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Black-Angel-Chroniken - Im Zeichen des schwarzen Engels
Black-Angel-Chroniken - Im Zeichen des schwarzen Engels
Black-Angel-Chroniken - Im Zeichen des schwarzen Engels
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Black-Angel-Chroniken - Im Zeichen des schwarzen Engels

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About this ebook

Mit vier Jahren hat ihre Ausbildung begonnen - sie beherrscht die tödlichsten Kampfsportarten und kann mit einer Glock umgehen wie andere mit Messer und Gabel. Reagans Eltern gehören zu den Black Angels, einer Geheimorganisation für die brenzligsten Missionen. Und es gibt eine Tradition: Kinder von Black Angels treten immer in die Fußstapfen ihrer Eltern. Bisher hat Reagan ihre Bestimmung nie infrage gestellt, doch jetzt mit 16 erkennt sie: Es existiert noch eine Welt außerhalb von Waffen und Gefahr. Gibt es einen Weg für sie zurück in die "Normalität"? Bevor sie weiß, was sie wirklich will, zwingen brutale Ereignisse sie zum Handeln …

"Spannung, Action, Romance und ein Mädchen auf der Suche nach sich selbst - genau mein Buch."
Sara Shepard, New York Times-Bestsellerautorin

"Packende Story mit unerwartetem Ausgang, vielversprechend."
Booklist

"Es gibt eine starke, liebenswerte Heldin und eine süße Romanze. Darüberhinaus bietet der Roman atemberaubende Action und ein explosives Ende."
Romantic Times Book Review

LanguageDeutsch
PublisherDragonfly
Release dateJan 2, 2018
ISBN9783959677349
Black-Angel-Chroniken - Im Zeichen des schwarzen Engels
Author

Kristen Orlando

Das Schreiben ist Kristen Orlandos große Liebe, und sie hatte das Glück, es zu ihrem Beruf machen zu können, zunächst bei einer TV-Produktionsfirma und nun als Romanautorin mit ihrem packenden Debüt „Black-Angel-Chroniken – Im Zeichen des schwarzen Engels“. Zusammen mit ihrer zweiten großen Liebe Michael lebt sie in Ohio.

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    Book preview

    Black-Angel-Chroniken - Im Zeichen des schwarzen Engels - Gisela Schmitt

    HarperCollins YA!®

    Copyright © 2018 by HarperCollins YA!

    in der HarperCollins Germany GmbH

    Titel der amerikanischen Originalausgabe:

    You Don’t Know my Name

    Copyright © 2017 by Kristen Orlando

    erschienen bei: Swoon Reads, New York

    Published by arrangement with

    Swoon Reads, an imprint of Feiwel and Friends

    and Macmillan Publishing Group, LLC.

    All rights reserved.

    Covergestaltung: Unimak Designagentur, Hamburg

    Coverabbildung: Zoom Team, Amitiel / Shutterstock

    ISBN E-Book 9783959677349

    www.harpercollins.de

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    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    WIDMUNG

    Für Michael:

    meine Liebe, mein Leben, mein Ein und Alles

    PROLOG

    Die Ziffern auf meinem Telefon starren mich an. Noch dreißig Minuten Schießübungen, bevor ich mich an meine Hausaufgaben setzen kann. Ich hole tief Luft und streiche mir mit der Hand über die Stirn. Sie ist noch feucht vom Laufen eben und der Stunde Krav Maga mit meiner Mutter. Ich schüttele meine beiden Arme aus. Das Glücksgefühl, das man beim Kämpfen erlebt, verlässt langsam meinen Organismus, während ich einsam im stillen Schießstand stehe.

    Meine Glock 22 liegt mir heute Abend schwer in den Händen. Offensichtlich ist meine Muskulatur stärker beansprucht worden, als mein Gehirn registriert hat. Ich ziele mit der Waffe auf den Pappkameraden und ziehe den Abzug voll durch.

    Peng. Peng. Peng. Zwei Schüsse ins Herz, ein Schuss in den Kopf.

    „Reagan. Reagan", höre ich gedämpft die Stimme meines Vaters. Ich nehme die unförmigen schwarzen Kopfhörer ab.

    „Ja?", rufe ich.

    „Lauf in den Panikraum", schreit er. Ich will ihn fragen, ob das wieder eine von seinen vielen Trainingsübungen ist, aber noch bevor ich etwas sagen kann, schließt sich die Geheimtür, die in unseren Keller führt, mit einem lauten Knall. Ich zucke zusammen. Die schweren Schritte meiner Eltern auf der Holztreppe verraten mir, dass das hier der Ernstfall ist. Kein inszenierter Einbruch oder eine von Dads Übungen. Mehr muss ich nicht wissen. Mein Magen verkrampft sich, und ich bewege mich ganz automatisch vorwärts. Ich stecke die Pistole hinten in meinen Hosenbund, während ich in die Waffenkammer laufe, den Metallschrank aufreiße und mir zwei Sturmgewehre schnappe.

    Nur für den Fall der Fälle.

    „Komm jetzt!", ruft meine Mutter von der Schwelle des Panikraums aus.

    „Moment noch, ich hole nur kurz …"

    „Reagan, dafür ist keine Zeit!" Da ist eine ungewohnte, angespannte Dringlichkeit in ihrer Stimme. Normalerweise ist meine Mom die Ruhe selbst. Die vollendete Grazie sozusagen. Doch das kurze Aufflackern von Angst in ihren Augen lässt meine Knie für einen Moment weich werden. Ich knalle den Schrank zu. Der Klang von Metall auf Metall hallt als Echo von den Wänden zurück. Mit den Gewehren unter dem Arm renne ich in den engen Panikraum. Kaum bin ich drin, schlägt mein Vater die schwere Stahltür zu. Ich beobachte erstaunt, wie er in Windeseile einen sechsstelligen Code eingibt. Das Klacken und Einrasten der Stahlbolzen sorgt dafür, dass mein Herz anfängt zu rasen.

    „Mom, was ist denn los?", will ich wissen und lege die Waffen auf den Betonfußboden.

    Ich warte auf ihre Antwort, aber sie ist damit beschäftigt, sämtliche Überwachungsmonitore einzuschalten, die im Stahl und Beton hier unten eingebaut sind. Ich lehne mich mit dem Rücken an die Wand. Meine Haut kribbelt von der Berührung mit dem kalten Beton und der Pistole, die in meinem Hosenbund steckt. Autsch. Ich nehme die warme Waffe in meine kalten Hände. Immer noch warte ich auf eine Erklärung.

    „Was ist los?", frage ich noch einmal. Wir gehen nie in den Panikraum. Nie. Er wurde nur für Alarmstufe-Blau-Vorfälle gebaut, die wir zwar immer wieder trainiert haben, die allerdings nie eingetreten sind. Bis heute. Ich mustere die Gesichter meiner Eltern, um eine Antwort zu finden. Aber ihre Mienen sind versteinert. Sie starren auf die Monitore, verharren reglos. Ich folge ihren Blicken. Und dann sehe ich ihn. Ich schnappe nach Luft, als der schwarz gekleidete Mann durch unser schwach beleuchtetes Wohnzimmer läuft.

    „Oh mein Gott", flüstere ich und beobachte, wie der Fremde mit den langen dunklen Haaren und hohen Wangenknochen über den Flur in die Küche geht. Er hat beide Arme nach vorne ausgestreckt, eine Waffe in der Hand, den Finger am Abzug.

    „Er ist es. Ich weiß, dass es einer von seinen Leuten ist", sagt Mom.

    „Wer?", frage ich. Meine Stimme klingt viel zu hoch.

    „Nicht jetzt, Reagan", antwortet mein Vater.

    Ich will protestieren, schließe den Mund jedoch rasch wieder. Ich platziere meine Pistole auf den Boden und stemme die Hände in die Hüften. Okay, ich soll keine Fragen stellen, aber ihre besorgten Mienen beunruhigen mich. Eigentlich sollte ich inzwischen daran gewöhnt sein, dass sie mir nie etwas verraten, aber ich mag es trotzdem nicht. „Es ist zu deinem Besten, kriege ich immer nur zu hören. „Zu deiner Sicherheit. Doch ich war nie in Sicherheit. Denn dass ich ihre Tochter bin, macht mich zur Zielscheibe. Ich weiß, dass meine Eltern ein gefährliches Leben führen. Dass ihre Arbeit gefährlich ist. Und dass ihre Feinde mich kurzerhand am helllichten Tag erschießen würden – und zwar, ohne mit der Wimper zu zucken.

    Mom und Dad tun zwar ihr Bestes, um mich zu beruhigen, allerdings weiß ich nicht, wie viele andere Sechzehnjährige irgendwo im Umkreis ihrer Schule heimlich Waffen gebunkert haben. Wie viele nachts mit einem an der Stirnseite ihres Bettes angebrachten Messer schlafen und wie viele zehn verschiedene Methoden kennen, einem Menschen das Genick zu brechen. Mein Leben besteht daraus, mich immer erst mal umzugucken. Aber damit kann ich umgehen. Ich wünschte nur, sie würden mir endlich mal was sagen und nicht mehr so tun, als könnte niemand mir etwas anhaben.

    Plötzlich klingelt das Satellitentelefon und zerschneidet damit die angespannte Stille in unserem engen Panikraum. Dad nimmt ab.

    „Hallo? Am anderen Ende der Leitung erklingt eine Männerstimme. „Ja, er ist drin. Ich habe Glas splittern hören, bevor wir in die Garage kamen. Er scheint allein zu sein. Mein Vater hält inne. Ich trete näher zu ihm, will unbedingt mitkriegen, was der andere sagt. Ich kann allerdings nur wenige Worte verstehen. Waffe. Team. Entführung. Bedrohung. Exekutieren. Ich trete wieder zurück, schließe die Augen und lehne mich an die eiskalte Wand. Ich taste nach meinem Anhänger in Form von zwei einander verschlungenen Herzen an meinem Armband, reibe das kühle Metall zwischen Daumen und Zeigefinger und versuche, wieder ruhig zu atmen. Jahrelang haben meine Eltern mich auf eine Situation wie diese vorbereitet. Ich weiß genau, was zu tun ist. Die trainierte Kämpferin in mir würde am liebsten aus dem Panikraum stürmen und dem Eindringling den Kopf wegballern. Aber ein kleiner Teil von mir – das verängstigte, erschrockene Mädchen, das ich eigentlich lieber ignoriere – hofft, dass alles nur ein böser Traum ist.

    „Okay. In Ordnung", meint mein Vater.

    „Wer ist das am Telefon?", flüstere ich meiner Mutter zu.

    „Jemand von CORE", flüstert sie zurück, ohne dabei den Blick von den Sicherheitsmonitoren abzuwenden. Der Auftragsmörder ist inzwischen im ersten Stock angekommen und sucht in den verschiedenen Zimmern nach uns.

    „Sie sagen, wir sollen durchhalten, verkündet Dad und legt auf. „Verstärkung ist bereits unterwegs, sie überwachen die Situation vom Hauptquartier aus.

    „Wie sollen die uns von D. C. aus helfen können?", will ich wissen. Vor Anspannung klingt meine Stimme ganz fremd.

    „Es wird alles gut, Reagan", erwidert meine Mutter, dreht sich um und sieht mich zum ersten Mal an, seit Dad die Tür von innen verriegelt hat. Dann umfasst sie meine Schulter. Ihr Blick ist nüchtern und konzentriert, aber ihre sanfte Berührung tröstet mich irgendwie. Als würde sie meine Angst spüren, die ich versuche, mir nicht anmerken zu lassen. Ich fasse nach ihrer Hand. Sie drückt meine Finger, und für einen Augenblick vergesse ich den Panikraum und die geladenen Waffen und den Auftragskiller, der durch unser Haus schleicht. Für eine Sekunde fühle ich mich tatsächlich sicher.

    „Sie sind da", sagt Dad. Ich werfe einen Blick auf die Sicherheitskameras außen. Ein schwarzer SUV fährt unsere Straße entlang und schaltet die Scheinwerfer aus, während er sich unserem Haus nähert.

    „Wer ist das?", frage ich leise.

    „Unsere Black Angels", antwortet Mom und wendet ihren Blick wieder den Kamerabildern zu. Ein Mann und eine Frau steigen aus dem Wagen, beide vollständig in Schwarz gekleidet. Als die Frau sich der Garage nähert, erkenne ich sie an ihrem Gang. Es ist Tante Samantha. Der Black-Angel-Agent, der mich schon mein Leben lang beschützt. Immer, wenn Mom und Dad auf Missionen unterwegs waren, war Tante Samantha da und passte auf mich auf. Als ich klein war, dachte ich, sie wäre einfach meine Nanny. Aber inzwischen weiß ich, dass sie eine Spionagespezialistin bei CORE ist und während ihrer Zeit bei der Armee vom Präsidenten mit der Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet wurde. Sie schießt besser als jeder andere, den ich kenne.

    „Ich nehme ihn mir vor", sagt Mom, schlüpft aus ihrem roten Pullover, unter dem sie ein schwarzes Tanktop trägt. Ihre Arme sind durchtrainiert und ihr Bauch perfekt flach, das Ergebnis von täglich fünfhundert Liegestützen, und das seit zwanzig Jahren.

    „Nein, ich gehe", widerspricht ihr mein Vater.

    „Nein. Du bleibst hier bei Reagan."

    „Ich will auch mitgehen", stelle ich klar, und ich spüre, wie das Adrenalin durch meine Adern schießt.

    „Auf gar keinen Fall, Reagan, entgegnet meine Mutter. „Ihr bleibt beide hier.

    „Elizabeth, ganz im Ernst. Es könnte …"

    „Jonathan, Ende der Diskussion, stößt meine Mom hervor und wirft noch einmal einen Blick auf die Bilder der Überwachungskameras. „Wo ist er jetzt?, fragt sie. In diesem Moment hören wir die schweren Schritte des Fremden im Stockwerk über uns. Wir starren an die Decke, bis seine Schritte verhallen. Als wir wieder einen Blick auf die Monitore werfen, macht der Fremde die Tür zur Garage auf, geht die Stufen herunter und bleibt vor unserem großen Werkzeugschrank stehen. Der in Wirklichkeit kein Werkzeugschrank ist, sondern der Eingang zu unserem Versteck. Ich spüre, wie mein Dad kurz erstarrt, sowie der Mann an den großen Stahlgriffen rüttelt. Doch die Tür ist fest verschlossen und lässt sich nur durch Eingabe des sechsstelligen Zahlencodes öffnen, der jeden Monat geändert wird.

    Ich sperre den Mund auf. Bevor ich jedoch etwas sagen kann, greift mein Vater zum Telefonhörer und drückt ein paar Knöpfe. Kaum steht die Verbindung, ruft er: „Er ist an der Kellertür, Thomas! Woher weiß er davon? Nur Insider kennen dieses Sicherheitsdetail! Die Stimme sagt etwas. „Dann findest du besser heraus, woher er die Information hat, und dann steckt ihr die Person, die den Code weitergegeben hat, lebenslang hinter Gitter. Verstanden?

    Dad drückt das Gespräch weg, bevor dieser Thomas antworten kann.

    Mom dreht sich um und streckt die Hand aus. „Reagan, gib mir deine Pistole." Sie schaut mich mit scharfem Blick an, ihre Miene ist angespannt. Seit Jahren sehe ich zu, wie meine Eltern Schießübungen absolvieren und Krav Maga, Jiu-Jitsu und Muay Thai trainieren. Aber dass sie ihre Fähigkeiten tatsächlich mal anwenden, habe ich noch nie erlebt. Rasch hebe ich meine Waffe auf und reiche sie meiner Mutter.

    „Bitte sei vorsichtig", presse ich hervor. Sie beugt sich zu mir und küsst mich auf die Wange.

    „Ich krieg das hin", antwortet sie und schenkt mir ein kurzes Lächeln. Als sie auf die Tür zugeht, kribbelt meine Kopfhaut und mein ganzer Körper, und ich kann plötzlich weder meine Füße noch meine Beine spüren. Während sie den sechsstelligen Code eintippt, lasse ich den Kopf sinken. Die Stahlbolzen entriegeln sich, und ich gucke hoch. Vielleicht ist es das letzte Mal, dass ich sie sehe.

    Aber auch das kenne ich schon. Bevor meine Eltern zu irgendwelchen Einsätzen aufbrechen, versuche ich immer, sie mir noch einmal genau einzuprägen. Wie mein Vater mit seinen starken Händen die Kaffeetasse hält. Wie meine Mutter sich vorsichtig die blonden Haarsträhnen aus dem Gesicht streicht. Das Gefühl, das ich habe, wenn sie mir einen Kuss gibt, oder wenn Dad mich umarmt. Diese Momente nehme ich in mir auf, halte die Erinnerung fest und schiebe sie in einen besonderen Ordner in meinem Gedächtnis. Nur heute ist Mom einfach zu schnell weg.

    Dad knallt die Tür zu und gibt erneut den Code ein. Wieder verriegelt sich die Tür. Auf den Monitoren verfolge ich, wie Mom durch den Kampfsportraum läuft und den Fluchtweg vorbei am Schießstand nimmt. Leise schließt sie die Metalltür hinter sich. Dad greift erneut nach dem Satellitentelefon und wählt diesmal eine andere Nummer. Eine Frauenstimme meldet sich.

    „Sam, stand by, erklärt Dad. „Elizabeth ist auf dem Weg nach oben. Sie ist allein, also gib ihr Deckung.

    Wieder beendet er das Gespräch, ohne eine Antwort abzuwarten. Er presst die Zähne aufeinander und versucht, entspannt auszusehen, aber seine weit aufgerissenen Augen strafen ihn Lügen. Er hat fast genauso viel Angst wie ich. Wie ein Irrer sucht er die Monitore nach meiner Mutter ab. Ich sehe gerade noch, wie Mom aus der seitlichen Geheimtür schlüpft und zu dem Black-Angel-Agenten rennt, der in unserer Einfahrt steht. In ihrer Hand glänzt meine Pistole.

    Dad und ich beobachten schweigend, wie der Killer immer wieder an der Stahltür rüttelt. Er klappt das Tastenfeld auf und gibt mit dem Mittelfinger eine Zahlenkombination ein. Ich senke den Kopf und flehe stumm: Bitte, bitte, lass ihn nicht die richtige Nummer kennen! Dann suche ich auf den Überwachungsbildern nach meiner Mutter. Sie ist jetzt im Haus, während weitere Black Angels sich auf den seitlichen Garageneingang zubewegen. Mein Herz klopft so laut, dass es das Einzige ist, was ich höre. Mom ist in der Waschküche angekommen. Sie hält die Pistole dicht vor die Brust und verharrt an der Garagentür. Erneut fängt mein ganzer Körper an zu kribbeln, dann sehe ich, wie das Team draußen die Seitentür aufreißt und mit den Waffen direkt auf den Kopf des Killers zielt.

    „Auf den Boden!", brüllt eine tiefe Stimme. Der Killer dreht sich um und richtet seine Waffe auf die beiden Black-Angels-Agenten, dann drückt er ab. Peng. Peng. Peng. Peng. Tante Sam duckt sich hinter einen von unseren SUVs, und der Killer muss nachladen. Doch bevor er das Magazin zurück in den Lauf schieben kann, hat sich Mom von hinten angeschlichen und springt auf ihn zu.

    „Mom!", schreie ich und gehe einen Schritt auf die Monitore zu. Dad hält mich an der Schulter fest. In diesem Moment packt Mom sich den Arm des Killers und rammt ihn gegen ihr Knie, sodass er Waffe und Munition fallen lässt. Dads Griff um meine Schulter verstärkt sich, als sie ein Bein zwischen seine Beine streckt. Diese Bewegung kenne ich, die hat sie mir auch beigebracht. Mit all ihrer Kraft wirft sie den Mann auf den Boden. Ich höre, wie sein Schädel auf den kalten, harten Zementboden knallt und sein Atem laut aus seiner Brust entweicht. Verzweifelt schnappt er nach Luft, während Mom ihm den Lauf meiner Pistole auf die Stirn drückt.

    „Wer hat dich geschickt?, höre ich sie fragen. Der Killer sagt jedoch nichts, sondern stöhnt nur vor Schmerz. „Wer hat dich geschickt?, wiederholt sie und erhebt die Stimme. Sie drückt ihm die Waffe gegen die rechte Schläfe. Langsam hebt der Mann den Kopf und schaut zu meiner Mutter. Wortlos starren sie einander an. Gerade, als ich denke, dass er aufgeben wird, spuckt er Mom ins Gesicht. Fassungslos beobachte ich, wie Mom die Pistole hebt. Dads Griff um meine Schulter verstärkt sich wieder. Doch auf halbem Weg stoppt ihr Arm. Sie wirft einen Blick auf die Überwachungskamera und erinnert sich offensichtlich daran, dass ich sie sehen kann. Jetzt presst sie ihm die Waffe erneut an die Schläfe.

    „Nein, das bist du nicht wert", stößt sie hervor. Tante Sam und der andere Black-Angel-Agent durchsuchen den Mann nach Waffen, während Mom ihm ihr Knie auf die Brust drückt und ihn so festhält. Die anderen fördern ein mörderisches Set an Pistolen, Messern, Munition und Seilen aus seinen Taschen.

    Das Satellitentelefon klingelt wieder.

    „Sie haben ihn, erklärt Dad. Ich höre Thomas’ Stimme am anderen Ende. „Nein. Nein. Wir brauchen ihn lebendig. Sag ihnen, sie sollen ihn nach Langley bringen. Wir müssen herauskriegen, was er weiß. Wie er uns gefunden hat.

    Ich richte meinen Blick auf die Monitore. Mom ist nirgends zu entdecken. Tante Sam fesselt den Killer, dann stellen sie ihn auf die Füße. Er hat eine Platzwunde am Kopf. Das Blut rinnt ihm über die Stirn, in die Augen, über die Wangen. Sie halten ihn an beiden Armen fest, die Waffen auf ihn gerichtet. Er versucht nicht, sich zu wehren, sondern lässt einfach den Kopf hängen. Wahrscheinlich weiß er, was jetzt geschehen wird. Sie packen ihn fester und bringen ihn nach draußen, zu ihrem SUV, schubsen ihn in den Wagen – und sind weg.

    „Thomas, ich kann nicht glauben, dass das schon wieder passiert ist! Der Geheimdienst glaubt, dass sie uns seit etwa einem Monat beobachtet haben. Ich verstehe nicht, wie er in unser Haus eindringen konnte. Ihr müsst uns irgendwo anders unterbringen, wo wir sicher sind. Meine Familie hätte heute Nacht sterben können! Dads Stimme wird lauter. Er schließt die Augen und schüttelt den Kopf. „Nein, ich bin morgen früh da. Ich will selbst mit ihm sprechen. Wir kommen alle, also schickt keine Security her. Wir sehen uns in ein paar Stunden.

    „Was meinst du damit: Wir kommen alle?", frage ich, als er aufgelegt hat.

    „Wir müssen heute Abend noch nach D. C., antwortet er, während er mit flinken Fingern den Türcode eintippt. Die Stahlbolzen öffnen sich, und die Tür geht auf. „Nimm deine Notfalltasche mit, wir kommen nicht mehr zurück.

    Wie erstarrt stehe ich im Panikraum. Wir kommen nicht mehr zurück? Nein. Nicht schon wieder. Ich schaue wie betäubt meinem Vater hinterher, als er den Raum verlässt. Dann zwinge ich mich dazu, ihm zu folgen. „Was? Wieso?"

    „Sie wissen, wo wir sind", antwortet er ernst und ohne sich umzudrehen.

    „Aber das Schuljahr hat gerade erst angefangen, und ich mag die Mädchen in meiner Klasse. Außerdem schreibe ich am Montag einen Mathetest und …", platzt es aus mir heraus. Dabei weiß ich gar nicht genau, was ich sage.

    Da wendet mein Vater sich um und schreit mich an: „Reagan, das ist nicht verhandelbar. Wie angewurzelt bleibe ich stehen, öffne und schließe überrascht den Mund. Wieso ist er so wütend? Dad hebt einen Arm und deutet auf den Panikraum. „Waren wir nicht gerade zusammen da drin? Hast du nicht mitgekriegt, was gerade passiert ist? Wenn dieser Typ nicht zufällig den Alarm ausgelöst hätte, wären wir jetzt alle tot! Wir sind in Philadelphia nicht mehr sicher. Er ist nur einer von ihren Killern. Wenn sie wissen, wo wir sind, werden sie die nächsten zwanzig gleich losschicken. Aber ich werde nicht hierbleiben und zusehen, wie meine Familie ausgelöscht wird. Deswegen müssen wir hier weg, und zwar sofort!

    Ich halte die Luft an, bis es in meiner Lunge anfängt zu brennen. Philadelphia hatte gerade angefangen, sich wie zu Hause anzufühlen. Und wieder einmal werde ich aus meinem Freundeskreis herausgerissen und aus meiner Schule und überhaupt aus dem Leben, das ich mir hier aufgebaut habe. Das Schlimmste ist, dass ich mich nie verabschieden kann. Keine Abschiedsparty, kein Brief, keine Erklärung. Ich werde einfach verschwinden. Wie so viele Male zuvor.

    Das kotzt mich so an. Wir sind so oft umgezogen, dass ich gar nicht mehr weiß, wie oft. Siebenmal? Achtmal? Gerade erst war etwas Normalität eingekehrt, doch wenn ich das laut äußere, rastet Dad aus. Er wird mich daran erinnern, dass ich nicht normal bin. Dass ich eine Gabe besitze. Dass ich geboren wurde, um das hier zu tun. Diesen Satz habe ich so oft von meinen Eltern gehört, dass ich den Tonfall wohl für immer im Ohr haben werde, und die Art, wie sie das Wort geboren betonen. Ich wurde dazu geboren, eine von ihnen zu sein. Ein Black Angel.

    Ich balle die Hände zu Fäusten und beobachte hilflos, wie Dad die hintere Treppe hinaufsteigt. Seine festen Schritte verraten mir, dass unser Gespräch beendet ist. Wir verlassen die Stadt. Und mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

    1. KAPITEL

    „Aber Reagan, alle gehen am Samstag da hin, sagt Harper zwischen zwei Bissen verkochtem Hackbraten und ziemlich flüssigem Kartoffelbrei. „Du wärst die Einzige, die nicht da ist.

    „Eher würde ich Glas fressen", entgegne ich und trinke einen großen Schluck von meinem mit Vitaminen angereicherten Wasser. Vor der Schule war ich schon zehn Kilometer Laufen, jetzt brauche ich dringend Elektrolyte. Ich hasse es, fürs Training früh aufzustehen, aber das ist immer noch tausendmal besser, als bis zum Nachmittag warten zu müssen. Natürlich würde ich lieber mit Harper abhängen oder mit Luke lernen, aber nicht trainieren ist keine Option. Diesen Fehler habe ich nur einmal gemacht, aber das hat mir gereicht. Meine Eltern waren so sauer deswegen, dass sie mich nicht mal mehr angeschrien, sondern zur Bestrafung nur noch angeschwiegen haben. Und am nächsten Tag verpassten sie mir eine Trainingseinheit, von der mir noch eine Stunde später die Beine zitterten. Zwanzig Kilometer laufen und dann fünfhundert Liegestütze, tausend Sit-ups und zwei Stunden Krav Maga. Die reinste Hölle. In den meisten Haushalten ginge so was als Kindesmisshandlung durch. Aber was hätte ich machen sollen? Den Kinderschutzbund anrufen? Und ihnen erzählen, dass meine Eltern mich dazu zwingen, sechs Stunden zu trainieren, weil sie als Agenten für einen Bereich der CIA arbeiten, der nicht mal in allen Regierungskreisen bekannt ist? Weil ich auch mal eine solche Spezialagentin werden soll? Das hätte wohl keinen Zweck. Also hebe ich jeden Morgen brav um fünf Uhr meinen Hintern aus dem Bett und gehe laufen.

    „Ich verstehe halt partout nicht, wie man eine von Marks Partys sausen lassen kann", erwidert Harper und streicht sich eine lose blonde Strähne hinters Ohr.

    „Du kennst doch meine zwei Partyregeln, erkläre ich. „Erstens: Mad Dog 20/20, diesen starken Alkopop, zu trinken ist ekliger, als sich am Buffet von einem Strip-Club zu bedienen. Und zweitens: Es ist noch nie was Gutes dabei rausgekommen, wenn man auf einer Party von Mark Ricardi war.

    Marks Feiern auf dem Anwesen seiner Eltern gleich in der Nähe des New Albany Country Clubs sind berühmt-berüchtigt. Ich war nur einmal auf einer dieser

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