nur mit den Fingern und den Füßen zu klettern, und deshalb sah es aus, als glitte ein pantherartig geschicktes Wesen den Stamm hinauf. Im Gewirr der Äste entschwand die Gestalt jedem Blick.
Der Junge, der im Wipfel des Baumes auf einem Ast kauerte und über das Blätterdach der Bäume hinwegblickte, bot ein Bild von Anmut und Harmonie. Es war so, als gehörte Bomba zum Dschungel, als wäre er die Verkörperung von wilder Schönheit, von Jugendkraft und Lebensfreude, von all jenen Elementen des blühenden Daseins, die im Dschungel so mannigfaltig und unverfälscht zur Gestaltung drängten.
Der Junge mochte etwa vierzehn Jahre alt sein. Für sein Alter war er ziemlich groß und kräftig. Er hatte braunes, lockiges Haar und Augen von rehbraunem Glanz. Jetzt hatte dieser Blick die Schärfe und Aufmerksamkeit eines Indianerauges. Die bronzefarbig getönte Haut und die Kleidung aus Pumafell, Lendentuch und selbstgeflochtenen Sandalen ließen leicht die Täuschung zu, dass man einen Indianer des Amazonasgebietes vor sich hatte.
Wie ein Eingeborener hatte Bomba als Waffe und Handwerkszeug ein langes Buschmesser — die Machete — im Gürtel stecken. Pfeile und Bogen hatte er am Fuße des Baumes zurückgelassen. Von den Wilden unterschied den Jungen neben der helleren Hautfarbe auf der Brust auch der Besitz eines Revolvers. Diese Waffe war ein Geschenk von Gummisuchern, die Bomba vor einiger Zeit im Urwald getroffen hatte. Bei einem nächtlichen Überfall von Jaguaren hatte er den Männern das Leben gerettet, und das Geschenk ihrer Dankbarkeit war der fünfschüssige Revolver gewesen.
Bombas Blick glitt dorthin, wo sich der Rauch von der Lichtung hochkräuselte. Von seiner luftigen Höhe aus konnte er fast das ganze, grasbewachsene Oval der Lichtung einsehen. Nur die Stelle, an der das Lagerfeuer brennen musste, war noch von den Bäumen verdeckt. Bomba musste deshalb noch höher in den schwankenden Baumwipfel hineinklettern.
Er fragte sich besorgt, ob es Kopfjäger waren, die dort Rast hielten. Schon früher am Tage hatte er eine Gruppe dieser blutgierigen Indianer gesichtet. Einige von ihnen trugen am Gürtel als Trophäen die zusammengeschrumpften und sorgfältig präparierten Menschenköpfe mit den echten, blauschwarzen Haarsträhnen, die von der Ermordung harmloser Eingeborener Kunde gaben.
Einmal hatte Bomba die Wildheit und Grausamkeit der Kopfjäger am eigenen Leibe spüren müssen. Sie hatten ihm und seinem alten Gefährten Cody Casson nach dem Leben getrachtet. Bei dem Kampf waren einige der Wilden getötet worden, und der Häuptling Nascanora hatte Verwundungen erlitten. Es war nicht ausgeschlossen, dass ihre Rachsucht die Kopfjäger dazu treiben würde, von neuem einen Angriff auf die beiden Weißen im Dschungel zu wagen.
Unter der Last des Menschengewichtes geriet der dünne Baumwipfel bedenklich ins Schwanken. Der Urwaldriese hatte eine Höhe von nahezu sechzig Yards, und ein Sturz in die Tiefe würde für den Jungen den Tod bedeuten. Sehr vorsichtig setzte er den Fuß noch ein wenig höher hinauf. Jetzt endlich sah er das, was ihm wichtig erschien.
Am Rande der Lichtung saßen Gruppen von Indianern im Gras. Über einem Feuer brieten lange Fleischstücke.
Einige der Eingeborenen aßen, während andere in lebhafter Unterhaltung beieinander hockten. Aus ihren heftigen Handbewegungen war zu erraten, dass es sich um hitzige Wortgefechte handeln musste.
Doch dann sah Bomba etwas, das ihn mehr fesselte als der Anblick der schmausenden und schwatzenden Indianer. Unwillkürlich beugte sich der Junge auf seinem luftigen Sitz weit vor. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Er erspähte vier Gestalten, die an einen Baum gefesselt waren. Es waren keine Indianer — Bomba erkannte es sofort an der Kleidung. Wie die Gummisucher, denen er vor einiger Zeit begegnet war, trugen sie Tropentracht, die sie von den Wilden unterschied. Dort waren Menschen von seiner Art!
Aber sie waren Gefangene der Kopfjäger, und Bomba wusste, was es bedeutete, Gefangener dieser mordgierigen Wilden zu sein. Menschen von seiner Art! Bomba atmete erregt und starrte angestrengt auf die Lichtung hinunter. Aus dieser Entfernung waren die Gesichter nicht deutlich zu erkennen. Eine Gestalt fiel ihm jedoch auf. Sie war schlanker und nicht so groß wie die anderen Gefangenen. Golden schimmerndes Haar fiel ihr über die Schultern.
Das war ein Anblick, der Bomba mit einer unbekannten, süßen Sehnsucht erfüllte. Noch nie hatte er eine weiße Frau gesehen, und nun wusste er, dass dort eine in der Gefangenschaft der Kopfjäger war. Ob seine Mutter auch solche wunderbaren, goldenen Haare gehabt hatte?
Die Vorstellung, dass es ebenso gut seine Mutter sein könnte, die in der Gewalt der grausamen Wilden schmachtete, erfüllte ihn mit wildem Zorn. Das durfte nicht sein! Er musste sie retten! Er musste diese Weißen retten! Der Wille war so stark und impulsiv, dass Bomba sich keine Gedanken um die Ausführung der Tat machte. Nur erst an Ort und Stelle sein, dachte er. Er verließ sich auf seinen Mut und auf seine Dschungelerfahrung. Im rechten Augenblick würde ihm schon der beste Plan einfallen.
Schnell und gewandt begann Bomba seinen Abstieg vom Doladobaum. Er ließ sich hinabgleiten, schwebte mitunter, nur von seinen Händen gehalten, hoch zwischen Himmel und Erde und fand dann mit den Füßen wieder Halt auf einem Ast.
Plötzlich hielt er inne. Ein Laut hatte sein Ohr berührt, und er erstarrte mitten in der Bewegung. Es war das böse, angriffslustige Zischen einer Schlange gewesen. Zwischen ihm und dem Boden verbarg sich das Tier irgendwo im Geäst. Das war das schlimmste dabei: der Fluchtweg nach unten war ihm abgeschnitten.
2 In Todesnot
Über Bomba war nur der dünne Baumwipfel und der Tropenhimmel. Der nächste Ast war etwa neun Yards entfernt. Bis dort hinüber hätte auch der kräftigste Affe nicht springen können — und so war kein Fluchtweg offen!
Das Zischen der Schlange klang jetzt noch näher. Das dichte Laubwerk verbarg den Körper, aber das Rascheln der Blätter verriet die Stelle, von wo die Schlange emporgekrochen kam.
Bombas Hand tastete unwillkürlich dorthin, wo der Revolver im Gürtel stak. Das wäre das sicherste Verteidigungsmittel gewesen. Im gleichen Augenblick erinnerte sich Bomba jedoch an die Kopfjäger auf der Lichtung. Der Schall des Schusses würde sie sofort herbeilocken. Aus der Gefangenschaft der Schlange würde er in die Gefangenschaft der blutdürstigen Wilden kommen. Da zog er den offenen Kampf mit dem Reptil vor. Also war er nur auf die Schnelligkeit seiner Hand, auf sein Selbstvertrauen und auf die Schärfe seiner doppelschneidigen Machete angewiesen.
Jetzt entdeckte Bomba zum ersten Male die Bewegungen des Schlangenkörpers. Die Blätter des Astes unter ihm hoben und senkten sich in wellenförmiger Bewegung. Dort bahnte sich der Schlangenleib seinen Weg zu ihm hin.
Das Laubwerk teilte sich, und der dreieckige Kopf mit seinem Schuppenmuster hob sich empor. Mit einem bösartigen, hypnotisierenden Glitzern richtete sich der Schlangenblick auf sein Menschenopfer. Es war so, als wollten die schmalen Augen jede Bewegung ihrer Beute lähmen — als wollten sie den Mut und die Lebenskraft zum Erlöschen bringen, um dann um so leichter den Todesbiss anzubringen.
Bomba war erregt und erschreckt, aber er gab den Kampf nicht verloren, noch bevor er begonnen war. Er zog seine Machete und erwartete den ersten Angriff. Da er nichts anderes als das Leben im Dschungel kannte, war er daran gewöhnt, seinen Körper gegen alle möglichen Gefahren zu verteidigen. Schon andere Kämpfe gegen Giftschlangen hatte er bestehen müssen. Vielleicht war ihm auch diesmal das Glück hold.
Die Schlange war jetzt in gleicher Höhe mit ihm. Zwischen zwei eng beieinander wachsenden Dornenästen glitt sie sehr langsam auf ihn zu. Auch sie wusste, dass ein Kampf bevorstand. Ihre Bewegungen waren vorsichtig und bedächtig. Nur die blitzschnell hin- und hergleitende, gespaltene Zunge verriet die Erregung des Reptils.
Die Chancen waren gegen Bomba. Er musste sich weiter und weiter auf dem Ast zurückziehen. Nur noch zwei Yards maß die Entfernung zwischen ihm und dem Giftrachen. Die Schlange hielt inne und rollte ihren Leib zwischen den beiden Ästen ringförmig zusammen. Aus dieser Stellung würde sie den Kopf zum tödlichen Angriff vorschnellen lassen, und dieser Angriff würde so schnell kommen, dass es dagegen kaum eine Abwehr gäbe.
Bomba war es gewöhnt, alle Hilfsmöglichkeiten der Umgebung mit auszunutzen. Diese gefahrerprobte Denk- und Kombinationsfähigkeit hatte ihm mitunter in Kämpfen das Leben gerettet, wo es sonst aussichtslos erschienen wäre, gegen die tierische Kraft und Überlegenheit zu siegen. Jetzt entdeckte er die seltsame Lage des Schlangenkörpers auf den beiden Ästen — und er fasste sofort einen Entschluss.
Noch weiter glitt der Junge auf dem Ast zurück. Jetzt bog er das Ende jenes Astes, auf dem der Schlangenleib ruhte, soweit wie möglich nach unten. Dann ließ er ihn plötzlich hochschnellen. Der zähe und elastische Zweig federte empor und prallte an den höher gelegenen Ast. Die Schlange wurde so zwischen den beiden Ästen eingeklemmt, und die spitzen Dornen drangen in ihren Leib.
Die natürliche Falle hielt. Mit peitschenden Bewegungen versuchte sich die Schlange aus den Dornenzähnen des Baumes zu befreien. Ein schreckenerregendes Zischen der Wut kam aus dem Rachen des Untiers, und es drehte und wand seinen Schuppenleib. Da die beiden Äste so dicht übereinander aus dem Stamm wuchsen, bohrten sich die einmal in den Schlangenkörper gedrungenen Dornen nur noch tiefer hinein.
Jetzt schien sich die Jaracara, die gefährliche Giftschlange, an ihren Feind zu erinnern, der sie in diese Lage gebracht hatte. Sie wandte den Kopf herum und stieß ihn blitzschnell in Richtung des Jungen vor. In ohnmächtiger Wut wiederholte sie ihre Angriffe. So sehr sie sich auch reckte: die Stöße waren um einen halben Meter zu kurz. Das Gift aus den Fangzähnen spritzte gegen das Pumafell auf der Brust des Jungen, aber der Kopf sank immer wieder zurück.
Allmählich erschöpfte sich die Kraft der Jaracara. Noch einmal richtete sich der schwarze Hals mit dem hässlichen Kopf empor und stieß vorwärts. Dann fiel der Kopf ermattet zur Seite — und auf diese Chance hatte Bomba gewartet. Als die Aufmerksamkeit der Schlange sekundenlang erlahmte, schnellte der Arm des Jungen vor und trennte mit einem Hieb der Machete den Kopf vom Rumpf des Reptils.
Schon als das Schlangenhaupt längst zwischen den Zweigen hindurch zu Boden gefallen war, wand sich der Leib noch in der Dornenfalle der Äste. Bomba wischte seine Machete an den Blättern ab und glitt dann an dem toten Schlangenkörper vorüber in die Tiefe.
Eile war nötig. Die Schlangen pflegten meist paarweise zu jagen. Die Gefährtin der Jaracara konnte in unmittelbarer Nähe sein, und Bomba hatte kein Verlangen nach einer zweiten Schlangenbegegnung an diesem Tage.
Während er schnell und gewandt hinabglitt, huschte der aufmerksame Blick des Jungen über jeden Zweig. Aber er sah nichts. Dann dachte Bomba wieder an die Menschen auf der Lichtung. In der Aufregung