Ich weine mit dir, kleine Lea: Mami Classic 18 – Familienroman
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»Ja, wie gesagt, Frau Wagner, es tut mit sehr leid. Aber ich muß auch sehen, wo ich bleibe.« »Ich möchte natürlich nicht schuld sein, daß Sie verhungern. Gut, Herr Bader, ich versuche, etwas anderes zu finden. Aber solange muß ich mein Geschäft ohne Belästigung führen können.« Herr Bader gefiel das Wort »Belästigung« nicht, wie man deutlich merkte, doch das konnte Johanna nun auch nicht ändern. Sie mußte ihre Wut sowieso mühsam verbergen, sonst hätte sie ihm gern noch ganz andere Dinge gesagt. »Na… dann gehe ich jetzt. Viel Erfolg noch.« Was angesichts der Tatsache, daß er sie praktisch vor die Tür setzte, nur noch als Frechheit bezeichnet werden konnte. Gott sei Dank kamen so früh nur selten Kunden. Johanna verspürte das dringende Bedürfnis, erst einmal Dampf abzulassen. Sie ging also in den Raum hinter dem Laden und wählte die Nummer ihrer Freundin. Grit Rolfsen war Krankengymnastin und mit einem Orthopäden verheiratet. Er lag Johanna nicht besonders, so daß sich die beiden Frauen meistens allein trafen. Johanna hatte Glück, Grit war gleich selbst am Apparat. »Du glaubst ja nicht, wer eben bei mir war«, eröffnete Johanna das Gespräch. Mit Grit konnte man das machen, sie war immer in der Lage, den Gedankensprüngen ihrer Freundin zu folgen und wunderte sich nie über deren unkonventionelle Art, ein Telefonat zu führen.
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Ich weine mit dir, kleine Lea - Annette Mansdorf
Mami Classic
– 18 –
Ich weine mit dir, kleine Lea
Annette Mansdorf
»Ja, wie gesagt, Frau Wagner, es tut mit sehr leid. Aber ich muß auch sehen, wo ich bleibe.«
»Ich möchte natürlich nicht schuld sein, daß Sie verhungern. Gut, Herr Bader, ich versuche, etwas anderes zu finden. Aber solange muß ich mein Geschäft ohne Belästigung führen können.«
Herr Bader gefiel das Wort »Belästigung« nicht, wie man deutlich merkte, doch das konnte Johanna nun auch nicht ändern. Sie mußte ihre Wut sowieso mühsam verbergen, sonst hätte sie ihm gern noch ganz andere Dinge gesagt.
»Na… dann gehe ich jetzt. Viel Erfolg noch.«
Was angesichts der Tatsache, daß er sie praktisch vor die Tür setzte, nur noch als Frechheit bezeichnet werden konnte.
Gott sei Dank kamen so früh nur selten Kunden. Johanna verspürte das dringende Bedürfnis, erst einmal Dampf abzulassen. Sie ging also in den Raum hinter dem Laden und wählte die Nummer ihrer Freundin.
Grit Rolfsen war Krankengymnastin und mit einem Orthopäden verheiratet. Er lag Johanna nicht besonders, so daß sich die beiden Frauen meistens allein trafen. Johanna hatte Glück, Grit war gleich selbst am Apparat.
»Du glaubst ja nicht, wer eben bei mir war«, eröffnete Johanna das Gespräch.
Mit Grit konnte man das machen, sie war immer in der Lage, den Gedankensprüngen ihrer Freundin zu folgen und wunderte sich nie über deren unkonventionelle Art, ein Telefonat zu führen.
»Na? Wer?«
»Mein Vermieter, Herr Bader. Meine Pacht läuft ja in einem Vierteljahr aus, und jetzt will dieser Halsabschneider die Miete über fünfzig Prozent erhöhen.«
»So ein mieser Kerl! Und was machst du nun? Du zahlst doch wohl nicht etwa?«
»Bestimmt nicht. Der soll erst mal jemanden finden, wenn er im Preis so hochgeht. Jeder Laden wirft das bestimmt nicht ab.«
»Das kann ich mir auch nicht vorstellen. Wenn deine Creationen nicht so toll wären…«
»Danke, aber das kann mich jetzt auch nicht besänftigen. Wahrscheinlich mache ich heute lauter Gestecke mit Kakteen und Schierlingskraut!«
Grit lachte. Johanna und ihr Temperament, das ihr oft ganz schön in die Quere kam… Sie brachte es fertig, Kundenwünsche abzuweisen, weil sie es geschmacklich nicht vertreten konnte.
»Na ja, ich will dich nicht länger aufhalten, Grit. Danke, daß du mir zugehört hast. Ich kann mir jetzt also einen neuen Laden suchen. Ein schrecklicher Gedanke. Ich hasse das.«
»Ach was, das kann auch ganz schön spannend werden.«
»Wann soll ich mich denn darum kümmern? Du hast Nerven!«
»Ich helfe dir natürlich. Und dann gibt es die segensreiche Erfindung des Maklerberufes.«
»Segensreich? Zwei Mieten Courtage? Na, weißt du…«
»Ich spreche mal mit Werner. Ein alter Freund von ihm ist Immobilienmakler. Der weiß vielleicht etwas, ohne gleich die Hand aufzuhalten.«
»Du glaubst noch immer an das Gute im Menschen, wie tröstlich«, murrte Johanna.
»Nun reg dich nicht auf, Jojo. Wir packen das schon zusammen.«
»Danke, Grit. Dann knete man schön weiter. Ich muß jetzt auch mal ein bißchen was tun.«
Sie legten auf. Johanna lehnte sich zurück und schloß für einen Moment die Augen. Ihr Leben lief wohl schon zu lange in ruhigen Bahnen. So war es immer. Wenn sie gerade glaubte, alles im Griff zu haben, passierte garantiert etwas, das sie wieder herausriß. Aber manchmal hatte sie das Gefühl, daß ihr die Puste ausging. Wundersamerweise schaffte sie es dann doch wieder.
Natürlich drängte sich jetzt auch die Erinnerung an Klaus auf. Klaus war ein Mann gewesen, mit dem sie sich eine Partnerschaft hätte vorstellen können. Bis sie dann zusammengezogen waren und es sich herausgestellt hatte, daß von seinen ganzen schönen Sprüchen nicht viel zu halten war. Die gemeinsame Haushaltsführung war genauso vergessen wie die Kostenteilung. Immer öfter hatte er sie gebeten, dieses oder jenes zu übernehmen, bis Grit sie dann einmal dezent darauf hingewiesen hatte, daß sie kaum noch Zeit zu haben schien. Johanna war mit einem Ruck von ihrer rosa Wolke heruntergefallen und mit einem Plumps auf dem Allerwertesten gelandet. Kurz darauf hatte sie Klaus und die gemeinsame Wohnung verlassen. Wenn ihr erst einmal etwas bewußt war, fackelte sie auch nicht lange. Er hatte noch eine Weile gejammert, doch Johanna war hart geblieben. Als sie nämlich zusammengerechnet hatte, was sie dieser »Spaß« gekostet hatte, stand unter dem Strich nicht nur ein angeknackstes Herz, sondern auch eine fünfstellige Summe. Solchen Luxus konnte sie sich nicht leisten, dafür arbeitete sie einfach zu hart.
Blumengeschäfte gab es wie Sand am Meer. Da mußte man schon besonders kreativ sein, um Erfolg zu haben. Ihre Blumengestecke hatten immer etwas Besonders. Inzwischen belieferte sie Hotels und Restaurants und hatte einen guten Kundenstamm. Aber es war unglaublich anstrengend gewesen, soweit zu kommen.
»Verdammter Kerl«, fluchte sie noch einmal laut, wobei sie an Klaus und an Herrn Bader dachte. Dann stand sie auf und stürzte sich in die Arbeit. Eine Menge Bestellungen waren auszuführen. In einer Stunde kam ihr Lehrling Marlies, die dann schließlich etwas zu verkaufen haben sollte.
Bis zum Mittag arbeitete sie konzentriert und voller Freude. Wenn sie Blumen zusammenstellte, die sie für ein Gesteck verwenden wollte, vergaß sie jedesmal jeden Kummer und alles, was sie normalerweise aufregte. Die Komplimente ihrer Kunden taten ein übriges.
»Ich gehe dann kurz zum Essen, Marlies. Sie kommen zurecht?«
»Natürlich, Frau Wagner. Ich habe schon drei von den Sonnenblumensträußen verkauft.«
»Ich mache nachher noch ein paar davon. Jetzt muß ich erst einmal eine Pause haben. Ach, da ist noch etwas, Marlies. Es kann sein, daß ich hier bald aufgeben muß. Der Vermieter erhöht die Pacht so stark, daß ich nicht bereit bin, das zu zahlen. Würden Sie auch mitkommen, wenn ich in einem anderen Stadtteil ein Geschäft finde?«
Marlies, deren Blick gerade noch voller Panik gewesen war, nickte begeistert.
»Natürlich! Ich kann mir gar nicht vorstellen, woanders zu arbeiten!«
»Danke, Marlies, das ist eine große Erleichterung. Wir sind schon ein so gut eingespieltes Team.«
Die Neunzehnjährige freute sich sichtlich. Sie war schon seit zwei Jahren bei Johanna. Ihre schulischen Leistungen waren nie berauschend gewesen und die Ausbildung als Schlachtereifachverkäuferin hatte sie wegen ihres unüberwindlichen Ekels aufgegeben, sehr zum Entsetzen ihrer Eltern, die selbst eine Schlachterei hatten. Marlies hatte Ausschlag bekommen und war ständig krank gewesen. Niemand hatte ihr beigestanden, bis sie einfach weggelaufen war und Johanna sie am Blumengroßmarkt aufgegabelt hatte. Marlies liebte Blumen und hatte ein gutes Auge für Farben. Seitdem hatte Johanna keinen Tag bereut, Marlies eine Stelle angeboten zu haben.
»In einer Stunde bin ich wieder hier.«
»Guten Appetit.«
Johanna fuhr ins Einkaufszentrum. Hier machte sie erst einmal ihre Runde, um zu sehen, was den anderen Floristinnen einfiel. Sehr zufrieden, weil sie noch immer eine Nasenlänge voraus war, schlenderte sie dann zu ihrem bevorzugten Restaurant und suchte sich einen Tisch an der Balustrade aus, um die anderen Leute vorbeiflanieren zu sehen. Sie fuhr nicht jeden Tag hierher, aber zweimal die Woche gönnte sie sich das. Wenn sie so unangenehme Begegnungen gehabt hatte wie heute