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Adele: ihre Songs, ihr Leben: Biografie
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Adele: ihre Songs, ihr Leben: Biografie

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About this ebook

Adele berührt die Herzen von Millionen Menschen, die sie für ihre Stimme lieben und für die Aufrichtigkeit in ihren Songs bewundern. Ihre Natürlichkeit macht sie in der oberflächlichen Musikszene zu einem wahren Phänomen. Der Bestseller-Biograf Sean Smith enthüllt das Geheimnis um Adeles Erfolg. Mit dem Blick eines Insiders erzählt er von ihrer Herkunft, ihrem sagenhaften Aufstieg und ihren privaten Rückschlägen. So offenbart sich die wahre, verletzliche Adele: der Mensch hinter dem Superstar.

"Ich schwöre bei Gott, ich lache über jeden Meilenstein meiner Karriere. Ich lache, weil ich glaube, dass es verdammt noch mal absurd ist. Irgendwann wird der Regisseur der Truman Show auftauchen und mir erzählen, mein Leben sei die Fortsetzung."
- Adele

"Wenn Adele singt, hört man eine ungefilterte Ehrlichkeit und Reinheit. Sie erschafft Songs, die berühren, ihre gefühlvolle Stimme offenbart Schmerz und Verletzlichkeit. Adele nimmt dich mit an Orte, die kein anderer Künstler heutzutage mehr betritt - wie in den 70er Jahren."
- Beyoncé

"Adele ist […] eines der größten Talente, die das Insel-Königreich in diesem Jahrtausend zu bieten hat."
- Christoph Dallach, Kulturspiegel

LanguageDeutsch
PublisherHarperCollins
Release dateApr 10, 2017
ISBN9783959676892
Adele: ihre Songs, ihr Leben: Biografie
Author

Sean Smith

Sean Smith ist einer der erfolgreichsten Biografen Großbritanniens. Seine Bücher erreichen regelmäßig Platzierungen in der Sunday Times-Bestsellerliste. In Deutschland sind von ihm unter anderem Biografien zu Robbie Williams und J.K. Rowling erschienen.

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    Book preview

    Adele - Sean Smith

    HarperCollins®

    hc_ya

    Copyright © 2017 by HarperCollins

    in der HarperCollins Germany GmbH

    Titel der englischen Originalausgabe:

    Adele

    Copyright © 2016 by Sean Smith

    erschienen bei: HarperCollins Publishers, London, UK

    Published by arrangement with

    HarperCollins Publishers Limited, UK

    Covergestaltung: HarperCollins Germany / Deborah Kuschel –

    Artwork HarperCollinsPublishers Ltd 2016

    Coverabbildung: Adele © Mike Marsland/WireImage / Getty Images,

    SeanSmith © Rapture Photographics, ThinkstockPhotos_heibaihui

    Redaktion: Anna Hoffmann

    ISBN E-Book 978-3-95967-689-2

    www.harpercollins.de

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    WIDMUNG

    Für Michael und Anna

    EINLEITUNG

    O2 Arena, London

    Montag, 21. März 2016

    Auf der großen Leinwand hinter der Bühne sind nur Adeles geschlossene Augen zu sehen. Perfekt geschminkt, mit den dichten falschen Wimpern. Es wird dunkel, und die Augen öffnen sich. Ein Orkan aus Begeisterung und Jubel geht durch die Menge. Adele-Rufe dröhnen durch die Arena.

    „Hello … It’s me!" Und da ist sie, in voller Größe, mit ihren über eins achtzig in den hochhackigen Schuhen. Sie steht nicht auf der großen Bühne, sondern auf einer Plattform im Zuschauerraum zwischen den zwanzigtausend Leuten. Die Pailletten ihres schwarzen Burberry-Seidenkleids glitzern von den gefühlt hunderttausend Handy-Flashlights, als sie den Song ihres Comebacks singt, der jetzt schon Kultstatus erreicht hat.

    Wie schafft es ein ganz normales Mädchen aus Tottenham, einen solchen Sturm der Begeisterung mit einer gehörigen Portion echter Ergriffenheit zu entfachen? Um mich herum steht eine Gruppe gut gelaunter Amerikaner, die es toll finden, sich einen Auftritt von Adele in Europa anzusehen, obwohl sie 2016 noch durch die USA touren wird. Und wer weiß, vielleicht sind auch ein paar Leute im Publikum, die Adele noch aus ihrer Zeit in Tottenham kennen.

    Die Lyrics von Hello kennen jedenfalls so gut wie alle. Die ganze Arena singt mit, während Adele von Sicherheitsleuten zur Hauptbühne geleitet wird. Aber weder die Stimmen des Publikums noch die Musik der Band kann ihre kraftvolle Stimme übertönen. Auch dieser Song hat längst alle Rekorde gebrochen. Die Verkaufszahlen sind schwindelerregend, und das in einer Zeit, wo die Auswahl nahezu unbegrenzt ist. Ich habe gelesen, in 102 Ländern schoss der Song direkt durch die Decke auf Platz eins der iTunes-Charts. Mir würden so schnell gar keine 102 Länder einfallen! Aber natürlich wird Adele den Song immer als Opener bringen müssen. Hello als Zugabe am Ende eines Sets wäre sicher ein bisschen komisch.

    Die Augen mit den Dusty-Springfield-Wimpern schließen sich und werden ausgeblendet. Stattdessen erscheinen auf der großen Leinwand Fotos aus London, und Adele macht mit Hometown Glory weiter. Der Song ist mitreißend, voll jugendlichem Enthusiasmus und Melancholie. Es war der erste, den sie geschrieben hat, im Alter von sechzehn Jahren.

    Bevor wir überhaupt Luft holen können, geht es weiter mit dem Megahit One and Only, dem wohl besten Song ihres Albums 21. Mit rauchiger Stimme trägt sie ihn gefühlvoll vor. Man braucht nur die Augen zu schließen, und schon fühlt man sich in einen Jazz-Club versetzt und sieht eine der Rhythm-and-Blues-Größen vor sich … Ella Fitzgerald vielleicht oder Sarah Vaughan – oder besser noch Adeles Lieblingssängerin Etta James.

    Während der Arbeit an diesem Buch habe ich eine Menge von Ettas Platten gehört, und ihre gewaltige Stimme erinnert mich ungemein an Adele. Fool that I am stand in Adeles Anfangszeit noch auf der Setliste, und manchmal wünschte ich, es wäre immer noch so. One and Only trägt jedenfalls eindeutig Ettas Handschrift. Adele ist eine der großen Sängerinnen, die ihre Einflüsse immer mit sich tragen werden wie ihre Lieblingshandtasche.

    Nach drei solchen Powersongs braucht Adele eine kurze Pause. Um ihre Stimme zu schonen, trinkt sie aus einem Kaffeebecher von einem Honigdrink und plaudert mit dem Publikum, locker wie immer. So kennt man sie. Es ist, als würde man an der Kasse eines Supermarkts mit ihr in der Schlange stehen – mittlerweile vermutlich in einer gehobeneren Kategorie, wie Waitrose zum Beispiel.

    Das Geplänkel mit dem Publikum ist schon Standard geworden. Gleich zu Beginn der Tour in Belfast verschaffte Adele einem ihrer weiblichen Fans ein ganz besonderes Highlight: Auf der Bühne durfte sie ihrem Freund einen Heiratsantrag machen. Der sagte natürlich Ja, und die Szene ging um die Welt. In Manchester holte Adele ein zwölfjähriges autistisches Mädchen zu sich und ließ sie Someone Like You mitsingen. Einfach großartig!

    In der O2 Arena dürfen zwei kleine Mädchen von sechs und sieben Jahren auf die Bühne kommen, und Adele entschuldigt sich bei ihnen für das F-Wort, das sie vorher ausgesprochen hat. Das kann ich mir bei keinem anderen Weltstar vorstellen. Später singt sie zusammen mit einem jungen Mädchen, das an diesem Abend seinen sechzehnten Geburtstag feiert, Make You Feel My Love von dem Album 19. Anschließend bedankt sie sich herzlich: „Es war toll, den Song mit dir zusammen zu singen. Du warst super!" Für mich ist es das erste Mal, dass ich Adele bei einem Duett erlebe.

    „Es geht auch um die Show, nicht nur um die Musik, sagt Adele irgendwann. Genau das ist Entertainment im herkömmlichen Sinne, wie bei einem Auftritt des vier Tage zuvor verstorbenen Zauberkünstlers Paul Daniels im Freizeitpark von Great Yarmouth oder in der alljährlichen Weihnachtssendung von Cilla Black, die die Zuschauer nun so schmerzlich vermissen. Adele spricht mit dem Publikum, genau wie sie. Fehlt nur noch, dass sie uns fragt, was sie mit irgendeinem schrecklichen Exfreund machen soll. „Den Löwen zum Fraß vorwerfen!, würde das Publikum dann wohl grölen.

    Adele hat diese besondere Gabe, das Publikum miteinzubeziehen und zu begeistern, die manche Stars heute auszeichnet. „Wenn ich das Wort ‚Oscar‘ in den Mund nehme, klingt das, als hätte ich sie nicht alle", sagt sie, bevor sie erzählt, wie Skyfall zustande kam. Damals, so gesteht sie, versuchte sie zu stillen beziehungsweise ‚abzupumpen und wegzukippen‘, wie sie es ausdrückt. Sie bringt uns sogar dazu, eine La-Ola zu machen. Uncool oder nicht, das ist ihr egal. Sie hat einfach Spaß daran.

    Damit schafft sie es dann endgültig, das Publikum mitzureißen. Gleich darauf stimmt sie Skyfall an, und ihre erhabene Stimme klingt so gar nicht mehr nach dem Mädchen aus Tottenham, das F-Wörter benutzt und so herzhaft lachen kann. Mittlerweile freue ich mich richtig auf die Pausen zwischen den Songs. Mit dem Satz: „Ich habe ein Vermögen damit gemacht, dass ich sauer auf jemanden war", bringt sie das ganze Publikum zum Lachen.

    Sie erzählt uns auch, wie sie Million Years Ago geschrieben hat, eine der melancholischen Balladen vom Album 25. Sie hatte eine Freundin besucht, die in Tulse Hill wohnt, nur eine halbe Meile von West Norwood entfernt, wo Adele ihre Teenagerzeit verbrachte. Sie musste daran denken, wie sie jeden Abend nach der Schule mit ihren Freunden im Brockwell Park „herumhing, um zu quatschen". Das machte sie so wehmütig, dass sie den Song in zehn Minuten fertiggestellt hatte.

    Der emotionalste Moment ist eindeutig der, als sie von ihrem kleinen Sohn Angelo spricht, der 2012 geboren wurde: „Er erfüllt mein Leben mit einer solchen Freude, mit so viel Sinn. Alles hat sich total verändert." Und man merkt ihr an, wie aufrichtig sie es meint.

    Dann geht es weiter mit Songs, in denen sich das Leben von heute spiegelt, wie Don’t Remember und Chasing Pavements. Vor fünf Jahren, erzählt Adele, hat sich für sie von heute auf morgen alles geändert, als sie mit Someone Like You bei den BRIT Awards auftrat. Damals bekam man eine Gänsehaut. Und jetzt scheint einem das Stück irgendwie so vertraut. Es ist immer noch ergreifend, aber es hat auch den Wohlfühlfaktor, den Songs einfach bekommen, wenn sie diesen Kultstatus erreicht haben. Das Stück hat ihr über schwierige Zeiten hinweggeholfen, sagt Adele und fügt hinzu: „Es hat mir das Leben gerettet."

    Mit Fire to the Rain geht das Main Set zu Ende. Dank Special Effects steht Adele dabei mit einem Schirm im strömenden Regen. In grauer Vorzeit, als es noch keine Handys gab, hätten wir alle unsere Feuerzeuge herausgekramt. Wie es heißt, ist Adele die Idee zu dem Song ja auch gekommen, als sie sich im Regen eine Zigarette anzünden wollte.

    Bei der Zugabe steht sie wieder auf der Plattform im Publikum. Ohne dass die Zuschauer es gemerkt haben, wurde sie in einer Art Altpapiercontainer von der großen Bühne zu der kleineren gekarrt. Als Erstes singt sie All I Ask, meinen Lieblingssong von 25 und sicher auch das traurigste Lied auf dem Album. Zum Glück gibt es keine Probleme mit dem Sound wie bei den Grammys. Das Stück ist unglaublich schwer zu singen, und ich finde, es ist das beste des ganzen Abends.

    Bevor sie uns dann in beschwingter Stimmung mit Rolling in the Deep den Heimweg antreten lässt, singt sie noch eine Ballade von ihrem neuen Album. Zu When We Were Young erscheinen auf der Leinwand Kinderfotos von Adele – eins davon mit zahnlosem Lächeln am Strand in Südwales mit ihrer Mutter.

    Ein seltener Blick auf das kleine Mädchen, das zu einem Weltstar wurde. Es sind Schnappschüsse, aber wie war sie als Kind, und wie ist sie heute, jetzt, wo sie selbst schon Mutter ist?

    TEIL 1 – WHEN SHE WAS YOUNG

    TEIL 1

    WHEN SHE WAS YOUNG

    1. EINE ÜBERRASCHENDE ANKÜNDIGUNG

    Das Livevideo zu Adeles Single When We Were Young von 2016 wirkt locker und ungezwungen. Adele trägt ein schickes schwarzes Outfit, im Hintergrund spielt die Band, und mit ihrer Powerstimme bringt sie die melancholische Ballade perfekt rüber. Das Video wurde in den topmodernen Church Studios aufgenommen, die in einer alten viktorianischen Kirche im vornehmen Crouch End von North London untergebracht sind. Und wie es der Zufall will, hat Adele Adkins’ Geschichte keine hundert Meter weit entfernt ihren Anfang genommen: im angesagten Pub The King’s Head.

    Heute gehören die Studios dem gefeierten Produzenten und Adeles langjährigem Weggefährten Paul Epworth, mit dem sie zwei ihrer bekanntesten Songs geschrieben hat: Rolling in the Deep und Skyfall. Früher, in den Achtzigern, waren es übrigens Annie Lennox und Dave Stewart, die den Studios Rang und Namen in der Londoner Musikszene verschafften. Als Eurythmics spielten sie im obersten Stockwerk ihr Debütalbum Sweet Dreams ein. Bald darauf wurden sie zu einem der erfolgreichsten Acts der Achtziger und erwarben schließlich das Gebäude mit den Studios, wo Superstars wie Bob Dylan, Depeche Mode und Elvis Costello ein und aus gingen.

    The King’s Head, der Pub ein Stück weiter unten an der Straße, Ecke Crouch Hill, stammt ebenfalls aus viktorianischer Zeit. Es hatte sich in den Achtzigern zu einer trendigen Bar für junge Leute entwickelt, die hofften, auf Tuchfühlung mit Musikern gehen zu können und vielleicht den einen oder anderen Star anzutreffen, der dort auf einen Drink einkehrte. Im Kellergeschoss befand sich einer jener kleinen Räume mit viel Atmosphäre, wo Comedians oder aufstrebende Bands auftraten. Mit etwas Glück konnte man in jenen Tagen Dave und Annie beim Jammen erleben. Es ist gut vorstellbar, dass Adele dort aufgetreten wäre, hätte sie damals ihre Karriere begonnen.

    Es war genau so ein Lokal, das eine achtzehnjährige Kunststudentin namens Penny Adkins anlockte. Sie kam an einem Sommerabend 1987 mit dem Bus aus Tottenham hierher, wo sie noch bei ihren Eltern wohnte, um sich mit Freunden zu treffen.

    Penny war groß, schlank, hatte rabenschwarzes Haar und stach aus der Menge heraus. An der Bar im Obergeschoss erregte sie die Aufmerksamkeit der meisten jungen Männer, so auch die eines breitschultrigen, gut aussehenden blonden Fensterputzers, der Marc Evans hieß und aus Südwales nach London gezogen war. In dem aufblühenden Stadtteil verdiente er mit seiner Arbeit gutes Geld.

    Es war nicht Liebe auf den ersten Blick, doch als Marc selbstbewusst zu Penny hinüberschlenderte, um etwas Small Talk zu machen und nach ihrer Telefonnummer zu fragen, lag eindeutig ein erotisches Knistern in der Luft. Marc, ein junger Mann von fünfundzwanzig Jahren, war nicht auf den Mund gefallen. In seinem ersten Jahr in London waren reihenweise junge Frauen seinem Charme erlegen.

    Er und sein jüngerer Bruder Richard wuchsen im walisischen Seebad Penarth auf. Inzwischen ist der Ort mit Cardiff zusammengewachsen, doch damals war es ein beschauliches Küstenstädtchen. John, der Vater, hatte sich selbstständig gemacht, nachdem er richtig erkannt hatte, dass es für einen Klempner immer etwas zu tun gab. Bald war er so erfolgreich, dass er für seine Familie ein viktorianisches Stadthaus mit fünf Schlafzimmern kaufen konnte. „Meine Eltern hatten sich ihre eigenen vier Wände mit ehrlicher, harter Handwerkerarbeit verdient", bemerkt Marc nicht ohne Stolz.

    Marcs Mutter Rose war gläubige Christin und über viele Jahre ein angesehenes Mitglied im Kirchenchor der Tabernacle Babtist Church. In seiner Jugend sang auch Marc im Chor, und zwar in der All Saints Church am Victoria Square in Penarth, zehn Minuten Fußmarsch entfernt. Rückblickend sieht er sich als „so eine Art Aled Jones vor dem Stimmbruch". Als Teenager wollte er Sänger oder Schauspieler werden. Er schrieb sogar Schauspielschulen an, entschied sich dann aber doch für eine Ausbildung zum Klempner, die er an einem technischen College in Llandaff absolvierte. Anschließend stieg er in das Geschäft seines Vaters ein. Sein Bruder Richard hatte unterdessen eine Laufbahn bei der Polizei eingeschlagen.

    Mit seinem himmelblauen MG Roadster und einer bildhübschen Freundin führte Marc das genüssliche Leben eines Penarth-Playboys. Als sich die Romanze abgekühlt hatte, fragte ihn sein bester Freund Nigel, ob er bei ihm einziehen wolle. Nigel studierte in London, und seine Eltern waren recht wohlhabend, sodass er sein Dasein nicht in Studentenwohnheimen zu fristen brauchte, sondern sich eine eigene Bleibe leisten konnte.

    Die Dreizimmerwohnung in der Turnpike Lane war günstig gelegen. Bis zum Crouch End oder nach Tottenham waren es nur etwa zwei Meilen. Marc fand rasch Arbeit als Abteilungsleiter in einer Filiale der Baumarktkette Wickes in Edmonton.

    Einmal kam ein älterer Herr in den Baumarkt und fragte nach „Mull. Er wolle das strapazierfähige Gewebe zur Fensterreinigung verwenden, sagte er. Die beiden kamen ins Gespräch, und er erzählte Marc, er verdiene sich eine goldene Nase damit, die Fenster neureicher Hausbesitzer zu putzen. Das brachte Marc auf eine Idee. Ein paar Tage später, an einem herrlichen Sommerabend, machte er sich mit Hemd und Krawatte schick und klopfte mit einer Leiter über der Schulter an die Türen erfolgversprechender Häuser im Crouch End und im benachbarten Highgate. „Guten Abend, Sir. Guten Abend, Madam. Möchten Sie Ihre Fenster putzen lassen?

    Für die zwanzig Minuten Arbeit, die er für die Reinigung der Fenster eines zweistöckigen Hauses mit jeweils zwei Zimmern pro Etage benötigte, strich er zehn oder fünfzehn Pfund ein. Als er etwas später Penny kennenlernte, war er auf dem besten Weg, seine zwanzigtausend Pfund pro Jahr zu verdienen. Das war damals ein hübsches Sümmchen für einen jungen Mann.

    Penny stammte aus North London. Sie wuchs aber nicht in Tottenham auf, sondern in der Chalfont Road in Islington, eine Meile vom ehemaligen Highbury-Fußballstadion entfernt, das 2006 geschlossen wurde. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass in ihrer Familie alle eingefleischte Arsenal-Fans waren. Daran änderte sich auch nichts, als ihre Mutter Doreen und ihr Vater John in eine Sozialbauwohnung der Tower-Gardens-Siedlung umzogen, die in unmittelbarer Nähe der betriebsamen Lordship Lane in Tottenham lag.

    Als Penny als Jüngste von fünf Geschwistern geboren wurde, verdiente John Adkins seinen Lebensunterhalt als Lastwagenfahrer. Später jedoch, als sie in die Oberstufe kam, arbeiteten er und seine Frau als Obst- und Gemüseverkäufer auf dem New Covent Garden Market in Nine Elms.

    Penny war künstlerisch veranlagt und zeigte schon früh Talent im Zeichnen und Malen. Oft saß sie stundenlang in ihrem Zimmer und zeichnete oder spielte auf ihrer geliebten Akustikgitarre. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, ihren Interessen nachzugehen und Kunst zu studieren. Also schrieb sie sich wie viele andere Studenten für einen einjährigen Grundlagenkurs ein und begann ihr Studium in Kunst und Design am College in Barnet.

    Penny stammte zwar aus einer typischen Familie der Nord-Londoner Arbeiterklasse, aber sie hatte nichts von deren rauen Ecken und Kanten abbekommen. Marc beschreibt sie so: „Penny spricht nicht mit diesem Cockney-Akzent. Sie könnte irgendwo in einen Pub marschieren, und man würde ihr nicht anmerken, dass sie aus einem Londoner Arbeiterviertel kommt. Das liegt aber nicht daran, dass sie sich für etwas Besseres hält – sie ist bloß zurückhaltend."

    Marc hatte zwar zu jener Zeit eine Freundin, trotzdem funkte es zwischen ihm und dem Teenager. „Sie war echt attraktiv. Lange, dunkle Haare, Beine bis zum Hals. Einfach toll. Da stimmte wirklich alles."

    Marc verschwendete keine Zeit und rief sie an, um ein Date auszumachen. Und ein paar Tage später trafen sie sich in seinem Lieblingspub Punch and Judy in Covent Garden. Obwohl sie sich näherkamen, war Marc schnell klar, dass Penny nicht zu der Sorte Mädchen gehörte, die beim ersten Date gleich ins Bett zu kriegen waren. „So war sie nun mal nicht", erinnert er sich.

    „Auf lange Sicht war es nicht die große Liebe", räumt er ein. Aber damals trafen sie sich weiterhin im Punch and Judy, das zu ihrer Stammkneipe wurde, und nach einigen Wochen kam Schwung in die Sache. Penny war einverstanden, die Nacht bei ihm in der Turnpike Lane zu verbringen.

    Etwa zwei Monate waren vergangen, seit sie sich kennengelernt hatten. Sie saßen wieder einmal im Punch and Judy, als Penny plötzlich herausplatzte: „Marc, ich bin schwanger. Er war völlig verdattert, setzte aber eine tapfere Miene auf und sagte zu seiner achtzehnjährigen Freundin: „Okay, Baby. Keine Sorge. Das kriegen wir schon hin.

    Ihrem zarten Alter zum Trotz erwies sich Penny als äußerst hart im Nehmen. Sie wollte das Kind bekommen. Das war für sie von Anfang an klar, und darüber gab es auch nichts zu diskutieren. Die größte Sorge der beiden war, wie sie die Nachricht Pennys Eltern beibringen sollten, die zum damaligen Zeitpunkt den neuen Freund ihrer Tochter noch nicht einmal zu Gesicht bekommen hatten.

    Marc mochte zwar ein Draufgänger sein, doch er hatte eine gute Erziehung genossen und wusste, was sich gehörte. Er wollte seine Freundin nicht im Stich lassen, wenn sie ihren Eltern die Neuigkeit verkündete. Also arrangierte Penny einen gemeinsamen Sonntagslunch. „Ich nahm mir vor, meinen Mann zu stehen, und so fuhr ich da hin und erklärte ihnen, dass ich der Vater bin. Sie fielen natürlich aus allen Wolken und fragten mich, wie ich mir das Ganze vorstelle. Und ich sagte, ich hätte keine Ahnung."

    Eine Woche später trafen sie sich wieder in ihrem Lieblingspub. Marc hatte einen Entschluss gefasst und fragte Penny, was sie in den nächsten dreißig Jahren vorhabe. „Wie wär’s, wenn wir die Sache offiziell machen? Obwohl sie mit ihren gerade einmal achtzehn Jahren schwanger war, sagte sie Nein, mit der Begründung, sie seien noch zu jung. Schon damals zeigte sich ihre Charakterstärke, und Marc sagt im Nachhinein: „Sie war ein sehr zielstrebiges junges Ding, schon eine sehr starke Frau. Hätte sie mich heiraten wollen, hätte sie gesagt: ‚Gut, okay, du hast mich gefragt, also ziehen wir das durch.‘ Aber das stand gar nicht zur Debatte. Sie dachte nicht einmal darüber nach. Wahrscheinlich hielt sie mich für einen Vorstadt-Casanova und dachte, es würde sowieso nicht hinhauen.

    Nun war es an Marc, seinen Eltern beibringen, dass sie zum ersten Mal Großeltern würden. Er nahm den Zug nach Penarth und erzählte ihnen, er habe ein Mädchen namens Penny kennengelernt, die jetzt von ihm schwanger sei. Sein Vater John, ein willensstarker Mann und alles andere als ein gefühlsduseliger Mensch, nahm die Nachricht unerwartet gelassen auf.

    In den folgenden neun Monaten standen für Marc und erst recht für Penny wichtige Entscheidungen an. Marcs Kumpel Nigel hatte eine Stelle als Bauinspektor für den Bezirk Tower Hamlets angenommen und zog nach Chingford in North-East London. Da Marc eine neue Bleibe brauchte, suchte er sich ein WG-Zimmer im Crouch End, um näher an seinem Arbeitsrevier zu wohnen. Penny hatte mittlerweile beschlossen, ihr Studium abzubrechen, damit sie sich voll und ganz um das Kind kümmern konnte. Da sie unbedingt allein zurechtkommen wollte, zog sie von zu Hause aus in eine Notunterkunft für alleinerziehende Mütter am Queen’s Drive, einem trostlosen Straßenzug in der Nähe der Finsbury Park Station. Zudem nahm sie die Unterstützung des National Childbirth Trust (NCT) in Anspruch, einer Wohltätigkeitsorganisation für junge Mütter.

    Marc besuchte sie regelmäßig, aber sie wirkten nicht wie ein Pärchen, das bis über beide Ohren verliebt war. Er war nicht der Typ, der seine Frau zum Geburtsvorbereitungskurs begleitet und ihr bei den Atemübungen die Hand hält.

    Zwei Wochen vor dem Geburtstermin klingelte bei Marc das Telefon, als er gerade beim Frühstück saß. Pennys Mutter Doreen war am Apparat. „Glückwunsch, Marc! Du bist Vater von einem Mädchen geworden." Trotz der Frühgeburt gab es keine Komplikationen, und das Baby wog gesunde 2567 Gramm.

    Marc flitzte schnurstracks zum Floristen, kaufte einen riesigen Blumenstrauß und sprang in den nächsten Bus, der ihn zum North Middlesex Hospital in Edmonton brachte, unweit der North Circular Road. Es war der 5. Mai 1988, als er seine Tochter zum ersten Mal in den Armen hielt.

    Jetzt fehlte den frischgebackenen Eltern nur noch ein Name für das Baby. Marc schlug vor, es Blue zu nennen. Das hatte allerdings nichts mit einer Vorliebe für Bluesmusik zu tun. Der Name gefiel ihm einfach, außerdem war Blau seine Lieblingsfarbe. Penny dachte kurz darüber nach und antwortete sehr bestimmt: „Blue kommt überhaupt nicht infrage."

    Sie hatte nämlich längst beschlossen, ihrer Tochter den Namen Adele zu geben. Eine ungewöhnliche Wahl, aber vielleicht lag gerade darin die Motivation. In der Literatur gibt es eine Adele im Klassiker Jane Eyre. Sie ist Rochesters junges französisches Mündel. Als Jane von Mr. Rochester als Adeles Gouvernante eingestellt wird, nimmt sie das Mädchen unter ihre Fittiche. Da Penny Kunst studierte, war ihr möglicherweise auch bekannt, dass die Mutter des postimpressionistischen Malers Toulouse-Lautrec Gräfin Adèle hieß.

    Beim zweiten Namen entschied sich Penny für Laurie, was sowohl auf einen Jungen als auch auf ein Mädchen passte. Als Zugeständnis an Marc war sie mit Blue als Drittnamen einverstanden, worüber er sich natürlich freute. Penny war jedoch nicht begeistert, als Marc seine Tochter fast nur noch Blue nannte. „Du sollst sie nicht so nennen. Sie heißt Adele", fauchte sie dann ärgerlich. Penny kürzte den Namen auch nie ab zu Addie oder Della. Da es in beiden Familien unüblich war, drei Vornamen zu tragen, war Adele Laurie Blue in dieser Hinsicht schon etwas Besonderes.

    Penny, die man nur einen Tag im Krankenhaus behalten hatte, musste zum Glück auch nicht lange am Queen’s Drive ausharren. Man wies ihr eine Dreizimmer-Sozialwohnung in der Shelbourne Road in Tottenham zu. Wenn der Wind aus der entsprechenden Richtung wehte, konnte sie samstags das Gejohle der Menge an der White Hart Lane hören. Die berühmte Heimspielstätte der Spurs lag keine Meile entfernt an der Park Lane, die ironischerweise den gleichen Namen trägt wie die berühmte Prachtstraße im West End, von deren Prunk sie allerdings meilenweit entfernt war.

    In Adeles Kindheit waren die Fußballfans, die mit ihren schwarz-weißen Tottenham-Hotspur-Schals zum Match pilgerten, ein gewohntes Bild. Der Fußball förderte das Zusammengehörigkeitsgefühl in einem sonst ziemlich desolaten Stadtteil. An Spieltagen verwandelten sich die Shelbourne Road und die umliegenden Straßen in einen einzigen riesigen Parkplatz.

    Die Spurs standen etwas im Schatten des benachbarten Arsenal, doch als Paul Gascoigne 1988 für 2,2 Millionen Pfund von Newcastle nach Tottenham wechselte, schien eine rosige Zukunft anzubrechen. Gazza verhalf Tottenham Hotspur in jener Saison zum sechsten Platz in der Premier League, aber Erster wurde wieder einmal Arsenal London – sehr zur Freude der Familie Adkins.

    Tottenham war damals ein heißer Anwärter auf die Trophäe für den unattraktivsten Wohnort Englands. Das negative Image hatte viel mit den berüchtigten Broadwater-Farm-Krawallen im Oktober 1985 zu tun. Penny ging noch zur Schule, als die perspektivlosen jungen Schwarzen aus dem Viertel die Straßen eroberten, um ihrem Unmut über den Tod von Cynthia Jarrett Luft zu machen. Die Mutter aus der Siedlung in der nahe gelegenen Thorpe Road erlag einem Herzinfarkt, als vier Polizeibeamte unangemeldet ihre Wohnung durchsuchten. Während der anschließenden Unruhen, bei denen auch Schusswaffen und Molotowcocktails zum Einsatz kamen, fiel der Polizist Keith Blakelock einer Messerstecherei zum Opfer.

    Marc half Penny beim Umzug in eine unmöblierte Wohnung, die sich im oberen Stockwerk eines Hauses befand. In der nicht gerade einladenden Straße sollten sie und ihre Tochter die nächsten neun Jahre verbringen. Das ältere Ehepaar Henry und Jane Barley aus der Wohnung unter ihnen hütete in den folgenden Jahren Adele, wenn ihre Mutter einmal außer Haus zu tun hatte. Marc wohnte vorerst nicht mit ihnen zusammen. Doch etwa einen Monat nach ihrem Einzug gab er seine eigene Bleibe auf und zog zu ihnen.

    Gemeinsam nahm die junge Familie den Zug nach Penarth, um Adele ihren walisischen Großeltern vorzustellen. Penny fühlte sich verständlicherweise etwas unbehaglich. Sie hatte Marcs Eltern nie zuvor gesehen und stand nun

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