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Das Kind der Liebe
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Das Kind der Liebe

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About this ebook

An die Kraft der Liebe kann Mallory Powell, die Tochter von Grace DeWildes älterem Bruder Leland, nicht glauben. Doch eine einzige sensationelle Nacht auf einem Schweigeseminar verändert ihr ganzes Leben. In den Armen eines völlig Fremden erlebt sie Lust, Ekstase und totale Hingabe. Als sie sich später wiedersehen, weiß Mallory, dass sie sein Baby erwartet. Wie wird Liam O'Neill auf diese Nachricht reagieren?

LanguageDeutsch
PublisherCORA Verlag
Release dateNov 7, 2016
ISBN9783733774998
Das Kind der Liebe
Author

Judith Arnold

Judith Arnold fing mit dem Erzählen von Geschichten an, lange bevor sie schreiben konnte. Sie war vier Jahre alt, als ihre Schwester ihr einen Stift in die Hand drückte und ihr das Alphabet beibrachte. Das war der Beginn, und sie schreibt noch immer. Seit 1983 ihre erste Romance veröffentlicht wurde, hat Judith Arnold über 70 Liebesromane verfasst, die weltweit mehr als acht Millionen Mal verkauft wurden und ihr zahlreiche Auszeichnungen in den USA einbrachten. Ihre Romances stehen sogar auf der Liste der Leseempfehlungen, die von Krebshilfegruppen in amerikanischen Krankenhäusern verteilt wird. Judith Arnold besuchte zunächst das Smith College und später die Brown University, wo sie nicht nur ihren MA-Abschluss in Kreativem Schreiben erwarb, sondern einen gut aussehenden Chemiestudenten kennen lernte, den sie später heiratete. Sie erhielt Schreibstipendien und lehrt an Colleges und Universitäten im ganzen Land. Neben ihren Romances hat sie auch einige Theaterstücke verfasst, die in San Fransisco, Washington, D.C., Connecticut und in kleinen Theatern in New York City aufgeführt werden. Judith Arnold lebt mit ihrem Mann, zwei Söhnen im Teenageralter und einem Meerschweinchen namens Wilbur in Massachusetts.

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    Das Kind der Liebe - Judith Arnold

    IMPRESSUM

    Das Kind der Liebe erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

    © 1995 by Harlequin Books S.A.

    Originaltitel: „A Stranger’s Thief"

    erschienen bei: Harlequin Books Ltd., Toronto

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    © Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA SPECIAL

    Band 7 - 1997 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

    Übersetzung: Michael Große

    Umschlagsmotive: ThinkstockPhotos_pojoslaw

    Veröffentlicht im ePub Format in 10/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783733774998

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

    Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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    1. KAPITEL

    Mallory Powells gesamte Zukunft hing davon ab, ob sie jetzt die Tür öffnete oder nicht.

    Regenwolken ballten sich über ihr zusammen, tauchten die Stadt in ein düsteres Grau. Feiner Nieselregen ließ die eisige Februarluft noch kälter erscheinen. Autoreifen zischten auf dem nassen Asphalt, und Passanten zogen ihre Mäntel enger um sich, um Feuchtigkeit und Kälte abzuwehren.

    Die Tür wurde durch ein Überdach geschützt. Das Gebäude selbst war unauffällig, ein stuckverziertes Haus in der Golden Gate Street, nur ein paar Häuserblocks von der Universität entfernt. Niemand würde erraten, was sich darin befand, und genau das war der Grund, warum Mallory hierhergekommen war.

    Sie vertraute ihrem Hausarzt und achtete ihn, hätte ihm ihr Leben anvertraut. Aber in dieser Angelegenheit konnte sie nicht zu ihm gehen. Wenn eine Frau in einer klatschsüchtigen Stadt wie San Francisco einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hatte, mussten gewisse medizinische Probleme mit Diskretion behandelt werden. Besonders, wenn diese Frau die Tochter von Leland Powell war, einem der reichsten Finanziers der Stadt, und zudem die Verlobte von Robert Benedict – einem ehrgeizigen Manager in der Firma ihres Vaters. Außerdem war ihr Gesicht nicht wenigen Einwohnern bekannt, da sie wöchentlich in einer beliebten Talkshow ihre Kochkunst demonstrierte. Eine Frau in einer solchen Position marschierte nicht einfach in eine Arztpraxis und sagte: „Hi. Ich möchte abtreiben lassen."

    Mallory seufzte und starrte hinaus in den Regen. Ein Schauder lief ihr über den Rücken, aber das hatte wohl weniger mit dem feuchten Wetter als mit dem zu tun, was auf sie wartete.

    Sie presste die Hände auf ihren flachen Bauch. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass dort drinnen Leben heranwuchs, etwas, was sie nie geplant hatte, ein Streich, den ihr das Schicksal spielte.

    Aber es war leider so. Nicht nur der Schwangerschaftstest zu Haus hatte es bewiesen, sondern es hatten sich auch ihre Brüste in den letzten zwei Wochen verändert, sie wurden fester und spannten …

    Sie schloss die Augen, als sie die nächste Gänsehaut bekam. Zwei Monate, nachdem sie das Schweigeseminar verlassen hatte, war die Erinnerung an den Mann immer noch unglaublich lebendig. Noch immer wusste sie, wie er sich anfühlte, erinnerte sich an seinen Duft, den Geschmack seiner Küsse. Sie sah seinen schlanken, muskulösen Körper, seine graugoldenen Augen vor sich, in denen für einen kurzen leidenschaftlichen Moment eine tiefe Traurigkeit zu sehen gewesen war. In diesen Augenblicken hatte sie erkannt, es ging nicht nur um Sex, nicht nur um Lust. Zwei Menschen retteten sich gegenseitig – oder anders gesagt, sie rannten vielleicht Hand in Hand auf ein Desaster zu.

    Der Schwangerschaftstest hatte nur bewiesen, was sie in diesem Augenblick gefühlt hatte, in dieser einen einzigartigen Nacht, als sie und der Mann sich ineinander verloren hatten, in silbriges Mondlicht gebadet, voll verzweifeltem Vertrauen.

    Mallory kannte nicht einmal seinen Namen.

    Sie musste diese Schwangerschaft abbrechen. Es gab keinen anderen Ausweg. Jeder erwartete, dass sie Robert heiratete, und sie selbst wollte diese Hochzeit ebenfalls. Wie konnte sie vor den Traualtar treten, wenn sie das Kind eines anderen Mannes in sich trug?

    Seit sie von ihrer Schwangerschaft wusste, hatte sie kaum noch mit ihrem Verlobten sprechen können. Gott sei Dank hatte sie ihn nicht sehen müssen. Sehr wahrscheinlich hätte sie es nicht ertragen, ihm ins Gesicht zu blicken.

    Deswegen musste sie das Problem so schnell und diskret wie möglich lösen. Ihren Hausarzt konnte sie nicht darum bitten. Er war ein alter Freund ihres Vaters und hatte sie vor dreißig Jahren auf die Welt gebracht. Auch ihre Cousine Kate konnte sie nicht um Hilfe bitten, auch wenn sie wohl jede Abtreibungsklinik in der Region kannte, da sie in einem Krankenhaus in der Stadt arbeitete. Mallory hatte Kate sehr gern, aber in dieser Situation mochte sie sich ihr nicht anvertrauen.

    Eine Freundin in der gleichen Situation hatte vor ein paar Jahren Dr. Gilman empfohlen. „Er nimmt eine Menge Geld dafür, hatte Courtney Mallory gewarnt. „Aber er ist ein Musterbeispiel an Takt und Verschwiegenheit. Zu seinen Patienten sollen alle möglichen Bekanntheiten zählen … Schauspielerinnen, Politikerinnen, liebessüchtige Hausfrauen … Doch er ist verschwiegen wie ein Grab und hat bisher niemals den Namen einer Patientin preisgegeben. Er wird es auch in Zukunft nicht tun.

    Das war es, was Mallory brauchte: den verschwiegensten Gynäkologen von ganz Kalifornien. Nur zu gern würde sie bezahlen, was er verlangte, solange er den Mund hielt, was sie betraf.

    Wieder griff sie nach der Tür. Der Knauf fühlte sich wie Eis an, und sie zog hastig ihre Hand zurück.

    Es ist unglaublich, dachte sie. Mein Leben lang war ich ein Mensch, der Entscheidungen traf und sie durchführte.

    Aber dennoch vermochte sie anscheinend die Tür nicht zu öffnen.

    Tränen stiegen ihr plötzlich in die Augen, aber sie drängte sie zurück. Sie war zu wütend, um zu weinen. Wütend auf sich, weil sie zögerte, obwohl eine Abtreibung die einzige Lösung war. Wütend auf ihren Vater, weil er so viel von Robert hielt, dass sie seine Reaktion fürchtete, falls sie die Verlobung auflöste. Wütend auf Aunt Grace, die im Dezember darauf gedrängt hatte, dass sie, Mallory, endlich einmal ausspannte, ehe der Stress ihr schadete. Wütend auf den Mann, den Fremden, der sie mit einem einzigen durchdringenden Blick völlig durcheinanderbringen konnte, von dem eine einzige Berührung genügte, um ihr den Kopf zu verdrehen. Es war ihr völlig egal gewesen, wer er war, oder welche Folgen ihr Verhalten haben könnte.

    Mallory schüttelte den Kopf. Es war weder die Schuld ihres Vaters, noch Roberts oder die von Aunt Grace. Sie selbst war mit offenen Augen in die Katastrophe marschiert. Nur sich selbst durfte sie die Schuld geben.

    Noch einmal griff sie zum Türknauf, ein Frösteln überlief sie – und sie wandte sich ab. Sie konnte es einfach nicht tun. Selbst wenn es bedeutete, dass ihre Zukunft nicht den geplanten Weg nahm, sie den Respekt ihres Vaters verlor und die Chance, Robert zu heiraten …

    Gott allein wusste, warum, aber als sie hinaus in den winterlichen Regen starrte, war sie absolut davon überzeugt, das Kind in sich zu verlieren, wäre noch viel schlimmer.

    Sie stellte den Kragen ihres Mantels hoch und trat hinaus in den Nieselregen. Sie hatte ihren Wagen weiter unten in einer der Seitenstraßen geparkt. Und als sie die steile Straßen hinunterging, tat sie es mit mehr Vorsicht als sonst. Schließlich waren sie nun zu zweit.

    Dieser Gedanke beunruhigte sie längst nicht so, wie es eigentlich sein sollte. Beunruhigend war vielmehr die Erkenntnis, dass sie nicht in Panik geriet. Ihr Leben zerbrach in tausend Scherben, und dennoch bedauerte sie es nicht, vor Dr. Gilmans Tür kehrtgemacht zu haben.

    Aber ich werde es schon bald genug bereuen, dachte sie, als sie ihren grünen Saab aufschloss und sich hinters Steuer sinken ließ. Sie zog heftig die Tür ins Schloss und versuchte an nichts weiter zu denken als an die unmittelbare Zukunft.

    Sie war schwanger. Sie wusste nicht, wer oder wo der Vater des Kindes war. Nicht einmal seine Stimme würde sie am Telefon erkennen. Sie hatten kein einziges Wort gewechselt, nicht einmal in jener Nacht. Ihre Körper hatten gesprochen.

    Aber wenn sie ihn wiedersehen sollte, würde sie sein kantiges Kinn, seine leicht gebogene Nase und seine klaren Augen wiedererkennen, in denen sie Schmerz und Hoffnung hatte lesen können. Sie würde den Rhythmus seines Herzens erkennen, denn für einen ewigen Augenblick hatte sein Puls mit ihrem im Gleichklang geschlagen. Sie hatte es gehört. Sie hatte es gefühlt.

    Und nun war er fort, für immer aus ihrem Leben verschwunden.

    Wenn sie schlau wäre, würde sie versuchen, Robert ins Bett zu bekommen – möglichst heute noch. Sie würde ihn verführen und ihn ein paar Wochen später mit der Neuigkeit überraschen, dass er Vater werde.

    Aber solche Winkelzüge verabscheute Mallory. Sie mochte leichtsinnig sein, rebellisch, oft starrsinnig, aber sie war stolz darauf, nach ihren Idealen zu leben. Sie würde Robert dieses Kind nicht unterschieben.

    Sie musste es einfach abtreiben lassen. Es gab keinen anderen Weg, ihr Leben wieder in die alte Bahn zu lenken.

    Mallory griff nach dem Autotelefon, holte den Zettel mit Dr. Gilmans Telefonnummer heraus und wählte. Eine junge Frau meldete sich.

    „Guten Tag, hier spricht Mallory Powell. Ich habe um halb zehn einen Termin bei Dr. Gilman." Ihre Stimme bebte leicht. Ob die Sprechstundenhilfe es wohl mitbekam?

    „Ja, Miss Powell."

    „Nun, ich … Sie schluckte. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Termin einhalten kann.

    „Ich verstehe. Die junge Frau klang ruhig, aber mitfühlend. „Sind Sie allein?

    „Sie meinen jetzt gerade?"

    „Ja. Kann ich sprechen?"

    Mallory sank gegen das Rückenpolster. „Ich spreche vom Autotelefon aus …"

    „Ich frage, weil ich gern wissen würde, ob es Ihre Entscheidung oder die einer anderen Person ist. Setzt Sie jemand unter Druck? Ein Familienmitglied? Der Mann, von dem Sie das Kind erwarten?"

    „Himmel, nein! Mallory lachte ein wenig schrill. „Niemand weiß davon. Er ganz sicher nicht. Ein unangenehmes Schwächegefühl breitete sich plötzlich in ihr aus. „Ich … ich sagte nicht, dass ich den Eingriff nicht vornehmen lassen will. Ich brauche einfach nur noch ein wenig mehr Zeit zum Nachdenken."

    „Das verstehe ich. Es ist eine wichtige Entscheidung, die man nicht in Eile treffen sollte. Sie sollten ganz sicher sein, dass Sie es auch bestimmt wollen, sonst wird Dr. Gilman die Behandlung ablehnen."

    „Ich weiß."

    „In welchem Monat sind Sie schätzungsweise?"

    „Im zweiten."

    „Sie sollten nicht zu lange warten, Miss Powell. Nach einer bestimmten Zeit liegt die Entscheidung nicht mehr bei Ihnen. Dr. Gilman behandelt keine Frauen, die über den dritten Monat hinaus sind. Danach müssten Sie sich an jemand anderen wenden."

    „Ich bin sicher, so lange wird es nicht dauern." Zumindest hoffte sie es. Sie hoffte aus ganzem Herzen, dass sie innerhalb der nächsten Tage den Mut aufbringen würde, das zu tun, was getan werden musste.

    Sie schaffte es nur im Augenblick noch nicht.

    Mallory versprach, sich zu melden, sobald ihre Entscheidung endgültig war, und verabschiedete sich. Als sie auflegte, stöhnte sie leise auf. Solange sie dieses beginnende Leben in ihrem Uterus hatte, würde sie Robert oder ihrem Vater nicht gegenübertreten können. Und auch die Pläne für die Hochzeit erschienen ihr auf einmal absurd. Sie konnte einfach nicht in das Geschäft ihrer Tante gehen und ein Brautkleid in Auftrag geben. Bevor sie nicht ihre Vergangenheit geordnet hatte, konnte sie mit ihrer Zukunft nicht weitermachen.

    Dinge aufzuschieben, war nicht ihre Art. Aber … sie wollte einfach nur ein besseres Gefühl bei ihrer Entscheidung haben.

    Sie brauchte einen Drink. Aber es war zu früh am Tag, und selbst wenn es später wäre, schwangere Frauen sollten keinen Alkohol zu sich nehmen. Solange sie das Unaufschiebbare verschob, würde sie sich eben entsprechend verhalten.

    Mallory fuhr ostwärts, Richtung Union Square. Ihr Restaurant war montags geschlossen, also hatte sie den ganzen Tag Zeit, sich einen Plan auszudenken, wie sie aus dieser Klemme wieder herauskam.

    Ihr Restaurant lag im Erdgeschoss eines Gebäudes am Union Square, in einer der exklusivsten Einkaufsgegenden der Stadt. Das Restaurant bot zwar keinen Ausblick auf den Union Square, aber das spielte keine Rolle. Ihre Gäste kamen wegen des Essens und der Atmosphäre dort.

    Sie bog von der kleinen Seitenstraße, in der sich das Restaurant befand, auf ihren Privatparkplatz ein, obwohl sie nicht vorhatte, es zu betreten. Aber es war unmöglich, in der Nähe einen Parkplatz zu finden. Nachdem sie den Wagen abgeschlossen hatte, zog sie ihren Regenmantel enger um sich, hängte sich die Tasche über die Schulter und eilte die schmale Gasse weiter zur Powell Street.

    Diese Straße war nach einem ihrer Vorfahren benannt. Die Powells waren im letzten Jahrhundert während des Goldrausches nach Kalifornien gekommen und hatten ihr Vermögen damit gemacht, den Goldsuchern Lebensmittel zu verkaufen. Nicht sehr viel später begannen sie Restaurants und Gasthäuser zu bauen, und wurden dann im Immobilien- und Grundstücksgeschäft tätig. Während der Weltwirtschaftskrise in den zwanziger Jahren verloren sie den größten Teils ihres Vermögens. Aber nach dem Tod von Mallorys Mutter widmete sich ihr Vater energisch der Aufgabe, die Firma wiederaufzubauen. Powell Enterprises war nun in vielen Bereichen der Wirtschaft tätig.

    Mallorys Vater neckte sie des Öfteren damit, wieder auf die Stufe ihrer Vorfahren zurückgefallen zu sein, da sie zum ursprünglichen Broterwerb der Familie zurückgekehrt war – dem Verkauf von Essbarem. Aber Mallory war Köchin geworden, weil sie gern mit Lebensmitteln arbeitete, kochte, experimentierte, kreativ war. Und weil ihre glücklichsten Kindheitserinnerungen aus jener Zeit stammten, als sie Emma, der Haushälterin der Familie, in der Küche Gesellschaft leisten durfte. Emma hatte sie damals unter ihre Fittiche genommen. Mallory wusste, ihr Vater hätte sie gern in der Firma gesehen, aber Schreibtischarbeit und der Umgang mit Geld und Zahlenkolonnen hatten sie nie interessiert. Sie hatte angenommen, eine Ehe mit Robert Benedict würde die Enttäuschung ihres Vater wiedergutmachen können.

    Vorausgesetzt, sie würde mit ihrem kleinen Problem fertig werden, ehe Robert davon Wind bekam und die geplante Hochzeit platzen ließ.

    Eine Ehe mit ihm würde eine sichere Sache sein. Er war smart, gutaussehend, höflich und besaß eine gute Ausbildung. Außerdem war er der ideale Schwiegersohn für ihren Vater. Mallory war nicht eigentlich in ihn verliebt, aber das war schon in Ordnung, da er ebenfalls nicht in sie verliebt war. Sie kamen jedoch gut miteinander aus, respektierten einander und verkehrten in denselben gesellschaftlichen Kreisen. Robert beschwerte sich auch nicht, dass sie beruflich sehr eingespannt war. Auch erwartete er nicht von ihr, dass sie nach der Heirat zu Haus blieb, und ebenso wenig, dass sie später einmal Powell Enterprises übernahm. Mallory schien ihm so zu gefallen, wie sie war. Alle würden glücklich über eine Bindung der beiden sein, und dann würde ihr Vater sie ihr Restaurant in Ruhe führen lassen.

    Robert zu heiraten, schien die Antwort auf all ihre Fragen zu sein. Und jetzt stand sie vor einem Problem, mit dem sie im Traum nicht gerechnet hätte.

    Sie schlenderte an ihrem Restaurant vorbei und warf einen Blick auf das Spiegelbild in der Scheibe. Sie sah nicht schwanger aus. Noch immer wirkte sie schmal, ihre langen Beine wurden noch durch die schwarze Jeans unterstrichen. Ihr Gesicht war blass, aber im Februar waren nur diejenigen Einwohner von San Francisco nicht blass, die in die Sonne Hawaiis flüchten konnten.

    Sie ging weiter die Straße hinunter, kam an Boutiquen vorbei, Souvenirläden und einer Kunstgalerie. Eine der weltberühmten Kabelstraßenbahnen San Franciscos ratterte an ihr vorbei, fast leer, da kaum Touristen in der Stadt waren. Am Ende des Häuserblocks erreichte sie eine Kombination aus Buchhandlung und Café. Hierher kam sie regelmäßig, um bei einem Milchkaffee ihre Zeitung zu lesen.

    Tische mit kunstvoll arrangierten Büchern befanden sich am Eingang des Geschäfts, und sie musste sich zwischen ihnen ihren Weg suchen, um zu der kleinen, holzgetäfelten Kaffeetheke am Ende zu gelangen.

    Sie zog ihren Regenmantel aus, schüttelte ihr Haar und seufzte müde auf. Auf dem Tisch zur Linken befanden sich eine Reihe Bücher, die sich mit der menschlichen Psyche befassten: Liebe dich selbst!, Einhundert Wege, sich etwas Gutes zu tun, Wie heile ich mein Innerstes. Sie musste lächeln und überlegte, ob sie die Bücher auf dem Tisch durchstöbern sollte, bevor sie wieder ging. Vielleicht finde ich eins, das mir beibringt, wie ich trotz meines Dilemmas meine innere Ruhe wiederfinde, dachte sie mit Galgenhumor.

    Als sie ein paar Schritte weiterging, fiel ihr ein Buch in einer Buchpyramide auf einem der anderen Tische ins Auge. Der Ungeborene. Unter dem Titel stand der Name des Autors: Liam O’Neill.

    Mallory hatte noch niemals etwas von ihm gehört. Sie hätte das Buch nicht einmal bemerkt, wenn sein Titel nicht gerade für sie von Bedeutung gewesen. Es war offensichtlich ein Horrorroman, und sie las niemals solche Romane.

    So ging sie weiter, auf die Kaffeetheke zu. Gelächter erklang hinter ihr, und sie fuhr herum. Sie bemerkte ein junges Paar, das sich gerade einen Comic gemeinsam anschaute. Als sie sich wieder zur Theke umdrehte, zuckte sie noch heftiger zusammen.

    Von der Rückseite der sorgfältig aufgebauten Buchpyramide, Schicht um Schicht, starrten sie die Fotos des Buchautors von Der Ungeborene an. Sie kannte seine Augen. Sie kannte sein Haar, zu dunkel, um noch blond zu sein, aber zu hell für Braun, zu lang, um modisch zu sein, aber es passte zu ihm. Seine Nase, mit dem leichten Bogen nahe der Wurzel, und sein Kinn, markant, passend zu seiner Nase. Sein Mund, ein Lächeln andeutend, und seine traurigen, stolzen Augen.

    Oh Gott! dachte sie. Das ist er. Der Fremde.

    Der Vater ihres Babys.

    Liam O’Neill rammte die Schneide der Axt tief in den

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