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Herz im Netz: Ostfriesland Romanze
Herz im Netz: Ostfriesland Romanze
Herz im Netz: Ostfriesland Romanze
Ebook289 pages4 hours

Herz im Netz: Ostfriesland Romanze

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About this ebook

Lisas Ehe steht im verflixten siebten Jahr vor dem Aus.
Was so stürmisch begann, endet wie eine Welle am Strand von Bensersiel. Auch wenn sie zuvor noch so
groß und wild gewesen sein mag.
Lisas Leben steht an einem Wendepunkt.
Nichts ist mehr, wie es war.
Sie sucht auf der Insel Langeoog Entspannung, doch stattdessen gerät sie in Lebensgefahr.
Wird sie die Situation unbeschadet überstehen?
Ihre Schwiegermutter, die Lisa sehr mag, führt sie zudem in eine ihr unbekannte Welt. Lisa erschrickt
und sträubt sich dagegen.
Ist der Fremde im Chat, mit dem sie sich so blendend versteht, die Lösung für all ihre Probleme?
LanguageDeutsch
PublisherBurg Verlag
Release dateNov 15, 2019
ISBN9783948397036
Author

Ilka Silbermann

Ilka Silbermann, am 31.8.1957 in Kamen NRW geboren, begann erst 2013 in ihrer Wahlheimat Ostfriesland mit der schriftstellerischen Tätigkeit. Ihr Buch „Meines Mannes Rippe – die bin ich“ war der erste Versuch sich in Kurzgeschichten auszudrücken. Nach zwei weiteren Kurzgeschichten, die in Anthologien veröffentlicht wurden, begann sie vorliegenden Roman. Mehr über die Autorin finden Sie unter: www.ilka-silbermann.jimdo.com und facebook.com/ilka.silbermann

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    Herz im Netz - Ilka Silbermann

    Ilka Silbermann

    Herz im Netz

    Ostfriesland Romanze

    Dieses Buch widme ich all meinen Lesern.

    Möge es ihnen Vergnügen und Einblicke schenken.

    Danksagung

    Auf das Herzlichste möchte ich mich bei allen bedanken, die es mir erlaubten sie selbst,  ihr Unternehmen oder ihre Produkte namentlich zu nennen oder auch sie ins Geschehen einzubeziehen sowie Worte in den Mund zulegen:

    Ottifanten Productions GmbH, Hamburg

    Cartoonist Stephan Höstermann „HÖSTI" , Esens

    Monika Janßen mit ihrem „Weinkontor – Nordsee", Esens,Stätte der Begegnung und Veranstaltungen

    Speiselokal „Sturmfrei" und seinem unersetzlichen Kellner Rudi Redel, Esens

    Wolfgang Becker „Schlicky Becker" und seine köstliche Konditorei und Café, Esens

    Pizzeria „Bei Toni" mit der bekannten Steinofenpizza, Esens

    Alfred Iken vom Bio Vitaminkorb, Naturkostladen, Esens

    Oliver Peters, anerkannter Schmuckdesigner und Goldschmied, Esens

    Ruth Twehues, Tierärztin aus Leidenschaft, Esens

    Werner Schmidt, Freund, Saxophonist und Begleiter auf vielen meiner Lesungen, Utgast

    Elke Bergsma, Freundin und bekannte (nicht nur -) Krimiautorin aus Ostfriesland und ihre „LeseInsel Tammy",Veranstaltungsort in Emden

    Dirk Demkowsky’s „Deichkombüse" mit seinem versierten Kellner Marc, Neuharlingersiel

    Ulrike Janßen vom Hofladen auf dem Ferienhof und landwirtschaftlichen Betrieb „Hörn van Diek" mit ihren Minischweinen Frieda und Herta, Carolinensiel

    Jurij Ils und das Jugendwerk Wittmund

    Bei meinen Testleserinnen: Gerlinde Bannat - Leserin, Marianne Cornelius - Leserin,   Ingrid Ihben – Autorin (nicht nur Kinderbücher), Antje Klawohn-Albers, Diplom Biologin, Janet Szonntag - Medienberaterin

    Bei Dr. Frank Lühring von der Kanzlei Rechtsanwälte und Notare Dr. Lühring, Köhler und Böhmer für die fachkundige Beratung

    Bei Daniel Schuster, „Head Hunter", selbstständiger Friseur Meister in Norden, der mir immer den „Kopf frei gehalten" hat

    Und ein großes Dankeschön an Hanns Findeiß, Inhaber des Burgverlags, der an mich und meine Werke glaubt sowie für die kameradschaftliche und faire Art im Umgang mit mir.

    Ferner möchte ich mich bedanken bei meiner Familie sowie meinen Freunden für Verständnis, Unterstützung und Aufmunterung.

    „Was soll das heißen?" Bleich, aber wutentbrannt machte Julian einige Schritte auf Lisa zu. Diese lief knallrot an, senkte kurz eingeschüchtert den Blick, um im nächsten Moment kampflustig das Kinn hochzurecken, bereit zum Gegenschlag.

    „Du hast mich schon richtig verstanden. Ich will mich von dir trennen!"

    „Das heißt: die Scheidung! Ist das so?" Als sie darauf nicht antwortete, drehte er sich um und verließ den Raum.

    Lisa blickte auf die geschlossene Tür und blieb überraschenderweise schuldbewusst zurück.

    Damit hatte sie nicht gerechnet, dass sie sich so fühlen würde, als sie das Gespräch mit Julian gesucht hatte.

    Na ja, ein Gespräch war es eigentlich nicht gewesen. Nur diese eine Mitteilung, dass sie ihn verlassen wollte. Getrennt von Tisch und Bett, wie es doch in solchen Fällen immer hieß.

    Die aufkommenden Tränen drängte sie trotzig zurück und dachte: Das war doch nur eine logische Konsequenz. Es musste ja so kommen. Steuerten sie beide doch bereits seit geraumer Zeit darauf zu.

    Jetzt war die beste Gelegenheit. Sie fühlte sich zu diesem Schritt bereit. Gerade jetzt, wo sich vielleicht eine neue Chance auftat. Eine Chance auf einen Neustart.

    Ihre Gedanken wanderten zurück. Zurück zum Anfang. Damals, als sie der Blitz getroffen hatte. Oder war es Amors Pfeil gewesen?

    Wie schon so oft zog es sie zu der „In-Kneipe", die eigentlich in erster Linie von Studenten aufgesucht wurde.

    Lisa mochte diese zwanglose Atmosphäre, auch wenn sie nicht wirklich dazugehörte. Eben keine Studentin war.

    Hier war immer etwas los. Tagsüber, schon ab frühem Vormittag trafen sich die Studenten, die entweder eine Stunde Zeit hatten oder deren Vorlesungen später begannen. Zum zweiten, meistens jedoch zum ersten späten Frühstück oder einfach nur auf einen Cappuccino.

    So konnte Lisa, je nachdem, zu welcher Schicht sie im städtischen Krankenhaus eingeteilt war, hier ein paar nette Stunden im Gespräch verbringen statt alleine in ihrer Wohnung, wo nichts weiter auf sie wartete als der kleine Haushalt und das bisschen Wäsche, das sie privat trug. Denn die Schwesternbekleidung wurde in der krankenhauseigenen Wäscherei gewaschen und gebügelt.

    Außerdem lernte man hier sehr schnell und unkompliziert neue Leute kennen.

    Da Lisa solo war, erhoffte sie sich, so dem Schicksal auf die Sprünge zu helfen, sie an den richtigen Mann zu bringen.

    Und tatsächlich! Eines Abends war es dann so weit.

    Sie war nach diesem Tag fix und fertig gewesen. Der Dienst hatte sie völlig beansprucht. Keine ruhige Minute hatte sie gehabt.

    Zuletzt dann noch das vergebliche Ringen um das Leben eines Patienten. Eigentlich sollte sie das besser verkraften. Es gehörte schließlich zu ihrem Alltag.

    Wahrscheinlich ließ die Doppelschicht sie so empfinden, die sie hatte schieben müssen. Denn ihre Kollegin und Freundin Sarah musste doch plötzlich das Bett hü-ten.

    Sie hatte es sich ja gleich gedacht, dass sie die „kleine Erkältung", wie sie die rote Nase und die wässrigen Augen entschuldigte, nur durch bloßes Ignorieren nicht in den Griff bekommen würde. Diesmal hatte ihr posi-tives Denken wohl nicht den gewünschten Effekt ge-habt.

    Lisa dachte nicht im Entferntesten daran, sofort ihr Zuhause aufzusuchen, obwohl ihr brennender Körper nach einem entspannenden Bad schrie.

    Ein heißer Kakao mit viel dicker Sahne obenauf würde ihren Nerven guttun.

    Nach dem Umkleiden hatte sie nicht einmal Lust, ihr Make-up aufzubessern, wie sie es sonst tat, bevor sie zu Leopold ging.

    Leopold, ein schlanker Mittvierziger, war der Besitzer der „In-Kneipe", der praktisch immer anzutreffen war. Sie liebte Leopold. Er strahlte eine Herzlichkeit und ein Verständnis aus, die ihr guttaten. Da er dem männlichen Geschlecht zugetan war, somit die Sensibilität einer Frau in seinem Herzen trug, musste sie es ihm nicht einmal erzählen, wenn es ihr nicht gut ging. Er wusste es einfach und handelte entsprechend. Genau heute brauchte sie dringend Leopolds Schulter und seinen fantastischen Kakao.

    „Kind, wie siehst du denn aus?", begrüßte er sie auch sogleich mitfühlend. Kurz darauf stand ungefragt der heiße Kakao vor ihr, der durch die dicke Sahnehaube nicht einmal abdampfen konnte.

    Gezuckerte Sahne! Lisa war verrückt danach. Nirgends war sie so cremig wie hier. Leopold hatte einen geheimen Lieferanten, der die begehrte Flüssigkeit noch als richtigen Rahm lieferte und nicht als die abgespeckte Version aus dem Supermarkt.

    Wenn man sich schon für einen Kakao mit Schlagsahne entschied, dann hatte man im Augenblick des Beschlusses den Kalorien bereits freie Bahn gelassen. Und dieser Kakao ließ definitiv den Sommer und die Bikini-figur in Vergessenheit geraten.

    „Schieß los!", forderte Leopold sie auf, als sie den ersten vorsichtigen Schluck durch die Sahnehaube hindurch genommen hatte. Den weißen Schnurrbart leckte sie sich genüsslich von ihrer Oberlippe.

    „Sarah ist krank. Doppelschicht. Ein Toter." Lisa schaffte nur die Kurzversion. Damit war aber auch schon alles gesagt.

    Sie setzte die Tasse erneut an den Mund. Diesmal nahm sie einen großen Zug. Die Sahne schwamm noch obenauf. Sie ließ das Beste stets bis zum Schluss.

    Ein kleiner Rempler im Rücken und Lisa fiel fast in die Tasse. Als sie wieder aufgetaucht war, blickte sie sich empört um.

    Welcher Idiot konnte denn nicht aufpassen?

    Dass die Sahnehaube auf ihrer Nasenspitze Platz genommen hatte, kümmerte sie in diesem Augenblick nicht die Bohne.

    Der Rest ihrer Energie versammelte sich gerade, um dem Verursacher gründlich die Meinung zu sagen.

    Zeitgleich drehte sich ein junger Mann zu ihr um. Die Entschuldigung brachte er nicht wirklich glaubhaft zustande, als er ihr Gesicht sah.

    Die kunstvoll gespritzte Sahne saß perfekt auf der Nase. Darunter ein Rest weißbraune Masse auf der Oberlippe.

    Spontan murmelte er zwar: „Entschuldigung." Aber als er sie dann ansah, ging ein Grinsen über sein Gesicht. Kurz biss er sich auf die Unterlippe, um nicht in Gelächter auszubrechen:

    „Steht dir gut – die Sahne auf der Nase." Drehte sich wieder um und folgte der Gruppe, der er offensichtlich angehörte.

    Verblüfft starrte Lisa ihm hinterher. Verblüfft aus zweierlei Gründen. Zum einen hatte sie vergessen, wie sie möglicherweise aussah, und zum anderen hatte sie beim Anblick dieses jungen Mannes der Blitz getroffen, oder war es Amors Pfeil gewesen?

    Sie schaute geradeaus und konnte erkennen, obwohl etliche Flaschen, Geräte und Regale den freien Blick zum Spiegel hinter der Theke behinderten, warum sie zur Erheiterung des Mannes beigetragen hatte.

    Sie nahm mit dem Zeigefinger vorsichtig die Sahne von diesem eben falschen Platz auf und steckte sie in den Mund.

    Nichts verschwenden von diesem kostbaren Gut, dachte sie instinktiv.

    Leopold blickte von Lisa zum Tisch, an dem die Gruppe Platz genommen hatte, und wieder zu Lisa.

    Er hatte genau wahrgenommen, was ihr soeben widerfahren war. Da konnte sie sich noch so gleichmütig geben.

    Er wandte sich ab und ging die Bestellung aufnehmen. Dabei verwickelte er die Gruppe sogleich in ein Gespräch, so wie es bei ihm üblich war. Schließlich musste man doch wissen, mit wem man es zu tun hatte, war seine Devise. Denn dieser Ort war mehr als nur eine Kneipe. Es war ein Raum für Gäste. Hier beherbergte und bewirtete er seine Kunden. Für die Dauer des Aufenthalts schenkte er diesen Menschen seine Aufmerksamkeit, Zuwendung und am liebsten auch sein Vertrauen.

    Lisa versuchte derweil ihre Gedanken bzw. ihre Gefühle in den Griff zu bekommen und zu analysieren. Obwohl es da gar nichts zu analysieren gab. Zwar war ihr Ähnliches in dieser Form noch nie passiert, dennoch wusste sie sofort mit ziemlicher Genauigkeit, was sie davon zu halten hatte.

    Sie schaute noch mal verstohlen zum Spiegel hinüber und schimpfte innerlich: Da gab sie sich tagein, tagaus die größte Mühe, attraktiv auszusehen, und ausgerechnet heute, wo man ihr die Erschöpfung schon von Weitem ansehen konnte, da begegnete ihr der Traummann, vor dem sie sich in diesem desolaten Zustand auch noch zusätzlich völlig lächerlich gemacht hatte.

    Denn eigentlich sah sie sehr hübsch aus, zurechtgemacht. Nur heute hingen die Haare schlaff herunter, die sonst leicht gewellt ihr schmales Gesicht einrahmten. Die braunen Augen, die, wenn sie mit Wimperntusche und Kajal betont wurden, das Gesicht ausdrucksstark beherrschten, wirkten heute müde und glanzlos. Dem Rest hatte er sich bestimmt sowieso nicht mehr gewidmet, nachdem er ihr ins Gesicht geschaut hatte.

    Vorsichtig schielte sie zu dem Tisch. Leopold, seinen Rücken ihr zugewandt, verdeckte jedoch genau den Teil der Gruppe, dem ihr Interesse galt. Als er sich umdrehte, um zurückzukommen, schaute sie schnell fort.

    Sie wusste auch so noch, dass der junge Mann mit einer außergewöhnlich braunen Gesichtsfarbe beeindruckte, die höchstwahrscheinlich seine natürliche Hautfarbe war. Dunkle Locken, die ihm in die Stirn fielen, und tiefschwarze Augen deuteten darauf hin.

    Leopold trat hinter die Theke und bereitete, ihr genau gegenüber, die Bestellung für den Tisch zu.

    „Das sind frischgebackene Dolmetscher, die hier ihr Examen feiern wollen", ließ er sie an seinem erworbenen Wissen teilhaben.

    Leopolds Bemerkung hatte belanglos geklungen. Aber natürlich ahnte er, dass Lisa darauf brannte, Informationen zu bekommen.

    „Waren noch nie hier, sprach er nach einer kleinen Weile weiter. „Also musste ich schließlich erfahren, was das für welche sind. Er reckte sein Kinn in die Richtung des Tisches, an dem sie saßen. „Ein bunt gemixter Haufen sämtlicher Nationen." Er schnappte sich sein bestücktes Tablett und trug es zu ihnen.

    „Ein paar hübsche Typen sind schon dabei, bemerkte Leopold, nachdem er sich kurz darauf neben sie gestellt und sie schelmisch angestupst hatte. „Ich hab ihnen gesagt, wenn sie noch etwas wollen, können sie ruhig zur Theke kommen und es sich holen. Macht doch alles viel einfacher. Er zwinkerte ihr doppeldeutig zu. „Ich empfehle dir, mal eben zum Waschraum zu gehen, meine Liebe. Das wirkt Wunder."

    Lisa wurde rot, wusste aber, dass er es nur gut mit ihr meinte. Im sogenannten „Waschraum, Leopold vermied gerne das Wort „Klo, es erschien ihm zu gewöhnlich, lag alles für die Mädels bereit, um sich aufzupeppen.

    Studentinnen hatten nie viel Geld für Schminke, Haargel oder Spray. Auch an verschiedenen Parfums hatte Leopold nicht gespart. Darum nahm man im Gastraum vornehmlich drei Duftnoten wahr: blumig, herb und sportlich zitronig.

    Lisa warf einen verstohlenen Blick zu dem jungen Mann am Tisch, der augenscheinlich in ein lebhaftes Gespräch verwickelt war und somit keinerlei Notiz von ihr nahm. Sie ließ sich vom Barhocker gleiten, nahm ihre Tasche an sich und ging zügigen Schrittes zum besagten Waschraum, der in der anderen Richtung lag.

    Ein prüfender Blick in den Spiegel und sie beschloss, das „volle Programm" anzuwenden. Sie trug stets ihr eigenes Notfall-Make-up bei sich und so konnte sie es mit Leopolds großzügiger Spende wunderbar kombinieren.

    Einige Minuten später verließ sie selbstbewusst und erhobenen Hauptes den Ort. Eine frische Duftnote umgab sie wie eine Wolke, mit der sie eine Fährte hinterließ.

    Sie stockte für einen kurzen Moment, als sie sah, wer sich neben ihrem Platz lässig an die Theke lehnte und offensichtlich auf seine Bestellung wartete.

    Leopold hatte sich mit der Erfüllung seines Wunsches scheinbar Zeit gelassen. Nun schaute er auf, entdeckte sie und schien erleichtert. Seine Augen beschworen sie: Nun mach schon. Ich kann ihn nicht länger hinhalten.

    Lisa straffte sich und mit ihrem bezauberndsten Lächeln schob sie sich wieder auf ihren Hocker.

    „Möchtest du noch einen Kakao mit Sahne, LISA?", betonte er überdeutlich ihren Namen.

    „Nicht, solange er in meiner Nähe ist", antwortete sie schlagfertig und kokett.

    Der junge Mann wandte sich überrascht zu ihr um.

    „Oh, hat es sich schon herumgesprochen?"

    „Wieso herumgesprochen? Ich hatte doch selbst das Vergnügen, ein Bad in meiner Tasse zu nehmen."

    „Da… das tut mir jetzt wirklich leid", stotterte er und schaute sie total überrascht genauer an. Sein Blick blieb wie hypnotisiert an ihr kleben.

    Lisa registrierte es mit Genugtuung und bemerkte, wie Leopold ihr zuzwinkerte, bevor er sich abwandte.

    Da ihr Gegenüber sie noch immer stumm anstarrte, übernahm sie die Initiative, streckte ihm die Hand entgegen und sagte: „Schwamm drüber! Ich heiße, wie du schon vielleicht gerade von Leopold gehörst hast, Lisa und bin examinierte Krankenschwester hier im städtischen Krankenhaus", informierte sie ihn schelmisch.

    Der junge Mann erwachte aus seiner Erstarrung, nahm ihre Hand entgegen und sagte:

    „Du würdest meiner Mutter gefallen."

    „Wie bitte?", fragte sie nun doch irritiert.

    „Äh, ich meine, ihr hättet ein Gesprächsthema, erwiderte er eilig. „Sie ist Heilpraktikerin. Die Gesundheit der Menschen liegt ihr sehr am Herzen.

    „Aha! Nun ja, das glaube ich nicht wirklich. Denn die traditionelle Medizin verträgt sich nicht so gut mit der Naturheilkunde. Obwohl ich gegen gewisse Hausmittelchen gar nichts habe. Wende sie selbst ab und zu an."

    Da er nichts darauf zu sagen wusste, fragte sie ihn: „Hat deine Mutter dir auch einen Namen mit auf den Weg gegeben? Oder wie spricht sie dich üblicherweise an?"

    Leopold, der sich amüsiert umdrehte, tat gleich darauf sehr geschäftig. Jawoll, dachte er. Das war seine Lisa, wie er sie liebte. Pfiffig und geistreich. Das gesunde Selbstbewusstsein blitzte wieder mit Lebensfreude aus ihren Augen. Da brauchte er sich nicht mehr zu kümmern. Sie wuppt das schon, lächelte Leopold in sich hinein.

    „Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Such dir einfach eine davon aus, wie zum Beispiel ‚Liebling‘, ‚Schatz‘, auch Julian, Julio oder auch Julien, wie meine Oma mich gerne ruft, antwortete er schlagfertig. „Sie ist Französin. Meine Mutter eine Mischung aus Französin und Spanier. Tja, und ich bin wiederum daraus eine Mischung, wobei ich meinen marokkanischen Vater nie kennengelernt habe. Als er die Schlussfolgerung in ihrem Blick bemerkte, fügte er hinzu: „Nein, nicht auf und davon, wie du wohl annimmst. Er ist sehr früh gestorben. So, und jetzt kennst du schon meine ganze Lebensgeschichte. Fehlt nur noch hinzuzufügen, dass ich sprachbegabt bin, mehrsprachig großgeworden und nun erfolgreich meinen Dolmetscher gemacht habe. Eine Anstellung habe ich bereits in Aussicht. Das Gehalt würde mir erlauben, eine Frau und eine Familie zu ernähren. Natürlich könnten wir uns mehr leisten, wenn du in der ersten Zeit mitarbeiten würdest."

    Lisa fiel die Kinnlade herunter und sie machte große Augen.

    Sogleich prustete er auch schon los. „Das war ein Witz!"

    Es schien, dass ihr hier jemand gegenübersaß, der sie an Einfallsreichtum und Schlagfertigkeit übertrumpfte.

    Sie stimmte in sein Gelächter ein, wenn auch ein wenig zögerlich. Doch als er nun ganz gelöst eine Unterhaltung begann, war sie nur noch fasziniert von ihm.

    Amors Pfeil saß noch immer perfekt an der richtigen Stelle.

    Und so wie es aussah, hatte er Julian auch bereits anvisiert und in der Schusslinie.

    Alles war dann unglaublich schnell gegangen, erinnerte sich Lisa wehmütig.

    Es war eine sehr schöne und aufregende Zeit gewesen. Es hatte wirklich nicht lange gedauert und sie waren beide der Meinung, dass sie füreinander bestimmt seien.

    Lisa verstand sich tatsächlich mit seiner Mutter ganz ausgezeichnet, so, wie er es vorhergesagt hatte, und auch mit der französischen Großmutter, die zusammen im selben Haus direkt an der ostfriesischen Nordseeküste in dem beliebten Ferienort Bensersiel wohnten.

    Sie verstanden sich sogar so gut, dass sie schließlich gleich nach der Hochzeit zusammenzogen. Die freie Stelle im Krankenhaus Wittmund, der Kreisstadt, schien nur auf sie gewartet zu haben.

    Nebenher absolvierte sie die Ausbildung zur Heilpraktikerin und nach dem erfolgreichen Abschluss begann sie in der Praxis ihrer Schwiegermutter zu arbeiten.

    Nadia, Julians Mutter, hatte es verstanden, sie bei Gelegenheit mit Geschick in die Geheimnisse der alternativen Behandlungsmethoden einzuführen, und sie schließlich davon überzeugt.

    In ihrem Haus, in dem sie nun zu viert wohnten und arbeiteten, richteten sie einen zusätzlichen Behandlungsraum ein. Schon bald hatte Lisa Erfolge zu verzeichnen und somit eine eigene Patientenkartei.

    Julian hatte mittlerweile einen kleinen, aber festen Kundenstamm, den er dann doch lieber in freischaffender Tätigkeit gut und erfolgreich bediente.

    Es war stetig bergauf gegangen. Die Ziele waren rasant erreicht. Und jetzt im verflixten siebten Jahr war es auch schon vorbei.

    Ihr gemeinsames Leben glich einem Zeitraffer. Einem stürmischen Zeitraffer. Alles, was sie gemeinsam erlebt hatten, war stürmisch, oder man kann es auch leidenschaftlich nennen. Ihre Liebe war leidenschaftlich. Ihr Alltag war lebendig und temperamentvoll.

    Lisa liebte ihr Leben. Endlich spürte sie ganz bewusst, dass sie lebte. Sie dümpelte nicht mehr so wie früher durch ihren Alltag.

    Alle Emotionen waren plötzlich so klar – so deutlich. Ihr früheres Leben, überschaubar bis eintönig, war einem Naturschauspiel gewichen. Sogar die Gespräche mit ihrer neuen Familie wiesen diese Besonderheit auf. In ihnen pulsierte das Leben in allen Facetten.

    Wann hatte es denn aufgehört, sie zu fesseln? Warum war sie nicht mehr mittendrin? Nur noch Zuschauerin. – Sie wusste es nicht.

    Julian und sie hatten sich voneinander entfernt, entfremdet.

    Ihre Schwiegermutter hatte es irgendwann bemerkt und mit Sorge verfolgt. Sie schließlich mütterlich zur Seite genommen, um ihr einige Tipps zu geben. Tipps, von denen sie glaubte, sie würden das Paar einander wieder näherbringen.

    „Kind, was du brauchst, ist ein romantischer Abend. Oh là là …, meine Liebe, das wirkt Wunder."

    „Nadia, ich bitte dich!, wehrte Lisa ab. „Das allein kann keine Beziehung kitten. Wir können nicht pausenlos Sex haben, nur damit wir uns nicht streiten. Wir müssen auch miteinander reden können. Und das, so leid es mir tut, funktioniert nicht – mehr, setzte sie zögerlich hintendran.

    Für Nadia war es in erster Linie wichtig, dass auf der körperlichen Ebene alles stimmte. Alles andere würde sich dann von ganz allein ergeben. Aus diesem Grund kleidete sie sich auch im Alltag wie die wandelnde Verführung, allzeit bereit. Die jeweiligen Lebenspartner wussten dieses Angebot auch durchaus zu schätzen.

    Überhaupt hatte Nadia die Gabe, das Leben von der leichten Seite zu nehmen und es so zu akzeptieren, wie es sich ihr darstellte.

    Schenkte das Schicksal ihr einen Mann, war sie dankbar und glücklich und lobte Gott dafür in allen Tönen und bei allen Gelegenheiten.

    Nahm das Schicksal ihn ihr dann wieder, aus welchen Gründen auch immer, und sie wurde verlassen, lobte sie ebenfalls Gott für seine Weitsicht und seine Fürsorge ihr gegenüber und nahm es hin. Ihr Vertrauen, dass ihr schon bald ein Nachfolger präsentiert werden würde, war unerschütterlich. Und genauso war es ja auch, wie Lisa in diesen sieben Jahren feststellen konnte und einige Wechsel mit verfolgen durfte.

    Wobei Michelle, die Großmutter, alles voller Interesse verfolgte und ihrer kleinen „Chouchou, wie sie sie liebevoll nannte, immer wieder Tipps gab oder ihr einfach nur zuhörte, wenn wieder einmal eine Beziehung beendet war. Dabei wippten die tiefschwarz gefärbten Locken ihres noch immer beachtlich vollen Haares mehr oder weniger aufgeregt. Je nachdem, welche Situation gerade vorherrschte. Als Französin gestikulierte sie stets voller Leidenschaft mit ihren beringten und gepflegten Händen. Sie war noch weit davon entfernt, sie demütig zu falten und auf das Ende ihres irdischen Daseins zu warten. Dafür liebte sie das Leben und vor allen Dingen die Liebe viel zu sehr. „Nur für den Fall, dass heute ein ansehnlicher, nicht zu kränklicher Herr in meinem Alter deinen Behandlungsraum besucht, ma chouchou … Ich koche sehr gerne einen Kaffee und bringe ihn euch, gab sie augenzwinkernd und hoffnungsvoll noch immer nicht auf.

    So war es auch heute, als Lisa auf dem Weg zu ihrem Behandlungsraum war. Normalerweise hätte sie Michelle einen schnellen Kuss auf die faltige Wange gedrückt und ihr versichert, dass auch sie die Augen offen halten würde, doch heute wollte sie von Liebesdingen nichts wissen.

    Bedrückt schloss sie hinter sich die Tür, umrundete den Schreibtisch und schaltete den PC ein.

    „Mach dir keine Sorgen, Chouchou, das ist eine ganz normale Krise. Das verflixte siebte Jahr! Das Schicksal hat

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