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Marune: Alastor 933
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Marune: Alastor 933

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About this ebook

»Pardero« nennen sie ihn, nach einem berühmten Hussadespieler, denn er weiß nicht, wer er ist – er hat sein Gedächtnis verloren. Außerdem hat man ihm die Haare geschnitten, unbestimmte Kleidung angezogen und in ein Raumschiff gesetzt, das ihn weit von seinem Heimatplaneten weggebracht hat.
Von wo stammt er? Wer ist er? Wer hat ihm das angetan? Wozu? Wie?
Um das alles herauszufinden, muss er zunächst Geld verdienen, um sich eine Passage zum Connat-Hospital auf Numenes leisten zu können. Auf Numenes, im Palast des Connat, in Saal 933 des Rings der Welten erhält er die Antwort auf die erste Frage. Anschließend macht er sich auf den Weg, um die Antworten auf die anderen Fragen in Erfahrung zu bringen.
LanguageDeutsch
PublisherXinXii
Release dateFeb 15, 2020
ISBN9781619473010
Marune: Alastor 933
Author

Jack Vance

Jack Vance (richtiger Name: John Holbrook Vance) wurde am 28. August 1916 in San Francisco geboren. Er war eines der fünf Kinder von Charles Albert und Edith (Hoefler) Vance. Vance wuchs in Kalifornien auf und besuchte dort die University of California in Berkeley, wo er Bergbau, Physik und Journalismus studierte. Während des 2. Weltkriegs befuhr er die See als Matrose der US-Handelsmarine. 1946 heiratete er Norma Ingold; 1961 wurde ihr Sohn John geboren. Er arbeitete in vielen Berufen und Aushilfsjobs, bevor er Ende der 1960er Jahre hauptberuflich Schriftsteller wurde. Seine erste Kurzgeschichte, »The World-Thinker« (»Der Welten-Denker«) erschien 1945. Sein erstes Buch, »The Dying Earth« (»Die sterbende Erde«), wurde 1950 veröffentlicht. Zu Vances Hobbys gehörten Reisen, Musik und Töpferei – Themen, die sich mehr oder weniger ausgeprägt in seinen Geschichten finden. Seine Autobiografie, »This Is Me, Jack Vance! (»Gestatten, Jack Vance!«), von 2009 war das letzte von ihm geschriebene Buch. Jack Vance starb am 26. Mai 2013 in Oakland.

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    Marune - Jack Vance

    Das Buch

    »Pardero« nennen sie ihn, nach einem berühmten Hussadespieler, denn er weiß nicht, wer er ist – er hat sein Gedächtnis verloren. Außerdem hat man ihm die Haare geschnitten, unbestimmte Kleidung angezogen und in ein Raumschiff gesetzt, das ihn weit von seinem Heimatplaneten weggebracht hat.

    Von wo stammt er? Wer ist er? Wer hat ihm das angetan? Wozu? Wie?

    Um das alles herauszufinden, muss er zunächst Geld verdienen, um sich eine Passage zum Connat-Hospital auf Numenes leisten zu können. Auf Numenes, im Palast des Connat, in Saal 933 des Rings der Welten erhält er die Antwort auf die erste Frage. Anschließend macht er sich auf den Weg, um die Antworten auf die anderen Fragen in Erfahrung zu bringen.

    Der Autor

    Jack Vance (richtiger Name: John Holbrook Vance) wurde am 28. August 1916 in San Francisco geboren. Er war eines der fünf Kinder von Charles Albert und Edith (Hoefler) Vance. Vance wuchs in Kalifornien auf und besuchte dort die University of California in Berkeley, wo er Bergbau, Physik und Journalismus studierte. Während des 2. Weltkriegs befuhr er die See als Matrose der US-Handelsmarine. 1946 heiratete er Norma Ingold; 1961 wurde ihr Sohn John geboren.

    Er arbeitete in vielen Berufen und Aushilfsjobs, bevor er Ende der 1960er Jahre hauptberuflich Schriftsteller wurde. Seine erste Kurzgeschichte, »The World-Thinker« (»Der Welten-Denker«) erschien 1945. Sein erstes Buch, »The Dying Earth« (»Die sterbende Erde«), wurde 1950 veröffentlicht.

    Zu Vances Hobbys gehörten Reisen, Musik und Töpferei – Themen, die sich mehr oder weniger ausgeprägt in seinen Geschichten finden. Seine Autobiografie, »This Is Me, Jack Vance! (»Gestatten, Jack Vance!«), von 2009 war das letzte von ihm geschriebene Buch. Jack Vance starb am 26. Mai 2013 in Oakland.

    Informationen über ihn und sein Werk finden Sie hier:

    www.spatterlight.de

    Einführung

    Der Alastor-Sternhaufen, ein Knoten aus dreißigtausend lebendigen Sternen, unzähligen toten Schlackebrocken und gewaltigen Mengen interstellaren Schutts, schmiegte sich an den inneren Rand der Galaxis, die Unselige Öde davor, der Nichtestische Golf dahinter und das Gaeanische Reich ein glitzernder Dunstschleier an der Seite. Dem Raumreisenden bot sich, aus welchem Annäherungswinkel er auch kommen mochte, ein bemerkenswertes Spektakel: Konstellationen funkelten weiß, blau und rot; Schleier aus leuchtenden Stoffen, die hier unterbrochen und dort verdeckt waren von schwarzen Staubstürmen; Sternenströme, die hinein- und hinauswanderten; Wirbelströme und Spritzer aus phosphorisierendem Gas.

    War der Alastor-Sternhaufen als Teil des Gaeanischen Reiches zu betrachten? Die Bewohner des Sternhaufens, vier oder fünf Billionen Menschen auf mehr als dreitausend Welten, dachten nur selten über diese Angelegenheit nach und hielten sich tatsächlich weder für Gaeaner noch Alastorianer. Der typische Einwohner, nach seiner Herkunft gefragt, würde vielleicht seine Heimatwelt anführen oder, noch wahrscheinlicher, seinen Ortsbezirk, als sei dieser Ort derart außergewöhnlich, derart besonders und allgemein berühmt, dass sein Ruf überall in der Galaxis bekannt sein musste.

    Jegliche Engstirnigkeit schwand vor dem Ruhm des Connat, der den Alastor-Sternhaufen von seinem Palast auf Numenes aus regierte. Der amtierende Connat, Oman Urth, sechszehnter der Dynastie der Iditen, dachte häufig über die Laune des Schicksals nach, welche ihm diese einzigartige Position eingebracht hatte, nur um dann über die eigene Unvernunft zu lächeln: Einerlei, wer die Stellung innehatte, jeder würde sich verwundert die gleiche Frage stellen.

    Die bewohnten Planeten des Sternhaufens hatten, außer einem Mangel an Gleichförmigkeit, wenig miteinander gemein. Sie waren groß und klein, feucht und trocken, freundlich und gefährlich, dicht besiedelt und verlassen: nicht zwei waren gleich. Einige besaßen hohe Berge, blaue Meere, strahlende Himmel; auf anderen hingen stets Wolken über Mooren und es gab keinerlei Abwechslung, außer der Abfolge von Tag und Nacht. Bruse-Tansel: Alastor 1102 war eine solche Welt. Sie besaß eine Bevölkerung von zweihunderttausend Menschen, die zum größten Teil in der Umgebung von Eitelsee angesiedelt waren, wo sie hauptsächlich daran arbeiteten, Stoffe zu färben. Vier Raumhäfen gab es auf Bruse-Tansel, deren wichtigster der Terminal war, welcher sich in Carfaunge befand.

    Kapitel I

    Der Ehrenwerte Mergan hatte seine Stelle als Aufseher am Raumhafen von Carfaunge weitgehend deshalb erhalten, weil sie Geduld für unabänderliche Routine verlangte. Mergan duldete die Routine nicht nur, er war von ihr abhängig. Er hätte sich gegen das Aufhören solcher Ärgernisse wie dem Morgenregen, dem Pfeifen und Klicken der Glas-Echsen, den wandernden Schleimen, die täglich in das Areal eindrangen, gewehrt, weil er dann angehalten gewesen wäre, eine feststehende Prozedur zu ändern.

    Am Morgen des Tages, den er später als den 10. Gaeanischen Mariel* identifizieren würde, traf er wie gewöhnlich im Büro ein. Noch bevor er sich hinter dem Schreibtisch niedergelassen hatte, erschien der Nachtpförtner mit einem leergesichtigen jungen Mann in einem unbestimmbaren grauen Anzug. Mergan stieß ein wortloses Brummen aus; ihm schmeckten Probleme zu keiner Zeit, am allerwenigsten, bevor er sich für den Tag eingerichtet hatte. Zumindest war diese Situation dazu angetan, die Routine zu sprengen. Schließlich murmelte er: »Tja, Dinster, wen haben wir denn hier?«

    * Zeitmess-Systeme stiften, trotz aller Reformversuche, überall im Alastor-Sternhaufen und dem Gaeanischen Reich Verwirrung. An einem beliebigen Ort werden täglich zumindest drei verschiedene Berechnungssysteme verwendet: die wissenschaftliche Zeitmessung, welche auf der Umlauffrequenz des K-Elektrons von Wasserstoff beruht; die astronomische Zeit – die »Gaeanische Standardzeit« –, welche überall im menschlichen Universum Einheitlichkeit bietet; und die Ortszeit.

    Dinster rief mit piepsender, überlauter Stimme: »Es tut mir leid, Sie zu stören, Herr, doch was sollen wir mit diesem Herrn machen? Er scheint krank zu sein.«

    »Suchen Sie ihm einen Arzt«, knurrte Mergan. »Bringen Sie ihn nicht zu mir. Ich kann ihm nicht helfen.«

    »Es ist keine solche Krankheit, Herr. Es ist mehr geistig, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

    »Ich verstehe es nicht«, erwiderte Mergan. »Weshalb sagen Sie mir nicht einfach, was nicht in Ordnung ist?«

    Dinster deutete höflich auf seinen Schützling. »Als ich meinen Dienst angetreten habe, saß er im Wartezimmer, und seitdem war er dort. Er spricht kaum; er kennt seinen Namen nicht, noch weiß er sonst etwas über sich.«

    Mergan musterte den jungen Mann mit einem schwachen Anflug von Interesse. »Hallo, der Herr!«, brüllte er. »Was ist los?«

    Der junge Mann richtete den Blick vom Fenster auf Mergan, gab jedoch keine Antwort. Mergan gestattete sich allmählich, verblüfft zu sein. Weshalb war das goldbraune Haar des Mannes wie mit schnellen wilden Schnitten einer Schere kurz geschnitten? Und die Kleidung: deutlich eine Nummer zu groß für ein solch schmales Gestell!

    »Sprechen Sie!«, befahl Mergan. »Können Sie hören? Nennen Sie mir Ihren Namen!«

    Der junge Mann bekam einen nachdenklichen Gesichtsausdruck, blieb jedoch still.

    »Irgendein Vagabund«, erklärte Mergan. »Er ist wahrscheinlich von der Färbearbeit fortgegangen. Schicken Sie ihn wieder die Straße hinunter.«

    Dinster schüttelte den Kopf. »Der Bursche ist kein Vagabund. Sehen Sie sich seine Hände an.«

    Zögernd kam Mergan Dinsters Aufforderung nach. Die Hände waren stark und gut gepflegt und wiesen weder Anzeichen von harter Arbeit noch Spuren vom Eintauchen in Färbemittel auf. Die Gesichtszüge des Mannes waren fest und gleichmäßig; die Kopfneigung ließ auf Status schließen. Mergan, der es vorzog, die Umstände seiner eigenen Herkunft zu ignorieren, verspürte ein unbehagliches Kribbeln der Ehrerbietigkeit und eine entsprechende Verbitterung darüber. Erneut brüllte er den jungen Mann an: »Wer sind Sie? Wie lautet Ihr Name?«

    »Ich weiß es nicht.« Die Stimme war träge und gezwungen und von einem Akzent gefärbt, den Mergan nicht kannte.

    »Wo sind Sie zu Hause?«

    »Ich weiß es nicht.«

    Mergan wurde unangemessen sarkastisch. »Wissen Sie überhaupt irgendetwas?«

    Dinster wagte es, seine Meinung vorzubringen. »Mir sieht es so aus, Herr, als käme er von Bord des gestrigen Schiffes.«

    Mergan fragte den jungen Mann: »Mit welchem Schiff sind Sie eingetroffen? Haben Sie Freunde hier?«

    Der junge Mann fixierte ihn mit einem grüblerischen Starren aus dunkelgrauen Augen, und Mergan wurde es unbehaglich. Er wandte sich an Dinster. »Hat er Papiere bei sich? Oder Geld?«

    Dinster murmelte dem jungen Mann zu: »Entschuldigen Sie, Herr.« Behutsam suchte er in den Taschen des zerknitterten grauen Anzugs. »Ich kann nichts finden, Herr.«

    »Was ist mit Fahrscheinen, Karten oder Marken?«

    »Überhaupt nichts, Herr.«

    »Es handelt sich um etwas, was man Amnesie nennt«, befand Mergan. Er nahm ein Blatt zur Hand und blickte über eine Liste. »Sechs Schiffe gestern. Er könnte auf jedem von ihnen eingetroffen sein.« Er berührte einen Knopf. Eine Stimme sagte: »Prosidine, Eingangstor.«

    Mergan beschrieb den Amnesiekranken. »Wissen Sie etwas über ihn? Er ist irgendwann gestern eingetroffen.«

    »Gestern war es mehr als geschäftig; ich hatte keine Zeit, überhaupt etwas zu bemerken.«

    »Erkundigen Sie sich bei Ihren Leuten und geben Sie mir Bescheid.«

    Mergan dachte einen Augenblick nach, anschließend rief er das Carfaunger Spital an. Er wurde mit dem Aufnahmedirektor verbunden, der ihm geduldig lauschte, allerdings keine konstruktiven Vorschläge machte. »Für solche Fälle sind wir hier nicht eingerichtet. Er hat kein Geld, sagen Sie? Dann definitiv nicht!«

    »Was soll ich mit ihm tun? Hier kann er nicht bleiben!«

    »Fragen Sie bei der Polizei nach; die wird wissen, was zu tun ist.«

    Mergan rief die Polizei an; bald darauf traf ein Amtmann in einem Polizeiwagen ein, und der Amnesiekranke wurde fortgeführt.

    Im Befragungssaal versuchte Amtmann Squil, eine Vernehmung durchzuführen, doch ohne Erfolg. Der Polizeiarzt stellte Experimente mit Hypnose an und warf schließlich die Hände in die Luft. »Ein höchst hartnäckiger Zustand; ich habe zuvor bereits drei Fälle erlebt, aber keinen wie diesen.«

    »Woher kommt so etwas?«

    »Autosuggestion, veranlasst durch emotionalen Stress. Daran liegt es üblicherweise. Doch hier …«, er winkte in Richtung des verständnislosen Amnesiekranken, »… zeigen meine Instrumente keine psychologische Belastung irgendeiner Art. Er hat keine Emotionen, und somit habe ich keinen Ansatzpunkt.«

    Amtmann Squil, ein vernünftiger Mann, fragte: »Was kann man tun, um ihm zu helfen? Offensichtlich ist er kein Rüpel.«

    »Er sollte sich zum Connat-Hospital auf Numenes begeben.«

    Amtmann Squil lachte. »Alles schön und gut. Und wer bezahlt den Fahrpreis?«

    »Der Aufseher vom Raumhafen sollte in der Lage sein, eine Passage zu arrangieren, wenigstens nehme ich das an.«

    Squil stieß einen skeptischen Ton aus, wandte sich aber dem Telefon zu. Wie er erwartet hatte, wollte der Ehrenwerte Mergan, der die Verantwortung auf die Polizei verlagert hatte, nichts mehr mit der Angelegenheit zu tun haben. »Die Vorschriften sind klar«, erklärte Mergan. »Ich kann gewiss nicht tun, was Sie vorschlagen.«

    »Wir können ihn nicht hier in der Station bleiben lassen.«

    »Er wirkt körperlich durchaus tüchtig: Soll er sich den Fahrpreis, der letzten Endes nicht exorbitant ist, doch verdienen.«

    »Leichter gesagt als getan; was ist mit seinem Leiden?«

    »Was geschieht denn im Allgemeinen mit Mittellosen?«

    »Das wissen Sie so gut wie ich; sie werden nach Gaswin geschickt. Doch dieser Mann ist geistig krank; er ist nicht mittellos.«

    »Das kann ich nicht bestreiten, weil ich es nicht weiß. Wenigstens habe ich eine Möglichkeit aufgezeigt.«

    »Wie hoch ist der Fahrpreis nach Numenes?«

    »Dritte Klasse mit der Prydania-Linie: zweihundertzwölf Ozolen.«

    Squil beendete den Anruf. Er schwang herum und sah den Amnesiekranken an. »Verstehen Sie, was ich Ihnen sage?«

    Die Antwort kam mit deutlicher Stimme. »Ja.«

    »Sie sind krank. Sie haben Ihr Gedächtnis verloren. Sind Sie sich dessen bewusst?«

    Es gab eine Pause von zehn Sekunden. Squil fragte sich, ob er überhaupt eine Antwort geben würde. Dann, zaudernd: »Sie haben es mir gesagt.«

    »Wir schicken Sie an einen Ort, an dem Sie arbeiten und Geld verdienen können. Wissen Sie, wie man arbeitet?«

    »Nein.«

    »Tja, jedenfalls brauchen Sie Geld: zweihundertzwölf Ozolen. Im Gaswinmoor werden Sie dreieinhalb Ozolen am Tag verdienen. In zwei oder drei Monaten werden Sie genügend Geld verdient haben, um das Connat-Hospital auf Numenes aufsuchen zu können, wo man Sie von Ihrer Krankheit heilen kann. Verstehen Sie das?«

    Der Amnesiekranke dachte einen Augenblick nach, gab jedoch keine Antwort.

    Squil erhob sich. »Gaswin wird Ihnen guttun, und vielleicht kehrt Ihr Gedächtnis zurück.« Zweifelnd betrachtete er das goldbraune Haar des Amnesiekranken, das aus rätselhaften Gründen grob kurz geschnitten worden war. »Haben Sie einen Feind? Gibt es jemanden, der Sie nicht leiden kann?«

    »Ich weiß es nicht. Ich kann mich an keine solche Person erinnern.«

    »Wie heißen Sie?«, schrie Squil in der Hoffnung, den Teil des Gehirns zu überraschen, der die Information zurückhielt.

    Die grauen Augen des Amnesiekranken wurden etwas schmaler. »Ich weiß es nicht.«

    »Tja, wir müssen einen Namen für Sie finden. Spielen Sie Hussade?«

    »Nein.«

    »Kann das sein! Ein starker, flinker Kerl wie Sie! Dennoch, wir nennen Sie Pardero, nach dem großen Stürmer der Schaider Donnersteine. Nun denn, wenn jemand ›Pardero‹ ruft, müssen Sie reagieren. Verstanden?«

    »Ja.«

    »Nun gut, und jetzt machen Sie sich auf den Weg nach Gaswin. Je eher Sie zu arbeiten beginnen, desto eher treffen Sie auf Numenes ein. Ich spreche mit dem Direktor; er ist ein guter Freund und wird auf Ihr Wohlergehen achten.«

    Pardero, wie er von nun an heißen würde, blieb unsicher sitzen. Squil hatte Mitleid mit ihm. »So schlimm wird es nicht werden. Ja, es gibt raue Spinner im Arbeitslager, aber wissen Sie, wie Sie mit ihnen umgehen müssen? Sie müssen nur ein bisschen rauer sein als sie. Dennoch, ziehen Sie nur nicht die Aufmerksamkeit des Disziplinaramtmanns auf sich. Sie scheinen mir ein anständiger Bursche zu sein; ich lege ein gutes Wort für Sie ein und behalte Ihre Fortschritte im Auge. Noch ein Rat – nein, zwei. Zunächst: Versuchen Sie niemals, bei Ihrem Arbeitspensum zu betrügen. Die Amtmänner kennen alle Tricks; sie riechen einen Faulpelz wie ein Kribbat Aas. Zweitens: Spielen Sie nicht! Wissen Sie, was das Wort ›Glücksspiel‹ bedeutet?«

    »Nein.«

    »Es bedeutet, Geld bei Spielen oder Wetten zu riskieren. Lassen Sie sich dazu nicht verleiten! Lassen Sie Ihr Geld auf dem Lagerkonto! Ich rate Ihnen, Freundschaften zu meiden! Abgesehen von Ihnen selbst gibt es nur Gesindel im Lager. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Falls Sie Schwierigkeiten haben, rufen Sie nach Amtmann Squil. Können Sie sich diesen Namen merken?«

    »Amtmann Squil.«

    »Gut.« Squil führte den Amnesiekranken zu einem Dock und an Bord des täglichen Transportboots nach Gaswin. »Ein letzter Rat! Vertrauen Sie niemandem! Ihr Name ist Pardero; abgesehen davon behalten Sie Ihre Probleme für sich! Verstehen Sie?«

    »Ja.«

    »Viel Glück!«

    ***

    Das Transportboot flog tief unter der Wolkenschicht, knapp über den schwarz-purpurn gesprenkelten Mooren, und landete bald darauf neben einer Ansammlung von Betongebäuden: dem Arbeitslager von Gaswin.

    Im Personalbüro musste sich Pardero Meldeformalitäten unterziehen, die durch Squils Ankündigungen an den Lagerdirektor vereinfacht wurden. Ihm wurde eine Schlafkammer in einem Schlafblock zugewiesen; er wurde mit Arbeitsstiefeln und Handschuhen ausgestattet und erhielt eine Kopie der Lagerordnung, die er verständnislos studierte. Am nächsten Morgen wurde er einer Arbeitsgruppe zugeteilt und ausgeschickt, um Schoten von kolukoiden Kriechpflanzen zu ernten, Quelle eines besonders reichhaltigen roten Färbemittels.

    Pardero erfüllte sein Arbeitspensum ohne Schwierigkeiten. In der Gruppe schweigsamer Mittelloser fiel seine Beeinträchtigung nicht auf.

    Er nahm das Abendmahl in aller Stille ein und ignorierte die Anwesenheit der Kameraden, die schließlich zu spüren begannen, dass mit Pardero nicht alles in Ordnung war.

    Die Sonne sank hinter die Wolken; ein trübes Zwielicht fiel über die Moore. Pardero saß an der Seite im Erholungssaal und sah ein komisches Melodram am Fernsehschirm. Er lauschte aufmerksam den Dialogen; jedes Wort schien sofort eine empfängliche Nische in seinem Gehirn zu finden, unmittelbar mit einer semantischen Vorstellung.

    Sein Vokabular wuchs, und der Umfang seiner geistigen Prozesse wurde größer. Nachdem das Programm zu Ende war, blieb er grübelnd sitzen, schließlich war er sich seines Zustands bewusst geworden. Er ging zum Spiegel über dem Waschbecken und schaute hinein; das Gesicht, das ihn anblickte, war fremd und vertraut zugleich: ein düsteres Gesicht mit ausgeprägter Stirn, vorstehenden Wangenknochen, hohlen Wangen, dunkelgrauen Augen und einer zottigen Mähne dunkelgoldenen Haars.

    Ein gewisser stämmiger Spitzbube namens Woane machte einen Scherz. »Seht euch Pardero dort drüben an! Er steht da, als bewundere er ein schönes Kunstwerk!«

    Pardero studierte den Spiegel. Wer war der Mann, dessen Augen so aufmerksam in die seinen blickten? Woanes heiseres Murmeln drang durch den Saal. »Jetzt bewundert er seinen Haarschnitt.«

    Die Bemerkung amüsierte Woanes Freunde. Pardero wandte den Kopf hier- und dorthin und fragte sich nach dem Motiv, das hinter dem Vergehen an seinen Haaren stecken mochte. Irgendwo, so schien es, hatte er Feinde. Langsam wandte er sich vom Spiegel ab und setzte sich wieder auf den Platz an der Saalseite.

    Die letzten Spuren von Licht schwanden vom Himmel; die Nacht hatte sich über das Lager von Gaswin gelegt.

    Etwas zupfte tief am Grund von Parderos

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